Ramelow als Linker Ministerpräsident in Thüringen

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Traitor
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So 2. Nov 2014, 12:30 - Beitrag #1

Ramelow als Linker Ministerpräsident in Thüringen

Derzeit läuft in Thüringen eine rot-rot-grüne Regierungsbildung, mit pinkrot als Seniorpartnerin, sprich Bodo Ramelow von Der Linken würde Ministerpräsident. Anscheinend ein mittelschwerer Skandal, der bundesweite Kritik bis hin zum nächsten Gauck-gibt-mehr-persönliche-Meinung-von-sich-als-ein-Präsident-darf-Skandal provoziert.

Ist die Tatsache an sich ein Skandal? Nein, denn wenn die als Realos bekannten Ost-Linken bereits in anderen Bundesländern als regierungsfähig in der Rolle des Juniorpartners akzeptiert wurden, dann ist die Übernahme des Ministerpräsidiums auch kein qualitativer Sprung. Mit dem ganzen "Landesvater"/"Landesfürst"-Getue wird dieser Posten für meinen Geschmack eh zu sehr Richtung Alleinherrschaft geschrieben.

Sind Gaucks Äußerungen ein Skandal? Nein, er bezeichnet sie ja ganz eindeutig als persönliche Meinung von "Menschen wie ich", nicht als amtliche Stellungnahmen.

Ipsissimus
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So 2. Nov 2014, 14:00 - Beitrag #2

Darf ein Bundespräsident so naiv sein und glauben, dass die Öffentlichkeit sein persöhnliches von seinem präsidialen Statement unterscheidet? Auch der Priester in den Dörfern früher hatte keine formale Macht^^

Maglor
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So 2. Nov 2014, 21:49 - Beitrag #3

Klar ist, dass sich Gauck und die Linkspartei schon seit Jahren befehden.
Gauck hat viel geredet und wenig gesagt. Die meisten seiner Sätze enden mit Fragenzeichen und die anderen arbeiten mit Unterstellungen. Seine Äußerung hat kaum konkreten, sachlichen Inhalt.
Es gibt Leute, die sich Gedanken machen müssen, ob man einer Partei vertrauen kann, in der es Leute gibt, denen man schwer vertrauen könnte, weil man die Frage, wie weit die schon von der Ideologie der DDR weg sind oder nicht, nicht beantworten kann. :crazy:

Gaucks Argumente scheitern jedoch an der Person Ramelow. Ramelow hat persönlich gar keine DDR-Vergangenheit. Eine Beteiligung der Linkspartei oder der PDS an einer Landesregierung wäre nichts neues. Daran dürfte sich das Volk schon gewöhnt haben.

Traitor
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So 2. Nov 2014, 22:27 - Beitrag #4

@Ipsissimus: Wenn er es so klar formuliert, sollte er es eigentlich schon glauben dürfen. Da korrektes Interpretieren auch sehr klarer Formulierungen aber eine bekannte Schwäche von Medien und Öffentlichkeit ist, ist dieser Glauben dann aber halt leider naiv.

@Maglor: Eigentlich ist es ein Wunder, dass Ramelow gerade mit dieser mangelnden Vergangenheit überhaupt Wahlsieger wurde. Importpolitiker haben von der Landesebene abwärts ja normalerweise deutlich gesenkte Chancen, siehe Steinbrücks "Fischkopf"-Ruf in NRW.

Ipsissimus
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Mo 3. Nov 2014, 12:15 - Beitrag #5

Wenn er es so klar formuliert, sollte er es eigentlich schon glauben dürfen.

Wenn er naiv ist, dann schon, ja. Oder er ist einfach dreist genug und glaubt, damit durch zu kommen.

dass Ramelow ... überhaupt Wahlsieger wurde

Der Begriff des Wahlsiegers scheint mir in den meisten deutschen Wahlen der letzten 50 Jahre extrem strapaziert, oder wann gab es die letzte absolute Mehrheit gemessen an der Wahlberechtigtenzahl und nicht gemessen an der Stimmabgeberzahl? Und wann gab es das letzte Mal keine Notwendigkeit zur Koalitionsbildung, die ich im Übrigen nach wie vor für ein verfassungsmäßig fragliches Konstrukt halte.

Maglor
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Mo 3. Nov 2014, 22:12 - Beitrag #6

Sieht man sich die Ergebnisse aller Landtagswahlen in Thüringen so wird man feststellen, dass die Linkspartei bzw. die PDS seit 1990 bei jeder Wahl ein paar Prozentpunkte zugelegt hat.

Lykurg
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Mo 3. Nov 2014, 23:28 - Beitrag #7

Stimmt, aber bei Fortschreibung der bisherigen Entwicklung müßten sie unterhalb von 30% asymptotisch stagnieren. Die Zeit der 99-Prozent-Ergebnisse ist anscheinend vorbei.

