Überlegungen zur Schießerei von München

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Lykurg
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Sa 23. Jul 2016, 10:30 - Beitrag #1

Überlegungen zur Schießerei von München

Nach den Ereignissen von gestern abend frage ich mich wieder einmal, was eigentlich gerade los ist. In meinen Augen befinden wir uns in einer Massenhysterie, die sich selbst am Leben hält und immer weiter verstärkt. Angst vermindert das Denkvermögen, dementsprechend werden in der Politik sowohl innerhalb der etablierten Parteien als auch jenseits davon unterkomplexe Antworten bevorzugt, wodurch erst aus der empfundenen Terrorgefahr eine echte wird.

Aber was ist passiert? Ein 18jähriger Deutsch-Iraner, der nach eigenen Angaben (das Video auf dem Parkhausdeck) hier geboren ist, in der Schule gemobbt wurde und in psychiatrischer Behandlung war, hat mit einer Pistole um sich geschossen und zehn Menschen getötet, zuletzt sich selbst (außerdem gab es ca. 15 Verletzte). Die Motive sind noch unklar; an einer Stelle las ich, er hätte tags zuvor an einem wenige Minuten entfernten Münchner Gymnasium ein miserables Zeugnis bekommen. Was auch immer dahintersteckt und selbst wenn es doch einen islamistischen Hintergrund geben sollte, auch wenn ich eher vom persönlich/schulisch motivierten Amoklauf ausgehe - bezeichnend und erschreckend fand ich die allgemeine Reaktion.

Als ein Beispiel die Tagesschau von gestern, gezeichnet von Krisenberichterstattung: Die Sendung begann mit einer Serie von Pannen - Einspieler, die nicht funktionierten, Interviewpartner, die nicht wußten, daß sie auf Sendung sind oder die den Gesprächspartner nicht hören konnten, Echos im Ton, nichtssagende Videos auf Dauerschleife - und Interviews mit innerhalb der Sendung immer wieder (!) denselben Leuten vor Ort, die ganz einfach kaum eine Ahnung hatten, was passierte. Die Sendung zog sich ohne Struktur über eine Stunde lang hin, die 'Faktenlage' war nicht als solche zu bezeichnen - ich hatte vierzig Minuten vor Beginn der Tagesschau mehr und bessere Informationen im Netz gelesen.

Statt Falschinformationen zu verbreiten, hätte man das normale Sendeformat beibehalten und deutlichmachen sollen, daß die Lage noch zu unklar ist.
Insbesondere die kolportierten Zeugenaussagen über drei Täter mit Langwaffen haben die Sache nicht eben befördert. Anscheinend sind aber bei Amokläufen diese Fehleinschätzungen eher die Regel; der Nachhall von Schüssen wird fehlinterpretiert und auch sonst in Panik die Gefahr überhöht. Zwischendurch verbreitete sich - auch über die Tagesschau - das falsche Gerücht einer weiteren Schießerei auf dem Stachus, und verursachte auch dort Panik. Letztlich führte die Einstellung des öffentlichen Nahverkehrs über viele Stunden, begründet aus der Sorge, 'die' Täter könnten durch die U-Bahn fliehen, im Großraum München zu einem absoluten Chaos - mit einer unbekannten Zahl von über Nacht Gestrandeten.

Für Daesh ist das alles großartig, natürlich haben die 'den Anschlag' gleich für sich reklamiert. Vermutlich übernehmen sie auch bereitwillig die Verantwortung, wenn ein Mann in einen Gully fällt. Weitere Angst breitet sich aus, und es ist ein Erfolgsrezept: Ein junger Mann mit einer Pistole, und eine ganze Stadt steht Kopf, die GSG9 wird eingeflogen, und weltweit berichten alle Medien in Dauerschleife. Ein Sonderpreis geht an die CNN, die die Geschäfte im Einkaufszentrum durchtelefonierte, um dorthin geflohene Menschen zu interviewen, wie sich echte Todesangst anfühlt... Kein Wunder also, wenn die nächsten Anschläge mit noch einfacheren Mitteln verübt noch mehr Menschen in Atem halten. So einfach dürfte es noch nie gewesen sein, eine Gesellschaft zu kippen.

