Adonis: Rolle des Westens beim Untergang des Morgenlands

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
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So 28. Dez 2014, 03:08 - Beitrag #1

Adonis: Rolle des Westens beim Untergang des Morgenlands

das ist mal jemand, der wirklich verstanden hat, was los ist

http://www.zeit.de/2014/51/adonis-dicht ... he-laender

Abgetrennt aus dem Kurzen Kommentar - Traitor

Lykurg
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So 28. Dez 2014, 13:47 - Beitrag #2

Eher nicht, denke ich. Die Risiken für den Westen sind viel zu hoch, insbesondere was die Ölförderung Saudi-Arabiens angeht. Selbst wenn wir maximalen westlichen Zynismus annehmen, die Absicht einer Zerstörung der arabischen Welt, bevor sie zu einer Bedrohung der Sicherheit des Westens wird, gäbe es effizientere Wege, vor allem wäre ein späterer Zeitpunkt, nach erfolgter Ausbeutung der irakischen und arabischen Ölreserven, strategisch weitaus 'vernünftiger'. Abgesehen davon liegt auf der Hand, daß ein solcher hundertjähriger Krieg, aber auch schon die gegenwärtige Situation letztlich Millionen traumatisierter Jugendlicher als Reservoir für Selbstmordattentate im Westen generiert sowie - wie ja schon im Tschetschenienkrieg gesehen - paramilitärische in Netzwerken organisierte Zellen hervorbringt, die auch im Westen wirklich schmerzhafte Anschläge durchführen können. Ich denke nicht, daß Geiselnahmen in Harvard oder an der ENS den Westen so ungerührt lassen würden wie die von Beslan oder Peshawar; derartige Risiken mutwillig inkaufzunehmen, ist jedenfalls mehr als ich den Entscheidungsträgern zutraue - aus überwiegendem Machbarkeitskalkül, nicht aus ethischen Gründen.

Maglor
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So 28. Dez 2014, 16:07 - Beitrag #3

Wenn schon vom "Westen" die Rede ist, so sollte berücksichtigt werden, dass der "Westen" diese Stammesgesellschaften selbst geschaffen hat. Das Osmanische Reich wurde durch den Westen mutwillig zerstört. An Ort und Stelle wurden durch den Westen nach Gutdünken Grenzen gezogen und wahabitische Despoten eingesetzt. Saudi-Arabien, die Emirate, Syrien usw. sind Kreaturen des Abendlandes, Zombies, die der Kontrolle des Meisters entkommen sind.
Man sollte nicht so tun, als wäre das schon immer so gewesen, als hätte sich 100 oder 1000 Jahren rein gar nichts verändern. Vor 100 oder 200 Jahren gab es noch keine arabischen Staaten. Türken, Kopten, Aramäer, Juden, Griechen, Albaner usw. waren in osmanischer Zeit überall im Orient verstreut. Diese arabische Welt ist das Ergebnis des 20. Jahrhunderts.

Ipsissimus
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Mo 29. Dez 2014, 12:40 - Beitrag #4

das heißt also, Lykurg, die Amerikaner haben die Irakkriege gar nicht angezettelt? Das waren einfach nur ein paar Jungs, die sich in Arizona verlaufen hatten und plötzlich verduzt im Irak rauskamen, wo sie vor lauter Übermut einfach mal ein bisschen um sich rum geballert haben, Wüste ist schließlich Wüste^^und der Versuch, den Iran zu destabilisieren, war eine good will-Promotion-Tour einer Entertainergruppe^^ und Saudi-Arabien oder die Emirate müssen als Länder angesehen werden, die in der Region einfach nachhaltig Menschenrechte und Demokratie sichern, so dass sie die westliche Unterstützung einfach verdienen^^

ich verstehe^^

Lykurg
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Mo 29. Dez 2014, 13:07 - Beitrag #5

Nein, so meine ich es natürlich nicht.
"Adonis: Amerika unterstützt die religiösen Kriege in den arabischen Ländern seit Langem. Durch den Irakkrieg haben die Amerikaner den sunnitisch-schiitischen Konflikt ins Rollen gebracht, der zu entsetzlichen Massakern geführt hat. Die Vereinigten Staaten sind Mitspieler in diesem Spiel der Stammes- und Religionskriege." Ja, auch wenn das nur die eine Seite ist, aber kann man eindeutig so sehen, und letzteres stimmt natürlich.

