Einspeisevergütung, Emissionshandel und Energiewirtschaft

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
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Fr 21. Feb 2014, 13:51 - Beitrag #1

Einspeisevergütung, Emissionshandel und Energiewirtschaft

Es reicht eine Zahl, um den Irrsinn zu begreifen: Gut 19 Milliarden Euro haben die Deutschen vergangenes Jahr für Strom aus grünen Energien bezahlt, der am Markt nur zwei Milliarden Euro wert war. Über 17 Milliarden Euro haben die Verbraucher also zu viel bezahlt, das sind 215 Euro für jeden Bundesbürger und knapp 900 Euro für eine vierköpfige Familie.

[...]

Strom aus Wind und Sonne ist nicht nur aberwitzig teuer, es gibt mittlerweile auch so viel davon, dass ein Großteil entsorgt werden muss, indem man ihn in Niederlande oder Österreich verklappt. Allein 2013 wurden 33 TWh Ökostrom am deutschen Bedarf vorbeiproduziert. Bezahlen mussten die Bürger ihn trotzdem. Wenn schon Wahnsinn, dann hat er in Deutschland wenigstens System.

http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 54503.html

die Kolumne ist insgesamt recht interessant

Lykurg
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Fr 21. Feb 2014, 14:01 - Beitrag #2

Ja, fand ich auch nicht uninteressant - eines dieser Probleme ist aber, daß die Zahlen, die Gegner von Ökostrom gern heranziehen, oft auch die großen Summen beinhalten, die an Großverbraucher gezahlt werden, um ihre angeblichen bzw. vorgeblichen Mehrkosten zu kompensieren.
Wie neulich eine ARD-Reportage zeigte, verbrauchen viele Betriebe (z.B. Schlachthöfe) absichtlich mehr Strom und entlassen Mitarbeiter (bzw. lagern an Vertragsarbeiter und Schwarzarbeiter aus), um in der Kennziffer Verbrauch/Mitarbeiter zum "Großverbraucher" zu werden und in den Genuß von Fördermitteln zu kommen. Derartige grauzonig kriminelle Mißwirtschaft akzeptiere ich nicht als "Kosten der Energiewende".
Daß die Privathaushalte den größten Teil der Kosten tragen, während Industrie und Stromerzeuger z.T. noch reichlich daran verdienen, ist auch nicht gerade der Sinn des Umstiegs, sondern nur ein Abbild der wahren Machtverhältnisse.

janw
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Fr 21. Feb 2014, 14:13 - Beitrag #3

Diese Differenz ergibt sich aus der Einspeisevergütung: Die Hersteller von regenerativer Energie bekommen einen festen Betrag pro eingespeister Kilowattstunde, und die Verbraucher zahlen die Differenz zwischen diesem Betrag und dem tatsächlichen Markt-Strompreis.
Das ist zu Beginn, als die Anlagen sehr teuer waren, sinnvoll gewesen, zusammen mit den CO2-Zertifikaten, die zu einem entsprechenden Preis von konventionellem Strom führen sollten, allerdings eben zu lange so beibehalten worden, und die CO2-Zertifikate haben massiv an Wert verloren, ohne daß der eigentlich vorgesehene Rückkauf erfolgt ist. Ganz klar ein Fehler der Merkel-Rösler-Regierung.

Bei der Gelegenheit darf nicht übersehen werden, daß Kernenergie massiv subventioniert worden ist, und der Braunkohleabbau wird jeden Tag massiv durch für zulässig erklärten Verlust an Landschaft, Lebensräumen, Heimat subventioniert.

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Mo 24. Feb 2014, 13:50 - Beitrag #4

für die privaten Endkunden ist es aber belanglos, wieso sie soviel mehr an Stromkosten bezahlen müssen, Janw.

die CO2-Zertifikate sind auch so ein Dreck, bei dem die neoliberale Marktwirtschaft selbst noch im Homeland ihrer Gegner triumphieren konnte. Alle Kaufleute jubeln.

janw
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Mo 24. Feb 2014, 21:57 - Beitrag #5

Ipsi, ich habe von Anfang an bei dieser Einspeisevergütung gedacht "wenn das mal gut geht, bei der Laufzeit...das muss aber wirklich straff nachreguliert werden, wenn die Anlagen billiger werden".
Naja, es ist so gekommen, wie abzusehen. Gefällt mir überhaupt nicht, wie mir auch das aktive Werben mindestens eines Umweltverbandes für Windanlagenbeteiligungen völlig gegen den Strich geht.

Ipsissimus
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Mi 26. Feb 2014, 14:04 - Beitrag #6

ich war noch nie imstande, die Logik hinter einem Konzept zu erkennen, das mit dem Verkauf von Verschmutzungsrechten Umweltschutz betreiben will. Ja, ja, wir finanzieren damit Umweltschutztechnik. So naiv war ich noch nie.

janw
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Mi 26. Feb 2014, 16:27 - Beitrag #7

Naja, das ist ein Versuch, die Belastung und Verschmutzung der Umwelt als Kostenfaktor darzustellen und wirken zu lassen.
Der Ausstoß von CO2 führt zu Schäden, für die die Allgemeinheit aufkommen muss, nicht der Verursacher.
Diese Kosten werden bisher nirgends berücksichtigt oder eingepreist mit der Folge, daß z.B. eine ganz wesentliche Umweltauswirkung des Braunkohleabbaus und der Braunkohlenutzung nicht kompensiert wird und die Braunkohle einen hellen Anstrich bekommt, der ihr nicht zusteht.
Ebenso gibt es Maßnahmen, die zur Festlegung von Kohlenstoff führen, Aufforstung, die Entwicklung von Mooren usw.
Diese Leistung wird bisher nicht honoriert.

