Flacher Weltraum?

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
janw
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Sa 12. Apr 2014, 19:14 - Beitrag #1

Flacher Weltraum?

Es scheint ja allgemeiner Konsens zu sein, daß das Universum eine flache Gestalt hat.
Nun ist aber das allnächtliche Erlebnis des Sternenhimmels im die Erde umgebenden Weltraum eher das Erleben eines räumlichen Gebildes, und die Befunde der Raumforschung laufen auch eher auf eine dreidimensionale Struktur hinaus denn auf eine Fläche.
Wie geht das zusammen?

Ist es vielleicht eine Frage der Begrifflichkeit, meint "Universum" etwas anderes als den Weltraum? Oder wäre vielleicht die Analogie eines Läuferfeldes hilfreich, das sich nach dem Start in die einzelnen Läufer unterschiedlicher Geschwindigkeit aufspaltet, die praktisch auf die Ebene eines voraus fahrenden Kamerwagens projiziert ein flaches Gesamtbild ergeben?

Feuerkopf
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Sa 12. Apr 2014, 21:16 - Beitrag #2

Was ist denn aus dem alten Bild geworden, das Universum wie einen sich aufblähenden Ballon zu betrachten? - Oder...moment mal, wenn alle Galaxien auf der Hülle sind, die sich ausdehnt, dann sind sie ja tatsächlich auf einer Fläche, wenn auch auf einer gekrümmten...

janw
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Sa 12. Apr 2014, 21:36 - Beitrag #3

Ja, wie auf der Oberfläche eines Luftballons. Aber wenn ich jetzt auf einen Ballon Kugeln packe, liegen die zueinander immer noch wie quasi nebeneinander, aber nicht so raumförmig, wie im Weltraum.

Ipsissimus
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So 13. Apr 2014, 12:49 - Beitrag #4

Die "Flachheit" des Universums ist lediglich Physikerjargon dafür, dass es zumindest lokal der euklidischen Geometrie unterliegt, also insbesondere keine Hypertorusform aufweist. Neuere WMAP-Daten können auch so interpretiert werden, als habe das Universum die Form eines Ellipsoids; es wäre dann nicht "flach". Insbesondere gibt es derzeit keine eindeutigen Daten, die eine Klärung der Frage erlauben, ob das Universum ein unendliches Volumen hat. Derzeit geht Lambda-CDM, das aktuelle kosmologische Standardmodell, bei dem die Expansion berücksichtigt wird, von einem Radius vom mindestens 45 Milliarden Lichtjahren und einer euklidischen (= flachen) Geometrie aus.

Traitor
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Mo 14. Apr 2014, 10:10 - Beitrag #5

"Flach" hat in diesem Zusammenhang nichts mit Dimensionalität zu tun. Das ist zwar Jargon und nicht ganz kompatibel mit Alltagssprache, aber durchaus logisch. "Flach" soll heißen "nicht gekrümmt".
Zweidimensional und flach: ein Tisch, eine Landkarte.
Zweidimensional und gekrümmt: die Oberfläche eines Globus oder der Erde
Dreidimensional und flach: ein Würfel, der dreidimensionale Raum um uns herum, der dreidimensionale Raum in unserem Universum
Dreidimensional und gekrümmt: hypothetische alternative Konfiguration des Weltalls, schwer intuitiv zu verstehen, aber in Analogie zur 2D-Kugeloberfläche würden sich Abstände und Winkel anders verhalten

Ein 2D-flaches Universum, oder zumindest eine 2D-flache Milchstraße, sieht man gerne in Star Trek & Co, damit sie einfache Karten basteln können. Tatsächlich konzentriert sich zwar der Großteil der Sterne im Innenbereich der Milchstraße nahe einer Ebene, zur vernünftigen Beschreibung braucht man aber trotzdem auch eine dritte (Höhen-)Dimension, und die Verteilung der Sterne nahe um die Sonne ist ebenso inhärent dreidimensional wie die großskalige Verteilung anderer Galaxien oder des Mikrowellenhintergrunds weit jenseits der Milchstraße.
Dabei deuten alle Messungen daraufhin, dass dies zumindest ein einfacher flacher 3D-Raum ist, nicht die komplizierteren gekrümmten Alternativen.

Der nächtliche Sternenhimmel dagegen ist gerade nicht räumlich (3D), sondern 2D - und gekrümmt statt flach. Mensch + Luft + Himmel ist ein 3D-System, aber die Sterne sehen wir nur projiziert auf eine gekrümmte 2D-Fläche, ähnlich einer IMAX-Leinwand. Für die Tiefeninformation (Entfernung) braucht es kompliziertere, nicht mit dem bloßen Auge machbare Messverfahren - Parallaxe, Rotverschiebung, ...