"40 Länder haben sich gegen den IS verbündet, dennoch passieren dessen Waffen die Türkei. 40 Länder schaffen es nicht, einen sogenannten islamischen Staat zu schlagen."
Jein, immerhin scheint es zuletzt Fortschritte gegeben zu haben, und militärische Aktionen in großem Maßstab brauchen einige Koordinierungszeit (wenn es nicht nur darum gehen soll, ein paar Raketen zu schicken). Die IS-Einheiten sind sehr mobil und flexibel. - Waffenschmuggel an die IS ist ein Teil des Problems, für das nicht unbedingt direkte westliche Unterstützung erforderlich ist, Kollaboration mit IS kann aber natürlich insbesondere in den Nachbarländern auch bis in die höchsten Ebenen hinein erfolgen.

"Und warum nicht? Weil sie gar kein Interesse daran haben. Das ist alles nur Theater."
Wie gesagt: eher nein. Mag sein, daß auch Instabilität ihnen nützen kann, langfristig jedoch ist Stabilität nutzbringender, und wenn sie entsprechend einem solchen Kalkül vorgehen, müßten sie das auch mit allen Mitteln anstreben.
"In dem tiefen Konflikt zwischen denen, die den Glauben zur Privatsache erklären wollen, und denen, die einen religiösen Staat bilden wollen, steht der Westen auf der Seite der Religiösen." Solange es ihm nützt, ja, aber nicht grundsätzlich, vor allem nicht prinzipiell und überall.

"Man kann die Lage in den arabischen Ländern nicht verstehen, wenn man Palästina ausklammert. Auch Israel ist ein religiöser Staat. Und der religiöse Staat ist im Interesse des Westens. Man will nicht, dass sich diese Welt befreit."
Je nachdem, wie eine solche Befreiung aussieht. Und in der Weise, wie die Befreiung Palästinas bislang verlaufen ist, sind die Wiederholungswünsche tatsächlich eher eingeschränkt. Es fehlt bislang das erfolgreiche Konzept bzw. der Prototyp eines tatsächlich erfolgreich verwestlichten arabischen Landes. So gesehen wird dort eine entsetzlich blutige Form von Grundlagenforschung am lebenden Objekt betrieben. Man braucht gar nicht so viel böse Absicht darin zu vermuten, um sich daran zu grausen - aber was sind die Alternativen? Eine Mauer jedenfalls nicht.

Maglor
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Mo 29. Dez 2014, 22:01 - Beitrag #6

:para:
Zitat von Lykurg:Es fehlt bislang das erfolgreiche Konzept bzw. der Prototyp eines tatsächlich erfolgreich verwestlichten arabischen Landes.

Was ist mit Israel? Immerhin ist es ein Land mit überwiegend arabischer Bevölkerung, ca. 60 %. :crazy:
(Ich war so dreist und habe die jene aus Nordafrika und Arabien vertriebenen Juden und deren Nachfahren zu den israelischen Arabern hinzugerechnet. Wieso auch nicht, die kommen auch aus diesen arabischen Stammes- und Sülzegesellschaften.)

Zitat von Lykurg:"In dem tiefen Konflikt zwischen denen, die den Glauben zur Privatsache erklären wollen, und denen, die einen religiösen Staat bilden wollen, steht der Westen auf der Seite der Religiösen." Solange es ihm nützt, ja, aber nicht grundsätzlich, vor allem nicht prinzipiell und überall.

Die traditionellen Feindbilder in der Region waren die laizistischen Regime im Irak und Syrien sowie die ebenfalls sozialistisch bis nationalistischen Peschmerga. Nach Wegfall der Internatiole und des sowjetischen Blocks sind diese Bewegungen natürlich bedeutungslos geworden. Auf der anderen Seite ist das Verbot die Peschmerga zu unterstützen, nach Ende des Ost-West-Konfliktes ziemlich aufgeweicht. Die PKK wird gar nicht mehr als Arbeiterpartei und 5. Kolonne Moskaus wahrgenommen und auf die Türkei wird geschissen, weil man die sowieso nicht mehr braucht. Aber was ist, wenn die Ukraine die Türkei im Klub nicht ersetzen kann oder die Türkei bald dem Ukraine-Klub gescheiterter Staaten am Rande Europas betritt?
Wer bleibt da noch übrig, wenn sich die Unterstützung der Hisbollah von Grund auf verbietet?

