Janukowytsch - Der starke Mann in Kiew und die anderen

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Maglor
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Di 4. Feb 2014, 23:39 - Beitrag #1

Janukowytsch - Der starke Mann in Kiew und die anderen

Was ist los in der Ukraine?
2004 wurde Wiktor Janukowytsch zum Präsidenten gewählt. Nach Massenprotesten und Gerichtsurteilen kam es zu Neuwahlen. Das war dann die orangene Revolution. Die genauen Hintergründe der Wahlmanipulatin und der Dioxinvergiftung des politschen Gegner Juschtschenko bleiben mysteriös und Neokaltkriegspropaganda überschattet.
Ende vom Lied war, dass Janukowytsch mit seiner Partei 2010 wieder ein Wahlsieg gelang, sprich wieder demokratisch an die Macht gelangte.

Freiheit oder Tod - warum geht es?
Auf der einen Seite stehen superreiche Oppositionelle, die mit der Regierung offenbar auf Kriegsfuß stehen und mit der Gewalts eines Mobs drohen, der gar nicht unter ihrer Kontrolle steht.
Angeblich geht es ja nur um billiges Gas und ein besseres Angebot der Russen.
Die in früheren Jahren an die große Glocke gehängte innerukrainische Sprachen- und Nationalitätenfragen - also Klein- gegen Großrussen - scheint keine Rolle mehr in der Propaganda zu spielen.

Niemand kann zwei Herren dienen, entweder Gott oder dem Satan.

Ipsissimus
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Mi 5. Feb 2014, 11:00 - Beitrag #2

Ja, so ganz klipp und klar blicke ich da auch nicht durch. Meine beste Vermutung dreht sich darum, dass es seitens ukrainischer Mafia ein Interesse an der Destabilisierung des Staates gibt, wie die Vorgänge der letzten Jahre um Julia Timoschenko zeigen, die ich im Wesentlichen für einen weiblichen Mafia-Paten halte, dem es gelungen ist, politische Macht in die Hand zu bekommen. Das Problem scheint darin zu bestehen, dass es in der Ukraine ausschließlich um die Frage geht, welche Mafia-Familie den capo di capi stellt - Janukowytsch demokratische Legitimation zuzubilligen übersieht die Anfänge seines politischen Aufstiegs. Die derzeitige Opposition ist m.E. irregeführt und reines Mittel zum Zweck, Klitschko bestenfalls ein naiver Emporkömmling, der aufgrund seines Ruhms im Westen als nützlicher Depp benutzt wird.

Ich denke, die Oligarchen werden es richten. Mitte des Jahres werden wir ihre weisen Beschlüsse anhand der politischen Lage erkennen.

janw
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Mi 5. Feb 2014, 15:47 - Beitrag #3

Es scheint mir ein Problem praktisch aller Bürgerbewegungen, daß sie zur Wahrnehmung und Wirksamkeit monolithisch erscheinen müssen, aufgrund der gesellschaftlichen Vielfalt aber zwangsläufig vielfältig sindhinsichtlich ihrer Motive, Ziele, und Methoden und ihnen dies dann sowohl von der herrschenden Macht wie auch von der äußeren Politik und den Medien irgendwann zum Nachteil wird.
Die Macht verweist auf junge Heißsporne, um die Bewegung zu diskreditieren, notfalls wird aktiv provoziert; die äußere Politik verweist auf das Fehlen eindeutiger Führung und universeller Ansprechpartner; die Medien verfolgen verlagsinterne Agenden und suchen sich Lieblingsgruppen zur Stützung ihrer Meinungslinie.

Ich sehe die Ukraine als geographisch und historisch vielfältiges Land an, das gemeinsame kulturelle Grundzüge trägt, wie die ukrainische Sprache, und verschiedene Affinitäten zu ihrer Nachbarschaft (Europa vs. Russland).
Differenzen zwischen den Generationen verstärken dies.

insofern denke ich, daß der äußerste Westen, der bis 1945 wechselnd zu Polen-Litauen, Österreich-Ungarn und Polen gehörte, natürlich eher nach Euopa tendiert, ein größerer Teil der Mitte sicher auch, wobei die Differenz zwischen der it Europa verbundenen Freiheitlichkeit und der mit Russland verbundenen Obrigkeitsstaatlichkeit sicher auch eine Rolle spielt. Der Osten ist wirtschaftlich monostrukturell geprägt mit Kohlen- und Stahlindustrie und einer starken Vernetzung mit Russland, zumindest die Älteren zugleich einer obrigkeitsstaatlichen Führung nicht abgeneigt.