Deshalb die Idee, analog zur Vergabe z.B. von Wasserrechten auch Verschmutzungsrechte zu vergeben, die man als Verschmutzer kaufen muss und die ein "Aufräumer" bekommen kann.

Das Dumme ist nur, daß die Wirkung schneller technischer Neuerungen und von wirtschaftlichen Flauten nicht bedacht wurde, so daß es zu einer Inflation der Rechte gekommen ist.
Technokraten...

Ipsissimus
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Do 27. Feb 2014, 10:45 - Beitrag #8

Das "Dumme" ist eigentlich, dass von Anfang an die erzeugten Schäden und der dafür aufgewendete Ablass in keinem Verhältnis standen. Und das war noch eigentlicher gar nicht das Dumme daran sondern das Konzept dahinter^^ Dass es sich zusätzlich noch um eine über die Zeit sich immer weiter öffnende Schere handelt, unterstreicht nur das Konzeptuelle.

Aber mehr Sorgen macht mir die Bereitwilligkeit unserer medialen Öffentlichkeit, auf die Bauernfängerei hereinzufallen. Was kostet schon ein bisschen theoretisches Blabla? Und schon steht ein für alle unmittelbar einsichtiges Konstrukt im Vordergrund der Aufmerksamkeit: Wer verunreinigt, soll dafür bezahlen^^ geil, wer könnte was dagegen haben, endlich mal Verursacherprinzip gegen die Großen^^

Dass es bei ernstgenommenem Umweltschutz aber gar nicht darum gehen dürfte, hinterher aufzuräumen, sondern darum, vorher aufzuhören, vorher aufzuhören Boden, Wasser und Luft zu verunreinigen, vorher damit aufzuhören, die Wälder abzuholzen - meine Güte, so genau stecken die meisten von uns ja eh nicht in der Sache drin.

Emissionshandel heißt nur, dass ich mir mit - gar nicht mal so - viel Geld das Recht erkaufe, das tun zu dürfen, was ich eigentlich nicht tun darf. Das heißt, es ist mir gelungen, das, was vorher ein Vergehen war, in (m)ein verbrieftes Recht umzuwandeln. Und dass ich - nur als kleine Pointe - das dafür aufgewendete Geld in Form von Preisänderungen schon längst von den Endkunden, also den privaten Haushalten, wieder reingeholt habe - meine Güte, wer versteht schon so genau so komische Pointen oder wie Wertschöpfung arbeitet^^

Padreic
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Fr 28. Feb 2014, 02:23 - Beitrag #9

@Ipsi:
Emissionshandel heißt nur, dass ich mir mit - gar nicht mal so - viel Geld das Recht erkaufe, das tun zu dürfen, was ich eigentlich nicht tun darf. Das heißt, es ist mir gelungen, das, was vorher ein Vergehen war, in (m)ein verbrieftes Recht umzuwandeln.

Ich denke, das ist ein wenig irreführend. Es geht hier ja keineswegs um Verschmutzungen, die vorher illegal waren. Es geht darum, was vorher moralisch nicht in Ordnung war zwar nicht gerad in ein Verbrechen, aber in etwas, wofür man bezahlen muss, zu verwandeln. CO2 auszustoßen zu verbieten, würde ja auch nicht recht funktionieren - das wäre buchstäblich wie das Atmen zu verbieten.

Und dass ich - nur als kleine Pointe - das dafür aufgewendete Geld in Form von Preisänderungen schon längst von den Endkunden, also den privaten Haushalten, wieder reingeholt habe

Auch das stimmt nur teilweise. Gegeben eine Situation, wo man statt teure CO2-Rechte/andere Emissionsrechte zu kaufen, billiger eine Investition tätigen kann, sie zu reduzieren, so ist es wirtschaftlich lukrativ, letzteres zu tun. An die Verbraucher kann man die gestiegenen Kosten durch Emissionshandel im Normalfall (außer in einer Monopolsituation) nur im vollen Maße, falls es die Konkurrenten auch tun, wenn die Kosten also notwendig sind (sonst hätte man auch schon vorher die Preise erhöhen können), also nicht wenn man sie senken könnte durch Emissionsreduktion.

Ich will nicht über die Motive derjenigen spekulieren, die den Emissionshandel eingeführt haben (nur bei einem bin ich mir sicher: sie waren nicht homogen). Richtig implementiert halte ich sie aber durchaus für eine effektive (und auch effiziente) Maßnahme, CO2-Ausstoß (und meinetwegen auch andere Emissionen) zu reduzieren - wenn dies jedenfalls wirklich gewollt ist.
Der Hauptsinn des Emissionshandels ist ja keineswegs die Kosten von Umweltschäden von den Verursachern tragen zu lassen. Er ist vielmehr, zu ändern, was wirtschaftlich lukrativ ist - was im Normalfall heißt, zu ändern, was von Wirtschaftsunternehmen gemacht wird.

Ipsissimus
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Fr 28. Feb 2014, 12:38 - Beitrag #10

Zitat von Padreic:@Ipsi:
Emissionshandel heißt nur, dass ich mir mit - gar nicht mal so - viel Geld das Recht erkaufe, das tun zu dürfen, was ich eigentlich nicht tun darf. Das heißt, es ist mir gelungen, das, was vorher ein Vergehen war, in (m)ein verbrieftes Recht umzuwandeln.

Ich denke, das ist ein wenig irreführend. Es geht hier ja keineswegs um Verschmutzungen, die vorher illegal waren. Es geht darum, was vorher moralisch nicht in Ordnung war zwar nicht gerad in ein Verbrechen, aber in etwas, wofür man bezahlen muss, zu verwandeln. CO2 auszustoßen zu verbieten, würde ja auch nicht recht funktionieren - das wäre buchstäblich wie das Atmen zu verbieten.


