Ukraine nach Janukowitsch

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Lykurg
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Mi 5. Mär 2014, 02:37 - Beitrag #21

Die Parallele zum Sudetenland war mir auch augenfällig; stärker noch vielleicht die zu Afghanistan: Daß Janukowitsch die russische Regierung und Armee schriftlich um HIlfe geboten hat (vorgeblich zum Schutz der Zivilbevölkerung) erinnert an die Situation 1979, mit dem Unterschied allerdings, daß diesmal offenbar weniger entgegensteht...
Im Laufe des Krisenjahrs 1979 hat die kommunistische Regierung Afghanistans die Sowjetunion ganze dreizehnmal dazu aufgefordert, militärisch einzugreifen. Doch Moskau verweigerte sich mit Verweis auf alle möglichen plausiblen Gründe: "Wir haben alle Aspekte dieses Vorgehens geprüft", erklärte ein sowjetischer Regierungsvertreter, "und sind zu dem Schluss gekommen, dass sich durch das Eingreifen unserer Truppen die Situation in ihrem Land nicht nur nicht verbessern, sondern sogar verschlimmern würde." Erst die Ermordung Tarakis scheint ein Umdenken in Moskau bewirkt zu haben.
Quelle
Nadschibullah und anderen ist übrigens die Nähe zu Rußland nicht dauerhaft gut bekommen. Ich könnte mir vorstellen, daß auch Janukowitsch durch seinen persönlichen "Hilferuf" einiges an Anhängerrn verprellt hat.

Feuerkopf
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Mi 5. Mär 2014, 09:48 - Beitrag #22

Ich glaube nicht, dass Putin ein Interesse daran hat, die Ukraine dem russischen Staatsgebiet einzuverleiben. Es geht m. M. nach mehr um die Wahrung von Einflusssphären: Das Liebäugeln der Ukraine mit EU und Nato kann ihm nicht gefallen. Einzig sinnvoll ist eine einigermaßen neutral agierende Ukraine, als ideologisch-wirtschaftlicher Puffer.
Außerdem: Was soll er mit einem Land, von dem zumindest die Hälfte ums Verrecken nicht zu Russland gehören will? Da kann er sich bei Stalin bedanken.

Traitor
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Mi 5. Mär 2014, 23:18 - Beitrag #23

Na bitte, geht doch, Hilary Clinton packt als erste den Hitler aus...

@Ipsissimus: Doof ist Putin sicher nicht. Aber ob er diesmal richtig abgeschätzt hat, wieviel Dreistigkeit er sich erlauben kann? Nicht in dem Sinne, dass auch nur irgendeine Gefahr bestünde, dass ihn die Krise seine Macht kosten könnte. Lediglich im Sinne der Kosten-Nutzen-Rechnung, diplomatisch wie wirtschaftlich. Im Zweifel schadet die Sache aber zumindest anderen mehr als ihm...
Bei der westlichen Beteiligung dagegen frage ich mich deutlich eher, ob es Hintersinn ist oder nicht nur Dummheit. Wenn sich schon der "Russland-Koordinator der Bundesregierung" völlig überrascht von der Entwicklung zeigt, ist doch sehr die Frage, wie gut informiert und intelligent schlussfolgernd man diese Region überhaupt auf dem Schirm hatte.

@Maglor: Gehst du tatsächlich von völkerrechtlicher Legalität, nicht Illegalität, aus...?
Den Sudetenvergleich habe ich doch absichtlich nicht als inhaltlich haltbar hingestellt, sondern nur als Vorwegnahme möglicher Propagandamuster - siehe oben zum Erfolg.

@Feuerkopf: Eine Komplettübernahme ist sicher weder angestrebt noch realistisch; wenn, dann eine Abspaltung der Ostgebiete und Krim. Vermutlich aber auch das nicht offiziell, sondern höchstens mit Etablierung international nicht anerkannter Satellitenstaaten à la Kaukasus.

Maglor
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Do 6. Mär 2014, 00:12 - Beitrag #24

Tatsächlich halte ich eine Legalität der derzeitigen russischen Politik für sehr wahrscheinlich. (Beim derzeitigen subjektiven Informationsstand ist ein Urteil sicher nicht möglich.)* Das Legalität der russischen Politik am Ende keine Rolle spielt, halte ich für sicher. Das Urteil stand schon vorher fest. Am Ende entscheiden Blut und Eisen oder die vernünftige Entscheidung, dass man die Sache nicht entscheiden wird. Die letztere Variante dürfte der Putin-Doktrin entsprechen. Er wird sich mit solchen Provisioren und ungelösten Separismen zufrieden geben und ähnlich wie 2008 in Georgien der anderen Seite die Rolle des Angreifers überlassen und dann mit ganzer Härte zuschlagen.

