Zitat von Ipsissimus:Das führt aber zu einer Grundsatzdiskussion darüber, was Demokratie ist. Wenn nicht nur verhindert werden muss, dass über bestimmte Dinge abgestimmt wird, sondern sogar, dass überhaupt über bestimmte Dinge abgestimmt werden kann, heißt das, dass eine Nation im Grunde nicht demokratiefähig ist und dass die Macht besser in der Hand von Eingeweihten aufgehoben ist, die wissen, was nötig ist. Oder was übersehe ich?
Du wirst lachen, aber gestern las ich auf der dlf-Seite ein Interview über Frau Noelle-Neumann, in dem darauf verwiesen wurde, daß sie maßgeblich den Gedanken der erst zu entwickelnden Demokratiefähigkeit von Menschengruppen entwickelt und verbreitet habe - der heute auch im Entwicklungsdiskurs immer wieder angewandt wird.
Ich bin da etwas unentschlossen.
Das Problem ist, daß ein Parlament erst in zweiter Linie Abstimmungsgremium ist, vorher ist es maßgeblich daran beteiligt, die jeweilige Regelung zu fassen und zu formulieren.
Das ist etwas, das bei Plebisziten bisher fehlt, es geht dort nur um eine Ja/Nein-Entscheidung.
Ich bin skeptisch, ob es möglich wäre, dies durch Bürgerausschüsse mit entsprechend breiter Beteiligung zu ändern]janw, die 'Opposition' hätte z.B. in der DDR-Volkskammer sicher auch sämtliche Entscheidungen der SED mitgetragen, wenn es dort eine solche Koalitionsanforderung gegeben hätte.[/QUOTE]
Das war ja nun auch eine besonders lupenreine Demokratie^^
Zitat von Traitor:Ich habe immer noch nicht die geringste Vorstellung, wie du das umsetzen und begründen willst. Nimm mal an, eine Partei/Koalition hat tatsächlich eine 2/3-Mehrheit. Eine "möglichst breit gestreute" 2/3-Mehrheit hieße, dass diese Mehrheit als Nebenbedingung hälftig aus Regierung und Opposition besteht, also 1/3+1/3 - entweder müsste die Hälfte der Regierung plötzlich gegenstimmen, oder es wäre einfach eine 100%-Mehrheit. Alternativ könntest du so viele Regierungsparlamentarier aussperren oder ihres Stimmrechts berauben, bis 2/3 des Rumpfparlaments nur noch mit Anteil aus der Opposition erreichbar wäre. Aber bei Forderung von "möglichst breit gestreut" ergäbe das wieder genau das gleiche Rechenbeispiel, bei Zwischenstufen ziemliche Willkür.
Außerdem müsstest du erstmal "Regierung"/"Koalition" strenger definieren, als das derzeit gehandhabt wird. Entweder müsste sich bei Regierungsbildung jeder Parlamentarier dauerhaft als "für" oder "dagegen" registrieren lassen und entsprechend beschränkte Stimmrechte bei "für" hinnehmen - Gleichheit des Mandats nicht mehr gegeben, Gewissensentscheidung stark eingeschränkt. Oder du müsstest jede Verfassungsänderungsabstimmung mit einer Vertrauensfrage kombinieren, auch sehr, sehr fragwürdig und deinen Wünschen auch noch kontraproduktiv, per totaler Gleichschaltung der Regierungsfraktion(en).
Naja, sieh Dir Ungarn an: Regierungskoalition hat 2/3 und stimmt damit Änderungen ab, die kaum je wieder zurück gederht werden können, weil die dann dazu nötige 2/3-Mehrheits-Regierung kaum erreichbar ist.
Wenn wirklich 2/3 des gesamten Parlaments zustimmen müssten, vielleicht die 2/3 sogar mindestens hälftig aufgeteilt, wäre eine derart handstreichartige Änderung der Verfassung durch ein politisches Lager nicht so leicht möglich.