Ich sehe noch nicht, dass dein Gedankengang meinen Gedankengang widerlegt, zumindest nicht unter der Prämisse, dass es um Umweltschutz gehen soll, und da wieder unter der Prämisse, dass wir die Grundlagen unserer Existenz auf diesem Planeten zerstören, wenn wir so weitermachen. Der Umwelt ist es herzlich egal, ob sie zerstört wird, ohne dass wir Geld zu ihrem Erhalt in den Kassen haben oder ob sie zerstört wird, während wir Geld zu ihrem Erhalt in den Kassen haben. Geld macht keinen Unterschied, solange wir es nicht zu konkreten und nach Wirkung und Umfang ausreichenden Schutzmaßnahmen einsetzen. Der Umwelt ist es überhaupt vollkommen egal, ob sie so ist, dass sich unter ihren Bedingungen Leben darauf entwickeln kann, oder ob sie so ist, dass unter ihren Bedingungen die Möglichkeit von Leben zunichte gemacht wird. Nur dem Leben könnte der Unterschied u.U. etwas ausmachen.


Gegeben eine Situation, wo man statt teure CO2-Rechte/andere Emissionsrechte zu kaufen, billiger eine Investition tätigen kann, sie zu reduzieren, so ist es wirtschaftlich lukrativ, letzteres zu tun.


Die Worte hör´ ich wohl, allein ich seh´ die Umsetzung. Und da ich die Umsetzung sehe, frag ich mich, wo wohl der Übermensch herkommen soll, der gegen geballte Lobbymacht und korrumpiertes politisches Wollen derartige Vorstellungen so durchsetzt, dass sie in der angedachten Weise funktionieren. Ich meine, diese zitierte Vorstellung steht am Anfang des Emissionshandels, und sie zeigt sich bemerkenswert ignorant gegen die Bedingungen von Realpolitik, was bei derartigen Vorstellungen durchaus als Standard charakterisiert werden kann.

An die Verbraucher kann man die gestiegenen Kosten durch Emissionshandel im Normalfall (außer in einer Monopolsituation) nur im vollen Maße, falls es die Konkurrenten auch tun, wenn die Kosten also notwendig sind (sonst hätte man auch schon vorher die Preise erhöhen können), also nicht wenn man sie senken könnte durch Emissionsreduktion.


Ich finde es immer wieder witzig, wenn ich von Strafen lese, die von Kartellbehörden gegen illegale Preisabsprachen ausgesprochen werden^^ Nachdem die betroffenen Firmen Milliarden eingefahren haben, müssen sie Millionen bezahlen^^ aus meiner Sicht ist das eine Art Sondersteuer^^ die auch schon längst in die Preise einkalkuliert ist^^

Richtig implementiert halte ich sie aber durchaus für eine effektive (und auch effiziente) Maßnahme, CO2-Ausstoß (und meinetwegen auch andere Emissionen) zu reduzieren - wenn dies jedenfalls wirklich gewollt ist.


ich nenne das: zuviele wenn^^ von denen mindestens zwei nicht als gegeben aufgefasst werden dürfen


Der Hauptsinn des Emissionshandels ist ja keineswegs die Kosten von Umweltschäden von den Verursachern tragen zu lassen.

Das dürfte hochgradig davon abhängen, wen du fragst^^ ein Politiker wird dir da immer mit offiziellem blabla, unter Austausch von Faktizität durch Proklamation, antworten. Die Antwort von Konzernchefs untereinander dürfte etwas anders ausfallen. Aber was wichtiger ist: wir sehen an der konkreten Preispolitik, dass der zitierte Satz falsch ist. Und natürlich: damit nicht zu sehr auffällt, dass wir faktisch gar nichts in den Händen halten, halten wir wenigstens die Theorie hoch.

Padreic
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Sa 1. Mär 2014, 02:04 - Beitrag #11

@Ipssisimus:
Die Worte hör´ ich wohl, allein ich seh´ die Umsetzung. Und da ich die Umsetzung sehe, frag ich mich, wo wohl der Übermensch herkommen soll, der gegen geballte Lobbymacht und korrumpiertes politisches Wollen derartige Vorstellungen so durchsetzt, dass sie in der angedachten Weise funktionieren

Eben diesen Einwand kannst du fast gegen jegliche Verbesserung von Zuständen machen, vor allem gegen jede umweltpolitische Verbesserung. Die mangelhafte Implementierung des Emissionshandel spricht höchstens genauso gegen das Prinzip des Emissionshandel wie die fehlende Implementierung von anderen Maßnahmen gegen diese spricht. Man kann daraus den Schluss ziehen, schlicht nicht mehr über umweltpolitische Verbesserungen zu reden und solche nicht mehr in Betracht zu ziehen. Ich halte das nicht für die beste Lösung.

Der Emissionshandel ist, denke ich, eine der Maßnahmen, die die größte Chance auf Realisierung haben. Ihn in vernünfiger Form zu realisieren, ist sicherlich immer noch schwierig durchzusetzen, aber keinesfalls schwieriger als bei vielen anderen Maßnahmen, eher einfacher.

Der Umwelt ist es herzlich egal, ob sie zerstört wird, ohne dass wir Geld zu ihrem Erhalt in den Kassen haben oder ob sie zerstört wird, während wir Geld zu ihrem Erhalt in den Kassen haben. Geld macht keinen Unterschied, solange wir es nicht zu konkreten und nach Wirkung und Umfang ausreichenden Schutzmaßnahmen einsetzen.

Den Sinn, den ich im (gut implementierten) Emissionshandel sehe, ist eben der folgende: Es ist eine Umweltschutzmaßnahme, die, für den Staat, kein Geld kostet. Vielmehr ist sie eine Art von Steuer, die die Motivationslage verschiebt, also die Unternehmen zu weniger Emission motiviert, da sich die hohen Emissionen für sie nicht mehr lohnen.
Fehlender Wille, ihn gut zu implementieren, ist kein prinzipieller Grund dagegen.