* Das die westliche Seite der Ukraine lügt wie gedrückt, setze ich voraus.

Zitat von Traitor:Vermutlich aber auch das nicht offiziell, sondern höchstens mit Etablierung international nicht anerkannter Satellitenstaaten à la Kaukasus.

Die Entwicklung im Kaukasus ist keineswegs abgeschlossen. Der Präsident von Südossetien forderte wiederholt den Anschluss seines Landes bzw. der abtrünnigen georgischen Provinz an die Russische Föderation. Aufgrund der fehlenden internationalen Anerkennung ist das Land vollkommen isoliert. Import und Export laufen nur über Russland. Mit ihren südossetischen Pässen können die Bewohner des winziges Landes nichts anfangen. Wenn sie ausreisen wollen, brauchen sie echten Pass. Die meisten Südosseten haben mittlerweile auch einen russischen Pass.
Das Ende der Satellitenstaaten steht meines Erachtens unmittelbar bevor. Derzeit wird in Russland die gesetzliche Grundlage zur Aufnahme neuer Gebiete in die Föderation geschaffen.

Lykurg
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Do 6. Mär 2014, 09:44 - Beitrag #25

@Maglor: spannend das mit dem neuen Föderationsgesetz. War das vorher schon geplant, oder ist das eine neue Entwicklung?

@Feuerkopf: Ich denke auch, daß ihm nicht Annexion, sondern irgendeine Zwischenlösung, und auch das nur für ein Teilgebiet, vorschwebt. Klar will er eine Westanbindung der Ukraine verhindern. Komplett schlucken kann er sie aber nicht, und würde er sich jetzt zurückziehen, wäre das Gegenteil erreicht. Also braucht er Druckmittel - wenn er die Krim und evtl. die Ostukraine in die russische Föderation übernähme, würde die W(/R)estukraine sicherlich um Nato-Beitritt ersuchen. Also wird er eher einen Status anstreben, der Spielräume läßt, zugleich aber die Westukrainer zwingt, aus Angst vor völligem Verlust der Gebiete in Verbindung mit Rußland zu bleiben: Mittelfristig eine möglichst weitgehende Autonomie der Gebiete unter de facto russischer Kontrolle, möglicherweise wie im Kaukasus, vielleicht auch nur wie ein großes Transnistrien.

@Traitor: Nicht nur Erler war überrascht, auch die US-Geheimdienste könnten ruhig mal ihre Spionagezielprioritäten überdenken... ;)
(Hier ein bißchen seriöser.)
Hillarious! Sie hat also die Debatte schon verloren? Schade eigentlich.

Maglor
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Do 6. Mär 2014, 23:11 - Beitrag #26

Bekanntermaßen hat die Übergangsregierung in Kiew für die Provinzen in der Ostukraine milliardenschwere Oligarchen eingesetzt. Das ist wohl ihre Art von Revolution.

Das allein mag schon Pointe genug sein, aber es kommt noch besser.
Ihor Kolomojskyj wurde vom Übergangspräsident zum Gouverneur von Dnipropetrowsk ernannt.
Wie ein schlechter Witz klingt es, dass Kolomojskyj eigentlich in der Schweiz. Er erklärte aber, er wolle in der Stadt mal vorbeischauen und sogar versuchen ukrainisch zu sprechen. (Wahrscheinlich ist der von des prowestlichen Regierung favosierten ostslawischen Dialekts nicht einmal mächtig.)
Der wahre Schenkelklopfer ist aber, dass Kolomojskyi nicht nur bekennender Jude ist, sondern neben der ukrainischen auch die israelische Staatsbürgerschaft besitzt. Er untersteht und unterstützt eine Regierung, deren Kabinett zu einem Viertel aus ausgewiesenen Antisemiten und noch mehr aus russophonen ukrainischen Nationalisten besteht, ist aber offenbar ein Jude, der der ukrainische Sprache nicht mächtig ist, und im Ausland lebt.
Väterchen Putin ist er auch schon aufgefallen, aber aus anderen Gründer. Putin bemerkte der neue Gouverneur sei ein Schurke und Betrüger, dem es so gelang russische Oligarchen über den Tisch zu ziehen. (Gibt es ein größeres Verbrechen als die Gründung einer Bank?) Kolomojskyj kontere gleich sachlich und nannte Putin einen kleinwüchsigen Schizophrenen. Die Moskauer Niederlassung von Kolomojskyjs Bank steht nunmehr unter Zwangsverwaltung der russischen Zentralbank.
Das ist ganz großes Kino. Schade ist nur, dass diese lebendige Karikatur von der Presse ernst genommen wird. :crazy:

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Fr 7. Mär 2014, 01:03 - Beitrag #27

Das ist tatsächlich eine humoristische Einlage von seltener Schönheit.
Ungewöhnlich finde ich aber auch diese Veröffentlichung des US-Außenministeriums. Das Staatsoberhaupt eines anderen Landes öffentlich der Lüge zu zeihen und die Lügen im Einzelnen nachzuweisen (wenn auch ohne Quellenangaben), ist eine Form von Diplomatie, die mich eher an Diplomacy erinnert als an ausgewachsene Politiker, die eine gewaltfreie Lösung anstreben...

janw
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Fr 7. Mär 2014, 02:35 - Beitrag #28

Nu, Maglor, ein bischen übertreibst Du schon. Kolomojskyi stammt nach der von Dir verlinkten Quelle aus Dnipropetrowsk, hat dort auch studiert und ist dann später in der Ukraine als Unternehmer tätig gewesen. Ihor ist die ukrainische Form von Igor. Erst unter der Regierung von Janukowytsch hat er sich in die Schweiz zurückgezogen und die israelische Staatsangehörigkeit angenommen.
Im übrigen, was ist ein "ausgewiesener Antisemit"? Es gibt in der politischen Szene der Kritiker des bisherigen Regimes Leute, die offen antisemitisch sind. Teils gehören diese der Swoboda-Partei an, meist aber eher extremeren Gruppen. Ich sehe gerade nicht, daß offen antisemitisch eingestellte Vertreter dieser Parteien eine überwältigende Macht in der jetzigen Regierung haben und habe auch noch keine entsprechenden Reaktionen aus Israel vernommen.
im übrigen haben antisemitische Einstellungen auch in der russischstämmigen Bevölkerung eine gewisse Verbreitung.

Ich will damit nicht sagen, daß ich ihn für die optimale Besetzung der Position halte, allerdings dürfte es hier das Problem gegeben haben, so schnell wie erforderlich andere Geeignetere zu finden, ein Problem jeder Regierung, die überstürzt ins Amt gekommen ist und vor einem Berg an Problemen steht. Man wird sehen, wie es mit ihm in Dnipropetrovsk läuft.

Maglor
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So 9. Mär 2014, 15:20 - Beitrag #29

@ janw
Bei Kolomojskyi habe ich natürlich übertrieben. Das war so auch meine Abischt. Dnipropetrowsk ist eine ukrainische Stadt, in der vorwiegend Russisch oder ein ukrainsch-russischer Mischdialekt gesprochen wird. Das hat aber gar nichts mit ukrainische Identität oder Nationalität zu tun. Dnipropetrowsk ist eine Stadt mit ukrainische Tradition und Geschichte und mehrheitlich ukrainisch-stämmiger Bevölkerung.

Zitat von Traitor:@Maglor: Gehst du tatsächlich von völkerrechtlicher Legalität, nicht Illegalität, aus...?

Hierzu hat der Spiegel exclusiv den Münchhausenchek geliefert. Demnach hat Putin recht und die Absetzung Janukowytsch war verfassungswidrig, woraus folgt, dass eben dieser noch immer der rechtsmäßige Präsident ist.

Beachtenswert finde ich hier auch den Ablauf der Ereignisse.
Die Gewalt am Maidan eskalierte am 18., mehr noch am 20. Februar.
Am 21. Februar kam es zum Kompromiss zwischen Janukowytsch und den Vertretern der Opposition. Am 22. Februar bestimmte das Parlament in Kiew die Absetzung Janokowytsch.

Die Krim-Krise begann am 21. Februar. Das Parlament in Simferopol, wollte eigentlich darüber abstimmen, ob es die Russische Föderation wegen der Gewalt in Kiew um Hilfe bitten soll. Die Abstimmung wurde durch die Besetzung des Parlaments durch krimtatarische Demonstranten verteitelt. An den folge Tagen kam es dort immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der Kiewer Übergangsregierung.
Am 27. Februar wurde das Parlament durch 30 bewaffnete prorussische Milizionäre besetzt, die eine Abstimmung über die Unabhängigkeit der Krim forderte. Das Krim-Parlament nahm seine Arbeit wieder daraufhin wieder auf und ernannte eine neue Regierung, die den Oberfehl über alles mögliche an sich riss. Von Seiten Kiews werden die Beschlüsse als verfassungswidrig erklärt. Bei der plötzlich aufgetauchten Miliz, soll es sich angeblich um Angehörige der russischen Schwarzmeerflotte handeln, als müsse man um 30 Mann unter Waffen aufzubringen, unbedingt auf die russische Schwarzmeerflotte zurückgreifen.

