Billiges Öl trotz allem

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Maglor
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So 14. Dez 2014, 23:33 - Beitrag #1

Billiges Öl trotz allem

Das IS-Kalifat rückt von Syrien aus weiter in der Irak vor. Israel und die beide Palästinensergebiete liefern sich alle paar Monate Gefechte. In Libyen ist der Bürgerkrieg wieder ausgebrochen, in Nigeria sowieso. Die Energiekrise in der Ukraine ist in aller Munde.
Und das Allerschlimmste: In der nördlichen Hemisphäre hat die Heizperiode angefangen.

Trotz allem ist der Ölpreis auf niedrigem Niveau.

Jahrzehntelang wurde uns vorgegauckelt, es gebe dort solche Marktmechanismen oder einen Zusammenhang von Angebot und Nachfrage.

Für die Preisentwicklung kommen mehrere Ursachen infrage:
Aufgrund der mäßigen wirtschaftlichen Entwicklung in vielen Ländern ist der Verbrauch niedrig.
Die Bürgerkriege führen nicht zum Abbruch der Förderung, durch Schmuggel und Schattenwirtschaft werden eher noch neue Märkte erschlossen und die Macht der OPEC gebrochen.
Durch Ölschifferabbau und Fracking steigen die USA und andere westliche Industriestaaten in die Förderung fossiler Brennstoffe wieder ein und verderben mit ihren hochsubventionierten Geschäftsmodellen die Preise. Droht jetzt ein Ölberg den Butterberg zu ersetzen?

Traitor
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So 14. Dez 2014, 23:50 - Beitrag #2

Deine dritte Ursache (Fracking und andere "nichtkonventionelle Abbaumethoden") ist die, die die meisten Medien für dominant zu halten scheinen. Da diese vor allem die Nachfrage aus den USA betrifft, und die USA sowohl ein besonders großer Nachfrager als auch ein, ähem, besonders aggressiver Nachfrager sind, wirkt sich jede Änderung an dieser Stellschraube vermutlich doppelt aus - einmal direkt und einmal indirekt per "gefühlter Nachfrage".

Wie eindeutig die Statistiken dazu sind, weiß ich allerdings nicht, und besonders bei deinem Punkt 2 (Schmuggel) kann man ihnen natürlich auch nur bedingt trauen.

Lykurg
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Mo 15. Dez 2014, 00:14 - Beitrag #3

Fracking spielt sicher eine große Rolle, dazu kommt aber auch, daß die OPEC in ihrer letzten Sitzung beschlossen hat, die Fördermengen auf sehr hohem Niveau zu belassen. Federführend dabei war mal wieder Saudi-Arabien, und naheliegend wäre, daß sie das auf amerikanischen Wunsch tun, um Rußland zu schwächen. Derzeit ist Rußland wohl das Land, dem die niedrigen Ölpreise den größten Schaden zufügen bzw. das in seiner derzeitigen Lage am dringendsten auf höhere Preise angewiesen wäre.

fanvarion
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So 5. Apr 2015, 21:28 - Beitrag #4

Es spielen genau 3 Faktoren eine Rolle:

2 Faktoren hat Lykburg schon genannt, Ölschieferabbau und hohe Förderzahlen.
Der dritte Faktor ist die Bindung des Ölpreises an den Doller. Wobei sich dieser Faktor für die Europäer zur Zeit negativ ausprägt.

Ich bin gespannt ob wir in Deutschland auch bald Fracking durchführen dürfen.

Maglor
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Mi 13. Jan 2016, 22:44 - Beitrag #5

Wird die saudische Preispolitik auf Dauer zum Kollaps der Konkurrenz führen?

Mittlerweile aber müssen sich die Saudis gegen neue Konkurrenten behaupten. Irak, Iran und die USA sind dabei, ihre Ölexporte massiv zu steigern.
Seitdem nutzen Saudis den Ölpreis als Waffe gegen die Konkurrenz: Sie drosseln ihre Produktion nicht mehr, lassen den Preis also abstürzen. Der Spiegel


Beachtenswert ist, dass sich die Ölförderung offenbar schon längst (oder besser schon immer) von der Marktwirtschaft abgekapselt hat. Fracking in den USA geht auch ohne Gewinn weiter. Die Bank macht's möglich. Mal sehen wer diesmal die Zeche.
Am Ende werden wohl irgendwelche Staaten vor die Wand fahren. Wie wäre es mit Venezuela, Russland oder mal wieder Island?

Lykurg
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Do 14. Jan 2016, 10:54 - Beitrag #6

Auf Island wäre ich jetzt nicht unbedingt gekommen. Laut kurzer Suche scheinen sie keinerlei Erdölvorkommen zu haben. Und bei so billigem Öl könnten sie schlimmstenfalls auch ein paar zusätzliche Vulkane für die Touristen bauen. Wenn sie ihr Konzept komplett auf den Kopf stellen wollten. ;-)

Tatsächlich zielt die saudische Preispolitik viel stärker auf den 'Erzfeind' Iran ab, der damit deutlich geschwächt wird, sowie auf das Fracking. Für die Amerikaner und ihre Banken ist dabei strategisch durchaus sinnvoll, durchzuhalten, um nicht wieder in Abhängigkeit von Saudi-Arabien zurückzufallen. Daß die Saudis nicht dabei bleiben können, ist angesichts ihres dreistelligen Milliardendefizits offensichtlich. Wenn sie so weiter machen, haben sie in wenigen Jahren den Fonds aufgebraucht, der eigentlich für die Zeit nach dem Öl gedacht war.