Ich finde es immer wieder witzig, wenn ich von Strafen lese, die von Kartellbehörden gegen illegale Preisabsprachen ausgesprochen werden^^ Nachdem die betroffenen Firmen Milliarden eingefahren haben, müssen sie Millionen bezahlen^^ aus meiner Sicht ist das eine Art Sondersteuer^^ die auch schon längst in die Preise einkalkuliert ist^^

Dafür, dass das Missverhältnis so groß ist, würde ich gerne Belege sehen. Sicher kommt es häufig vor, dass Unternehmen mit Preisabsprachen mehr Gewinn machen als Verlust - sonst würden sie es kaum machen. Gilt dies aber auch für vollständig aufgedeckte Preisabsprachen? Schließlich droht dann sowohl eine Strafe als auch Schadensersatz alljenen gegenüber, die zu viel bezahlt haben. Z. B. beim Schienenkartell von Thyssen-Krupp und co wurden schon 232 Millionen Strafe verhängt und allein die DB fordert 850 Millionen Schadensersatz. Oder man denke an die 561 Millionen Strafe für Microsoft, weil sie den Internet-Explorer und nur diesen mit Windows ausgeliefert haben; haben sie dadurch wirklich Milliarden-Gewinne gemacht - das dürfte unklar sein? Zu dem kommt natürlich noch der Imageverlust für das Unternehmen.
Ich denke, die Hauptgewinnmöglichkeit mit illegalen Preisabsprachen besteht, wenn diese geheim bleiben. Sie sind immer ein Risiko für das Unternehmen.

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Sa 1. Mär 2014, 13:01 - Beitrag #12

These Ipsissimus: Emissionshandel ist nicht nur in der Umsetzung, sondern schon vom Konzept her falsch.
Erwiderung Padreic: Das Konzept ist schon gut.
Antwort Ipsissimus: Du widerlegst mich nicht, aber stimmt schon, das Konzept ist ok, nur die Umsetzung schlecht.
Irgendwie verschließt sich mir die I-Logik. ;) Vielleicht wäre deine Position besser zu verstehen als "Wenn das Konzept aufginge, wäre es gut, aber nicht nur die konkret vorliegende Umsetzung ist schlecht, sondern das Konzept an sich ist so schwierig, dass es in der Realität gar keine gute Umsetzung geben kann"?

Ein großes Problem der zentralen Förder- und Steuermaßnahmen (Einspeisevergütung und CO2-Zertifikate), das hier noch gar nicht erwähnt wurde: es handelt sich allein um Umpreisungen der laufenden Stromproduktion, unabhängig von den Installationskosten der Kraftwerke. Ohne externe Steuerung dominieren aber die Erstanschaffungskosten, während die Produktionskosten nahezu verschwindend sind (bei Sonne+Wind sowieso, auch Kohle, Öl, Gas und Uran sind letztlich noch irre billig und auch die sekundären Betriebskosten gering). Sieht man an der regelmäßig berichteten Bedeutung "abgeschriebener" Altkraftwerke für die Erzeugerbilanzen. Die Folge ist, dass die Steuermaßnahmen enorm hoch ausfallen müssen, um die Rentabilität irgendwie zu verschieben. Ohne Steuerung blieben nur alte Dreckskraftwerke am Netz. Wird zu sehr nur an der positiven Stellschraube (Einspeisevergütung für Erneuerbare) gedreht, lohnt sich plötzlich alles, und solange es einen quasi unbegrenzten Markt gibt (dank Export), werden dann eben auf Staatskosten Erneuerbare gebaut und parallel die Dreckskraftwerke weiterbetrieben, um insgesamt mehr zu verdienen. Nur, wenn an negativen Stellschrauben (Verbote, Abgaben, Zertifikate) genug gedreht wird, kann man dem System unerwünschte Kraftwerke entziehen.

Im Zusammenhang damit ist auch der Spiegel-Satz "Strom aus Wind und Sonne ist nicht nur aberwitzig teuer, es gibt mittlerweile auch so viel davon, dass ein Großteil entsorgt werden muss, indem man ihn in Niederlande oder Österreich verklappt." absolut lächerlich. Stromexport ist keine "Verklappung", sondern ganz normale und legitime Weiternutzung. Dass ausgerechnet bei einem so immateriellen und per se vernetzten Gut wie Strom noch so extrem auf Nationalgrenzen geguckt wird wie bei kaum einer anderen Branche (hmm, außer anderen immateriellen und vernetzten Gütern wie Post, Telekommunikation, Geld... :crazy: ) ist eh albern. Aber gerade bei der Umstellung auf umweltfreundlicheren Strom und Fragen der Marktregulierung ist es essentiell, Angebot und Nachfrage (mindestens) europaweit zu betrachten.
Natürlich ist es aber eine der groteskesten Auswüche der derzeitigen deutschen Förderpraxis, dass (wenn ich es richtig verstehe) tatsächlich in die Berechnung des Aufpreises für deutsche Endverbraucher auch die exportierten Ökostrommengen eingehen.

@Padreic zu Preisabsprachen, aber nur ganz kurz, da deutlich off-topic: Die deutsche Bahn kann vielleicht von Thyssen-Krupp Schadensersatz fordern. Endverbraucher können das aber in fast keinem Fall, da die Anwaltskosten in völligem Missverhältnis zum Streitwert stünden und sie auch keine Rechnungen aufgehoben haben (Beispiel Bierpreisabsprachen letztens). Bei Strom wäre zumindest die rückwirkende Dokumentation (hoffentlich) besser, die Durchsetzung aber immer noch schwierig, wenn man es rein dem Gerichtsweg überlassen und keine staatlich verordnete automatische Rückzahlung veranlassen würde.

