Gleiche und Gleichere

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
Dämmerung
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Di 25. Jun 2013, 13:22 - Beitrag #1

Gleiche und Gleichere

Es ist womöglich der größte Steuerskandal der Nachkriegszeit. Mindestens zwölf Milliarden Euro könnten renommierte Banken und andere Finanzakteure vom Staat kassiert haben, schätzen Steuerrechtler. Die Banken haben sich vom Staat in großem Stil Steuern rückerstatten lassen, die sie zuvor nie gezahlt haben. ...

...

Es geht um Aktiengeschäfte, die die Finanzakteure allein zu dem Zweck unternahmen, um dabei in Besitz von Steuerbescheinigungen zu kommen. Diese ließen sie sich vom Finanzamt anschließend erstatten. Sie nutzten dazu die Feinheiten des Aktienhandels: Wer eine Aktie besitzt, kassiert dafür in der Regel eine Dividende, einen Gewinnanteil der Firma, an der er mit der Aktie beteiligt ist. Von dieser Dividende muss er 25 Prozent Kapitalertragssteuer abführen, was automatisch geschieht.Die Trickser benutzten nun so genannte Leerverkäufe, um ihre Operation einzufädeln. Bei Leerverkäufen verkauft jemand einem anderen eine Aktie, die er zum Zeitpunkt der Kaufabmachung noch gar nicht besitzt. Im Börsenhandel muss er die verkaufte Aktie innerhalb von zwei Tagen dem Käufer übergeben - so viel Zeit hat er jetzt, sich die fragliche Aktie im außerbörslichen Markt irgendwo zu besorgen. Dieses Geschäft - eine im Prinzip völlig übliche Börsentransaktion - benutzten die Trickser, indem sie den Leerverkauf kurz vor dem Tag starteten, an dem die Dividende fällig wird. Dann erhielt der Inhaber der Aktie (bevor sie ihm abgekauft wird) seine Dividende, auf die er Steuern zahlte und einen entsprechenden Bescheid erhält. Gleichzeitig aber bekam der Käufer der Aktie ebenfalls einen Bescheid, obwohl er gar keine Steuer abgeführt hat. Damit kann er sich den entsprechenden Betrag vom Staat holen.



http://www.stern.de/wirtschaft/news/bankentrick-kostet-staat-milliarden-viertausend-mal-uli-hoeness-2029519.html

Traitor
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Di 25. Jun 2013, 21:07 - Beitrag #2

Hm, das ging doch schonmal vor ein paar Wochen oder Monaten durch die Medien...? Macht es nicht weniger skandalös, aber auch nicht gerade zu einem investigativem Durchbruch des Sterns. ;)

Zeigt auf jeden Fall mal wieder zwei Dinge:
1) Viele Gesetze sind aus purer Dummheit oder hinter angeblicher Dummheit versteckter Korruption fehlerhaft.
2) Das Tatzeitprinzip darf nicht für das Ausnutzen offenkundiger Lücken gelten; sprich, in derartigen Fällen müsste es vollständige Rückforderungen geben.

Lykurg
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Do 27. Jun 2013, 11:21 - Beitrag #3

3) Das geltende Steuersystem ist viel zu kompliziert und fehlerhaft. Sämtliche Formen von Abschreibungen, Vergünstigungen, direkten und indirekten Subventionen etc. sollten abgeschafft werden zugunsten eines niedrigeren, aber dann allgemeingültigen Steuersatzes (z.B. die dreistufige Einkommenssteuer). Vermögen und Kapitalerträge resultieren aus bereits versteuertem Einkommen; wenn diese Prämisse sichergestellt ist, sollten sie nicht besteuert werden.

janw
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Do 27. Jun 2013, 20:05 - Beitrag #4

Mittlerweile sind Leerverkäufe meines Wissens verboten, so daß derartige Praxis wohl nicht mehr möglich sein dürfte.