So gesehen kann ich Hollandes bittere Worte nach Nizza - 'wir müssen uns daran gewöhnen' - eigentlich nur als Aufforderung ernstnehmen, die Verhältnismäßigkeiten zu achten, den Fernseher abzuschalten oder besser gleich zu entsorgen, und eine philosophische Gelassenheit zu entwickeln, die vor Fehlschlüssen auf die Tat ebenso schützt wie vor Kurzschlußreaktionen.

Ipsissimus
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Sa 23. Jul 2016, 13:44 - Beitrag #2

Ich denke, dass nichts gerade los ist, was nicht im System ohnehin angelegt war, wir erleben einfach nur den Beginn der Vollendung.

Du wirst sehen, dass der Umstand seiner Deutsch-Iranischen Herkunft alles andere überstrahlen wird, vielleicht nicht notwendigerweise in der juristischen Aufarbeitung, aber in der Öffentlichkeit. Dieser Deutsch-Iraner ist gemäß seiner Sozialisation einfach nur ein Deutscher. Das darf offenbar nicht reichen. Damals in Erfurt oder Winnenden wurde nichts in einem islamistischen Zusammenhang gestellt, noch nicht mal versuchsweise, ehe man irgendwas wusste. Heute reicht ein Teil der Abstammung.

Lykurg
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Sa 23. Jul 2016, 14:54 - Beitrag #3

Zitat von Ipsissimus:Dieser Deutsch-Iraner ist gemäß seiner Sozialisation einfach nur ein Deutscher.
In diesem Fall ausdrücklich, ja - "Ich bin Deutscher", ruft er in dem Parkhausvideo - und klingt auch danach. In seiner Wohnung hatte er u.a. ein Buch mit dem Titel "Amok im Kopf - warum Schüler töten" (entsprechend sind übrigens auch die Opfer, abgesehen von einer 45jährigen, alle zwischen 14 und 20). Darüber hinaus ist auch eine Verbindung zum Breivik-Massaker vor genau fünf Jahren naheliegend. Aber ja, die Öffentlichkeit wird ihn unterschwellig oder offen als Moslem wahrnehmen - die AfD natürlich mit Begeisterung vornweg.

Edith: Bin gerade auf ein Interview gestoßen, das ich nur unterschreiben kann...

Maglor
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Mo 25. Jul 2016, 10:44 - Beitrag #4

Ich habe die Massenhysterie zum Glück gar nicht mitbekommen, weil ich die Medien nicht verfolgt habe und diesen "sozialen" 2.0-Schrott ohnehin ignoriere.
Die gesellschaftliche Entwicklung folgt den technischen Möglichkeiten. Die Medien folgen den Gesetzen des Marktes. Entscheidend ist der gegenwärtige Marktwert einer Information. Geschwindigkeit und Emotion sind die maßgeblichen Eigenschaften.

Zu den Überlegungen um Kausalität usw. will ich nur darauf aufmerksam machen, dass sich pathologische Charakterzüge und politische Motive keineswegs ausschließen, sondern wunderbar ergänzen können.
Beispiele für solche seltsamen Einzeltäter, deren Taten die politische Entwicklung prägten, gibt es zur Genüge: Marinus van der Lubbe, Josef Bachmann, Anders Breivik ...
Politisches Attentat, privater Rachefeldzug oder der Amoklauf eines Wahnsinnigen lassen sich zwar in der Theorie scharf unterscheiden, aber in Einzelfäll ist das in der Regel äußerst schwierig.
Andererseits können auch bei Tätergruppen wie der Manson-Family, NSU oder DAESH pathologische Erklärungen für ihre Taten durchaus einen Sinn ergeben.

Zu den Erklärungsmusters ist anzumerken, dass sie häufig auf die Stigmatisierung von Gruppen hinauslaufen. Es ist dabei völlig gleichgültig, ob man dabei die iranische Abstammung des Täters, dessen mögliche Sympathien zur AfD, dessen bevorzugten Computerspiele oder mögliche psychische Besonderheiten oder Erkrankungen fokussiert. Die Stigmatisierung psychisch Kranker ist auch nicht wünschenswerter als die Stigmatisierung von Migrationshintergründen.