Lykurg
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Sa 1. Mär 2014, 15:32 - Beitrag #13

Zitat von Traitor:Dass ausgerechnet bei einem so immateriellen und per se vernetzten Gut wie Strom noch so extrem auf Nationalgrenzen geguckt wird wie bei kaum einer anderen Branche (hmm, außer anderen immateriellen und vernetzten Gütern wie Post, Telekommunikation, Geld... :crazy: ) ist eh albern. Aber gerade bei der Umstellung auf umweltfreundlicheren Strom und Fragen der Marktregulierung ist es essentiell, Angebot und Nachfrage (mindestens) europaweit zu betrachten.
Da gebe ich dir absolut recht! Große Aufregung über die Kosten, Risiken und problematische Ästhetik von Hochspannungsleitungen quer durchs Land, um den Windstrom von der Küste in den Süden zu bringen - aber grenzübergreifender Stromhandel, der eventuell effizientere Nutzung bedeuten würde, wird aus nationalpatriotischen 'Gründen' abgelehnt...

Ipsissimus
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Antwort Ipsissimus: Du widerlegst mich nicht, aber stimmt schon, das Konzept ist ok, nur die Umsetzung schlecht.
äh, habe ich an irgendeiner Stelle auch nur andeutungsweise gesagt, das Konzept sei ok? Da müsste ich aber schon schwer halluziniert haben^^ ich habe mich lediglich nicht mehr auf das Konzept konzentriert, weil die Diskussion sich auf die Umsetzung fokussierte. Das Konzept erachte ich als eine Form von dummdreister Bauernfängerei.

Deine weiteren Aussagen greifen weit über das Thema hinaus. Ganz grundsätzlich hält eben nicht jedermensch die EU - oder am fernen Horizont: die Weltregierung - für eine gelungene Idee, weder von der Umsetzung her noch vom Konzept^^ bis jetzt verfüge ich über keine Informationen, die eine wesentliche Revision meiner Ansicht erzwingen würden, wonach es sich bei der EU um eine Erfüllungsgehilfin zur Zerstörung der Nationalökonomien, alternativ auch zu ihrer Unterwerfung unter neoliberale Sklavenhalter handelt.

Traitor
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Sa 1. Mär 2014, 17:52 - Beitrag #15

"Die Worte hör´ ich wohl, allein ich seh´ die Umsetzung." hatte ich als Anerkennen eines gewissen Werts der Worte verstanden. Ansonsten finde ich, dass Padreic hier bereits eine recht überzeugende Apologetik des Konzepts präsentiert hat, die mit dem simplen Etikett "dummdreiste Bauernfängerei" so nicht erschlagen werden kann. Daher meine Kompromissnachfrage, ob es dir nicht doch "nur" um die (Un-)Praktikabilität einer zufriedenstellenden Umsetzung ging. Bzw. auf die "Bauernfängerei" bezogen, ob du die "nur" darin siehst, zu behaupten, soetwas könnte umgesetzt werden, oder schon darin, einen Nutzen zu postulieren für den rein hypothetischen Fall, dass es umgesetzt werden könnte.

Im Gegensatz zu dir verfüge ich über keine Informationen, die irgendeine Natürlichkeit und Wünschenswertheit von "Nationalökonomien" belegen würden, dafür aber über grundlegende Informationen aus Physik, Geologie, Meteorologie und Soziologie, die belegen, dass es europa- und weltweit verflochtene Problemfelder gibt. ;) Wie die konkrete Ausgestaltung einer/mehrerer diese angemessen behandelnden Regierung(en) aussieht, darüber kann man lange streiten, ob EU, Weltregierung oder nur informell kooperierende klassische Nationalstaaten; aber dass purer Isolationismus keine legitime Option ist, sollte nun wirklich offensichtlich sein. Aber wie du sagst, das greift weit über das Thema hinaus.

Ipsissimus
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Sa 1. Mär 2014, 21:36 - Beitrag #16

Es waren mit diesen Worten nicht die sachliche Anerkennung des Inhalts gemeint, sondern die Anerkennung des Umstands, dass dies offenbar Padreics Meinung ist.

Offenbar bin ich nicht imstande zu erkennen, wo Padreics Argumentation die These der Dummdreistigkeit widerlegt hat, auch nach deiner Unterstützung seiner Position nicht. Er paraphrasiert ein paar Auffassungen aus dem Handbuch für freie Marktwirtschaft - im Wesentlichen: der Markt wirds schon richten - und ignoriert dabei die Faktizität des tatsächlichen Wirtschaftslebens, oder anders gesagt: er steht auf Seiten der Theorie und ignoriert die Praxis. Diese Praxis sieht im Wesentlichen so aus, dass die Global Player nicht das Geringste für den Umweltschutz tun, was sie nicht in Form von Preissteigerungen an den Endkunden weitergeben können.

Was mich allerdings wirklich verwundert, ist der Umstand, dass ein offenbar so markt-afiner Mensch wie du zur Lösung von Problemen, die durch den freien Markt überhaupt erst entstanden sind, plötzlich auf die große Vereinheitlichung in Form der EU setzt, statt auf den Markt konkurrierender Konzepte, der sich aus dem Markt der Nationen ergäbe, wenn die europäischen Nationen sich nicht Schritt für Schritt überflüssig zu machen bestrebt wären.

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So 2. Mär 2014, 17:57 - Beitrag #17

"Dummdreistigkeit" ist keine These, sondern ein reines Totschlagargument, das man nicht sachlich widerlegen kann. Denn auf jede noch so komplexe Auslassung kann ja wieder geantwortet werden, dies sei nur (diesmal besser verbrämte) Dummdreistigkeit.