Ipsissimus
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Di 30. Dez 2014, 01:22 - Beitrag #7

dass der "Westen" diese Stammesgesellschaften selbst geschaffen hat.

Na ja, die Stammesgesellschaften im arabisch-persischen Großraum gab es schon immer. Sie konnten nur lange Zeit unter einen Hut gebracht werden. Diesen Hut hat der Westen zerstört, in der Tat.

Die Türkei dürften sich in den nächsten paar Jahrzehnten in Großmannssucht ergehen. Sehr interessantes Konstrukt, wenn sich unser Nato-Partner aktiv und offensichtlich gegen Israel wendet^^

Marika
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Sa 3. Jan 2015, 11:25 - Beitrag #8

Ich finde, Adonis macht es sich etwas zu einfach.

Es waren/ sind auch viele intrinsische Probleme, die zum Niedergang des sog. "Morgenlandes" führen. Eine Kultur, die im Prinzip nur nach hinten blickt und sich nicht wirklich weiterentwickeln will ist in der Regel zum Untergang verdammt.

Natürlich haben westliche Mächte viel Schaden angerichtet und den Niedergang beschleunigt aber das Grundproblem sind diese Interventionen des Westens m. E. nicht sondern die Inflexibilitet dieser Zivilisationen.

Maglor
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Sa 3. Jan 2015, 12:08 - Beitrag #9

Der Westen ist für viele oder die meisten Umbrüche im Orient direkt verantwortlich. Wenige Jahrzehnte des Kolonialismus haben alles verändert.
Dies betrifft vor allem die gesellschaftliche Umbrüche. Ein wichtiger Punkt ist die formelle bis tatsächliche Abschaffung der Sklaverei im 20. Jahrhundert. Das hat den Orient eventuell für immer verändert oder eben doch nicht, wie der Islamische Staat der Jihadisten beweist.
Die Unterschicht der staatenlosen Bidun auf der arabischen Halbinsel entstand während der Kolonialzeit. Ohne die damals nach westlichem Vorbild eingeführte Staatsidee wäre diese Paria-Unterschicht undenkbar.
Maßgeblich verantwortlich für den Aufstieg der Haschimitendynastie und des mit ihm verbundenen Wahabismus sind die Briten. Den tatsächlichen Beitrag des arabischen Aufstands zum Untergang des Osmanischen Reiches erachte ich für vernachlässigbar. Die einzige Krankheit am Bospurus war der 1. Weltkrieg. Die heutigen Grenzen wurden dann insbesondere von Briten und Franzosen gezogen. Der jüdische Staat wurde auch schon mal versprochen und vertraglich vorbereitet, noch lange bevor es eine arabische Nationalbewegung gab. Die Araber sahen einfach zu.

Es ist keineswegs so, dass das alles schon immer so war, wie es heute ist. Die meisten heutigen Probleme entstanden durch die kolonialen Abenteuer und die Expansionspolitik der Europäer.
Die Auswirkungen sind vielfältig. Einer der bedeutendsten Punkte sind die Vertreibungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Flüchtige vom Balkan und vom Kaukasus (vertrieben von Russen, Griechen u. a.) haben das Morgenland für immer verändert. Erst durch den massenhaften Zuzug jener europäischen Muslime entstand die türkische Nation (nämlich als muslimische Nation), wie wir sie heute kennen.

Dieser Bevölkerungsaustausch wirkte auch zurück in den Kaukasus. Die Radikalisierung der Tschetschenen in den 1990ern hin zur wahabitischen Richtung des Islams erfolgte durch den saudischen Tscherkessen Ibn al-Chattab. Im Grunde hat erst Russland mit seiner Expansions- und Vertreibungspolitik eine Verbindung zwischen dem Kaukasus und der arabischen Welt geschaffen.

Marika
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Sa 3. Jan 2015, 12:21 - Beitrag #10

Zitat von Maglor:
Es ist keineswegs so, dass das alles schon immer so war, wie es heute ist. Die meisten heutigen Probleme entstanden durch die kolonialen Abenteuer und die Expansionspolitik .



Warum sind die Bevölkerungszahlen der meisten ehemaligen Kolonialstaaten um ein vielfaches höher als zum Zeitpunkt der
( Wieder-)erlangung der Souveränität, hast du dafür eine Erklärung? Ist auch daran der Westen schuld?

