Dunkle Galaxien

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
janw
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Sa 21. Jan 2012, 02:00 - Beitrag #1

Dunkle Galaxien

Die Verbreitung der sog. Dunkle Materie im All gewinnt anscheinend an Kontur. Klangen die bisherigen Berichte eher danach, als wabere sie mehr oder weniger diffus durchs All, wurde jetzt eine komplette Galaxie aus Dunkler Materie entdeckt.
Näheres dazu hier:

Ipsissimus
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Sa 21. Jan 2012, 14:35 - Beitrag #2

Licht geht von ihr keines aus - sei es, weil ihre Sterne nur schwach leuchten oder sie bereits ausgebrannt sind.
hmm, irgendwie kommt mir das als ziemlich profane Erklärung vor. Außerdem hieße das, dass der Großteil aller je existiert habenden Sterne schon wieder verschwunden sein müsste, wenn damit dunkle Materie vollständig erklärt sein soll. Möglich, aber ich wäre enttäuscht^^

Traitor
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Sa 21. Jan 2012, 15:02 - Beitrag #3

Hier das Original, frei zugänglich ist aber, wie bei Nature üblich, nur der Abstract.

Das Radio wirft da leider einiges durcheinander. Zum einen finde ich es in einem für das Allgemeinpublikum gedachten Bericht gefährlich, von einer "Galaxie aus Dunkler Materie" zu reden, da das die Assoziation weckt, sie beinhalte auch Sterne und Planeten aus Dunkler Materie, was aber äußerst exotisch wäre. Was sie meinen ist "eine Ansammlung Dunkler Materie von der Masse einer Galaxie". Und insbesondere ist wichtig, dass es sich nicht um eine Galaxie im üblichen, grob milchstraßengroßen, Sinne handelt, sondern um eine Satellitengalaxie.

Ersteinmal zum Standardmodell:
Zitat von janw:Klangen die bisherigen Berichte eher danach, als wabere sie mehr oder weniger diffus durchs All
Mehr diffus als die helle Materie, aber weniger diffus als diffus. ;) Die beobachtete großräumige Struktur der hellen Materie (Galaxienhaufen, Filamente) entspricht ziemlich genau der der Dunklen Materie (in der Frühzeit des Universums kontrahierte auch primär die Dunkle und die helle folgte ihr). Auf "kleineren" Skalen (Galaxien und ihr inneres) ist die helle Materie konzentrierter als die Dunkle: helle Materie kann durch Abstrahlung von Photonen Energie=Temperatur=Bewegung loswerden und somit näher zur Mitte eines Potentialtopfes fallen, Dunkle kann das nicht (oder nur sehr beschränkt durch Annihilation oder interne Wechselwirkungen) und bleibt somit großräumiger um das Zentrum her verteilt.
Daher erwartet man, dass Galaxien in einen "Halo" Dunkler Materie eingebettet sind, der sich deutlich weiter nach außen erstreckt als die sichtbare Scheibe/Ellipse und auch als der sichtbare Teil des Halos. Zurück zur Strukturbildung: den üblichen Modellen nach bildeten sich zuerst diese Halos, in ihrem Zentrum sammelte sich dann Gas, aus dem die Sterne der künftigen Galaxie entstanden. Daraus ergibt sich aber auch fast zwingend, dass es kleine Dunkle Halos geben sollte, die nicht schwer genug sind, um genügend Gas zu sammeln, um Sterne zu zünden, also dunkel bleiben. Und als weitere Eigenschaft der Strukturbildung ist das "bottom-up"-Szenario wichtig, dass sich also erst viele kleine Halos bildeten, die dann zu größeren verschmolzen. Wobei dann einige bis viele kleine Halos auch übrig blieben und die großen umkreisen sollten. Mehr, als man an hellen Satellitengalaxien beobachten kann.
Daher die Vorhersage der "dunklen Satellitengalaxien", die zu finden sehr schwierig ist und deren weitgehendes Fehlen gerne als eines der größten Probleme des kosmologischen Standardmodells kritisiert wird. Aber nach und nach trudeln ein paar davon ein. Im Nature-Abstract wird ja auch auf frühere Funde verwiesen, der erste dieser Art ist die aktuelle Arbeit nicht.

Wirklich sensationell wäre die Entdeckung eines dunklen Halos von echter Galaxiengröße, also in etwa wie unsere Milchstraße. Damit hätte die Strukturbildungstheorie echte Probleme.