Ipsissimus
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Mi 27. Jul 2016, 09:29 - Beitrag #5

Offenbar war es ja "nur" ein Amoklauf. Das reicht mittlerweile noch nicht mal mehr für zwei Wochen medialer Aufmerksamkeit.

Lykurg
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Mi 27. Jul 2016, 10:33 - Beitrag #6

In dem Fall ja auch, weil mit Ansbach, (Reutlingen?) und Saint-Étienne-du-Rouvray nachher und Würzburg und Nizza vorher so viele 'echte' Anschläge die Aufmerksamkeit einfordern. Trotzdem war die momentane Aufregung über München sehr viel größer, was möglicherweise mit der spekulationsfördernden Tageszeit zusammenhing, jedenfalls aber mit dem Ort.

Ipsissimus
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Mi 27. Jul 2016, 12:43 - Beitrag #7

Zitat von Lykurg:In dem Fall ja auch, weil mit Ansbach, (Reutlingen?) und Saint-Étienne-du-Rouvray nachher und Würzburg und Nizza vorher so viele 'echte' Anschläge die Aufmerksamkeit einfordern. Trotzdem war die momentane Aufregung über München sehr viel größer, was möglicherweise mit der spekulationsfördernden Tageszeit zusammenhing, jedenfalls aber mit dem Ort.

Na ja, im Falle von Reutlingen, Würzburg und Saint-Étienne-du-Rouvray hege ich noch meine Zweifel, ob das wirklich terroristisch motivierte Anschläge waren. Profi-Terrorismus geht anders^^ und der Typ in Ansbach, das war doch eher eine rührende Geste der Hilflosigkeit. Ein Jahr Vorbereitung und dann derart kläglich versagen.

Lykurg
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Mi 27. Jul 2016, 13:11 - Beitrag #8

Das stimmt zwar - aber angesichts der Berichterstattung scheint mir, daß (bislang noch) 'der Wille zählt'. Wenn wir durch steigende Häufigkeit und Opferzahlen weiter abstumpfen, mag sich das ändern, bzw. wir befinden uns offenkundig schon in einem solchen Änderungsprozeß.

Einen in diesem Zusammenhang lohnenden Film über klägliches Versagen fand ich übrigens die schwarze Komödie "Four Lions".
(Qualitätssiegel: zumindest ein CSU-Abgeordneter wollte ihn verbieten lassen).

Maglor
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Mi 27. Jul 2016, 13:50 - Beitrag #9

Zum Glück haben die Profi-Politiker immer noch ein paar Forderungen in der Schublade: Bundeswehr im Innneren einsetzen, mehr Flüchtlinge nach Bulgarien abschieben usw.
Auch deutsch-iranische Politikerinnen spielen mit und man sollte ernsthaft überlegen, was an den AfD-nahen Deutsch-Iranerern so ungewöhnlich sein soll.

Bei der Schießrei in München ist zu beachten, dass sich die Sicherheitsbehörden oder die sie lenkende Politik keineswegs alles unter Kontrolle haben und am wenigsten sich selbst.
Tausende Polizisten im Einsatz, Hubschrauber, SEK, GSG 9, sogar Feldjäger der Bundeswehr in Bereitschaft ...
Beinahe musste noch dieser 16-jährige mutmaßliche Mitwisser ins Gefängnis.
Das alles nur wegen einem Halbwüchsigen mit einer umgebauten Theaterpistole! Natürlich hat er Menschen getötet, aber hätte nicht schon eine normale Polizeistreife der Sache Herr werden müssen?

Natürlich musste man jede Falschmeldung erst mal ernst nehmen. Natürlich durfte man das Grundsatz erstmal ignorieren.
Lediglich 2 der 8 Todesopfer hatten die deutsche Staatsbürgerschaft als alleinige Staatsangehörigkeit. Wer jetzt vor Ausländern als gefährlichen Subjekten warnt, war ganz offensichtlich im falschen Film!

Zum Vergleich: Der Amokläufer von Erfurt hatte eine Pumpgun und weitere Waffen, attackierte in seiner Schule und war daher weitaus gefährlicher. Die Zahl der Toten war damals auch höher.
Es gibt daher keine neue Qualität der Gewalt.

