Folgen von radioaktiven Atomen für chemische Verbindungen

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janw
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Mi 27. Mär 2013, 17:40 - Beitrag #1

Folgen von radioaktiven Atomen für chemische Verbindungen

Mir ist kürzlich mal durch den Kopf gegangen, was wohl passieren würde, wenn ein Partner in bestimmten Verbindungen aus dem radioaktiven Isotop des jeweiligen Partners bestehen und dieses zu großen Teilen zerfallen würde - insbesondere, wenn das Zerfallsprodukt nur wenig reaktiv wäre und normalerweise nicht die Stelle des Ausgangsatoms in der Verbindung einnehmen könnte.

Beispiele: Halogenide können nach Substitution an Alkylreste von Aldehyden oder Carbonsäuren die Reaktivität der Aldehyde bzw. Carbonsäuren durch induktive Effekte erhöhen.
Wenn nun ein radioaktives HAL-Isotop mit kurzer Halbwertszeit verwendet wird, was passiert? Ändert sich die Säurestärke? Zersetzt sich ein Ester, der sich nur aufgrund des erhöhten I-Effektes bilden konnte?

Werden radioaktive C-Atome nach Zerfall in den betreffenden Molekülen einfach durch die Zerfallsprodukte ersetzt?

Traitor
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Mi 27. Mär 2013, 22:40 - Beitrag #2

Entscheidend ist ersteinmal, was der Zerfallsprozess genau ist. Bei Alpha und Beta, also Elementumwandlung, wird das Zerfallsprodukt in den meisten Fällen chemisch inkompatibel zur bestehenden Verbindung sein. Manche komplexe Moleküle sind vielleicht flexibel genug, um sich umzuordnen und in einen anderen gebundenen Zustand überzugehen, aber in den meisten Fällen sollte sich die Verbindung eigentlich zerlegen. Drehimpuls und Rückstoß sind auch in jedem Einzelfall zu beachten.

Aber moment, anscheinend unterschätze ich, zumindest je nach Kontext, stark die Stabilität geladener Moleküle - hier ein Artikel von 1958, der u.a. mit C^(14)O_2 -> (NO_2)⁺ ein von der Konfiguration her vermeintlich einfaches, in den möglichen Ergebnissen aber bereits recht komplexes Beispiel nennt, bei dem das ionische Endprodukt meistens "stabil" bleibt (aber in einer nichtreinen Umgebung vermutlich schnell umreagiert...?), manchmal aber auch direkt zerlegt wird.

Gamma-"Zerfall" dagegen ist ja nur eine Abregung des Kerns, ändert die chemischen Eigenschaften also nicht, höchstens könnte da innere Konversion etwas zerschießen - obwohl ich spontan nicht weiß, ob die in Molekülbindungen überhaupt funktioniert, da könnte es Probleme mit Drehimpuls und so geben. (Danach zu googlen, wird dadurch erschwert, dass es auch einen analogen Effekt "innere Umwandlung"="internal conversion" in der Chemie an sich, sprich auf Molekülebene, gibt... Aber dem obigen Artikel zufolge scheint sie schon relevant zu sein.)

Zu deinen konkreten biochemischen Beispielen kann ich aus Bildungsmangel nichts sagen. Ein spannender Fall dürfte auch noch Jod sein.

Interessant wäre auch noch, ob es Verbindungen gibt, deren Bindungsenergien so knapp bemessen sind, dass sie dank Isotopenshift nur mit bestimmten Isotopen eines Elements funktionieren? Mir wäre kein Beispiel bekannt, aber denkbar wäre es, wenn auch wohl nur mit viel Feinabstimmungspech. Obwohl, zumindest der Fall "bevorzugten" Einbaus bestimmter Isotope ist ja recht häufig, dann sollte doch auch die extreme Variante vorkommen.

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 28. Mär 2013, 14:21 - Beitrag #3

bei Alpha- und Betazerfall sollte es eigentlich in der Mehrzahl der Fälle zu chemischen Instabilitäten kommen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der neue Verbindungspartner dieselbe Valenz aufweist wie der alte. Wenn in einem Molekül ein dreiwertiger Partner benötigt wird, der sich plötzlich in einen zweiwertigen Partner umwandelt, entsteht nicht nur eine andere Verbindung, sondern die Elektronenvalenzen ändern sich, d.h. die betroffenen Moleküle werden chemisch instabil und letztlich in ihre Einzelelemente aufgespalten. Und falls die neuen Partner nicht chemisch reaktiv zueinander sind, bleibt das dann so, man hat dann also ein Gemisch.

Zerfällt ein Isotop in ein anderes Isotop derselben Ordnungszahl, dann ändern sich wohl teilweise die chemischen Eigenschaften, schweres Wasser ist nicht dasselbe wie normales Wasser.


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