Nebenwirkungen von Solarenergie

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mo 17. Feb 2014, 15:23 - Beitrag #1

Nebenwirkungen von Solarenergie

In Kalifornien ist seit Kurzem eine riesige Solaranlage mit 350.000 Spiegeln in Betrieb. Sie erzeugt Energie für 140.000 Häuser - und hat fatale Nebenwirkungen: Sie verbrennt Vögel in der Luft.

http://www.stern.de/wirtschaft/news/rie ... 90643.html

Folge der Gigantomanie? Doch besser kleinere, dezentrale Anlagen? Oder Hinweis auf die grundlegende Problematik, dass die Folgen alternativer Energien für die Umwelt längst nicht so genau untersucht sind, wie das wünschenswert wäre.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mo 17. Feb 2014, 15:37 - Beitrag #2

Vermutlich ist diese Bauform wartungsärmer und effizienter als lange Wasserrohre über Parabolspiegeln - aber bei solchen Umweltfolgen wären die wohl doch zu bevorzugen. Das Problem scheint aber bereits bei den kleineren Testanlagen aufgetreten zu sein, Dezentralisierung wäre also keine Lösung, eher im Gegenteil. Gründlichere Erforschung der Risiken ist jedenfalls geboten.
Und wir sollten endlich verinnerlichen, daß ein zentraler Aspekt die Verhaltensänderung hin zu energiesparenden Lebensweisen ist. (Während ich dies schreibe, brennt gegenüber überflüssigerweise das Licht, und steht seit geraumer Zeit die Außentür offen).

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mo 17. Feb 2014, 18:00 - Beitrag #3

Es scheint mir eine bisher nicht bedachte Folge der Solarvariante zu sein, bei der das von Spielgeln eingefangene Licht auf einen Heizkessel übertragen wird, der Dampf für eine Dampfturbine produziert.
Dabei wird die Luft im Strahlengang zwangsläufig stark erhitzt, was vorbei fliegende Vögel sicher gefährdet.

Hierzulande wird mehr mit Solarzellen gearbeitet, die direkt durch die Halbleitereigenschaften des Siliciums Strom erzeugen.

Letztlich wird es darum gehen, bei der Spiegel-Technik durch die Anordnung der Bauteile und durch den Bau von Vogel-Leiteinrichtungen Schäden zu verhindern.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Di 18. Feb 2014, 10:32 - Beitrag #4

Der große Vorteil der Photothermik anstelle von Photovoltaik ist die weitaus umweltfreundlichere Herstellung und bisher hinsichtlich der Energiebilanz wohl auch bessere Ausbeute von solchen Dampfturbinenanlagen. Die in Solarzellen enthaltenen Giftstoffe und der hohe Energiebedarf für die Herstellung sorgen für eine sehr langsame energietechnische Rendite; insbesondere in Wüstengebieten wie etwa für Desertec kommen sie wohl nicht infrage, da ein Sandsturm sie unbrauchbar machen würde.

Die Ausrichtung der Bauteile ist natürlich auf den Sonneneinfall optimiert und jede Form von Vogelschutz potentiell die Ausbeute mindernd; das dürfte Lösungen erschweren.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Di 18. Feb 2014, 11:21 - Beitrag #5

es besagt vor allem, dass Umweltschutz nicht unbedingt was mit Umweltschutz zu tun hat

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Di 18. Feb 2014, 12:35 - Beitrag #6

Ipsi, Umwelt- und Naturschutz sind zwei Ähnliche, bzw. Schachtelelemente, die gelegentlich in Konflikt geraten, nicht nur bei alternativen Energieerzeugungen.

Ich denke, daß bestimmte Probleme neuer Entwicklungen sich einfach erst bei der Anwendung zeigen. Es kommt dann darauf an, diese Probleme ernst zu nehmen und Lösungen zu finden und einzusetzen.
Hat man bei der Entwicklung des Autos bedacht, daß Erdöl ein begrenztes Gut ist, das zum Ankerpunkt geopolitischer Verwerfungen führen werde? Daß die Autoindustrie zur Entstehung der Fließbandarbeit und zur Industrialisierung zentraler gesellschaftlicher Bereiche führen werde?