Worüber man sich wirklich Gedanken machen sollte: Für Flüchtlinge gibt es in den ersten 15 Monaten nur eine eingeschränkte medizinische Versorgung. Eine psychiatrische Betreung ist nicht vorgesehen bzw. kommt erst nach aktuen Zwischenfällen infrage. Traumatisierte und psychisch kranke Flüchtlinge werden im Stich gelassen. Auch bei der Versorgung inländischer Patienten gibt es erhebliche Defizite. So produzieren wir die Drogenabhängigen und Amokläufer von morgen.

Lykurg
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Do 28. Jul 2016, 09:01 - Beitrag #10

Genau diese extreme Überreaktion bzw. Unverhältnismäßigkeit aufgrund medialer Panikverbreitung war mein Anlaß zur Diskussion - allerdings übertreibst du dann doch ein wenig mit der Relativierung, denn für die normale Streife ist das dann doch kein Alltagseinsatz - dafür gibt es Sondereinsatzkommandos, dazu kam halt die unübersichtliche Lage, in der man nichts falschmachen wollte - hinterher ist man immer schlauer - aber den geplanten Verkehrskollaps fand ich schon zu dem Zeitpunkt eine sehr fragwürdige Entscheidung.

Deine Aussage zu den Opfern ist auch noch einmal interessant - allerdings waren es neun Opfer, übrigens laut der Süddeutschen davon sieben Muslime. So gesehen könnte man fasr schon wieder von einem fremdenfeindlichen Anschlag sprechen... :crazy:

Maglor
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Do 28. Jul 2016, 10:35 - Beitrag #11

Zitat von Lykurg:allerdings übertreibst du dann doch ein wenig mit der Relativierung

Übertrieben hätte ich, wenn ich gesagt hätte, dass man mit den angeforderten Polizeikräften aus In- und Ausland auch Afghanistan hätte befrieden können. "2300 Polizisten und andere Einsatzkräfte im Einsatz" Wikipedia
Ein Langzeitversuch der Bundeswehr in Afghanistan hat jedoch gezeigt, dass 2000 deutsche Sicherheitskräfte nicht einmal für Kundus und Umgebung ausreichen, aber das ist noch lange kein Grund, es nicht wenigstens zu versuchen.

Deutsche Truppenstärke in Afghanistan
Bild




Zitat von Lykurg:So gesehen könnte man fasr schon wieder von einem fremdenfeindlichen Anschlag sprechen... :crazy:

Den verwirrten Smily und das "fast" kann man inzwischen auf einfach weglassen. Immerhin wird jetzt offiziell auch in die rechtsextreme Schublade ermittelt.

Zitat von faz:Der Täter von München, Ali David S., war ein Rassist mit rechtsextremistischem Weltbild. Er habe es als „Auszeichnung“ verstanden, dass sein Geburtstag, der 20. April 1998, auf den Geburtstag von Adolf Hitler fiel. Das erfuhr die F.A.Z. aus Sicherheitskreisen. Entsprechende Aussagen über seine Begeisterung für Hitler stammen demnach aus dem engsten Umfeld von S. Auch sei S., der aus einer iranischen Familie stammt, stolz darauf gewesen, als Iraner und als Deutscher „Arier“ zu sein. Ursprünglich gilt Iran als die Heimat der Arier. Türken und Araber habe S. hingegen gehasst. Er habe ein „Höherwertigkeitsgefühl“ ihnen gegenüber gehegt. faz

Besonders schockierend an der Beschreibung finde ich, dass hierbei nicht um die zunehmend folklorisierte Islamophobie oder Ausländerfeindlichkeit handelt, sondern um reinen Rassismus mit direktem Bezug zum Nationalsozialismus.
Ich bin gespannt, was Horst Seehofer dazu noch einfällt. Entwarnung: Mutmaßlicher Islamist war doch nur Neonazi. :wzg: ???

Lykurg
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Do 28. Jul 2016, 20:50 - Beitrag #12

Auch für die AfD dürfte das ein gewisses Problem darstellen - einer ihrer sicheren Wähler und Hoffnungsträger plötzlich tot... Die Storch hätte ihm sicher gern einen Posten beim Grenzschutz vermittelt.