Maglor
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Do 14. Jan 2016, 12:20 - Beitrag #7

Zitat von Lykurg:Auf Island wäre ich jetzt nicht unbedingt gekommen. Laut kurzer Suche scheinen sie keinerlei Erdölvorkommen zu haben.

Aber es war genau dieses äußerste Thule, welches vor ein paar Jahr die Zeche für die geplatzten Finanzblasen musste.
Die Industriestaaten sollten auch mal überlegen, was sie da eigentlich genau subventionieren. Ein Eigenheim für die Mittelschicht und ein wenig Sozialstaat in Griechenland haben bis auf die Verschuldung ja für die Menschen durchaus einen praktischen Nutzung, während Ölschifferabbau und Fracking die Vernichtung von Landschaften bedeutet.

Der zunehmende(?) Einfluss des Iran auf den Irak könnte ja die Machtverhältnisse verschieben. Der iranische Einfluss scheint gerade in den Länder mit starken Ölreserven zu steigen, während die Saudis und die anderen Prinzen lediglich im (ziemlich bedeutungslosen) Jemen Fortschritte zu machen scheinen.
Es bleiben von den islamischen OPEC-Staaten eigetlich nur der Iran und Saudi-Arabien übrig, die gleichzeitig ideologisch als Antipoden gelten können. Die anderen ölproduzierenden Staaten der Levante und des Orients erscheinen mehr oder minder als failed states, ohne geschlossene politische Führung und ohne eigene Ideologie. Lediglich Katar scheint sich dem Einfluss der Saudis noch entziehen zu können. Eigentlich wäre jetzt zu prüfen, ob Katars Politik - nämlich die Förderung diverser Frühlingsbewegungen und der Muslimbruderschaft - nicht viel gefährlicher für die saudischen Interessen ist als die Teheraner Freitagsreden.

Lykurg
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Do 14. Jan 2016, 12:38 - Beitrag #8

Wie problematisch Fracking aus ökologischer SIcht ist, weiß ich - natürlich würde ich eine schnellstmögliche Umstellung auf EE bevorzugen, damit wird es aber selbst hierzulande - und noch viel mehr in den USA - noch eine Weile dauern, und bis dahin müssen wir abwägen, woher wir 'unser' Öl beziehen wollen. Ist ja auch nicht so, daß Ölförderung etwa in Nigeria (aber vermutlich auch irgendwo sonst) an den Landschaften spurlos vorbeiginge (wenn auch in Zweifel weniger zerstörerisch als Ölschieferabbau) - und daneben eben die humanethischen Seiten.

Aber... aber... die Saudis haben doch 34 Länder hinter sich, die sie noch nicht einmal um ihre Meinung fragen müssen... ;)
Und ja, Katars Politik ist eine ziemliche Gradwanderung, die sitzen auch auf ihrem ganz eigenen Pulverfaß. Auch mehrere andere Golfemirate haben so halbwegs stabile Verhältnisse, Kuwait zum Beispiel. Aber dafür, daß man für einen failed state gar kein Ölvorkommen braucht, gibt es ja auch genügend Beispiele (obwohl es sicher hilft).

Maglor
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So 31. Jan 2016, 12:25 - Beitrag #9

Aufgrund eines Kompromisses im Iran-Atomstreit haben fast alle Industriestaaten ihre Sanktionen gegen den Iran abgebaut. Iranisches Erdöl kann also wieder weltweit gehandelt.
Droht jetzt ein weiterer Preisverfall?

Lykurg
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So 31. Jan 2016, 20:47 - Beitrag #10

Denkbar, ja, wobei ich nicht weiß, bis zu welchen Grenzen die Förderung für wen noch wirtschaftlich ist. Gespannt bin ich aber auch auf die weitere Entwicklung des Pistazienpreises.

Maglor
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So 31. Jan 2016, 21:14 - Beitrag #11

... vergiss nicht den Kaviar. Oh, glückliches Persien! ;)


Nun kündigte Vize-Ölminister Rokneddin Dschawadi an, den Export kurzfristig um eine halbe Million Barrel zu steigern. Mittelfristig sollen die Ausfuhren dasselbe Niveau wie vor den Sanktionen erreichen. Doch angesichts maroder Förderanlagen und Raffinerien ist es fraglich, ob Iran dazu in der Lage ist. Diese stammen zum größten Teil aus der Schahzeit. Anstatt die Anlagen und Raffinerien zu modernisieren, konzentrierte sich der Staat lange auf den Ausbau der Atomindustrie, die Abermilliarden kostete, ohne einen nennenswerten Teil des Energiebedarfs decken zu können. taz

Vielleicht wird die Weltgemeinschaft auch bald erkennen, dass eine friedliche Nutzung fossiler Energie nicht möglich ist. :crazy:
Der Preiskampf der Discounter wird zulasten jener Produzenten gehen, die hohe Förderkosten haben. Auf der anderen Seite spielt die Wirtschaftlichkeit von Energieträgern in Wirklichkeit gar keine so große Rolle wie Bioethanol, Biogas, Atomenergie usw. bewiesen haben.
Viel wichtiger ist, dass an den Energieträger geglaubt wird. Nur wenn man an etwas glaubt, kann man es auch verbrennen.
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