Astronomie anno 1905

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
Traitor
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Mi 12. Feb 2014, 20:44 - Beitrag #1

Astronomie anno 1905

"Newcomb-Engelmanns Populäre Astronomie", Dritte Auflage, herausgegeben von Dr. H. C. Vogel, Direktor des astrophysikalischen Observatoriums zu Potsdam. Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann, 1905.

Zitat von Vierter Teil. Stellarastronomie. Kap. I. Die Fixsterne. 8. Sternhaufen und Nebelflecke, S. 591:... fast alle neugefundenen Nebel aber Spiralnebel seien, so daß diese Form als die normale für kompakte, isoliert stehende Nebelmassen anzusehen sei.


Zitat von Vierter Teil. Stellarastronomie. Kap. II. Der Bau des Universums. 1. Ansichten der Forscher vor Herschel, S. 599:So geistreich auch diese Ideen Lamberts erscheinen, so müssen wir ihnen doch jede wissenschaftliche Berechtigung absprechen, ...


Zitat von Vierter Teil. Stellarastronomie. Kap. II. Der Bau des Universums. 3. Untersuchungen neuerer Forscher S. 615:... und bisher ist keine Tatsache bemerkt worden, die dazu zwänge, in einigen der genannten Gebilde [Spiralnebel] etwa Weltsysteme zu erblicken, die als unserem Sternsystem koordiniert angesehen werden müssen.


Zitat von Vierter Teil. Stellarastronomie. Kap. II. Der Bau des Universums. 3. Untersuchungen neuerer Forscher S. 618:Sie [die Spiralnebel] würden, wenn Eastons Anschauungen richtig sind, wahrscheinlich ferne Milchstraßensysteme sein und nicht zu unserem System gehören. Es läßt sich aber noch nicht sagen, ob diese Vermutung richtig ist, ...


Zitat von Vierter Teil. Stellarastronomie. Kap. II. Der Bau des Universums. 3. Untersuchungen neuerer Forscher, S. 626:Die Begrenzung unseres Universums ist wahrscheinlich etwas unbestimmt und unregelmäßig.


Zitat von Vierter Teil. Stellarastronomie. Kap. II. Der Bau des Universums. 3. Untersuchungen neuerer Forscher, S. 626:Das Universum erstreckt sich weiter in der Richtung nach der Milchstraße, als nach ihren Polen hin.


Zitat von Vierter Teil. Stellarastronomie. Kap. II. Der Bau des Universums. 3. Untersuchungen neuerer Forscher, S. 626:Die Gesamtzahl der Sterne ist nach Hunderten von Millionen zu zählen.


Zitat von Vierter Teil. Stellarastronomie. Kap. III. Kosmogonie. 3. Die Quellen der Sonnenwärme, S. 641:Wir können es fast als beobachtete Tatsache betrachten, daß die Sonne seit vielen Tausenden oder Zehntausenden von Jahren Wärme in den Raum ausstrahlt, scheinbar ohne Abnahme ihres Vorrates.


Zitat von Vierter Teil. Stellarastronomie. Kap. III. Kosmogonie. 5. Folgerungen aus der Nebularhypothese, S. 649:Jener Prozeß der Entwicklung begann, als das jetzt wahrnehmbare Universum eine den Raum füllende Masse glühenden Gases war; er dauert fort in seinem stetigen und notwendigen Verlaufe und wird enden, wenn Sonne und Sterne dunkle und kalte Massen toter Materie geworden sind.


Zitat von Vierter Teil. Stellarastronomie. Kap. III. Kosmogonie. 6. Die Vielheit der Welten, S. 653:Erwägen wir jedoch, daß die Planeten möglicherweise nach Hunderten von Millionen zählen, ...

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Mi 12. Feb 2014, 23:13 - Beitrag #2

Eine sehr schöne Lektüren, die du da hast, auf die solltest du in deiner nächsten Publikation irgendmöglich verweisen.

Zitat von Teil. Stellarastronomie. Kap. II. Der Bau des Universums. 3. Untersuchungen neuerer Forscher, S. 626:Die Begrenzung unseres Universums ist wahrscheinlich etwas unbestimmt und unregelmäßig.

finde ich sehr schön. Da hat der Mann etwas sehr kluges gesagt.

Traitor
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Mi 12. Feb 2014, 23:59 - Beitrag #3

Der Nachbar, der mir das Buch geliehen hat, wollte mir auch schon aufdrängen, es in meiner Doktorarbeit zu zitieren. Passenden Inhalt dafür habe ich leider bisher nicht gefunden, im Gegensatz zu einem fest eingeplanten SF-Werk von 1897.

Mir gefällt tatsächlich sehr gut, wie von "wahrscheinlich", "noch nicht zu entscheiden" usw. geschrieben wird. Ich hatte mehr bestimmtes Behaupten kurz darauf umgestoßener Dogmen erwartet. Die Verurteilung von Lambert ist fast das entschiedenste in diesen Kapiteln.