Ipsissimus
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Fr 29. Jul 2016, 09:49 - Beitrag #13

"Iran" heißt ja "Land der Arier". Das Ariertum als Nationalideologie war eine Sofortmaßnahme von Reza Khan, Großvater des letzten Schah von Persien anlässlich der Machtübernahme der Pahlewi 1926, mit der u.a. der Einfluss nichtpersischer Bevölkerungsschichten zurückgedrängt werden sollte. Anders gesagt, die braune Scheisse war auch dort am dampfen. Als Ergebnis langanhaltender Verdrängungs- und latenter Widerstandskämpfe ist der Vielvölkerstaat Iran bis heute mindestens zwiegespalten: Für die Mehrheit ist der Islam ein primäres Dintinktionskriterium, aber es gibt einen erheblichen Anteil vor allem innerhalb der originär persischstämmigen Bevölkerungsschichten, deren Nationalstolz immer noch damit verbunden ist, Arier zu sein.

Anders gesagt, der gute Ali David S. scheint von zwei Seiten aus vergiftet worden zu sein.

Maglor
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Fr 29. Jul 2016, 16:08 - Beitrag #14

Die Arier-Ideologie der Pahlewi hat aber außer dem Namen fast gar nichts mit der europäischen Rassenideologie zu tun.
In dieser Spielart des europäischen Rassismus wurde von einem Gegensatz von Ariern und Semiten ausgegangen, die sich im steten Kampf gegenüberstehen.
Für Antisemitismus war jedoch in der iranischen Staatsideologie des Reza Khan gar kein Platz. Traditionell war das iranische Kaisertum eine Universalmonarchie. Der persische Großkkönig herrschte über Iran und Aniran (Nicht-Iran), was nach damaliger Vorstellung den ganzen Erdkreis ausmachte.
Im heutigen Staat Iran gibt es eine große turksprachige Minderheit. Von Konflikten zwischen persichen und aserbadschanischen Iranern ist nicht bekannt, auch wenn Anfang des 20. Jahrhunderts der neue türkische Nationalstaat versuchte Iranisch-Aserbadschan zu erobern.

Der beschriebene Hass auf die Türken als solche wurzelt weder im Nationalsozialismus, noch in einer iranischen Ideologie.
Diese Türken- und Araberfeindlichkeit ist ein Produkt der BRD, die Hassideologie unserer Zeit. Sie hat keine historischen Vorläufer im 3. Reich, scheint aber teilweise an die Türkenhysterie des 16. Jahrhunderts anzuknüpfen.

Ipsissimus
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Fr 29. Jul 2016, 23:11 - Beitrag #15

Das ergibt sich ja schon daraus, dass es ein Kunstprodukt war. Als solches war es trotzdem erstaunlich erfolgreich. Und wenn dann eine entsprechend vorgeprägte Psyche in Deutschland auf das "richtige" Ariertum stößt, kann das was vorher vielleicht nur ein Abklatsch war, durchaus im neuen Sinne umgedeutet und eingebaut werden. Und dann ist die Kacke richtig am dampfen.

Maglor
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So 31. Jul 2016, 15:16 - Beitrag #16

Die Sache ist ziemlich verdreht. Die antiken Iraner waren die echten Arier, noch bevor der Begriff im Abendland mit neoesotertischem Rassismus aufgewertet wurde. Die arische Renaissance im Iran des 20. Jahrhundert war eine Rückbesinnung auf die eigene Antike und keineswegs eine verdrehte Hassideologie. In ganz Vorderasien gab es im 20. Jahrhundert mannigfache Vertreibungen und Säuberungen nach der Erfindung der dortigen Nationalstaaten. Der Iran ist einer der wenigen Staaten, der als Vielvölkerstaat erhalten blieb. Es gab im Iran keine Vertreibung der Armenier oder Türken, nicht einmal der Juden. Der iranische Nationalismus der Pahlevi-Schahs ist ziemlich harmlos und hat mit dem Nationalsozialismus wirklich nur den Arierbegriff gemein.
Dieser Artikel Braune Brüder im Geiste in der Freitag, der Gegenteiliges unterstellt, ist reiner Bullshit und eine Aneinanderreihung von Fehlschlüssen.
Zitat von Lykurg:Statt Falschinformationen zu verbreiten, hätte man das normale Sendeformat beibehalten und deutlichmachen sollen, daß die Lage noch zu unklar ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob man den Medien da wirklich den Schwarzen Peter zuschieben soll. Das neue an der PR zum Münchner Amoklauf war doch viel mehr, dass die Polizei selbst als semiprofessioneller Gerüchterstreuer aufgetreten ist, während die Medien hinterherhinken und die gelieferte Pseudoinformation weiterverabeiten.
So kam das Gerücht über weiterer Täter mit Langwaffen auf, weil offenbar einige Polizisten in zivil mit entsprechender Bewaffnung in München gesichtet wurde. Die Polizei hat also stundenlang nach sich selbst gefahndet und sich selbst die Mär vom großen Terroranschlag vorgespielt. Was soll der Mist? Bayern braucht nicht mehr Polizisten, sondern mehr Vernunft.

