Mitte - wo, wer, seit wann?
Verfasst: Mi 25. Sep 2013, 21:17
Aus dem Wahl-Thread:
Zu einer sauber analysierten und mit historischer Recherche abgesicherten Definition von "Mitte" fehlen mir immer noch Zeit und Nerv, daher erstmal nur ein paar intuitive Versuche, inklusive Teilwiderlegungen:
$this->bbcode_list('1')Realpolitische Definiton: "Mitte" = "im Parlament vertretene Partei, die je mindestens 1 Partei rechts und links von sich hat, und auch Koalitionsoptionen in jede Richtung". Demnach wäre das in den letzten Jahrzehnten meistens die FDP gewesen (insbesondere durch ihr legendäres Umfallen bewiesen), seit spätestens 2005 ist es dann die SPD. Programmatisch-relative Definition: "Mitte" = "Partei, deren Programm im gesamten Parteienspektrum inhaltlich im Mainstream zwischen extremen linken und rechten Positionen zu finden ist". Demnach gab es wohl früher, als CDU und SPD sich noch sehr polar gegenüberstanden, teilweise gar keine Partei der Mitte, spätestens seit 2005 sind es SPD und CDU, vielleicht auch seit 1990 oder so, und mit Abstrichen auch noch Grüne und FDP und diverse Splitterparteien. Programmatisch-absolute Definition: "Mitte" = "Partei mit gemäßigten, ausgleichenden Inhalten", ohne Bezug auf die Konkurrenz. Demnach war die CDU meines Erachtens bis inkl. dem 2005er Wahlkampf nie mittig, seitdem eingeschränkt; die SPD ist es spätestens seit 1998. Aber gerade "Absolutheit" ist halt in der Politik leider ein rein subjektiver Bewertungsmaßstab. Programmatisch-statistische Definition: "Mitte" = "Partei mit geringstem Links-Rechts-Index, wenn man alle Programme nach Wahlomaten-Methode in Thesen splittet, diese im Spektrum mit Rängen versieht und aufsummiert". Könnte man eine lustige Zahlenspielerei draus machen, wird die Subjektivität aber auch nicht los. Realentscheidungs-Definitionen: Wie 2-4, aber jeweils bewertet anhand der bisher tatsächlich gefällten Entscheidungen (aktiv in Regierungsverantwortung oder passiv zustimmend/ablehnend in der Opposition) anstatt des Programms. Quantitative Definition: "Mitte" = "Größte Partei". Klingt für mich am ehesten nach dem, was Ipsissimus und Lykurg vertreten. Meines Erachtens völlig untauglich, da überhaupt kein Zusammenhang mit dem Wort besteht und viel zu leicht pathologische Fälle konstruierbar sind (eine rechte Partei mit 11% vs. 9 linke Parteien mit je 10%...) Soziologische Definition: "Mitte" = "Partei, die mehrheitlich die Mittelschicht vertritt". Alternativ könntet ihr beide auch etwas in dieser Richtung meinen, fände ich dann zumindest deutlich nachvollziehbarer. Jenachdem, wie weit man die Mittelschicht fasst, gehen die beiden Definitionen in nicht-pathologischen Demographien ja auch ineinander über, s.u. Krankt aber halt an der schwammigen Definition. Quantitativ-soziologische Hybriddefinitionen Programmatisch-quantitativ-soziologische Hybridhybriddefinitionen - da wird es dann so komplex, dass es letztlich auch wieder sehr willkürlich wird... Historische Definitionen - irgendwie anhand des Werdegangs der Partei, Drift in die eine oder andere Richtung?
Zitat von Ipsissimus:Die erinnern sich nämlich noch daran, was die PdSK mal war, nämlich die SPD, eine linke Partei. In der Mitte gibt es schon die CDU, und das hat den Seeheimern offenbar niemand gesagt, dass da kein Platz für eine billige Kopie ist.
Zitat von Traitor:Ich kann deine These, die SPD wäre der CDU in die Mitte gefolgt, nicht teilen. Für mich war es genau andersherum. Die "Neue Mitte" war ein SPD-Begriff. Weder Kohl 1998, Stoiber 2002 oder Merkel 2005 waren Mitte. Erst in der Großen Koalition wurde die CDU zur Mitte hin gezähmt. Hätte sie nicht ein paar heftige soziologische Altlasten, wäre sie heutzutage sogar für mich fast wählbar.
Die SPD hat viel linkes verloren, ja, aber das meiste aus eigenem Antrieb. Dass sie heute prozentmäßig schlecht da steht, liegt nicht an den Inhalten, da ist sie absolut mainstreamtauglich, sondern an der wahrgenommenen personellen Inkompetenz.
Zitat von Ipsissimus:Charakterisiere bitte "Mitte", Traitor.
eben, die "neue Mitte" ... und wer war die alte, etablierte Mitte, wenn nicht die CDU?
Die SPD wurde als PdSK zur Partei einer "neuen Mitte", "neu" offenbar ein Euphemismus für "neoliberal" statt "sozial", und ebenso offenbar eine Phantasmagorie, wie die Stimmanteile seither immer wieder zeigen. Die Personalprobleme teilt sie mit allen etablierten Parteien.
Zitat von Traitor:Eine Definition von "Mitte" braucht etwas mehr Zeit und Elaboriertheit, aber pragmatisch definiert war die "alte Mitte" wohl mal die FDP der 70er bis 80er.
Ich sehe allerdings gerade, dass schon Brandt die "neue Mitte" bemühte, als Nachgeborener hatte ich das immer für originäre Schröder-Propaganda gehalten. Dann war die "alte Mitte" vielleicht gar das Zentrum...?
Die Personalprobleme gibt es im ganzen Spektrum, aber anscheinend werden sie bei der SPD stärker öffentlich wahrgenommen.
Zitat von Lykurg:Die FDP hätte ich allerdings auch nie als Mitte aufgefaßt. Union und SPD teilten sich diese Aufgabe, die CDU meist eher mittig, die SPD links und die CSU deutlich rechts davon, mit gelegentlichen Ausflügen.
Der FDP billige ich über den Liberalismus eine ähnliche Lagerungebundenheit zu wie den Grünen, also real, wenn auch nicht zwangsläufig, etwas weiter ins Rechte bzw. ins Linke schlagend.
Zitat von Ipsissimus:okay, dann hegen wir diesbezüglich völlig unterschiedliche Vorstellungen. Die CDU war für mich seit je der Inbegriff der "konservativen Mitte", und dass ich die SPD jemals in der Mitte verorten müsste, tauchte erst mit Schröder in meinen Albträumen auf, seither allerdings fest verankert
Zu einer sauber analysierten und mit historischer Recherche abgesicherten Definition von "Mitte" fehlen mir immer noch Zeit und Nerv, daher erstmal nur ein paar intuitive Versuche, inklusive Teilwiderlegungen:
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