Lykurg
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Do 13. Feb 2014, 00:41 - Beitrag #4

Die Aussage zur "möglicherweise seit vielen Tausenden oder Zehntausenden von Jahren" ausgestrahlten Sonnenwärme finde ich überaus erstaunlich. Ich hätte gedacht, daß man mit Darwin, Neanderthaler- und Saurierfunden (1905 war z.B. die Erstbeschreibung des T-Rex), ja selbst über das Alter historischer Quellen und das offensichtlich um Größenordnungen abweichende Erdalter schon sehr viel mehr Möglichkeiten hatte, auf marginal längere Zeiträume zumindest grundsätzlich vorhandener Sonneneinstrahlung zu schließen.
Aber ja, in dem Jahr wurden auch avanciertere wissenschaftliche Werke veröffentlicht, scheint mir - an erster Stelle natürlich^^ Webers "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus".

Traitor
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Do 13. Feb 2014, 10:52 - Beitrag #5

Befördern wir das Thema mal von self-published zu echter Wissenschaft. ;)

"3. Die Quellen der Sonnenwärme" ist immerhin 5 Seiten lang und behandelt durchaus den Widerspruch zwischen bekanntem Erdalter (an anderer Stelle mal als "mehrere 10 Millionen Jahre" geschätzt) und fehlendem Mechanismus, über lange Zeiträume Sonnenwärme bereitzustellen:
Zitat von S.641:Eine der schwierigsten Fragen der kosmischen Naturlehre, eine Frage, deren Schwierigkeit man vor der Entdeckung des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft [in heutiger Sprache: Energie] nicht einsah, ist die gewesen, wie dieser enorme Vorrat von Wärme erhalten werde.

Die Tausenden oder Zehntausenden von Jahren sind dabei gerade als Einleitung zu dieser Frage gedacht (stehen direkt vor dem jetzt zitierten Satz) und wohl als eine Art absolutes Minimum anzusehen, die Formulierung "fast als beobachtbare Tatsache" ist in ihrer Stärke nicht zu unterschätzen. Geologische Argumente werden dagegen wohl nur als stichhaltige Spekulationen angesehen.
Chemische Energiequellen werden auf max. 3000 Jahre geschätzt, die Verbrennung abstürzender Meteore als vernachlässigbar angesehen, die Wärmeübertragung von einem anderen Objekt auf die Sonne :wzg: wiederum auf 1000 Jahre. Letztlich entscheidet sich der Autor (Vogel?) für die "Kontraktionstheorie", dass die Wärme also lediglich aus der freiwerdenden gravitativ-potentiellen Energie einer schrumpfenden Sonne stammt. Eine Sonne, die anfangs so groß war wie das ganze Universum :crazy: , wäre demnach bei konstanter Abstrahlung 18 Mio Jahre alt, das also als absolute obere Grenze. Aus dem Konflikt mit Erddaten folgert er dann,
Zitat von S.645:diese Quantität [ausgestrahlter Wärmer] sei früher geringer gewesen als jetzt

und
Zitat von S.646:so kommen wir zu dem Schluß, dass die Kompensation der Ursachen, welche bei der Sonne eine solche Wärmeausstrahlung zur Folge hatten, daß die Erde in ihrem gegenwärtigen Zustand erhalten würde, vermutlich nicht länger als 10 Millionen Jahre existiert habe. Dies wäre deshalb nahe die äußerste Grenze des Zeitraums, während dessen auf der Erde Wasser in flüssigem Zustande vorhanden gewesen sein könnte.

Die Erde könnte demnach älter sein, das Leben aber nicht...

Im Folgeabschnitt "4. Die säkulare Abkühlung der Erde" kommt dann übrigens noch eine schöne Zukunftsvision:
Zitat von S.648:Wenn sich nämlich die Sonne jemals so weit abkühlt, daß sich eine ununterbrochene feste Kruste auf ihrer Oberfläche bildet, so wird sie sehr schnell aufhören, die zur Erhaltung des Lebens auf der Erde nötige Wärme auszustrahlen. Nach dem Betrage ihrer gegenwärtigen Ausstrahlung wird sie in ungefähr 12 Millionen Jahren so dicht sein wie die Erde; selbstverständlich müssen wir schon lange vor dieser Zeit die bleibende Bildung einer Kruste erwarten.

Lykurg
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Do 13. Feb 2014, 11:26 - Beitrag #6

Faszinierendes Erklärmodell in der Tat. Zugegebenermaßen hatte ich bei Erstlektüre nicht auf den Titel geachtet; "Populäre Astronomie" muß natürlich nicht den absolut neuesten Stand der Forschung widerspiegeln, vor allem nicht die gerade erst sich herausbildenden, noch unbewiesenen Hypothesen wirrköpfiger Philosophen.

