Parallelgesellschaft und Weggucken in Rotherham

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Lykurg
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Do 18. Sep 2014, 13:46 - Beitrag #1

Parallelgesellschaft und Weggucken in Rotherham

Die Vorfälle in Rotherham, wo über Jahre hinweg etwa 1.400 Mädchen und junge Frauen mißbraucht und vergewaltigt wurden, sind grauenhaft; schrecklich auch die absolute Untätigkeit von Polizei und Stadtrat, bis es zum großen Skandal wurde. Aebr auch sonst bietet der verlinkte Artikel viele Abscheulichkeiten, auch die zwangsweise angeordnete anonyme Adoption am Schluß. Mir fehlen die Worte.

Ein Einzelfall, geschuldet spezifisch britischen Bedingungen (insbesondere pakistanische Clans)? Oder vielleicht auch hier vorhanden, irgendwo, und sorgsam bemäntelt?
(Übrigens irritiert mich in den Meldungen jeweils, daß die Pakistanis als "Asiaten" bezeichnet werden. Klar, formal sind sie es, ich würde aber nie drauf kommen, das zu tun, auch bei Indern und Iranis nicht.)

Ipsissimus
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Fr 19. Sep 2014, 13:25 - Beitrag #2

Ein Einzelfall, geschuldet spezifisch britischen Bedingungen

Das darf getrost verneint werden, beide Teile - erstens sind 1400 Fälle sind kein Einzelfall und zweitens reiht sich Rotherham ein in eine ganze Reihe von bekanntgewordenen systematischen Missbrauchsgeschichten in den letzten paar Jahren, die mehr oder weniger gesamt West- und Mitteleuropa abdecken, und so ganz dunkel erinnere ich mich auch an Vorfälle in Italien und Spanien.

Ich kann dazu nur noch mal auf meine Referenz, Andrew Vachss zurück kommen, Referenz nicht als Schriftsteller sondern als Rechtsanwalt, der in den USA einer Organisation zur Prophylaxe und Betreuung missbrauchter Kinder angehört. Selbst wenn die Verhältnisse in den USA nicht eins zu eins auf die in Europa abbildbar sind, so verschieden sind die und wir auch wiede rnicht. Und für die USA geht Vachss von einem Anteil von bis zu 60 Prozent innerhalb ihrer ersten 10 Lebensjahre missbrauchter Kinder aus, quer durch alle Bevölkerungsschichten und Ethnien. Der offizielle Anteil liegt zwischen 10 und 15 Prozent mit Häufungsspitze in unteren sozialen Schichten, letzteres schlicht dummer Blödsinn.

Mag sein, in Europa sieht es besser aus; naturgemäß ist die Dunkelziffer in solchen Fällen eklatant. Auch hier weichen die offiziellen Zahlen von denen, die in Opfer- und Opferschutzverbänden diskutiert werden, dramatisch voneinander ab. Mag auch sein, dass die Situation in Rotherham stark von den dortigen Gegebenheiten abhängt, das Phänomen als solches ist viel weiter verbreitet, als es in den Medien Niederschlag findet. Und viel zu verbreitet, als dass die spezifische Situation in Rotherham mehr als eine lokale Modulation wäre.

Lykurg
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Fr 19. Sep 2014, 16:00 - Beitrag #3

Stimmt, die "es dürfte mehr oder weniger die Regel sein"-Lesart hatte ich nicht in Betracht gezogen.
Als "Einzelfall" hätte ich, wenn, das im Ansatz beschriebene Netzwerk apostrophiert, aber klar, daß der Begriff damit ziemlich strapaziert wird.
Überdies kommen ja auch zB diverse Kinder- und Jugendheime über die Jahre auf ähnlich hohe Zahlen von Mißbrauchsopfern, ebenfalls gedeckt davon, daß die Anprangerung der Täter durch spezifische Tabus erschwert wird.

Ipsissimus
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Sa 20. Sep 2014, 11:18 - Beitrag #4

Kinder- und Jugendheime, kirchliche Einrichtungen, Schulen, die ganze Bandbreite. Ein massives und kaum je diskutiertes Problem in diesem Kontext ist auch der infolge der psychischen Abhängigkeit oft nicht als solcher empfundene Missbrauch von jungen Sportlerinnen und Sportlern durch ihre Trainer und Trainerinnen, der viel, viel häufiger ist, als das jemand Offizielles zugeben würde, und ich spreche da über die Situation in Deutschland, nicht sonstwo sonst auf der Welt.

Maglor
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So 12. Okt 2014, 21:47 - Beitrag #5

Das Stockholm-Syndrom kann vieles erklären, aber nicht alles.
Die Missbrauchsopfer wehren sich zu spät. Sie befinden sich dann schon in einer gänzlich unglaubwürdigen Situation. Die Geschichte vom bösen schwarzen Mann mit dem großen Auto ist natürlich auch ein wahr gewordenes Märchen.


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