Zitat von Freitag:Amoklauf München Im Rausch der vielgelobten Direktansprache der Münchner Polizei vergaßen viele Bürger, dass diese auch ihre Nachrichten filtert und bisweilen Interessen verfolgt
Warum wurde nicht schneller bekannt gegeben, dass zwei der drei vermuteten Attentäter in Wahrheit Polizisten in Zivil waren? Die schwarz gekleideten, „Langwaffen“ tragenden Dunkelmänner waren von Bürgern irrtümlicherweise für Terroristen gehalten worden. Das heißt, die Polizei hat jene Panik, die sie auf Twitter souverän in Schach hielt, teilweise selbst erzeugt.

Wenn das stimmt ist es schon ein Glücksfall, dass sich die Polizisten nicht getroffen, d.h. gegenseitig abgeknallt haben.
Aber die Polizei weiß ja, was sie tut und braucht keine Klugscheißer.
Etwas weniger Selbstherrlichkeit würde der Polizei gut stehen.
Und natürlich auch etwas weniger Hysterie. München ist nicht Aleppo.

Lykurg
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So 31. Jul 2016, 16:02 - Beitrag #17

Danke für die Klarstellung sowohl des Arierbegriffs (man ersetze ihn etwa durch "Gallier"...) als auch des Hinweises auf die Rolle der Polizei. Wobei das trotzdem die Medien nicht komplett entschuldigt, schließlich sind die dafür verantwortlich, die ihnen zugänglichen Informationen zu prüfen, bevor sie senden, und das Vorlesen von Twitter- und Facebookmeldungen erweckt nicht den Eindruck, man sei dieser Verantwortung gerecht geworden. Es sei denn, man reduziert diese auf 'ja, das steht tatsächlich auf Facebook.' :crazy:

Ich hoffe, die Polizeiarbeit wird noch einmal entsprechend kritisch geprüft, trotz allen Verständnisses für schwierige Entscheidungen in echter und vermeintlicher Gefahrenlage ist mir ein besonnenes und verhältnismäßiges Handeln der Staatsgewalt dann doch zu wichtig, um das als 'Bayern halt' abzutun. Darüber hinaus ist wohl mehr aktive und auch passive Medienkompetenz der Polizei zu wünschen.

Als kurz nach München ein Jugendlicher mal die Instagram- und youtube-Profile des Amokläufers und seiner Bekannten checkte, fand er eines mit sehr konkreten Anzeichen eines weiteren bevorstehenden Amoklaufs, und meldete das der Polizei. Die kamen erstmal zu ihm nachhause und ließen sich alles von ihm am Rechner zeigen, weil bei ihnen in der Wache (und beim LKA) die entsprechenden Webseiten geblockt waren... Sicherlich gibt es Polizeieinheiten für Internetkriminalität; aber inwieweit die für uns selbstverständliche Durchdringung von realer und virtueller Welt und deren Relevanz für nicht in erster Linie internetbezogene Straftaten auch tatsächlich auf der Wache ankommen, ist dann doch fraglich.

Maglor
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Mo 5. Sep 2016, 16:24 - Beitrag #18

Warum gilt das eigentlich als Amoklauf und nicht mehr als Terroranschlag? Die politische und idelogische Dimension der Tat wurde kaum noch beachtet, nachdem ein islamistischer Hintergrund ausgeschlossen werden konnte. Sind rechtsextreme Gewaltäter also doch nur Opfer oder wenigstens bersorgte Bürger?

