Gravitationswellen experimentell nachgewiesen?

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Ipsissimus
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Di 18. Mär 2014, 00:34 - Beitrag #1

Gravitationswellen experimentell nachgewiesen?

http://www.stern.de/wissen/kosmos/us-fo ... 97184.html

Astronomen haben nach eigenen Angaben erstmals einen direkten Beleg für das blitzartige Ausdehnen des Universums unmittelbar nach dem Urknall gefunden. Mit dem Teleskop "Bicep2" am Südpol spürten sie die Signatur sogenannter Gravitationswellen in der kosmischen Hintergrundstrahlung auf, wie die US-amerikanische Harvard-Universität am Montag in Cambridge (US-Staat Massachusetts) mitteilte.


der gesamte Artikel ist ein bisschen arg aufgebläht, oder sehe ich das zu kritisch?

Ipsissimus
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Di 18. Mär 2014, 10:32 - Beitrag #2


Traitor
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Di 18. Mär 2014, 19:23 - Beitrag #3

Es ist auf jeden Fall eine ganz große Nachricht. Diskussionswürdig ist aber, was die Nachricht ist.

Kurzfassung: Gemessen wurde (für mich ziemlich überzeugend, das Warten auf unabhängige Bestätigung dürfte diesmal nur Formalität sein, aber ganz ausschließen darf man übersehene systematische Effekte oder Vordergründe nicht) ersteinmal B-Moden-Polarisation im Mikrowellenhintergrund. Die ist höchstwahrscheinlich primordial, sagt uns also etwas über die Inflationsepoche - und dass es eine solche gab. Sie ist auch sehr, aber nicht ganz so wahrscheinlich, durch Gravitationswellen vermittelt. Aber weder ist letzteres absolut sicher noch ist es eine direkte Messung von Gravitationswellen, sondern man hat immer noch "nur" Mikrowellen beobachtet. Der "nur" kosmologische Aspekt der Messung ist aber eher noch spannender als der leider von den Medien stärker betonte wellige.
[Interessenskonfliktdeklaration: meine eigene Kollaboration arbeitet eben an jener direkten Messung, also muss ich auf diesen Unterschied pochen. ;)]

Partielle Langfassung:

Geschichtliches und Überraschendes
Nachdem die Pressekonferenz angekündigt war, sind sofort die Gerüchte hochgekocht, inklusive einem fast unglaublich hohen Wert für die gemessene B-Moden-Stärke. (Bzw. für die daraus abgeleitete "tensor to scalar ratio", das Verhältnis von Gravitationswellen (u/o seltsamen Exotika) zu Dichtefluktuationen (aus den WMAP- und Planck-Bildern bekannt). Die Reaktionen lagen großenteils im Bereich von "kann nicht sein" oder "entweder der Wert muss niedriger sein oder die Unsicherheit riesig", bei Anerkennen der Möglichkeit aber bereits einhellig "Sensation!". Für mich persönlich war die Hauptfrage, wie sie ein Hintergrundsignal finden konnten, nur kurz nachdem andere Experimente (SPT letztes Jahr und POLARBEAR dieses) gerade mal den Anfang bei der Vermessung des Vordergrund-Gravitationslinsen-Beitrags zu B-Moden gemacht hatten, der erwartungsgemäß viel stärker sein sollte.
Tatsächlich wurde das berüchtigte Ergebnis dann genau so bestätigt, mit ziemlich hoher Signifikanz. Zum einen ist es damit einfach sehr viel höher als die meisten realistischen Erwartungen im Vorfeld, zum anderen hat sich meine Skepsis damit geklärt, dass sie einen längeren Datensatz haben als die Konkurrenz und vor allem auch auf größeren Skalen messen (daher auch die Betonung des "at Degree Angular Scales" im Papertitel).

