Altersdiskriminierung in der Politik

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Traitor
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So 11. Mai 2014, 10:42 - Beitrag #1

Altersdiskriminierung in der Politik

In den letzten Jahren wurde per EU-Recht ja versucht, "Altersdiskriminierung" in Bildungswesen und Wirtschaft zu bekämpfen. Sprich, Stellen dürfen nicht mehr für "unter 30" ausgeschrieben werden, und so.

Die Politik dagegen strotzt weiterhin vor expliziter Altersdiskriminierung. Die untere Schranke fürs aktive Wahlrecht ist eh ein Riesenthema, das hier aber zuletzt vor Ewigkeiten diskutiert wurde (vermutlich dank demographischem Wandel, also Aussterben der betroffenen Minderjährigen ;) ). Da Minderjährigen(nicht)rechte aber wohl besonderen Verfassungsrang haben sollen, möchte ich mich hier eher auf das passive Wahlrecht konzentrieren. (Bei Bedarf das aktive aber auch nicht ausschließen.)

Normale Parlamentssitze sind ja zum Glück üblicherweise frei ab 18, aber besondere Positionen sind oft an sehr willkürlich scheinende Altersgrenzen gekoppelt. Bekanntestes Beispiel ist der Bundespräsident, der beachtliche 40 Jahre alt sein muss. Besonders willkürlich erscheint mir dazu der Hannoveraner Regionspräsident: "mindestens 23 Jahre, aber noch nicht 67 Jahre alt".

Fragt sich nun, ob es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis diese Klauseln weggeklagt werden. Sicher sind sie von geringerer praktischer Bedeutung als die in anderen Bereichen, es wird schließlich deutlich weniger 30jährige Bundespräsidentenkandidaten geben als 40jährige Bank-Praktikums-Bewerber. Aber eine prinzipielle Rechtfertigung für diese willkürlichen Grenzen kann ich nicht erkennen.

Ipsissimus
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So 11. Mai 2014, 11:54 - Beitrag #2

In vielen Naturvölkern ist es keine Frage, dass bestimmte Positionen mit individueller Reife verbunden sein müssen. Man wird nicht automatisch Erwachsener, man wird nicht automatisch Medizinmann, Schamane oder Häuptling. Es wird hingeschaut und individuell geklärt, ob jemand die notwendige Reife aufweist. In zivilisierten Gesellschaften wird das halt durch eine Zahl ersetzt, die prinzipiell willkürlich ist. Oder durch Mehrheitsbeschlüsse^^

Padreic
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So 11. Mai 2014, 16:50 - Beitrag #3

Ich habe keinerlei Probleme damit, das Bundespräsidentenamt ab 40 zu belassen. Das Bundespräsidentenamt ist vor allem durch seine Wirkung nach außen bestimmt. Und ich kann mir vorstellen, dass ein 30jähriger Bundespräsident nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Ausland auf Befremden stoßen würden.
Die Grenze ist in ihrer konkreten Zahl sicherlich willkürlich, aber in der Sache also durchaus plausibel. Eine andere Frage ist natürlich, ob diese Grenze bei eventueller Klage juristisch haltbar ist. Ich kann das praktisch nicht ganz abgesehen, da die Zahl 40 aber im Grundgesetz steht, sehe ich ein Fallenlassen als eher unwahrscheinlich an. Juristisch sollte es eben nicht deutlich problematischer sein, als eben die Altersgrenze von 18 für Wahlrecht, Geschäftsfähigkeit etc. -- obgleich in letzterem Fall eine allgemeine Altersgrenze nur durch eine nicht praktikable Einzelfallprüfung ersetzbar wäre (außer man hat zusätzliche Marker wie Abitur, abgeschlossene Lehre oder dergleichen).

Ipsissimus
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So 11. Mai 2014, 18:45 - Beitrag #4

ob ein 27jährier Außenminister wie Sebastian Kurz in Österreich wirklich schon so mit allen Wassern gewaschen ist, dass er den alten Säcken standhält und ein diplomatisches Korps führen kann, muss sich auch erst zeigen^^ manche Fähigkeiten sind eben nicht an Ausbildung gebunden, sondern an Erfahrung. Wo soll die ein junger Mensch herhaben?

Traitor
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So 11. Mai 2014, 19:17 - Beitrag #5

Deshalb schrieb ich ja auch, dass die diskriminierenden Regeln praktisch wenig Relevanz haben, da eh kaum je ein junger Kandidat nominiert würde. Wenn aber mal einer das allgemeine Vertrauen erringen würde, warum sollten es ihm dann die Paragraphen verbieten?
Übrigens geht es ja nicht nur um Unter-, sondern auch um Obergrenzen, siehe Regionalbeispiel. Für den Bundespräsidenten wurde ja sogar noch vor kurzer Zeit (iirc Ära Rau) die nachträgliche Einführung einer solchen diskutiert, da hat sich der Zeitgeist sehr schnell gewandelt.

Von Kurz hat man nach der Erstbekanntgabe der Skurillität noch nicht wieder viel gehört, aber naja, ist ja auch nur Österreich. ;) Der Jüngstbürgermeister in Gladbach oder wo es nochmal war soll sich angeblich sehr gut machen.

Erfahrung als Kriterium ließe sich ja analog zur Wirtschaft mit "Jahren Politikerfahrung" in der "Stellenausschreibung" abdecken. Damit würde man auch sehr effektiv unbequeme Quereinsteiger oder beteiligungswütige Bürger los. ;)

Ipsissimus
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So 11. Mai 2014, 21:40 - Beitrag #6

es gibt halt kein Kriterium, dass blind und automatisch geeignete Kandidaten herausfiltert^^

Maglor
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So 11. Mai 2014, 22:23 - Beitrag #7

Nur wer selbst die Schule der Intrige durchlaufen hat, kann in Teufelsküche das Kommando spielen.
Da wünscht man sich doch die glücklichen Tage des alten Europas zurück, als kindliche Könige über die Geschicke des Reiches entschieden.

Zitat von Ipsissimus:Man wird nicht automatisch Erwachsener, man wird nicht automatisch Medizinmann, Schamane oder Häuptling. Es wird hingeschaut und individuell geklärt, ob jemand die notwendige Reife aufweist. In zivilisierten Gesellschaften wird das halt durch eine Zahl ersetzt, die prinzipiell willkürlich ist.

Nur wer schon einmal ein Mann getötet, im Dreck geschlafen, an der Opiumpfeife gezogen, die Hirsche geschädigt und den Tataros durchwandert hat, kann führen. :crazy:


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