Lykurg, ich denke schon, daß es Lösungen geben könnte, vielleicht randlich aufgestellte Masten, die Vögel zum Umfliegen der Anlagen veranlassen.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Di 18. Feb 2014, 13:59 - Beitrag #7

Der Stern scheint mal wieder nicht zu wissen, wovon er schreibt, bzw. der Redakteur war unfähig, den WSJ-Quellartikel zu verstehen:
Zitat von Stern:Solaranlage verbrennt Vögel in der Luft

Zitat von Stern:Vermutlich kollidieren die Vögel mit Gebäudeteilen, glauben Mitarbeiter der Naturschutzbehörde. [...] Andere Vogelexperten vermuten, dass die Vögel die Anlagen für einen glitzernden See halten und sich nach der Landung in den Spiegeln verfangen.
Was denn jetzt, verbrannt oder nicht...?
Schon informativer:
Zitat von WSJ:The company, which is based in Oakland, Calif., reported finding dozens of dead birds at the Ivanpah plant over the past several months, while workers were testing the plant before it started operating in December. Some of the dead birds appeared to have singed or burned feathers, according to federal biologists and documents filed with the state Energy Commission.

Zitat von WSJ:The agency also is investigating the deaths of birds, possibly from colliding with structures, found at two other, unrelated solar farms. One of those projects relies on solar panels and the other one uses mirrored troughs. Biologists think some birds may have mistaken the vast shimmering solar arrays at all three installations for a lake and become trapped on the ground after landing.
Die See-Erklärung wird also im Original dafür herangezogen, warum auch andere Kraftwerke, die gar keine entsprechenden Fokustemperaturen in Flugwegen erreichen, tote Vögel bewirken. Im Gegenzu gibt es für die Verbrennungen aber zumindest teilweise echte Indizien.

Insbesondere möge man aber die Zahlen beachten. Die Stern-Schlagzeile klingt, als würden da täglich gegrillte Vögel vom Himmel fallen. Tatsächlich sind es nur "dozens over months". Das ist eine Quote, die im Vergleich zu Glasfront-Gebäuden oder Straßenverkehr gar nicht mal so heraus sticht.

Natürlich sollte die Sache untersucht und mildernde Maßnahmen ergriffen werden. Aber die Sache als unverhältnismäßige, einmalige und schreckliche Nebenwirkung dieser Technik hinzustellen, ist pure Hetze.

Nebenbei ist es bemerkenswert, wie viel Geflügel (auch verschiedene, teils wasserliebende Arten) es in der Mojave-Wüste gibt, die man ja eigentlich als extrem tot und lebensfeindlich kennengelernt hat.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Di 18. Feb 2014, 14:18 - Beitrag #8

Danke für die Zurechtrückung! Insbesondere die Relativierung durch den Straßenverkehr kann gar nicht stark genug gemacht werden. Immerhin dürften die Opferzahlen unter den Vierbeinern hier gering sein. Und wenn die Betreiber geschäftstüchtig sind, bieten sie gebratene Flugtauben an. - Zu den "wasserliebenden Arten" wäre zu ergänzen, daß vermutlich jede Vogelart in der Mojave-Wüste liebend gern Wasser sieht, meist allerdings als Fata Morgana; und daß die betroffenen Arten angeblich immerhin in der Lage sind, die spiegelnde Fläche mit einem See zu verwechseln.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Di 18. Feb 2014, 14:39 - Beitrag #9

ich denke schon, daß es Lösungen geben könnte
ja, kleine dezentrale HTKHR^^

Die Relativierung "einige Dutzend über mehrere Monate hinweg" klänge überzeugender, wenn die Wüste ein Platz wäre, der vor Vögeln nur so wimmelt. Wahrscheinlich sind die einigen Dutzend aber ein erheblicher Teil der lokalen Gesamtpopulation.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Do 20. Feb 2014, 21:48 - Beitrag #10

Ipsi, so weit ich sehen kann, leidet die HTR-Technologie unter derartigen Problemen, daß kaum noch daran geforscht wird. Auch Südafrika und andere scheinen zunehmend die Lust daran zu verlieren.