Eine juristische Klärung wird es nach dem Selbstmord des Täters nicht mehr geben. Um so wichtiger wäre daher eine politische Aufarbeitung.

Maglor
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Sa 17. Mär 2018, 11:26 - Beitrag #19

So lange ist der Anschlag des Ariers nicht her, aber die Vergesslichkeit mancher Leute ist nicht zu überbieten.

Das aktuelle Mantra Seehofers lautet: "Wir wollen, dass ganz Deutschland auf bayerisches Sicherheitsniveau kommt."
Dann müssen Türken also deutschlandweit um ihr Leben fürchten.

Tayfun
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Do 19. Apr 2018, 05:20 - Beitrag #20

Vorwort

1. Das der „Vorfall“ schon fast zwei Jahre stattgefunden hat, verwundert mich jetzt etwas. Man merkt ab und zu nicht wie schnell doch die Zeit verfliegt.

2. Als ich mir die ganzen Beiträge durchgelesen hab, hatte mehr Anmerkungen und Kommentare. Aufgrund der Übersichtlichkeit, des Zeitaufwands und der allgemeinen alter der Beiträge, habe ich mich entschlossen mir einige Punkte rauszusuchen und darauf meine Meinung zu äußern.

Meine Meinung/Kommentar

1. Die Berichterstattung

a. War in den Letzten Jahren (oder sogar ca. den letzten 20 Jahren) wie immer leider quotenbezogen. Dabei gab es kaum unterschiede zwischen TV, Internet oder Radio.
i. „TV“: Obwohl es keine Neuigkeiten gibt oder sogar halbwegs sichere Tatsachen die sie berichten können werden Dauer Sendungen geschaltet. Um die Lautete vor der Glotze zuhalten, werden von den Moderatoren im fünf Minutentackt Infos wiederholt für die eigentlich ein Moderator nur zwei Minuten braucht um bis zu Werbepause zukommen. Dazu werden noch Videoaufnahmen auch im dauerschleife gezeigt, wenn nötig wird auch gerne auf „Amateuraufnahmen“ zurückgegriffen. Wenn man endlich mal ein Kamerateam „Vorort“ hat, mit einem [strike]Kompetenten, der sich bevor er sich vor die Kamera stellt, die Lage gut erkundigt und alle fakten aus sichere Quelle überprüft hat[/strike] Reportet, einige Live Schaltungen alle zehn Minuten. … …. … … ..
Bei den Privaten (Nachrichten) Sendern, kann ich das ja irgendwie schon auf perverse weise verstehen. Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten, gute Nachrichten bringen Einschaltquoten, Einschaltquoten erfreuen die Werbekunden und somit die Aktionäre der Sender. Aber wieso machen das die Öffentlich-rechtlichen mit.
ii. „Internet“: Im Grunde dasselbe Spiel wie im TV, nur dass es da alle X-Minuten ein Updatet der Seite geben muss, dass die die schon der Seite sind, da auch bleiben. Durch die „Updates“ in den Suchmaschinen soweit wie möglich „oben“ sind durch die angebliche Aktualität, um neue Klicks zu generieren.
In Kombination mit schnell zusammengeschustert Videos mit Pre-Roll Werbung.
iii. „Radio“: Wohl das Medium, die wohl am wenigsten da mitmacht, weil das Sendeformat und Art für sowas nicht ausgelegt ist. Da wird in der Regel nur die üblich Zeitfenster die für Nachrichten geplant sind auch genutzt. Inder Regel.
b. Man kann nicht wirklich erwarten das während des eines solchen Vorfalls oder auch kurz danach man relevante Informationen bekommt.
Es geht hallt in erste Linie darum du Zuschauer zu sich zu binden.

c. Obwohl ich die Sender auch noch kurz in Schutz nehmen will.
Ich verallgemeinere jetzt noch etwas mehr und sage wir sind auch nicht ganz unschuldig, bei diesem Spiel. Wir wollen alles jetzt, sofort, umgehen, dali dali. Und wen die Sender da nicht mitmachen, wird ja wieder was vertuscht…

2. „Die Sozialen Medien“

a. Im Grunde will ich mich da gar nicht äußern. Da ist jeder Tastenschlag eine Verschwendung von Ressourcen.
b. Nur so viel. Das da Politiker, Presse & Offizielle Anstalten da mitmachen und meist
nicht wirklich mit verstand stimmt mich Traurig.
3.
Zitat von Ipsissimus:Offenbar war es ja "nur" ein Amoklauf. Das reicht mittlerweile noch nicht mal mehr für zwei Wochen medialer Aufmerksamkeit.