Die Diskrepanz von Theorie und Praxis dagegen ist ein fairer und vernünftiger Einwand. Und damit läuft die Debatte auf den Gegensatz von konstruktivistischer vs. falsifikatorischer Logik heraus - ist eine Theorie Mumpitz, solange keine einzige funktionierende praktische Implementation vorgeführt wurde, oder ist sie solange ein gültiger Vorschlag, bis sämtliche möglichen Implementationen als untauglich erprobt wurden? In schwer zu überblickenden Fachgebieten erscheint mir der Kompromiss sinnvoll, eine Handvoll Versuche zuzugestehen. Zumindest, solange keine vielversprechenderen Alternativen auf dem Tisch liegen.
Die produktiven Fragen wären also: Wie kann man die Implementation des Emissionshandels verbessern? Oder gibt es kurzfristig umsetzbare Alternativen, die noch keinen gescheiterten Versuch zu Buche stehen haben? Und das in jeder Iteration. Weder "es hat einmal nicht geklappt, hören wir sofort ersatzlos damit auf" noch "lass es uns so lange versuchen, bis es irgendwann klappt, Alternativen gibt es nicht" ist sinnvoll.

Als markt-affin möchte ich mich bitte allerhöchstens in direktem Gegensatz zu dir bezeichnet sehen, nicht auf einer normal geeichten Skala. ;) Da die Menschheit Bedürfnisse und Ziele jenseits der vom Markt erfassten Lebensaspekte und Zeiträume hat, kann für mich Markt nur mit Regulierung stattfinden. Und werden sowohl diese Bedürfnisse und Ziele als auch die Marktkräfte überregional wirksam, so muss das auch die regulierende Instanz.

Ipsissimus
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Mo 3. Mär 2014, 12:33 - Beitrag #18

Eben diesen Einwand kannst du fast gegen jegliche Verbesserung von Zuständen machen
darauf wollte ich noch eingehen, Padreic. Mit diesem Satz scheinst du - wenn ich dich darin richtig verstehe - zu postulieren, dass es fast immer besser ist, eine Maßnahme zu treffen als keine Maßnahme zu treffen, selbst wenn es eine schlechte Maßnahme ist. Anscheinend gilt dir der Umstand, dass überhaupt schon eine Maßnahme getroffen wird, als Verbesserung. Ich teile diese Ansicht nicht. Meine Einwände gegen den Emissionshandel laufen nicht darauf hinaus, dass nichts gegen Umweltschutz gemacht werden solle, sondern dass der Emissionshandel ein untaugliches Mittel ist, und dass man daher, wenn man wirklich was für die Umwelt machen will, gefälligst nach tauglichen Mitteln suchen sollte. Hätte der Emissionshandel zu einer Verbesserung der Zustände geführt, hätte ich das auch anerkannt. Hat er aber nicht. Und das war absehbar, weil dabei zentrale Zusammenhänge zwischen Willen, Macht und Finanzkraft großer Wirtschaftsunternehmen sowie faktischer - nicht theoretischer - Wirkmechanismen des freien Marktes ignoriert wurden.


"Dummdreistigkeit" ist keine These, sondern ein reines Totschlagargument, das man nicht sachlich widerlegen kann.
die sachliche Widerlegung erfolgt auch nicht in der Charakterisierung als Dummdreistigkeit; diese ist nur ein Ausdruck verärgerter Resignation, also auch kein Argument und somit auch kein Totschlagargument.

ist eine Theorie Mumpitz, solange keine einzige funktionierende praktische Implementation vorgeführt wurde, oder ist sie solange ein gültiger Vorschlag, bis sämtliche möglichen Implementationen als untauglich erprobt wurden?

weder - noch: aus meiner Sicht ist eine Theorie Mumpitz, wenn sie in ihrer Modellbildung nachweisbar relevante Einflussgrößen ausblendet. Im Fall der erhofften Segnungen des Emissionshandels ist dies die erwartbare Einflussnahme von einschlägig interessierten Unternehmen auf die konkrete Umsetzung, sprich die Konterkarierung der Theorie durch Lobby-Arbeit. Ich könnte es auf den griffigen Slogan alle Kaufkleute sind Gauner bringen, aber da würde mir natürlich sofort vorgehalten, dass es ja wohl kaum alle seien^^ mag sein^^ zumindest für die operative Führung großer Wirtschaftsunternehmen halte ich den Slogan trotzdem für zutreffend. Allerdings führt dieser vielleicht etwas witzig formulierte Umstand zu bösen Konsequenzen, die wir allenthalben wahrnehmen können. Nachbesserung wird daran nichts ändern, mit der wird genauso umgegangen werden, wie mit dem Grundmodell.

Sprich: entweder ein Maßnahmen-Overkill, oder wir gewöhnen uns schon mal dran, dass lebenserhaltende natürliche Umwelt ein vergehendes Relikt aus unmodernen Zeiten ist. An die rechtzeitige sanfte Evolution des rührig-kaufmännischen Anteils unserer Spezies zu Umwelt- und Menschenfreunden glaube ich später.

Hinzu kommt, dass der CO2-Ausstoß nur einen ganz geringen Teil des Problems darstellt, der derzeit vor allem deswegen so populär ist, weil sich dahinter gut verstecken lässt, womit alles man sich gar nicht erst beschäfftigt.

Padreic
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Mi 5. Mär 2014, 06:25 - Beitrag #19

@Ipsissimus:
Mit diesem Satz scheinst du - wenn ich dich darin richtig verstehe - zu postulieren, dass es fast immer besser ist, eine Maßnahme zu treffen als keine Maßnahme zu treffen, selbst wenn es eine schlechte Maßnahme ist.

