Wie hehr die Motive waren, lässt sich für mich schwer beurteilen. Chelsea/Bradley Manning hat wohl zu dieser Zeit verschiedenste Symptome psychischer Instablität gezeigt, darf man Wikipedia trauen. Inwieweit man sein/ihr Verhalten als heroisch, als wohlüberlegten Beschluss zu Wohle der Menschheit betrachten kann, ist für mich eher unklar.
Der Vergleich zum Tyrannenmord ist sicherlich nicht ganz falsch, aber vielleicht ein bisschen hoch gegriffen. Selbstjustiz ist wohl ein anderes Wort dafür. Nehmen wir mal als Beispiel den folgenden Fall an: Person A hat vergewaltigt, gemordet oder was auch immer welches schlimme Verbrechen begangen, wird aber aufgrund der Korruption eines Richters nicht verurteilt. Person B hält Beschwerden bei übergeordneten Stellen etc. nicht für aussichtsreich und erschießt Person A oder schlägt ihn zusammen. Sollte Person B bestraft werden?
Meine Antwort heißt ja. Die mildernden Umstände sollten stark zur Geltung kommen, die Strafe sollte nicht hoch sein, aber bestraft werden sollte Person B.
Manchmal gibt es quasi zwingende Gründe, Gesetze zu brechen, übergesetzliche Notstände wie man sagt - wo man Leute nicht bestrafen würde/sollte. Wenn aber jemand nur recht gute Gründe hat, ein Gesetz zu brechen und man ihm das durchgehen lässt, kann eben der nächste kommen und ebenfalls ein Gesetz brechen, obgleich seine Gründe nicht so gut waren.
@Traitor:
@Padreic: Umgekehrt fände ich es wichtig, ein Zeichen zu setzen, dass so ein Verhalten tolerabel und wünschenswert ist. Zumindest generell, nicht unbedingt in dieser Ausführung. Mündige Bürger (auch, wenn die Verteidigung es wohl zuletzt so darstellen wollte, als sei Manning eben keiner...) müssen in der Verantwortung stehen, extreme Rechtsbrüche ihrer Vorgesetzten oder des Staates insgesamt aufzudecken. Und Hoffnung haben, damit durchzukommen - zumindest, wenn sie es schaffen, die schädlichen Nebeneffekte dieser Veröffentlichungen zu minimieren. Dafür, letzteres nichtmal versucht zu haben, würde ich Manning bei genauer Kenntnis der Faktenlage vielleicht verurteilen wollen; für den Akt des Geheimnisbruchs an sich auf keinen Fall.
Da kann ich dir im Prinzip durchaus zustimmen. Ich habe die Urteilsbegründung nicht gelesen, aber rein hätte auf jeden Fall gehört zu sagen, dass unter bestimmten Umständen, die gezielte Offenlegung eines Geheimnis durchaus ok sein kann; dass aber die Offenlegung in diesem Fall zu ungefiltert und umfassend war. Und dann hätte man meinetwegen eine Strafe von 2 Jahren oder so beschließen können. [die dann schon in Untersuchungshaft abgegolten gewesen wäre.]
Am konkreten Strafverhalt finde ich die (potentiell) 35 Jahre Haft eigentlich weniger beschämend für die US-Justiz als die schlimmen Untersuchungshaftbedingungen. Ersteres entspricht den Gesetzen; letzteres ist auch nach amerikanischen Gesetzen sicherlich illegal oder fragwürdig.
@Ipsi
Und nein, nicht die Offenlegung von begangenen Kriegsverbrechen führt zu Hass, begangene Kriegsverbrechen führen zu Hass. Zu mehr Hass führt dann nur noch der Versuch der Verschleierung und der Deckung der Scheißkerle
Ich denke, dass ist nur teilweise korrekt. Es sind offengelegte Kriegsverbrechen, die zu Hass oder Wut führen. Man kann natürlich nicht den schwarzen Peter dem Offenleger zuschieben. Das heißt aber nicht, dass dieser nicht die Folgen seines Handelns bedenken sollte und auch eine moralische Verantwortung trägt.
Man muss ein Kriegsverbrechen auch nicht unbedingt aktiv verschleiern, damit es keine große Öffentlichkeit kriegt. Dazu genügt es häufig, kein Video davon zu machen, was dann ins Internet gestellt wird. Es macht immer einen Unterschied, ob die Leute im Prinzip wissen, dass da auch Zivilisten getötet werden etc., oder ob sie ein konkretes Video davon sehen; die emotionale Wirkung ist einfach eine andere.
Man kann natürlich sagen: Wenn da Verbrechen waren, ist Wut und Hass natürlich nur richtig. Aber so problematisch die USA häufig auch agieren: Die Situation in Afghanistan und dem Irak wäre sicherlich deutlich besser, wenn alle Leute den USA dort mit Vertrauen und Sympathie begegnen würden. [Genauso wie es wichtig ist, dass die Leute bei allen faktischen Justizfehlern ein prinzipielles Vertrauen in die Justiz als möglichen Rechtsquell behalten; verlieren sie den ganz, können Zustände eintreten, die weitaus schlimmer sind als die begangenen Justizfehler.] Sogar einem echten Diktator Vertrauen und Sympathie zu schenken, mag manches Mal besser zu sein als ihn gewaltsam zu bekämpfen wie man gerade in Syrien sieht. Auch gerechter Zorn kann gefährlich sein; und gerade deshalb kann es die "Wahrheit" auch sein.
Menschen, für die moralische Erwägungen nur Mittel zum Zweck oder gänzlich lachhaft sind, werden in ungefilterten Reaktionen nur ein weiteres Mittel zu ihren Zwecken sehen.
Auch diese können betroffen darüber sein, was Leute eigentlich über sie denken.
Und zum Gültigkeitsbereich: Diejenigen, die für Manning diese Strafe durchgesetzt oder sogar die Todesstrafe gefordert haben, meinst du diesen Leuten sind moralische Erwägungen egal und lachhaft? Manchen vielleicht, was weiß ich, aber viele von ihnen haben sicherlich nur andere Prioritäten in ihrer Moral, den Schutz der amerikanischen Bevölkerung vor Verrätern beispielsweise. Selbst, wenn es gar keine solche Gefährdung gegeben haben mag, der Glaube an eine solche kann als Input in ein derartiges moralisches System eine große Wut auslösen.