Die Tatsache, wie sich die Proteste entwickeln, mittlerweile auch im Osten, ihre Dauer und die gesellschaftliche Durchsetzung lassen mich nicht unbedingt daran glauben, daß es allein um einen Clinch von Mafia-Clans geht.
Die von der Regierung aufgebotene Unterstützung erweist sich regelmäßig als bezahlte Gruppen, die keine eigenständigen Aktivitäten entfalten, es sei denn als Schlägertrupps.

Maglor
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Mi 5. Feb 2014, 23:44 - Beitrag #4

Zitat von janw:insofern denke ich, daß der äußerste Westen, der bis 1945 wechselnd zu Polen-Litauen, Österreich-Ungarn und Polen gehörte, natürlich eher nach Euopa tendiert, ein größerer Teil der Mitte sicher auch, wobei die Differenz zwischen der it Europa verbundenen Freiheitlichkeit und der mit Russland verbundenen Obrigkeitsstaatlichkeit sicher auch eine Rolle spielt.

Deine Vorstellung einer so alten ukrainischen Tradition ist naiv. Die Ukraine ist ein Land ohne jede Kontinuität. Nirgendwo in Europa wurde im 2. Weltkrieg mehr gemordet, vertrieben, deportiert oder verhungert. Das gilt insbesondere für die westliche Ukraine. Das gilt insbesondere für Deutsche, Juden und Polen, die vor dem Krieg und der späteren Westverschiebung Polens noch zahlreich waren. Die ukrainische Sowjetrepublik wurd mehrfach erweitert und zwar um Gebiete, die vorher zu Rumänien gehörten, später um das vorher autonome Krim-Gebiet.
Die Sache mit der Nationalität ist schwierig. Russisch und Ukrainisch sind sehr ähnlich Sprachen. Ein Großteil der Ukrainer spricht eine Mundart, die weder dem schulukrainisch, noch dem schulrussisch entspricht. Ob jemand gerade russisch oder ukrainisch spricht, ist umstritten.

Ich sehe nicht, was Juschtschenkos Versuch die russische Sprache zurückzudrängen freiheitlich war und was Janukowytschs Politik die russische Sprache und andere Minderheitensprachen regional zur zusätzlichen Amtssprache zu erheben obrigkeitsstaatlich sein soll.
Janukowytsch Partei trägt das Etikett "Partei der Regionen" und nicht einfach "Vaterland". Die Sache wird noch komplizierter, wenn man bedenkt, dass Janukowytsch mütterlicherseits polnische und weißrussische ggf. litauische Vorfahren hat.

Klitschko würde ich keineswegs als naiven Emporkömmling betrachten. Er spielt das Spiel schon 10 Jahre mit und im ukrainischen Parlament haben Handgreiflichkeiten Tradition, sodass ein Boxer dort sicher gute Chancen hat. Außerdem steht es ihm als Millionär natürlich frei Oligarch zu werden oder zu sein.

Ipsissimus
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Do 6. Feb 2014, 10:46 - Beitrag #5

Außerdem steht es ihm als Millionär natürlich frei Oligarch zu werden oder zu sein.
Oligarchen beginnen üblicherweise bei mehreren Milliarden^^

Womit du sicher recht hast, ist der Umstand, dass die westliche Sicht der Dinge eine parteiische ist. Janukowytsch schlägt sich nicht eindeutig auf die Seite der EU? Der Mann muss ein verbohrter Kommiss- und Kommunistenkopf sein, denn wir sind die Guten, also ist ein Verwerflicher, wer nicht zu uns will. Wir sehen das Deutungsprinzip überall, ob in der Ukraine, Syrien oder Ägypten, wo der Sturz eines demokratisch gewählten Präsidenten für unsere Medien gar nicht mal so schlimm ist, der Mann ist schließlich Islamist, also Teil der höllischen Heerscharen.

Aus meiner Sicht sind die Protestler in der Ukraine zwiegespalten, entweder irregeleitet oder Soldaten der Oligarchenszene. Aber sollen sie selbst herausfinden, dass Oligarchenherrscher - auf die es m.E. hinauslaufen wird - nicht wirklich freundliche Wesen sind.

Maglor
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Mi 12. Feb 2014, 22:23 - Beitrag #6

Das eigentliche Kuriosum in der Ukraine ist der frühere Präsident und orangene Revolutionsführer Wiktor Juschtschenko.
Zuletzt trat er öffentlich als Fürsprecher Janukowytschs auf, der ja eigentlich sein Todfeind im Wortsinne sein sollte. Ebenso verteidigte er in Interview die Vorurteilung seiner frühereren Verbündeten und Konkurrentin Julia Timoschenko.


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