Lykurg, Entflechtung der Ausnahmetatbestände und Vergünstigungen - sicher sinnvoll, allerdings entstehen dann neue Bürokratien dafür, mit extra Wegen, Belegerfordernissen usw. für den Bürger.
Wie dann das Partnersplitting unterbringen?

Stufensteuersystem: No nada niente! Wer in den Grenzbereich kommt, verliert ggf. maximal, und im oberen Bereich wird ungerechtfertigt bereichert.

Kapitalerträge: Basis ist versteuertes Einkommen, aber der Ertrag ist ein neues Einkommen, und im Verhältnis zu Arbeitseinkommen oft exorbitant, und deshalb unbedingt zu besteuern.
In meinen Augen müsste es in bestimmten Fällen sogar sozialabgabenpflichtig sein - auch wer sich allein aus Kapitaleinkünften finanziert, kann in die Lage kommen, das Sozialsystem in Anspruch nehmen zu müssen.
Und es gab da mal so ein Schimpfwort aus dem blaugelben Lager...leistungsloses Einkommen ;)
Niemand verdient eine Dividende so, wie er ein Arbeitseinkommen verdient.

Traitor
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Do 27. Jun 2013, 21:08 - Beitrag #5

@Lykurg: Erster Satz ja, Rest nein.

Im einzelnen:
Komplett auf Subventionen zu verzichten bedeutet staatliche Impotenz, das ist ein wesentliches Steuerungsmittel. Nur müsste jede Subvention zeitlich begrenzt sein und ihre Verlängerung an klare Kriterien geknüpft.

Manche Formen von Steuervergünstigungen sind essentiell für die soziale Gerechtigkeit, insbesondere der Grundfreibetrag und alles kinder- und bildungsbezogene. Firmen allerdings, um die es hier ja geht, brauchen eigentlich keinerlei Vergünstigungen, die sich nur aus ihrer Geschäftsstruktur ergeben, außer die zum Erreichen bestimmter außerwirtschaftlicher Ziele relevanten Subventionen.

Ernstzunehmende Gründe für ein Stufensteuersystem gibt es doch spätestens seit der Existenz von Computern nicht mehr, ein kontinuierlich steigender Satz ist viel fairer und transparenter.

Und diese Steuerstruktur muss eben "allgemeingültig" sein, wie du schon richtig sagst, aber warum sollte Allgemeingültigkeit nur Arbeitseinkommen beinhalten? Gegen das Argument "das Kapital wurde schon versteuert" gibt es simple Absurditätsbeisspiele, schließlich sind indirekte Investitionseinkommen auch nicht steuerfrei. Z.B. nehme zwei Leute, die sagen wir von 18-25 den gleichen Job mit gleichem Einkommen hatten und danach 100k€ auf der hohen Kante. A behält seinen Job und legt das Geld in Konten oder Aktien an, B gibt es für ein Studium oder eine Firmengründung aus, sodass er nach einiger Zeit einen besseren Job mit höherem Einkommen hat. As Zinseinkommen bleibt nach deinem Modell steuerfrei, Bs Mehrverdienst nicht. Warum soll das gerecht sein?

Der grundsätzliche Perspektivenkonflikt zwischen "Liberalen" und Sozialen scheint mir zu sein, dass die Liberalen immer über eine Umverteilung "von mir zum Staat" reden, bei der man selbst das Geld nur durch eigene Leistung aus dem Nichts generiert hat und es dafür auf der Staatsseite wieder im Nichts verschwindet. Während aus sozialer Perspektive das vom Vermögenden "verdiente" Geld auch nur von anderswo zu ihm transferiert wurde und der Staat es wieder an andere, Bedürftigere, zurückverteilt.

@Jan: Warum weniger Absetzmöglichkeiten mehr Bürokratie bedeuten sollen, erschließt sich mir allerdings nicht.

PS: "Leerverkäufe" an und für sich sind nicht reguliert oder gar verboten, nur bestimmte Formen.


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