Mir läge es fern so etwas zu postulieren. Ich halte es sogar für ziemlichen Mumpitz. Ich kann, was ich meinte, an folgendem verdeutlichen:

aus meiner Sicht ist eine Theorie Mumpitz, wenn sie in ihrer Modellbildung nachweisbar relevante Einflussgrößen ausblendet. Im Fall der erhofften Segnungen des Emissionshandels ist dies die erwartbare Einflussnahme von einschlägig interessierten Unternehmen auf die konkrete Umsetzung, sprich die Konterkarierung der Theorie durch Lobby-Arbeit.

Bei sehr vielen Gesetzen, insbesondere jeder Umweltgesetzgebung werden Lobby-Vertreter versuchen, Einfluss zu nehmen. Bei so ziemlich jeglicher politischer Maßnahme kann man den Einwand erheben, dass diese durch Lobby-Arbeit (oder auch Wahlkampf) verwässert oder sogar gänzlich umgekehrt werden kann. Du bist aber anscheinend der Meinung, dass umweltpolitische Maßnahmen durchaus gemacht werden sollen:

Meine Einwände gegen den Emissionshandel laufen nicht darauf hinaus, dass nichts gegen Umweltschutz gemacht werden solle, sondern dass der Emissionshandel ein untaugliches Mittel ist, und dass man daher, wenn man wirklich was für die Umwelt machen will, gefälligst nach tauglichen Mitteln suchen sollte.


Ich wäre sehr dankbar, wenn du ein Beispiel nennen könntest, worauf sich deine Einwände nicht geradezu 1-1 übertragen ließen.

Er paraphrasiert ein paar Auffassungen aus dem Handbuch für freie Marktwirtschaft - im Wesentlichen: der Markt wirds schon richten - und ignoriert dabei die Faktizität des tatsächlichen Wirtschaftslebens, oder anders gesagt: er steht auf Seiten der Theorie und ignoriert die Praxis. Diese Praxis sieht im Wesentlichen so aus, dass die Global Player nicht das Geringste für den Umweltschutz tun, was sie nicht in Form von Preissteigerungen an den Endkunden weitergeben können.

Ich denke, deine Ausführungen ignorieren meine Argumente.
1) Man kann nicht einfach alle Kosten als Preissteigerungen weitergeben. Sonst würden alle Global Players hohe Gewinne machen. Z. B. RWE... Leute kaufen nicht bei allen Preisen gleichermaßen.
2) Es ist aber tatsächlich anzunehmen, dass die Unternehmen wesentliche Anteile ihrer Kosten als Preissteigerungen an ihre Kunden weitergeben, da für viele Konkurrenten die Kosten im ähnlichen Maße teigen. Da der Sinn, den ich im Emissionshandel sehe, aber nicht ist, den Gewinn der Global Players zu schmälern (dafür mag man andere Maßnahmen verwenden), ist das kein Gegenargument.
3) Das heißt alles nicht, dass ein geeigneter implementierter Emissionshandel nicht Verhalten von Unternehmen ändern kann. Wenn die Kosten für CO2-Emissionen höher werden, lohnt sich irgendwann die Investition in neue Technik mit geringeren Emissionen. Das ist völlig unabhängig davon, ob man irgendwelche Kosten an die Kunden weitergeben kann. Stimmt diese Argumentation und sieht man hohe CO2-Emissionen als ein Umweltproblem (wo ich beides zustimmen will), kann Emissionshandel damit prinzipiell als eine Umweltschutzmaßnahme fungieren.
4) Der Einwand mit der Lobby-Arbeit taugt nur dann, wenn man meine These missversteht. Ich meine: Wenn die EU-Kommission/die Bundesregierung es wirklich will, kann sie den Emissionshandel als Werkzeug zur Reduzierung der CO2-Emission einsetzen. Das ist meine These. Meine These ist nicht: Wenn ich das hier schreibe, wird es einen solchen Emissionshandel geben. Meine These ist auch nicht: Die Bundesregierung will einen solchen Emissionshandel durchsetzen.
5) "Der Markt wird's schon richten." ist eine möglicherweise irreführende Darstellung der Ansicht. Genauer: "Der freie Markt wird Umweltschutz nicht richten. Wir müssen ihn einschränken und steuern. Aber: wir sollten ihn nur so viele einschränken wie nötig. Überdies: steuert (und ergänzt) man ihn richtig, ist der Markt häufig flexibel und effektiv."

Sprich: entweder ein Maßnahmen-Overkill, oder wir gewöhnen uns schon mal dran, dass lebenserhaltende natürliche Umwelt ein vergehendes Relikt aus unmodernen Zeiten ist. An die rechtzeitige sanfte Evolution des rührig-kaufmännischen Anteils unserer Spezies zu Umwelt- und Menschenfreunden glaube ich später.

Da eines deiner zentralen Argumente gegen den Emissionshandel zu sein scheint, dass er sich angesichts von Lobby-Arbeit und dergleichen nicht in angemessener Form durchsetzen lässt, würde ich gerne deine Ausführungen lesen, wie sich hier und jetzt in der EU oder auch nur in Deutschland ein Maßnahmen-Overkill durchsetzen lässt. Was ich nämlich tatsächlich meine: Lieber eine reale Maßnahme, die ein Problem lindert, als eine fiktive, die ein Problem löst.

Hinzu kommt, dass der CO2-Ausstoß nur einen ganz geringen Teil des Problems darstellt, der derzeit vor allem deswegen so populär ist, weil sich dahinter gut verstecken lässt, womit alles man sich gar nicht erst beschäfftigt.

Das Problem gibt es eben nicht. Fest steht allerdings, dass Klimawandel zu einem Problem werden kann und CO2-Ausstoß zum Klimawandel beiträgt. Ob CO2-Ausstoß das zentrale Thema des Umweltschutzs sein sollte und ob Umweltschutz das zentrale Thema sein sollte (und man nicht Armuts-/Malaria-Bekämpfung und was auch immer in den Vordergrund stellen sollte), ist eine ganz andere Frage.