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Sa 3. Jan 2015, 17:29 - Beitrag #11

Eine Kultur, die im Prinzip nur nach hinten blickt und sich nicht wirklich weiterentwickeln will

Eine Kultur vor allem, die von christlichen Kleingeistern erst mal 5 Jahrhunderte nach hinten geschoben wurde, Stichwort Kreuzzüge, sich als osmanisches Reich noch mal aufraffte und danach in Grund und Boden kolonialisiert wurde.

nicht sondern die Inflexibilitet dieser Zivilisationen.

in der Tat, der Iran stünde sehr viel besser da mit Atomwaffen

Maglor
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So 4. Jan 2015, 12:06 - Beitrag #12

Zitat von Marika:Warum sind die Bevölkerungszahlen der meisten ehemaligen Kolonialstaaten um ein vielfaches höher als zum Zeitpunkt der
( Wieder-)erlangung der Souveränität, hast du dafür eine Erklärung? Ist auch daran der Westen schuld?

Das Phänomen ist global und hat vor allem mit dem medizinischen Fortschritt in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts zu tun. Einer der Meilensteine ist die Ausrottung der Pocken. Zu beachten ist auch, dass Arabien größtenteils nicht in der Lage ist seine jetzige Bevölkerung mit den Produkten der eigenen Landwirtschaft zu ernähren und daher vom Welthandel abhängig.
Ursachen für Bevölkerungswachstum sind vielfältig. Afghanistan (gegeben nicht Teil Arabiens) hat einfach eine der höchsten Geburtenrate weltweit. Der Jemen, Ägypten und der Gaza-Streifen belegen vordere Ränge. An der Famlienplanung dort trägt der Westen wahrscheinlich keine Schuld. Auffällig ist, dass die Bevölkerung in den Ländern sehr hoch ist, in denen andauernder Krieg und extreme Armut herrscht.

Lykurg
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So 4. Jan 2015, 12:32 - Beitrag #13

Auffällig ist, dass die Bevölkerung in den Ländern sehr hoch ist, in denen andauernder Krieg und extreme Armut herrscht.
Du meinst im Zweifel das Bevölkerungswachstum. Und ja, das wird ja vielfach beschrieben, gerade Gesellschaften mit einem massiven Überschuß an jungen, perspektivlosen Männern neigen zur Gewalt, je nach geopolitischer Rahmensituation nach innen oder außen. Nicht vorhandene Famiilienplanung kann religiös-kulturell begründet sein, Unterdrückung und Unwissendhaltung der Frauen spielt natürlich eine große Rolle, aber auch Gesellschaftsstrukturen, in denen Kinder der einzige Weg einer Frau zu gesellschaftlichem Ansehen sowie die zentrale Altersversorgung einer Familie darstellen.

Ipsissimus
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Mo 5. Jan 2015, 11:36 - Beitrag #14

gerade Gesellschaften mit einem massiven Überschuß an jungen, perspektivlosen Männern neigen zur Gewalt, je nach geopolitischer Rahmensituation nach innen oder außen


das könnte die Erklärung für die US-amerikanische Außenpolitik sein^^ soviele junge, perspektivlose US-Amerikaner, die nur in der Army ein bisschen Liebe finden^^

Bei dem, was sich die Kolonialherren-Staaten und in deren Folge der Westen in den ehemaligen Kolonien so alles erlaubt und erlaubt hat, würden auch Nationen mit geringerer Zahl an jungen, perspektivlosen Männern sauer werden. Die jungen, perspektivlosen Männer bieten nur eine Chance auf Gegenwehr. Keine große Chance, und oft eher verzweifelt als effektiv, aber genug, um die Kolonialherren und deren nachfahrende Nutznießer zu ärgern.

Lykurg
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Mo 5. Jan 2015, 14:51 - Beitrag #15

Naja, tatsächlich kann die verhältnismäßig friedlichere Haltung Europas - bzw. dessen Neigung zu struktureller statt direkter militärischer Gewalt - in Zusammenhang mit dem deutlich geringeren Bevölkerungswachstum gesehen werden, zudem auch mit dem geringeren Reservoir an mäßig ausgebildeten jungen Männern, für die die Army eine überaus verlockende Perspektive bietet (und wenn noch nicht einmal die, dann vielleicht die Söldnerfirmen, wer weiß, wie die rekrutieren).

