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Schwarmintelligenz und Proteinfaltung

Verfasst:
Di 4. Okt 2011, 11:02
von Lykurg
Der
matrixeigene Faltversuch ist ja nun schon eine Weile her; das Projekt Fold-it, um das es mir hier geht, zwar auch - aber der Unterschied ist, daß Fold-it stärker auf die menschlichen Fähigkeiten zurückgreift als auf Rechner, entsprechend auch sein erstaunlicher Erfolg.
Onlinespielern ist es
gelungen (offenbar im letzten Jahr), binnen drei Wochen ein Modell der Proteinstruktur eines Retrovirenenzyms zu erstellen (
Erklärung), das Forscher offenbar seit zehn Jahren erfolglos zu entwickeln versuchten - offenbar ein wichtiger Schritt für die Aidsforschung, zumindest der
Science war es einen Artikel wert.

Verschiedene Artikel dazu heben auf die Verbindung von menschlicher und künstlicher Intelligenz zur Problemlösung ab; inwieweit Schwarmdenken wirklich relevant war, geht aus den von mir gesehenen Artikeln nicht hervor, die sich mit der beteiligten Teilnehmerzahl etc. nicht befassen. Das fände ich aber eigentlich gerade spannend.

Verfasst:
Di 4. Okt 2011, 12:44
von Ipsissimus
relevante Kriterien für den Erfolg von Schwarmintelligenz scheinen mir darin zu liegen, dass
- keine Denkbarriere besteht, also nicht apriori Dinge ausgeschlossen sind
- keine Bestrafungsmöglichkeit für fehlerhafte Gedankengänge besteht
- Anonymität des Denkenden gewährt bleibt.
Anders gesagt, der Schwarm erzeugt einen Pool, eine Überfülle von Gedanken, aus dem dann die Fachleute die richtigen heraus finden können. Das Phänomen kennen sicher viele, dass mensch nicht auf die Lösung kommt, wenn es aber die richtige Lösung irgendwo sieht, erkennt es sie sofort
Der Nachteil ist die fehlende Zuordnung im Falle eines sich durchsetzenden Gedankens, was ich aber in einer Zeit überbordender Urheberrechtsfälle durchaus positiv sehe.

Verfasst:
Di 4. Okt 2011, 13:19
von janw
Ipsi, das klingt etwa wie eine permanente Ideensammelphase einer "Zukunftswerkstatt" bzw. wie ein Brainstorming als permanenter Prozess.
Ist "Schwarmintelligenz" nur wieder ein hochglanzpolierter hipper Begriff für eigentlich Bewährtes?

Verfasst:
Di 4. Okt 2011, 13:54
von Lykurg
janw, die von dir genannten Vorgängermodelle beinhalten nicht bzw. nicht in derselben Weise die Kriterien der Anonymität, Verbotsfreiheit und Sanktionsfreiheit für Fehlerhaftes. Insofern liegt hier mE tatsächlich neues vor. Die nachträgliche Selektion durch Fachleute sollte dann idealiter dafür sorgen, daß nicht die überzeugendste, sondern die richtige Lösung zum Zuge kommt.
Zur Frage des Urheberrechts wäre anzumerken, daß wohl (einige der?) Spieler es als Mit-Autoren in den Science-Artikel geschafft haben, wie auch immer das erhoben worden sein mag.

Verfasst:
Di 4. Okt 2011, 14:06
von janw
Lykurg, die genannten Kriterien lassen sich in einer Zukunftswerkstatt durchaus realisieren, indem z.B. die Ideen anonym auf einzusammelnde Zettel geschrieben werden und von diesen Zetteln aufgeschrieben werden. Die Verbotsfreiheit, das Alles-denken-können-sollen ist ein Kernbestandteil der Methode der Zukunftswerkstatt.

Verfasst:
Di 4. Okt 2011, 16:02
von Lykurg
Naja, Zukunftswerkstatt finde ich von der Buzzwordhaftigkeit^^ her aber auch nicht viel besser. Man kennt es vielleicht schon länger, dann müssen die Mechanismen in der Tat nicht so anders sein, wieweit das auch für die Mitwirkungsform gilt, weiß ich nicht.

Verfasst:
Di 4. Okt 2011, 17:21
von Ipsissimus
janw, ich sehe bei einer Schwarmintelligenz noch nicht so deutlich, dass der Schwarm selbst die Entscheidung darüber trifft, welche seiner Gedankengänge problemlösend sind, es findet lediglich eine Art Verdichtung hin zu ein paar alternativen Lösungsstrategien statt. Das scheint mir ein wesentlicher Unterschied zu einer Zukunftswerkstatt zu sein, wobei ich eine gewisse Ähnlichkeit der Vorgehensweisen durchaus wahrnehme.

Verfasst:
Di 4. Okt 2011, 18:30
von janw
Lykurg, hinsichtlich der "Buzzwordhaftigkeit" wäre anzumerken, daß die Zukunftswerkstatt als Methode etwas älter ist dieser Begriff, es war damals ein neuer Begriff für eine neue, auch von ihrem gedanklichen Hintergrund neue, Methode.
Ipsi, das Empfinden habe ich auch. Vielleicht läuft es auf eine der vielen Formen von "Think tanks" hinaus, Gedankengeneratoren für die Exekutive.
Auf jeden Fall kann das Grundprinzip, mit der maßgeblichen Materie nur mehr oder weniger Vertraute und nicht durch gegebene Denkstrukturen Vorbelastete zur Lösung von Problemen einzusetzen, erfolgreich sein.
Vielleicht schaue ich mir dieses Proteinfaltprogramm mal an.

Verfasst:
Do 6. Okt 2011, 11:04
von Ipsissimus
Auf jeden Fall kann das Grundprinzip, mit der maßgeblichen Materie nur mehr oder weniger Vertraute und nicht durch gegebene Denkstrukturen Vorbelastete zur Lösung von Problemen einzusetzen, erfolgreich sein.
eine Erkenntnis, die sich auch in vielen Unternehmen zunehmend durchsetzt, weswegen Arbeitsteams mittlerweile häufig ein bis zwei Nicht-Spezialisten enthalten, deren Funktion darin besteht, "dumme" Fragen zu stellen und Antworten zu hinterfragen, bei denen kein Fachmann auf die Idee kommen würde, wie sie überhaupt hinterfragt werden könnten