Gravitationswellen?
Der erste indirekte Nachweis ist schon alt, die Orbitveränderungen von Neutronenstern-Doppelsystemen entspricht genau der ART-Vorhersage für Gravitationswellenabstrahlung (Hulse&Taylor 1974, Nobelpreis 1993). Im Vergleich dazu ist die Beobachtung jetzt schon eine Stufe direkter, da man nicht nur fehlende Energie bemerkt, sondern eine aktive Signatur. Sie ist aber immer noch indirekt, da man nur die vom Austausch mit GW veränderten Eigenschaften von elektromagnetischen Wellen misst. Für einen direkten Nachweis braucht man immer noch LIGO oder LISA. (Ganz, ganz technisch betrachtet hat man auch da "nur" die Interaktion von GW mit EW, aber direkt in einem selbstgebauten Detektor, was einen weiteren qualitativen Unterschied macht.) Als grobe Analogie kann ich anbieten, dass zum Nachweis der Lichtemission einer Glühbirne Hulse&Taylor die Stromrechnung gelesen haben, BICEP die Erwärmung des Nachbarzimmers misst und LIGO auf die Birne guckt.

Inflation
Das großartige an CMB-Polarisations-B-Moden (und die Begründung, mit der diese Forschungen seit Jahren vorangetrieben werden, GW tauchte da eigentlich immer eher am Rande als Bonus-Buzzword auf) ist die Zusatzinformation über die Phasen vor der CMB-Entstehung, die darin enthalten ist. Und während Planck mit seinen reinen Temperaturmessungen (Polarisation haben sie auch gemessen, Veröffentlichung wurde aber erst für nächsten Monat erwartet, jetzt anscheinend nochmal verschoben(?)) tendentiell nur langweilige Bestätigungen der einfachsten Modelle geliefert hat, zwingt der unerwartet hohe BICEPS-Messwert (selbst wenn er noch merklich nach unten korrigiert wird) zu eher unkonventionellen Modellen.
Aussagen, dies sei ein unausweichlicher Beweis für die Inflation an sich, sind dabei genauso falsch wie "direkter GW-Nachweis". Sicher gibt es inflationslose Alternativmodelle, di auch primordiale B-Moden produzieren. Aber es ist auf jeden Fall ein wesentlicher Plausibilitätszuwachs für die Inflation. Insbesondere waren bisherige Befunde immer nur genauere Bestätigungen jener Aspekte, zu deren Erklärung die Inflation ursprünglich erfunden wurde, während jetzt tatsächlich eine Vorhersage nachträglich bestätigt wird, in wissenschaftstheoretisch korrekter Chronologie. Wie gesagt, noch nicht 100%ig gesichert, und sicher nicht 100% alternativlos, aber ein sehr, sehr wesentlicher Fortschritt.
Unsicher bin ich derweil noch (Paper erst bruchstückhaft gelesen), warum sie sich so sicher sind, dass, wenn ihr Ergebnis stimmt, es GW sein müssen. Prinzipiell gibt es noch exotischere Möglichkeiten für Tensormoden (multiple Inflationsfelder oder sonstige "Extra-Freiheitsgrade", die man sich ja bekanntlich in beliebiger Anzahl basteln kann). Natürlich erwartet man eher GW als jene, und als "Konservativer" würde auch ich diese als die bei weitem wahrscheinlichste Erklärung ansehen, aber ein wenigstens prinzipielles Eingestehen der Alternativmöglichkeiten fehlte mir in der Präsentation. Vielleicht haben sie aber auch noch Details, die zumindest die populäreren Alternativen besonders unwahrscheinlich aussehen lassen.

Hier noch zwei wie üblich sehr schöne Zusammenfassungen von Matt Strassler, wenn er diesmal auch genauso Halblaie ist wie ich: 1, 2

Medien
Die Pressekonferenz war eigentlich sehr gut gemacht, gefiel mir besser als die zum Higgs oder von Planck. Leider wurden aber an (mindestens?) zwei Stellen von den Zuständigen selbst unhaltbare Aussagen wie eben "direct image of GW" in den Mund genommen. Dass die Presse sich fast komplett auf den Aspekt einschießt, ist aber auch mit dieser unsauberen Werbung noch nicht zu rechtfertigen, denn eigentlich haben sie den Fokus durchaus halbwegs ordentlich auf dem Inflations-Thema gehalten. Eher habe ich das Gefühl (durch teilweise Erwähnung von "bewegten Massen" in den GW-Erklärungen, was so bei primordialen GW keinen Sinn ergibt, wohl aber bei stellaren im LIGO-Frequenzbereich, stark bestärkt), dass die Redaktionen das Thema CMB und Inflation so derzeit gar nicht auf dem Schirm hatten, aber für LIGO (und/oder nach der ESA-Entscheidung zu LISA letztens) zu GW bereits gedanklich geimpft waren und sogar Textfragmente auf Vorrat hatten, sodass sie darauf besonders ansprangen. Und Einstein verkauft sich natürlich immer besonders gut...
Sehr überraschenderweise ist der Stern-Artikel dabei noch ein positiver Ausreißer, besser als Spiegel oder Guardian - erst Inflation als Hauptthema, dann erst GW, und sogar kombiniert mit "Dies ist zwar kein direkter Nachweis von Gravitationswellen". SZ muss ich später noch nachlesen.