Man muss solche Vogel-Gefährdungen aber durchaus ernst nehmen.
Es kann sich z.B. um Zugvögel handeln, die dadurch im Bestand gefährdet werden können.
Bei den Windanlagen ist z.B. eine Art besonders betroffen, nämlich der Rotmilan. Er übersieht offenbar im Beuteflug die Windmühlenflügel. Die Verluste belaufen sich etwa auf die jährliche Bestandserneuerungsrate, so daß die Art wirklich im Bestand gefährdet wird.
Was tun? Neue Windanlagen sehr gründlich außerhalb von Nahrungshabitaten und Zugwegen der Art planen, Nahrungshabitate in ungefährdeten Bereichen entwickeln und aufwerten, Möglichkeiten zur besseren Erkennbarkeit der Windanlagen erforschen usw.
Es gibt ja einen alternativen Anlagentyp, der mit in einem Turm aufsteigender Luft arbeitet und gut auch in Gewerbegebiete zu integrieren wäre. Solche Techniken müssten weiter erforscht werden.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Sa 1. Mär 2014, 13:01 - Beitrag #11

Neues Thema "Einspeisevergütung, Emissionshandel und Energiewirtschaft" abgetrennt.

Zurück zur Solarenergie und den Vögelsche:
Zitat von Ipsissimus:Die Relativierung "einige Dutzend über mehrere Monate hinweg" klänge überzeugender, wenn die Wüste ein Platz wäre, der vor Vögeln nur so wimmelt. Wahrscheinlich sind die einigen Dutzend aber ein erheblicher Teil der lokalen Gesamtpopulation.
Stimmt, ebenso Jans Zugrouten-Argument. Sollte man sich auf jeden Fall noch genauer ansehen. Mein Hauptpunkt bleibt aber, dass solche "Nebenwirkungen" bei modernen Technologien (hier fasse ich entgegen meiner üblichen Gefechtslinie mal ausdrücklich Solar, Wind und Kernspaltung zusammen) stets als grundsätzlich in Frage stellende Probleme dargestellt werden, bei fossilen Brennstoffen oder Verkehr aber als "ist halt so" unter den Teppich gekehrt werden.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Di 19. Aug 2014, 11:47 - Beitrag #12

Anscheinend gibt es ein neues, umweltfreundlicheres Verfahren zur Herstellung von Solarzellen aus alten Autobatterien. Hoffentlich funktioniert das wirklich..
http://www.washingtonpost.com/news/spea ... ar-panels/

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Sa 23. Aug 2014, 11:22 - Beitrag #13

Es gibt ja zig Ansätze für effizientere Solarzellen, die aber mit den hier diskutierten "Nebenwirkungen" nichts zu tun haben - erstens ging es hier um Spiegelanlagen, zweitens um Effekte außerhalb der Bauteile selbst.

Dass Perowskit sehr vielversprechend ist, hatte ich auch schon gehört. Etwas irritierend ist, dass laut WP das Zeug selbst gar kein Blei enthalten soll. Der vollständige Name der Technologie lautet auch "Organolead halide perovskite solar cells".
Das Spektrum klärt dann immerhin auf:
Perowskit. Darunter verstehen Forscher alle Materialien, die dieselbe Kristallstruktur aufweisen wie das Mineral Kalziumtitanat.

Also wohl ein typischer Fall von Festkörperphysikern, die mineralogische Begriffe klauen und missbräuchlich ausweiten. ;)

Den Fokus des Artikels auf die Blei-Recyclingkette finde ich übrigens seltsam. Natürlich funktionieren wirtschaftlich reizvolle Recyclinganwendungen besser als vorgeschriebene Entsorgungsregeln, da sich die Einhaltung statt der Umgehung lohnt. Aber es ist ja nun auch nicht so, dass jedes unrecyclete Gramm Blei gezielt pulverisiert und in der Atmosphäre verteilt wird, man also ganz unbedingt neue Anwendungen braucht, um das Zeug in Umlauf zu halten...
Im Originalabstract taucht aber auch dieser Satz auf:
However, the manufacture of PSCs raises environmental concerns regarding the over-production of raw lead ore, which has harmful health and ecological effects.

Vermutlich ging es bei diesem Marketingerfolg also eigentlich eher um die Vermeidung der Abfallprodukte bei der Produktion von "Frischblei".


Zurück zu Wissenschaft & Technik

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste

cron