Traitor
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Di 4. Nov 2014, 19:21 - Beitrag #8

@Ipsissimus: "Wahlsieger" natürlich im Sinne des üblichen Sprachgebrauchs. Zu meiner Überraschung war die einzige Wahlberechtigtenabsolutmehrheit auf westdeutscher Landesebene, die ich auf Anhieb finden konnte, nicht blau in Bayern (Maximum 1974: 62,1% CSU * 77,7% Wahlbeteiligung ~= 48,25), sondern rot in Westberlin (1963: 61,9% SPD * 89,9% ~= 55,65%). Die Antwort auf deine "wann zuletzt"-Fragen ist aber wohl "bei der vorletzten DDR-Wahl", also 1986 ( 99,94% * 99,74% ~= 99,68%, siehe Lykurg ;) )

@Maglor: Und die Analyse dazu?

Maglor
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Mo 10. Nov 2014, 19:05 - Beitrag #9

Man kann das nur so deuten, dass es für die meisten thüringischen Wähler kein Vertrauensproblem mehr gibt. Der Landtag wurde demokratisch gewählt und die Ursache einer linken Mehrheit ist daher die demokratische Wahl.

Es ist ohnehin fraglich, ob man 25 Jahre nach dem Ende des SED-Regime, diese Partei auf jene 40 Jahre reduzieren kann. Die ideologische Schnittmenge zur SED der 80er erscheint mir gering, ganz zu schweigen von den konsevativ-stalinistischen Positionen, die bis weit in die 50er Jahre propagiert und umgesetzt wurden. Säuberungen nach Vorbild Stalins fanden in 60er, 70er und 80er Jahren gar nicht mehr statt.

25 Jahre nach dem Mauerfall haben viele jüngere Menschen einen Unrechtsstaat DDR persönlich gar nicht kennengelernt. Wer 1989 noch ein Kind war, dem hatte sich das bösen Gesicht des real existierenden Sozialismus noch gar nicht gezeigt. Jene, die noch lebhafte Erinnerunngen an die Enteignungen, die Arbeitslager oder den berühmten Arbeiteraufstand von 1953 haben, sind wahrscheinlich schon tot oder wenigstens senil.

Daraus folgt, dass die Politik der SED in der 50er, 60er, 70er und 80er Jahren beim Whäler gar nicht so präsent sein kann, wie die Politik der Gegenwart. Eine linke Landesregierung in Thüringen kann gar nicht so schlimm sein oder höchstens so schlimm wie die Brandenburg, Berlin und wo es solche Koalitionen schon mal gab - wenn auch ohne linken Ministerpräsidenten.

Zitat von Traitor:@Maglor: Eigentlich ist es ein Wunder, dass Ramelow gerade mit dieser mangelnden Vergangenheit überhaupt Wahlsieger wurde. Importpolitiker haben von der Landesebene abwärts ja normalerweise deutlich gesenkte Chancen, siehe Steinbrücks "Fischkopf"-Ruf in NRW.

In der Wochenshow haben sie es so gedrückt: Was haben Ramelow und Honecker gemeinsam? Sie beide Wessies und tragen eine Brille. :crazy:

Traitor
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Sa 6. Dez 2014, 22:06 - Beitrag #10

Hätte die Überschrift ein Fragezeichen gehabt, könnte ich es jetzt entfernen. Für absolutes Stabilitätsvertrauen in seine Koalition ist es vielleicht zu früh, aber das galt auch schon für ganz andere Landesregierungen.

@Maglor: Tatsächlich ist der Vorwurf an die Linken ja weniger die Tatsache vergangenen Unrechts an sich, sondern die Frage, wie sie mit dieser umgeht. Es wird also zumindest versucht, ein aktuelles politisches Thema daraus zu konstruieren.

Oh, Honeckers dunkle Vergangenheit war mir gar nicht bekannt - ein Saarländer, soso. ;)

Maglor
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Sa 6. Dez 2014, 23:04 - Beitrag #11

Zitat von Traitor:@Maglor: Tatsächlich ist der Vorwurf an die Linken ja weniger die Tatsache vergangenen Unrechts an sich, sondern die Frage, wie sie mit dieser umgeht. Es wird also zumindest versucht, ein aktuelles politisches Thema daraus zu konstruieren.

Ramelow ist diesbezüglich schon eine Art Problembär, sagte er doch vor ein paar Wochen Stasi und Gestapo hätten die gleiche Grundstruktur gehabt.
Schlimm, schlimm ... den Holocaust und das NS-Regime verharmlost. :crazy:


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