Ipsissimus
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Di 18. Mär 2014, 20:59 - Beitrag #4

wenn man solche Vorhersagen machen kann, sollte eigentlich ein Konzept dafür vorliegen, wie Inflation funktioniert, oder? Wie funktioniert sie?

Traitor
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Mi 19. Mär 2014, 01:08 - Beitrag #5

Eines? :D Hunderte!

Ipsissimus
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Mi 19. Mär 2014, 10:06 - Beitrag #6

ich dachte da eher an die große, eine, wahre Erklärung^^

Ipsissimus
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Do 20. Mär 2014, 14:17 - Beitrag #7

http://blogs.faz.net/planckton/2014/03/ ... knall-970/

eine ganz gute Darlegung, auch wenn ich zugeben muss, dass ein Dämon mit Husten auch nicht weniger erklärungsmächtig wäre als die Inflation

vor allem verstehe ich nicht, wie Gravitationswellen etwas beeinflussen sollen, dem sie schon längst enteilt sind

Anaeyon
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Do 20. Mär 2014, 21:46 - Beitrag #8

Was genau ändert sich eigentlich durch solch eine Entdeckung? Soweit ich das verstanden habe untermauert sie Einstein und einige aus seiner Arbeit abgeleitete Theorien und macht andere unwahrscheinlicher. Hat das einen direkten Einfluss darauf, wo Forschungsgelder hinfließen, sprich wird die Arbeit an einigen nun etwas weniger warscheinlichen Theorien aufgegeben? Hat so eine Entdeckung Einfluss auf die wissenschaftliche Arbeit, im Sinne von: Lernen wir daraus etwas, von dem andere Forscherteams direkt profitieren? Tun sich neue Arbeitsfelder auf?
Edit: Ipsis Link wird noch gelesen später, vll. klärt das noch ein paar Fragen.

Traitor
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Sa 5. Apr 2014, 16:03 - Beitrag #9

Zitat von Anaeyon:Was genau ändert sich eigentlich durch solch eine Entdeckung? Soweit ich das verstanden habe untermauert sie Einstein und einige aus seiner Arbeit abgeleitete Theorien und macht andere unwahrscheinlicher.
Mit Einstein hat die Sache nur sehr indirekt zu tun. Die Relativitätstheorie erlaubt eine große Vielfalt von Universumsmodellen. Eine inflationäre Phase gehört dabei zu den simpelsten, war mathematisch schon in den 20ern (?) bekannt. Die eigentliche kosmologisch motivierte Inflationsidee kommt aus den 80ern. Seitdem wurden zig detaillierte Modelle für ihre Mechanik vorgeschlagen, und innerhalb dieser Klasse können diese Daten (bzw. zukünftige Verfeinerungen) nun helfen, Wahrscheinlichkeiten zu verschieben. Was jetzt gemessen wird, ist sozusagen zu spezifisch, um wirklich auf die ART zurückzufallen; ähnlich wie größere oder niedrigere Werte für Dunkle Energie und Dunkle Materie nicht die Grundfesten der Gravitationstheorie berühren. Gravitationswellen wiederum sind eine direkte Vorhersage Einsteins, aber über die selbst lernt man von BICEP2 weniger als von den alten Doppelpulsar-Beobachtungen oder von zukünftigen direkten Messungen. Was man aber hat, ist eine Bestätigung der Extrapolation von ART und Teilchenphysik zu viel höheren Energieskalen als bisher zugänglich; das könnte mit Präzisionsmessungen noch sehr spannend werden.
Zitat von Anaeyon:Hat das einen direkten Einfluss darauf, wo Forschungsgelder hinfließen, sprich wird die Arbeit an einigen nun etwas weniger warscheinlichen Theorien aufgegeben? Hat so eine Entdeckung Einfluss auf die wissenschaftliche Arbeit, im Sinne von: Lernen wir daraus etwas, von dem andere Forscherteams direkt profitieren? Tun sich neue Arbeitsfelder auf?
Einfachster Maßstab: bisher schon mehr als 100 (teils Pre-)Veröffentlichungen mit BICEP2-Bezug. Geschätzt dürfte davon ein Viertel Leute sein, die eigentlich durch die neuen Ergebnisse ausgeschlossene oder weniger plausibel gemachte Modelle durch Basteleien retten wollen; ein Viertel Leute, die nachträglich feststellen, dass ihr Lieblingsmodell schon immer genau diese Werter vorhergesagt hat; ein Viertel Leute, die neue Modelle entwickeln; ein Viertel Leute, die die Kompatibilität zu Planck und anderen Daten untersuchen. Forschungsgeldervergabe ist etwas träge, wird aber sicher auch beeinflusst werden. Nach den Planck-Ergebnissen ist beispielsweise der Enthusiasmus für Modelle mit großer Non-Gaussianität (ungewöhnliche statistische Verteilung der Dichtefluktuationen) enorm zurückgegangen, umgekehrt dürfte BICEP2 jetzt die Zahl der Anträge für Modelle mit hohen Inflationsenergieskalen enorm steigern.