Ipsissimus
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Fr 7. Mär 2014, 15:32 - Beitrag #20

Mir läge es fern so etwas zu postulieren.


Dann habe ich dich an der Stelle falsch verstanden. Allerdings hast du die Gültigkeit der Aussage nicht wirklich eingeschränkt. Das führt aber zu einem Pingpong^^ belassen wir es beim Missverständnis^^

Bei sehr vielen Gesetzen, insbesondere jeder Umweltgesetzgebung werden Lobby-Vertreter versuchen, Einfluss zu nehmen. Bei so ziemlich jeglicher politischer Maßnahme kann man den Einwand erheben, dass diese durch Lobby-Arbeit (oder auch Wahlkampf) verwässert oder sogar gänzlich umgekehrt werden kann.


Nicht kann sondern wird. Und das ist in der Tat ein aus meiner Sicht zentraler Einwand gegen eine große Anzahl von Gesetzen, weil die Einflussnahme dazu führt, dass ein Gesetz nicht mehr zum Wohl der Allgemeinheit, sondern zum Wohl einer Untergruppe auf Kosten der Restallgemeinheit führt.

wenn du ein Beispiel nennen könntest, worauf sich deine Einwände nicht geradezu 1-1 übertragen ließen


Und spräche das gegen die Einwände oder gegen die Situationen, auf die sie sich beziehen?

1) Man kann nicht einfach alle Kosten als Preissteigerungen weitergeben. Sonst würden alle Global Players hohe Gewinne machen. Z. B. RWE... Leute kaufen nicht bei allen Preisen gleichermaßen.


Der Markt wird´s schon richten. Die Praxis der Preisabsprache ist dabei nicht vorgesehen. Zumindest nicht seitens der Theorie.

2) Da der Sinn, den ich im Emissionshandel sehe, aber nicht ist, den Gewinn der Global Players zu schmälern (dafür mag man andere Maßnahmen verwenden), ist das kein Gegenargument.


Der Sinn ... vielleicht nicht. Der Sinn ist theoretisch Umweltschutz. Und wenn Umweltschutz tatsächlich den behaupteten hohen Stellenwert hätte, wäre die Schmälerung des Gewinns von Umweltverschmutzern, seien sie GP oder kleiner aufgestellte Unternehmen, hinnehmbare Nebenwirkung, wofern diese Schmälerung nur auf Kosten des Umweltschutzes vermieden werden kann. Andernfalls müssen diese Kosten nämlich von den Steuerzahlern getragen werden. Das altbekannte Prinzip also: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. Oder: Der Markt wird's schon richten.

Im Prinzip bestätigst du mit dieser Aussage aber einen Teil meiner Vorbehalte. Emissionshandel ist nicht für den Umweltschutz gut, sondern dafür, dass Unternehmen sich davon freikaufen können, für den Umweltschutz effektiv was machen zu müssen.

3) Das heißt alles nicht, dass ein geeigneter implementierter Emissionshandel nicht Verhalten von Unternehmen ändern kann. Wenn die Kosten für CO2-Emissionen höher werden, lohnt sich irgendwann die Investition in neue Technik mit geringeren Emissionen.


Immer noch gängige Markttheorie. Wir sehen, dass die Unternehmen aktiv Maßnahmen dagegen treffen, dass dieser Mechanismus greifen könnte, und dass die Politik zu korrupt oder zu schwach ist, um diese Maßnahmen effektiv zu bekämpfen.

Wenn die EU-Kommission/die Bundesregierung es wirklich will, kann sie den Emissionshandel als Werkzeug zur Reduzierung der CO2-Emission einsetzen.


In der Tat, wenn sie es wirklich wollen. Das ist, glaube ich, das Problem, um das es sich hier alles dreht. Und also nicht dessen Lösung.

Der freie Markt wird Umweltschutz nicht richten. Wir müssen ihn einschränken und steuern. Aber: wir sollten ihn nur so viele einschränken wie nötig. Überdies: steuert (und ergänzt) man ihn richtig, ist der Markt häufig flexibel und effektiv.


Markttheorie. Ich sehe dagegen nicht, dass sich der gesteuerte Markt wesentlich anders verhält als der freie Markt. Lobbyismus, ein ums andere Mal.

wie sich hier und jetzt in der EU oder auch nur in Deutschland ein Maßnahmen-Overkill durchsetzen lässt.


Überhaupt nicht, solange wir uns nicht von bestimmten markttheoretischen Prämissen und politischen Gepflogenheiten verabschieden. Um es aber auf den Punkt zu bringen: Wenn es um Umweltschutz gehen soll, kann es nicht darum gehen, dass sich ein Unternehmen davon freikaufen kann. Es muss vielmehr dazu gezwungen werden, seinen Schadstoffausstoß in schnellst möglicher Zeit auf null zu senken, unabhängig davon, welche Kosten dem Unternehmen dadurch entstehen. Nach dieser Senkung wird die Umwelt nicht mehr belastet, und wir brauchen damit keinen Emissionshandel. Die Umwelt ist damit zwar immer noch nicht entlastet, weil immer noch das Problem des Ressourcenverbrauchs vorhanden ist, aber das skizzierte Szenario ist m.E. beinahe das einzige, das in die richtige Richtung führt.

Und natürlich: es gibt keinen isolierten Umweltschutz, unabhängig von sonstigen gesellschaftlichen Bedingungen. Der Zug ist abgefahren. Wir müssen unsere Gesellschaften auf neue, andere Grundlagen stellen, bei denen Wachstum bestenfalls noch ein gelegentlicher Bonus ist, aber nicht mehr integraler Teil des Wirkmechanismus.

Deswegen können wir uns beruhigt schlafen legen und zusehen, wie wir die Grundlagen unseres Daseins zerstören. Das Wichtige wird nicht geschehen.


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