@Ipsi: Diese profane Erklärung ist wohl eher als vorsichtige Alternative zu einer reinen Ansammlung Dunkler Materie gedacht. Aus "nicht hell" folgt halt noch nicht automatisch "Dunkel" mit großem D. ;) Bestünde die gesamte Dunkle Materie im Kosmos oder ein großer Teil von ihr nur aus ausgebrannten oder schwachen Sternen, würde aber hinten und vorne nichts zusammenpassen. Die Strukturbildung wäre völlig anders verlaufen, der Mikrowellenhintergrund sähe anders aus, etc. Nur für einzelne lokale Fälle muss man das als denkbare Alternative beachten.

janw
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Sa 21. Jan 2012, 17:59 - Beitrag #4

Ah, gut, das erklärt vieles.
Traitor, Du solltest mal bei dem Sender anheuern^^

Muss man sich diese Halos als Ringe vorstellen, oder handelt es sich um Kugelschalen, die 3D-runden Nebel umschließen?

Traitor
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Sa 21. Jan 2012, 18:50 - Beitrag #5

Da müsste man ja sprechen können. ;)

Der "Halo"-Begriff lehnt sich nicht an Heiligenscheine an, sondern an den Mond-Halo, also in Projektion auf den Himmel als diffuser Bereich um eine zentrale Kreisscheibe und in All-3D als Kugel. Allerdings nicht nur Kugelschale, sondern Vollkugel, die Dunkle Materie durchdringt auch den zentralen, hellen Bereich einer Galaxie, ist dort aufgrund der geringeren Dichte nur weniger relevant. Aber dadurch können wir uns auch Hoffnungen machen, sie im Sonnensystem direkt zu detektieren.
Meinst du "Nebel" im klassischen Sinne, als Spiralgalaxien noch "Spiralnebel" hießen...?

Ipsissimus
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Mi 25. Jan 2012, 15:30 - Beitrag #6

wenn das Higgs selbst Masse hätte, also von ihm Gravitation ausginge, könnte es doch sein, dass die Dunkle Materie aus Higgs-Bosonen bestünde^^ das würde zumindest erklären, warum wir so wenig davon sehen^^

Traitor
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Mi 25. Jan 2012, 21:01 - Beitrag #7

Sowohl das Standard-Higgs als auch alle halbwegs naheliegenden Varianten haben Masse. (Ein paar sporadische Artikel zu "massless higgs" lassen sich finden, aber das gilt für so ziemlich jede Kombination zweier beliebiger physikalischer Begriffe. ;)) Als Kandidat für die Dunkle Materie kommt es aber nicht in Frage, weil es nicht stabil ist - es tritt nur kurzzeitig als Austauschteilchen auf. Massive exotische Teilchen gibt es ja haufenweise. Für die kosmologische kalte Dunkle Materie braucht es aber massive, stabile, schwach wechselwirkende.

Ipsissimus
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Mi 25. Jan 2012, 22:05 - Beitrag #8

oder es fluktuiert^^ in dem Sinne, dass das Higgs-Feld "flimmert"^^

Traitor
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Mi 25. Jan 2012, 23:14 - Beitrag #9

Kannst du das ausführen...? Mir ist gerade weder klar, auf welchen meiner Sätze sich das "oder" bezieht, noch, was das "Flimmern" genau sein soll.

Ipsissimus
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Mi 25. Jan 2012, 23:41 - Beitrag #10

na ja, in dem Sinne, dass die Eigenschaft, ein Austauschteilchen zu sein, sekundär ist, dass das Higgs völlig unabhängig davon, ob etwas anwesend ist, dem es Masse geben kann, einfach da ist, nicht da ist, da ist, nicht da ist usw. Und wenn dann zufällig gerade ein Elementarteilchen in der Nähe ist, während es da ist, gibt es ihm nebenbei noch die Masse mit

janw
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Do 26. Jan 2012, 16:03 - Beitrag #11

Dann würde es ja Elementarteilchen ohne Masse geben - gibt es die ? - die dann plötzlich zu Elementarteilchen mit Masse werden.
Und würde sich ein Hoggs mit Masse nicht deutlich andees verhalten als eines ohne?