Zitat von Maglor:Warum gilt das eigentlich als Amoklauf und nicht mehr als Terroranschlag? ….

a. Ein Amoklauf wird von der Gesellschaft schneller abgehagt und die Politik muss sich damit nur kurz Auseinandersetzen.
b. Bei Terroranschlägen muss sich Politiker und Behörden sich die frage gefallen lassen, wieso dass nicht verhindert wurde und wer die Konsequenzen trägt. Da ist ein „verwirrter allein tätiger Amokläufer“ praktischer. Egal aus welchen grünen der Tat entsprungen ist.
c. Da keine [Lieblings] „Gruppe“ hinter der Tat steckt, denn man dann verurteilen und immer wieder ansprechen kann um neue und deutlich bessere gesetzte zum Schutz der Bürger bestimmen kann. Ist es Praktischer ein Amoklauf zuhaben, um so schnell wie möglich Grass darüber wachsen zulassen.
4. Die Polizei:
a. Macht im Grunde eine gute Arbeit. Meistens zumindest. Danke dafür.
i. [Patriotismus] Vor allem hier in Bayern [/Patriotismus]
b. Sie sollten sich aber nicht von der Hektik des „Sozialen Medien Zeitalters“ anstecken lassen und nicht mehr als zum Beispiel: "Aus Sicherheitsgründen im Raum XYZ, verlassen sie das Gebiet ruhig und zügig, nähmen Sie keine Anhalter mit, bleiben Sie bitte Zuhause." im Internet Posten.
c. Sie sollten auch ihre Ausnahme Pläne evtl. mal überarbeiten. Ich sehe keinen Sinn darin so viel Polizisten zu mobilisieren, auch wenn die Lage unübersichtlich war und mit einem großen Terroranschlag gerechnet wurde.
Zum Beilspiel wurde ich an diesem Tag auf der Autobahnänlichen Bundesstraße von zivilen und nicht zivilen Fahrzeugen der Polizei überholt, die zügig nach München fuhren. Und im Radio kam die Nachricht, dass man die Autobahnstrecke nach München entlasten soll, dass die Polizei Freifahrt hat. Soweit so gut, dass jede menge Politzisten schnell mobilisiert werden können. Aber gibt es sin aus Unterfranken nach München 350 km-400 km mit 200km/h+ Beamte dahin zuschicken?
Reichen die Polizisten von München und Umgebung nicht?
Woher kamen die ganzen Polizisten. War die alle die gerade aktiv im Dienst waren, wurden Polizisten aktiviert die gerade Freizeit hatten?
Hatte man in den Gegenden dann noch genügen Beamte da um die gegen zu schützen?
Fragen überfragen.

Schlusswort

Eigentlich wollte noch mehr schreiben, aber dass wurde mir jetzt schon etwas Zuviel. Also wurde es jetzt sogar noch weniger als Anfang geplant. Schadet glaube ich aber auch nicht.
Bei dem Punkt Medien habe ich die Sachlage etwas überspitzt dargestellt, hoffe das verzeiht ihr mir ;).
Ach ja:

Zitat von Maglor:So lange ist der Anschlag des Ariers nicht her, aber die Vergesslichkeit mancher Leute ist nicht zu überbieten.

Das aktuelle Mantra Seehofers lautet: "Wir wollen, dass ganz Deutschland auf bayerisches Sicherheitsniveau kommt."
Dann müssen Türken also deutschlandweit um ihr Leben fürchten.


Nein, gerade sind soviel Flüchtlinge da, dass die Türken gerade eine ruhige Phase haben >.>

_____
Edit 1: BBCode korrigiert.

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