Ipsissimus
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Do 13. Feb 2014, 11:34 - Beitrag #7

wäre interessant, eine einschlägige Besprechung heutiger populärer Astronomie- und Kosmologie-Werke aus dem Jahr 2150 zu lesen^^

da erwächst Weber aber starke Konkurrenz in Form der Speziellen Relativitätstheorie^^

1905 war man mit den absoluten Datierungen wohl noch nicht so weit, das Verständnis von Radiologie und Radionukliden steckte eher noch in den Kinderschuhen. Ich habe mit absoluten Datierungen auch meine Probleme, die zyklische Absicherung von Axiomen hat für mein Empfinden ein offenes Loch in der Mitte^^


Nach dem Betrage ihrer gegenwärtigen Ausstrahlung wird sie in ungefähr 12 Millionen Jahren so dicht sein wie die Erde
schöne eigenständige Version einer plötzlichen Zukunftssingularität, ungefähr 100 Jahre bevor diese erstmals theoretisch formuliert wurden^^

Lykurg
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Do 13. Feb 2014, 11:44 - Beitrag #8

Ipsissimus, ich meinte harte Wissenschaft, keine philosophischen Spekulationen. :D

Aber ja, sowohl der Hinweis auf mögliche spätere Perspektiven auf unsere Forschung als auch die Anmerkungen zu Radionukleiden sind zutreffend. Immerhin sollten wir uns gegenüber diesen schönen Gedankengebäuden schon deutlich der Realität angenähert haben, wenn das alles nicht angesichts einer ToE rückblickend wie ein Epizykelsystem anmutet. ;)

Ipsissimus
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Do 13. Feb 2014, 12:25 - Beitrag #9

ich hege keine so große Hoffnung für eine ToE, wenn das "E" ernstgenommen werden soll (hey, wir haben schon lange keine Determinismus-Streitereien mehr gehabt^^). Vielleicht wird das Vereinheitlichungsprogramm irgendwann tatsächlich soweit kommen, alle Grundkräfte aus einer einzigen abzuleiten, die Frage ist nur, was dadurch für eine ToE gewonnen ist, wenn grundlegende Fragen wie warum gibt es überhaupt etwas und nicht nichts? oder wenn es schon nicht nichts gibt, warum gibt es genau das, was es gibt? aus wissenschaftlicher Sicht als nicht beantwortbar deklariert werden.

Traitor
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Mo 17. Feb 2014, 10:57 - Beitrag #10

Zitat von Lykurg:Zugegebenermaßen hatte ich bei Erstlektüre nicht auf den Titel geachtet; "Populäre Astronomie" muß natürlich nicht den absolut neuesten Stand der Forschung widerspiegeln, vor allem nicht die gerade erst sich herausbildenden, noch unbewiesenen Hypothesen wirrköpfiger Philosophen.
Nach heutigen Maßstäben ist das Buch sogar eher unpopulär; bemüht sich zwar um verständliche Sprache, schreckt aber durchaus nicht vor Formeln und technischen Details zurück.
Zitat von Ipsissimus:wäre interessant, eine einschlägige Besprechung heutiger populärer Astronomie- und Kosmologie-Werke aus dem Jahr 2150 zu lesen^^
Dieses Buch zeigt sehr schön das wichtigste Qualitätsmerkmal für langfristige Akzeptabilität: saubere Darlegung, welche Vermutungen von wie starken Daten gestützt werden, und wo Alternativen aktiv gesucht oder wegen mangelndem Datenpotential beiseite gelegt werden.
Zitat von Ipsissimus:1905 war man mit den absoluten Datierungen wohl noch nicht so weit, das Verständnis von Radiologie und Radionukliden steckte eher noch in den Kinderschuhen.
Sogar noch weniger als Kinderschuhe, damals kannte man ja noch nichtmal Atomkerne. Radioaktivität war schon bekannt, aber noch eine völlig unsystematische Sammlung mysteriöser Strahlen.
Zitat von Ipsissimus:schöne eigenständige Version einer plötzlichen Zukunftssingularität, ungefähr 100 Jahre bevor diese erstmals theoretisch formuliert wurden^^
"So dicht wie die Erde" ist dann doch noch ein kleines bisschen weniger dicht als eine Singularität. ;) Und plötzlich ist daran auch nichts.

Zitat von Ipsissimus:hey, wir haben schon lange keine Determinismus-Streitereien mehr gehabt
Ich fürchte, der Gegner ist uns abhanden gekommen. ;)

ToE ist im Wesentlichen ein Marketingbegriff, GUT reicht fürs Erste.

Ipsissimus
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Mo 17. Feb 2014, 15:12 - Beitrag #11

Das mit der Zukunftssingularität war als Scherz gemeint^^ Ich bezweifele, dass eine solche, egal wie man sie sich vorzustellen hat, irgendwas mit Materiedichten zu tun haben wird^^

ToE ist im Wesentlichen ein Marketingbegriff
das sehe ich auch so^^ die Chancen für eine GUT schätze ich aber auch nicht sonderlich hoch ein, nicht bevor das grundsätzliche Verhältnis zwischen ART und QT geklärt ist


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