In Ermangelung umfassenderer Kenntnisse um postkoloniale Beziehungen kann ich nur meinem Bauchgefühl Ausdruck verleihen, daß du den Faktor überbewertest. Es gibt eine ganze Reihe von Ländern, die zu ihren ehemaligen Kolonialmächten ein gutes Verhältnis haben - die Commonwealth-Staaten, einige der ehemaligen spanischen und deutschen Kolonien in etwa - oder wenigstens kein so schlechtes, wie es eigentlich sein könnte/müßte. Ich vermute, daß sowohl auf der offiziellen Ebene als auch im Zustand der 'Volksseele' pragmatischere und gegenwartsbezogenere Überlegungen im Vordergrund stehen und historische Vergehen zwar eine jeweilige Elite interessieren und völkerrechtliche Relevanz behalten, was etwa Entschädigungen angeht, ansonsten aber weniger Einfluß auf etwa die Zielrichtung öffentlicher Unmutsbekundungen haben als aktuelle Ereignisse.

Maglor
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Mo 5. Jan 2015, 20:38 - Beitrag #16

Tatsächlich wächst die Bevölkerung in der Region immer langsamer. Die Geburtenrate ist in allen arabischen Staaten stark gesunken. In den Emiraten, dem Libanon und dem Iran ist sie ähnlich niedrig wie in der angeblich zivilisierten Welt.

Einen Kausalzusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Gewalt gibt nicht in der Form, wie ihn Lykurg oder vielleicht auch angedeutet haben.
Ganz auffällig ist z. B. der Libanon. Das Land hat immerhin bewiesen, dass es auch nach 25 Jahren Bürgerkrieg und Jahren der Besatzung auch noch eine Rückkehr in die Normalität gegeben kann.

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Lykurg
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Di 6. Jan 2015, 12:07 - Beitrag #17

Die Theorie stammt nicht von mir, das läßt sich aber durchaus auch ein wenig differenzierter sehen. Hier zum Beispiel gibt es einen Artikel, der das tut. Und der Rückweg des Libanon in die Stabilität fällt einerseits zusammen mit der niedrigsten Geburtenrate in deinem Schaubild - die Gesellschaft soll vor dem Bürgerkrieg auch die westlichste der Region gewesen - und ist andererseits ebenfalls reichlich labil. Klassischere Fälle sind aber sicher die Palästinensergebiete oder der Yemen.

Maglor
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Mi 7. Jan 2015, 01:09 - Beitrag #18

Wenn wir schon bei der Sache mit den Generationen sind:
Mr. Adonis hat sicherlich den vollen Durchblick über die Situation Morgenland. Er lebt seit 1985 in Europa. Fast alle Soldaten, die jetzt im syrischen Bürgerkrieg kämpfen, waren damals noch Kinder oder noch nicht mal geboren. Was will der uns eigentlich über den Orient heute noch erzählen?

Die Befreiung der Frau ist doch schon viel weiter. Seit einigen Jahren gibt es doch schwarze Witwen und weiblichen Märtyrerin. Innerhalb einiger Terrorzellen ist die Emanzipation schon angekommen. Das Morgenland ist schon viel weiter, als Adonis glaubt. Seit gut 10 Jahren gibt es in den Terrororganisationen in Palästina, Irak und Tschetschenien so etwas wie eine Emanzipation der Frau. Das diese Märtyrerin Kopftuch tragen ist nur so eine Äußerlichkeit. Ihre männlichen Kollegen neigen ja auch zur Vollverschleierung mit grüner Stirnbinde. :crazy:

Maglor
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Fr 19. Feb 2016, 00:33 - Beitrag #19

Adonis stehe politisch bis heute in der Tradition der panarabisch-großsyrischen Rechten. Gegen den Dichter habe er nichts einzuwenden, so Wali. Doch Adonis ’ Mitgliedschaft in der faschistischen Syrisch-Sozial-Nationalistischen Partei sei keineswegs eine Jugendsünde gewesen. taz

Politische und esoterische Ansichten des syrischen Dichters Adonis werden zurzeit diskutiert. Anlass der Kritik ist, dass er mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis geehrt werden soll.
Dieser Dinosaurier musste Syrien bereits in den 1950ern verlassen (also noch Jahre vor Assad Seniors Putsch!) und war anschließend auch im Libano in offen faschistischen, panarabischen Gruppierungen aktiv.

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Fr 19. Feb 2016, 11:05 - Beitrag #20

was so alles auf der Welt faschistisch ist^^ mein alter Politiklehrer aus Gymnasialzeiten würde sich kurz und verzweifelt die Augen mit den Händen bedecken^^

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