Alle tun so, als gäbe es kaum eine andere Erklärung für das Auftauchen dieser Milizen als die Schwarzmeerflotte, dabei war doch die Gründung dieser Milizen bereits angekündigt. An dieseNachrichterinnnert sich noch niemand mehr, stattdessen ist nur noch von den Russen die Rede, die keine Dienstabzeichen tragen.
Zitat von Tagesschau 21. Februar:Östliche Landesteile stellen Autorität des Parlaments infrage

Die aktuelle Entwicklung rückt die Frage nach einer möglichen Spaltung des Landes in den Vordergrund. Denn Gouverneure und Regionalabgeordnete im Osten des Landes, der bisherigen Hochburg Janukowitschs, stellten die "Legitimität und die Legalität" des Parlaments in Kiew in Frage und begründeten dies mit den jüngsten Beschlüssen. "Die Ereignisse in der ukrainischen Hauptstadt haben zur Lähmung der Zentralmacht und zur Destabilisierung der Regierung geführt", hieß es in einer Erklärung. Einige der versammelten Politiker riefen dazu auf, Freiwilligenverbände zum Schutz gegen die Gewalt von Demonstranten aus den prowestlichen Regionen aufzustellen.

Überläufer des ukrainischen Militärs und der Polizei, die sich der neuen Krim-Regierung angeschlossen haben sind auch bekannt.
Dass die Übergangsregierung in Kiew die 3000 Mann starke Spezialeinheit Berkut über Nacht auflöste, die sie für die Eskaltion der Gewalt verantwortlich macht, durfte taktisch nicht besonders klug sein. Dass sich die jetzt auf der Krim sammeln, liegt in de Natur der Sache.
Putin selbst und auch die Krim-Regierung aber nicht das geringste Interesse daran zu haben, aufzuklären, wer diese Milizen sind. Das Bedrohungsszenario funktioniert unanbhängig davon, ob es echte Russen oder nur ukrainische Russen sind, und das Bedrohungsszenario ist offensichtlich gewollt.

Mein Fazit:
Wenn der Machtwechsel in Kiew kein rechtsmäßiger Regierungswechsel, so ist er entweder Putsch oder Revolution. (Bei der Wertung könnte natürlich noch berücksichtigt werden, dass Janukowytsch demokratisch legitimiert war.) Folgerichtig wären die Ereignisse auf der Krim oder auch im Donez-Becken Konterrevolution oder Gegenputsch. Eine Wiedereinsetzung der Regierung ist meines Wissens aber gar nicht die konkrete Forderung auf der Krim. Die Foderung nach Unabhängkeit oder Anschluss an Russland wurde neu gestellt, ausgehend von den Ereignissen in Kiew.

Ipsissimus
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So 9. Mär 2014, 15:49 - Beitrag #30

jetzt bist du aber böse, Maglor^^ gut ist, was der EU politisch in den Kram passt, also im Kontext alles, was den lüsternen Blick gen Osten legitimiert. Ergo: die Russen sind böse, basta^^ wen interessieren da schon Fakten^^

Maglor
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So 9. Mär 2014, 16:51 - Beitrag #31

Zu Ergänzung meiner Boshaftigkeit möchte ich anmerken, dass ich nicht davon ausgehe, dass die neue Krim-Regierung ebenfalls nicht verfassungsgemäß korrekt eingesetzt wurde und auch nicht verfassungsgemäß arbeitet. Zumindest juristisch wäre es korrekter gewesen, sich als Anhänger des rechtmäßigen Präsidenten auszugeben und die Ukraine als ganzes zu fordern, indem man zum Marsch auf Kiew bläst. Faktisch wäre das sicher die größere Katastrophe gewesen.

Ipsissimus
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Di 11. Mär 2014, 12:45 - Beitrag #32


Maglor
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Mo 17. Mär 2014, 22:13 - Beitrag #33

Augstein hat hier ausnahmsweise einen pointierten Kommentar geliefert.