Traitor
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Do 26. Jan 2012, 20:35 - Beitrag #12

@Ipsissimus: Damit wäre es aber höchstens ein Kandidat für die diffuse Dunkle Energie oder als Inflaton (also eher für den anderen Thread ;)) , nicht für die kollabierte Strukturen bildende Dunkle Materie. Und auch eher nur als Inflaton, mit damals noch anderem Vakuumzustand, für einen relevanten Beitrag zu einer heutigen Vakuumenergie passen die Eigenschaften konservativer Higgse nicht.

@Jan: Dauerhaft asselos sind vermutlich Photonen und Gravitonen. Spontane Massengenerierung ist ja gerade die zentrale Eigenschaft des Higgs, Stichwort "spontane Symmetriebrechung".
Und ja, die Masse des Higgs ist eine klare Observable, deshalb sucht man ja auch experimentell nach ihr.

Ipsissimus
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Fr 27. Jan 2012, 12:42 - Beitrag #13

Die beobachtete großräumige Struktur der hellen Materie (Galaxienhaufen, Filamente) entspricht ziemlich genau der der Dunklen Materie
Woher weiß man das, wenn man die Dunkle nicht beobachten kann? Ich würde verstehen, wenn eine Theorie das verlangt, aber so, wie du es formulierst, klingt das, als wüsste man aufgrund von Beobachtungen ziemlich gut über die Verteilung der Dunklen Materie Bescheid, so dass man sie mit der Verteilung der Hellen Materie vergleichen kann?

Traitor
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So 29. Jan 2012, 14:40 - Beitrag #14

Die meisten Beobachtungen sehen nur die helle Materie und stellen fest, dass es zu wenig ist, um nur durch ihre eigene Gravitation ihre eigene Form zu erklären, also muss es gleichverteilte Dunkle geben, oder eine modifizierte Gravitation.
Es gibt aber auch Beobachtungen, die gravitative Effekte dort nachweisen, wo nichts helles zu sehen ist - Gravitationslinseneffekte. In lokalisierter Form beispielsweise diese dunklen Satellitengalaxien, von denen hier die Rede ist. Globaler mit "kosmischer Scherung", der statistischen Verteilung der Ablenkung besonders lang zu uns reisender Photonen durch all die Materie zwischen Quelle und uns. Das gibt einem direkt eine Verteilung der Gesamtmaterie.

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Mo 30. Jan 2012, 13:15 - Beitrag #15

hmm, wer bin ich schon, dass ich es wagen dürfte, bei der Aussage eines promovierenden Physikers Unbehagen zu empfinden^^ trotzdem^^ für mich ist es nicht deutlich, warum die Dunkle gleichverteilt sein muss wie die Helle. Das hängt m.E. doch hochgradig davon ab, wie stark die Gravitationswirkung ist, die von dieser Materie ausgeht - wenn es wirklich vier- bis fünfmal soviel Dunkle Materie im Universum gibt wie es Helle Materie gibt, kann die m.E. nach gar nicht gleichverteilt sein, es sei denn, ich verstehe nicht richtig, was mit "gleichverteilt" genau gemeint ist. Ganz zu schweigen davon, dass mir als Fan exotischer Lösungen eine modifizierte Gravitation sehr sympathisch wäre^^

janw
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Mo 30. Jan 2012, 17:32 - Beitrag #16

Spricht etwas gegen eine Gleichverteilung von der Art der Verteilung des Teeins in der Tasse Tee?

Ipsissimus
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Mo 30. Jan 2012, 17:49 - Beitrag #17

wahrscheinlich nichts, aber das Bild macht mir immer noch nicht deutlich, was gemeint ist^^

janw
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Mo 30. Jan 2012, 22:39 - Beitrag #18

Naja, gleichmäßige Verteilung eben, ohne Häufungen und Verdünnungen.

Oder meint Traitor "gleich wie die helle Materie verteilt"?

Ipsissimus
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Di 31. Jan 2012, 00:24 - Beitrag #19

das erste war meine ursprüngliche Annahme, aber mittlerweile vermute ich tatsächlich, dass Traitor so was in der Art meint, dass neben jedem Teilchen heller Materie sein Dunkelteilchen mit schwirrt, praktisch eine andere Art Antiteilchen, immer paarweise, wie bei virtuellen Paarbildungen, nur stabil^^

janw
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Di 31. Jan 2012, 00:43 - Beitrag #20

Das Dunkle, das dem Hellen erst richtig Licht verleiht^^

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