@Ipsissimus: Oha, da hat sich endlich mal eine Zeitung eine kompetente Wissenschaftsautorin geangelt, mit der war ich mal am selben Institut.
Zitat von Ipsissimus:auch wenn ich zugeben muss, dass ein Dämon mit Husten auch nicht weniger erklärungsmächtig wäre als die Inflation

Tja, die Inflation selbst ist halt erstmal nur die einfachste und mächtigste Erklärung für zuvor unverständliche Dämonenhustenaspekte (Flachheitsproblem, Horizontproblem) von Mikrowellenhintergrund und Materieverteilung. Letztere können wir gut beobachten und recht gut verstehen, bis auf jene Aspekte. Also bauen wir ein eine Ebene tiefer angesiedeltes, erstmal rein phänomenologisches Modell. Zwar schießen die möglichen physikalischen Erklärungen für dieses Phänomen längst wild ins Kraut, aber erstmal müssen wir genug Daten sammeln, um den phänomenologischen Aspekt hinreichend einzugrenzen und zu verstehen. Dann kann man die Erklärungen parametrisiert untersuchen, und dann irgendwann vielleicht etwas physikalisch einsichtiges aus dem Wust extrahieren.
Wir hören also seit längerem ein hustenartiges Geräusch. Ein hustender Dämon erschien als gute Erklärung dafür. Jetzt hören wir (vermutlich) erstmals Oberschwingungen, die darauf hindeuten, dass wirklich ein Dämon hustet. Aber wir müssen noch viel mehr darüber herausfinden, ob es wirklich ein Dämon ist, wie groß er ist etc., bevor wir uns daran machen können, eine Diagnose für die Ursache seines Hustens zu erstellen. ;)
Zitat von Ipsissimus:vor allem verstehe ich nicht, wie Gravitationswellen etwas beeinflussen sollen, dem sie schon längst enteilt sind

Die Frage ist mir nicht ganz klar. Vermutlich beziehst du dich auf Aussagen der Art, dass "das Universum vor der Rekombination (Freiwerden des CMB) für Licht undurchsichtig war, aber Gravitationswellen bereits ungehindert durchkamen"? Es geht ja nicht um eine Beeinflussung der Gravitationswellen durch Licht und Materie, oder auch nur um direkte Streuung zwischen Gravitationswellen und Lichtwellen. Die Polarisation kommt physikalisch durch gewöhnliche Streuung zwischen Licht und Elektronen zustanden, hängt aber quanitativ von deren Dichte- und Richtungsverteilung ab. Die wiederum werden von Gravitationswellen verändert, einfach als Beitrag zum Gravitationsfeld.

Ipsissimus
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Di 29. Apr 2014, 15:32 - Beitrag #10

Wer meint, die Welt erklären zu können, indem er am kleinen n schraubt, bekommt es mit Viatcheslav Mukhanov zu tun. "Vollkommener Unsinn", schimpft der an der Uni München aktive russische Physiker, "die Zeitschriften sind voll davon, aber es bleibt trotzdem Unsinn!"

