Ich denke, da sind eine Reihe von Dingen zu betrachten. Für Wilhelmshaven muss man wohl etwas Geduld haben; es handelt sich nicht um einen neuen Hafen im hafentechnischen Nirgendwo, der durch staatlichen Druck zu voller Leistung gelangt, wie z.B. in Dalian, sondern er wurde in eine bestehende Hafen-Landschaft gebaut, in der die Häfen untereinander um die umschlagenden Schiffe konkurrieren. Mit dem Ausbau der Eisenbahnanbindung dürfte der Hafen attraktiver werden, auch für die Ansiedlung von Verarbeitern. Außerdem fällt die Inbetriebnahme in eine Krise der Schifffahrtsindustrie mit massiven Überkapazitäten und sehr niedrigen Frachtraten, in der die Reedereien vielleicht nicht so geneigt sind, neue Häfen in die Linienpläne aufzunehmen. Hier wird es in meinen Augen ein wichtiger Punkt sein, wie sich im Zuge des Flottenumbaus der Tiefgang der Schiffe verändert, ob die diskutierte neue Generation mit größerem Tiefgang wirklich kommt. Und damit wären wir bei der Elbvertiefung. Diese zielt nämlich gerade auf eine diskutierte neue Generation von Frachtern mit besonders großem Tiefgang ab, die dann weltweit nur noch wenig Häfen anlaufen können würde. Bisher ist meines Wissens noch keines dieser Schiffe irgendwo in Betrieb, noch in Bau, erst recht keine Flotte, die einen Ausbau wie in Hamburg erforderlich machen würde.
Letztlich denke ich, daß grundsätzlich eine Neubetrachtung der europäischen Verkehrsströme erfolgen müsste mit dem Ziel eine möglichst weitgehenden Vermeidung unbesondere des Straßenverkehrs. In diesem Sinne müsste die Konkurrenz der Häfen zu einer Kooperation aufgelöst werden, so daß die verschifften Güter jeweils dort angelandet werden, wo sie den kürzesten Weg zur Verarbeitung bzw. zum Endabnehmer haben. Damit würde Rotterdam zum Umschlagsort für den Westen, Wilhelmshaven für die Mitte und Anbindung in Richtung Ruhrgebiet usw., Hamburg für den Osten einschließlich Baltikum. Dies könnte vielleicht durch Umschlag auf Feederschiffe unterstützt werden, die kleiner und wendiger sind und ihre Ladung zielgerichtet verteilen könnten. Damit würde sich das Hamburger Tiefgangsproblem zumindest teilweise geben, und die dortige Verarbeitungsindustrie würde trotzdem gut versorgt werden.
@ Ipsi: Die Nordsee hat einige Probleme, aber gar so tot ist sie nicht. Und die Elbmündung ist da etwas Besonderes, weil es ein durch die Tide beeinflusster Bereich von etwa 100 km Länge mit Brackwasser ist. Du hast aber ansonsten recht, die von den Politikern beschworene Versöhnung von Ökologie und Ökonomie ist zum Lachen, um nicht auf finstere Gedanken zu kommen, und die Sache hat schon etwas End-zeitliches: Es wäre die letzte Vertiefung, die noch möglich wäre, wenn man nicht die Nordsee nach Hamburg hinein holen wollte.
|