Was Augstein allerdings verkannt hat, ist die innerukrainische Dimension des Konflikts. Es ist nicht nur der Konflikt zweier Elefanten.
Eine Menge Leute dort ist heiß gelaufen und auf das Äußerste vorbereitet. Die Gefahr liegt nicht in der russischen Schwarzmeerflotte, den aufmarschierten russischen Truppen an der Grenze oder den über Polen manövrierenden NATO-Fliegern, sondern in den eilig aufgestellten Milizen beider Seiten, die nur scheinbar unter der Kontrolle der selbsternannten Regierungen stehen. Es ist eine Bombe, die jederzeit Platzen kann.
Ein Großteil der Bevölkerung mag es vielleicht tatsächlich pragmatisch sehen und dankbar den Verlockungen des russischen Sozialsystems nachgeben und Chruschtschows spontane Grenzziehung nicht als heilige Kuh oder nationale Schmach betrachten, aber es gibt sicher ein paar 1000 Mann, die offensichtlich bereit sind zu töten und sterben, für was oder wenn auch immer. Dies haben sie bewiesen. Grund zum Zweifeln gibt es nicht.
Und der innerukrainische Konflikt ist mit der Loslösung der Krim und dem baldigen faktischen Anschluss an Russland keineswegs gelöst, da auch in anderen Regionen der Ukraine der gleiche Ruf ertönt ist. Aber der rechte Sektor schießt ja nicht auf Demonstranten, sondern nur auf Kreml-Agenten.
Die Übergangsregierung in Kiew und die auf der Krim sind und waren nie zu Verhandlungen bereit. Niemand aus dem Ausland hat es für nötig gehalten sie zu Verhandlungen zu zwingen. Stattdessen wurden beide Seiten in ihrem Starrsinn stets durch die angeblichen Schutzmächte bestärkt.

Immer dieses Gerede vom selbsternannten Premierministern, selbsternannten Parlamenten, rechtswidrigen Abstimmungen ...
Wirklich selbsternannt sind die Schutzmächte und die Verbündeten aus dem Ausland, die eilig dem Feind des Feindes zur Hilfe eilten.

"Die Macht kommt aus den Fäusten und nicht aus dem guten Gesicht. Aus Mündungen kommt die Macht ja, und kommt aus den Mündern nicht", so heißt in einem (un)bekannten Lied von Wolf Biermann.
Am Ende entscheiden Blut und Eisen und es werden nicht die Russen oder die Amerikaner (oder Deutsche) sein, die ihre Söhne opfern, sondern die Ukrainer (egal ob russische, ukrainische oder tatarische Ukrainer), um die Sache zu entscheiden.
Am Ende wird einer über den anderen ein bisschen triumphieren und jubeln und der eine den anderen ergebnislos verurteilen.
Niemand kann zwei Herren dienen. Jeder muss sich entscheiden.
Es ist ein gefährliches Spiel. Der Westen hat nur die Taube auf dem Dach zu verlieren.

Maglor
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So 23. Mär 2014, 12:36 - Beitrag #34

Hier mal eine hörenswerte, tendenziöse Glosse mit fließendem Übergang zur Verschwörungstheorie: http://www.youtube.com/watch?v=88rjKrim Ukraine Fakten Lügen

Feuerkopf
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Di 25. Mär 2014, 13:28 - Beitrag #35

Was der NSA recht ist, ist dem russischen Geheimdienst billig:

Ich gebe mal eine fb-Meldung der Tageschau weiter.

tagesschau
"Ich bin bereit, eine Kalaschnikow in die Hand zu nehmen und diesem Dreckskerl [Putin] in die Stirn zu schießen", wettert die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko gegen Putin und die Russen. "Ich werde die ganze Welt erheben, sobald ich es kann, damit - verdammt - von Russland nicht einmal ein verbranntes Feld übrig bleibt."

Ein Mitschnitt des abgehörten Telefonats mit ihrem langjährigen Weggefährten Nestor Schufritsch hat der russische Sender "Russia Today" heute auf YouTube gestellt: https://www.youtube.com/watch?v=6RxSzSWbcxo


Schon wieder so eine lupenreine Demokratin...
Und, nein, mir ist die Lust auf Ironie in dieser Sache abhanden gekommen. Hier hilft nur noch Zynismus.