Auch wer sonst nichts von seinem Vortrag kürzlich am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München verstanden hat, eines dürfte jedem Zuhörer klar geworden sein: Das kleine n in den Formeln über den Beginn des Universums, auch "spektraler Index" genannt, sollte man in Ruhe lassen, wenn man sich nicht mit Mukhanov anlegen möchte.

Das sind schlechte Nachrichten für all die Fachleute, die Mitte März jubelten, als es hieß, man habe mit einem Teleskop am Südpol Signale aus den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall gemessen: Vielleicht war der Jubel verfrüht, das Ergebnis widerspricht anderen Messungen.

Spuren von Gravitationswellen, die vor 13,82 Milliarden Jahren entstanden sein sollen, als das Universum sich rasant ausdehnte, meinten die Physiker um John Kovac von der Harvard-Universität mit dem Teleskop Bicep2 am Südpol gemessen zu haben. Leider passte die Messung nicht so recht zu früheren Ergebnissen. Da kam das kleine n ins Spiel, eigentlich nur ein harmloser Parameter in den Formeln. Lässt man diesen etwas variieren, löst sich der Widerspruch auf. Doch das Geschraube an dem Parameter bringt Mukhanov in Rage, und sein Wort hat Gewicht. Kaum einer kennt sich besser aus mit der Geburt des Universums.


http://www.sueddeutsche.de/wissen/entst ... -1.1945672

ganz interessanter Bericht

Traitor
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So 11. Mai 2014, 22:29 - Beitrag #11

Da geraten zwei Diskussionspunkte etwas durcheinander:
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  • Hat BICEP2 wirklich ein primordiales Signal gesehen? Darauf beziehen sich:
    Die Ursache der Diskrepanz zwischen Bicep2 und Planck könnte indes in unserer eigenen Heimatgalaxie verborgen sein, in der Milchstraße. Staub und andere Hindernisse könnten in den kosmischen Mikrowellen ähnliche Spuren hinterlassen wie Gravitationswellen. Diesen sogenannten Vordergrund-Effekt muss man herausrechnen.

    nicht überall passen die Messwerte vom Südpol auf die theoretischen Kurven

    Das ist immer noch nicht ausdiskutiert. Die trivialsten Fehlerquellen sind inzwischen wohl halbwegs ausgeräumt, aber ob die Modellungenauigkeiten nicht doch unterschätzt wurden, kann letztlich nur eine Kontrollmessung beantworten.
  • Falls das BICEP2-Ergebnis stimmt, wie kann es mit den Planck-Ergebnissen übereingebracht werden? Darauf beziehen sich
    Das Planck-Teleskop ist es auch, das den Ergebnissen vom Südpol in die Quere kommt: Es hatte in einer früheren Messung keine Spuren von Gravitationswellen gefunden, genau dort, wo Bicep2 nun fündig geworden sein soll. Beides gleichzeitig kann nicht stimmen.

    sowie die leider nicht weiter erklärten Anfangszitate zum "kleinen n". Dabei geht es darum, das jede Ableitung physikalischer Aussagen aus CMB-Messungen letztlich Modellanpassungen mit recht vielen Parametern sind, und man im Standardmodell statistisch inkompatible Messungen fast immer dadurch zusammen bringen kann, dass man einen Parameter hinzufügt.
    Im Planck-BICEP2-Fall sind die beliebtesten Kandidaten derzeit entweder Modifikationen an Neutrinos (höhere Masse und/oder zusätzliche "sterile" Vertreter) oder eben eine normalerweise nicht vorgesehene Variabilität des "Spektralindex", im Wesentlichen das Verhältnis großer zu kleiner Dichtefluktuationen. Was Mukhanov da so besonders dagegen hat, außer dass es generell unschön wäre, muss ich mal noch nachlesen.
    Insgesamt wird diese Frage aber sehr heiß diskutiert, von "es gibt keine Diskrepanz" über "ein-Parameter-Modifikationen können die Diskrepanz verschwinden lassen" bis zu "die Diskrepanz kann gar nicht überbrückt werden" wird derzeit munter alles veröffentlicht, in vielen Varianten und Iterationen.


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