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Di 25. Mär 2014, 14:43 - Beitrag #36

SpOn brachte auch was dazu - demnach hat sie selbst die Echtheit des Gesprächs bestätigt, es sei nur an einer Stelle manipuliert worden: Ihre Aussage, man solle die acht Millionen Russen auf dem Territorium der Ukraine am besten "mit Atombomben erschießen" habe tatsächlich gelautet "Die Russen in der Ukraine sind auch Ukrainer." Sehr wahrscheinlich. :crazy:

Übrigens ist das jetzt schon mindestens das vierte vertrauliche Telefonat, das über youtube und russische Medien in die Öffentlichkeit gelangt. Die PR-Abteilung des FSB scheint besser zu arbeiten als die der NSA...

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Di 25. Mär 2014, 17:32 - Beitrag #37

interessantes Interview mit Scholl-Latour

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/ ... 52136.html

Beim jetzigen Maidan-Aufstand sehen Sie wieder Europäer und Amerikaner als Hintermänner?

Da kann ich nur sagen: Fuck the EU! Jetzt reden sie nicht mehr nur von einer wirtschaftlichen Assoziierung der Ukraine, sondern von einem Beitritt. Rumänien und Bulgarien waren schon überflüssig, wir hätten an den Grenzen des alten Osmanischen Reiches Schluss machen sollen mit der Konstruktion Europas. Wenn die mal auf die Landkarte gucken würden! Ich war in der Ostukraine, bis zur russischen Grenze, da ist man noch 300 Kilometer von Stalingrad entfernt. Das sollte einem doch zu denken geben. Wenn Europa überleben will, muss es sich auf ein paar starke Staaten konzentrieren. Da die Engländer voll auf die Amerikaner ausgerichtet sind, gibt es drei Länder, die dafür infrage kommen: das sogenannte Weimarer Dreieck aus Deutschland, Frankreich, Polen.

Gerade die Polen unterstützen doch die Entwicklung in der Ukraine.

Sie haben 300 Jahre lang unter russischer Knute gestanden, da kann man ihnen das nicht übelnehmen. Was man von uns nicht behaupten kann. Im Gegenteil: Die Russen haben unter uns gelitten. Wäre ich Russe, hätte ich auch nicht gern die Amerikaner an meiner Südküste. Das ist eine strategische Position. Und da spielen die USA verrückt im Moment. Die führen den Kalten Krieg fort.

Es war Putin, der mit der Annexion der Krim das Völkerrecht gebrochen hat.

Die Amerikaner müssen vom Völkerrecht reden! Wer Leute mit Drohnen ermorden lässt! Die sind selber in genügend Länder einmarschiert. Und im Irak haben sie uns total angeschmiert. Putin hat hundertmal recht auf die Krim. Die Menschen dort sind prorussisch.

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Di 25. Mär 2014, 21:15 - Beitrag #38

Wenn man sich dem Zeitgeist folgend nur über Russland ausregt, erkennt man gar nicht wie krank die Ukraine ist.
Die Ukraine braucht weder Russland und die EU. Die kommen schon ganz gut allein oder zu zweit zu recht.
Bereits in 90ern lieferten sich Kosaken und Krimtataren Massenschlägereien aufgrund von Nichtigkeiten. Zur gleichen Zeit lieferte sich Orthodoxie ein neues Schisma und das Kiewer Patriarchat spaltete sich von Moskau ab. Die Orthodoxie im Lande ist gespalten, im Osten dominiert noch immer das Moskauer Patriarchat.

Dmytro Jarosch, Anführer des sogenannten "rechter Sektors" und mittlerweile Präsidentschaftskandidat, forderte ein Verbot von Janukowytschs "Partei der Regionen" und der Kommunistischen Partei wird diskutiert.
Währenddessen werden Fernsehjournalisten mit abweichender Meinung von Schlägertrupps überfallen.
Opposition wird nicht mehr benötigt.
So ähnlich haben die ja auch Ägypten angefangen.

Lykurg
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So 30. Mär 2014, 16:21 - Beitrag #39

Maglor, nicht zu vergessen wirtschaftliche Schwäche und Perspektivenmangel - der blühendste Wirtschaftszweig dürfte die Korruption sein.
Immerhin aber hat man sich an eine leicht bearbeitete Auswahlausgabe der Krimschen Märchen gemacht:

KHM 004. Von einem, der auszog, das Fürchten zu lehren
KHM 097. Das Wässerchen des Lebens
KHM 100. Des Teufels russischer Bruder
KHM 101. Der Bärenhäuter
KHM 105. Märchen von der Unkraine
KHM 110. Der Jude im Don

Maglor
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So 30. Mär 2014, 17:16 - Beitrag #40

Das Märchen vom Schokoladen-König hast du jetzt aber unterschlagen. ;)

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