Das Universum als Ballon ist eine schöne, wenn auch leider leicht missverständliche Idee. Wichtig ist, wie Feuerkopf bemerkt, dass die Galaxien auf die Hülle gemalt sind. Denn obwohl in der Analogie das Innere des Ballons 3D-Raum und das Äußere (krummer!) 2D-Raum ist, soll das Äußere den (flachen!) 3D-Raum unseres Universums veranschaulichen, während der Gesamtballon die 4D-Raumzeit darstellt. Flacher Raum, der zeitlich gesehen expandiert, lässt sich nämlich auch als "gekrümmte Raumzeit" verstehen.
(Um etwas genauer zu sein, kann man die Galaxien aufkleben statt aufmalen, damit sie sich nicht fälschlich mitausdehnen.)

Zitat von Ipsissimus:Neuere WMAP-Daten können auch so interpretiert werden, als habe das Universum die Form eines Ellipsoids; es wäre dann nicht "flach".
Ich habe keine Ahnung, worauf du dich da beziehst...?

janw
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Mo 14. Apr 2014, 11:22 - Beitrag #6

Danke für Eure erhellenden Antworten!

Zitat von Traitor:und die Verteilung der Sterne nahe um die Sonne ist ebenso inhärent dreidimensional

Du meintest "der Planeten um die Sonne", oder?

Mensch + Luft + Himmel ist ein 3D-System, aber die Sterne sehen wir nur projiziert auf eine gekrümmte 2D-Fläche, ähnlich einer IMAX-Leinwand. Für die Tiefeninformation (Entfernung) braucht es kompliziertere, nicht mit dem bloßen Auge machbare Messverfahren - Parallaxe, Rotverschiebung, ...

Ich sehe nun aber, daß da Sternschnuppen vorbeifliegen und der Mond durchzieht, während es zu keinen Kollisionen kommt, Sterne kommen nach Durchzug des Mondes wieder hinter diesem hervor.
Wieso sollte man da nicht an 3D denken? Wo liegt der Unterschied zur Fernsicht in der freien Landschaft?

blobbfish
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Mo 14. Apr 2014, 11:43 - Beitrag #7

Zitat von Don Juan:Ich sehe nun aber, daß da Sternschnuppen vorbeifliegen und der Mond durchzieht, während es zu keinen Kollisionen kommt, Sterne kommen nach Durchzug des Mondes wieder hinter diesem hervor.
Wieso sollte man da nicht an 3D denken? Wo liegt der Unterschied zur Fernsicht in der freien Landschaft?


Stell es dir wie Schablonen vor, die sich auf verschiedenen Ebenen bewegen. Das Verdecken etwa des Mondes erzeugt auch noch keine Tiefe im eigentlichen Sinne. Das ist aber eben auch der Witz einer Projektion, dass sie die Entfernungen durch Verdecken "erhält".

Ipsissimus
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Mo 14. Apr 2014, 13:39 - Beitrag #8

Um etwas genauer zu sein, kann man die Galaxien aufkleben statt aufmalen, damit sie sich nicht fälschlich mitausdehnen.


Heißt das, übertragen auf die realen Verhältnisse, die Expansion treibt den innergalaktischen Raum nicht auseinander? Das würde aber üble Konsequnezen erzeugen, wenn ich mir vorstelle, eine Galaxie wäre wirklich so starr auf dem Luftballon befestigt, dass sie der Ausdehnung des Hüllenmaterials standhielte. Irgendwann würde entweder die Galaxis oder das Hüllenmaterial reißen.

Das mit der WMAP-Interpreation fand sich so bei Wikipedia. Ist vielleicht nicht die seriöseste Quelle, ich sehe es ein^^

janw
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Mo 14. Apr 2014, 16:30 - Beitrag #9

blobb, inwiefern ist der Effekt eines sich vor Sterne schiebenden Mondes etwas anderes als der einer an eimem Baum vorbei trottenden Kuh, durch die mir zeitweise der Blick auf den Baumstamm verwehrt wird?
Jenseits einer bestimmten Entfernung von der Linse ist alles Fernsicht.

Ipsi, wenn ich es richtig verstehe, dehnt sich der intergalaktische Raum aus, aber die Gravitation der größeren Materieansammlungen "arbeitet" mehr oder weniger dagegen, so daß deren Lagebeziehungen in jeweils abgeschwächter Form durch die Expansion überformt werden.

Traitor
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Mo 14. Apr 2014, 21:01 - Beitrag #10

Zitat von janw:
Zitat von Traitor:und die Verteilung der Sterne nahe um die Sonne ist ebenso inhärent dreidimensional

Du meintest "der Planeten um die Sonne", oder?

Tatsächlich nicht. Das Planetensystem ist fast 2D, seit der Abschaffung Plutos liegen alle Umlaufbahnen fast in derselben Ebene. Schneidet man aber ein paar (nicht zuviele) Kubiklichtjahre aus der Scheibe der Milchstraße, hat man aber eine ziemlich gleichmäßige 3D-Verteilung von Sonne, Alpha Centauri und Konsorten. (Bei "zuvielen" fängt sie an, nach oben, unten und außen auszudünnen.)

Zitat von janw:Ich sehe nun aber, daß da Sternschnuppen vorbeifliegen und der Mond durchzieht, während es zu keinen Kollisionen kommt, Sterne kommen nach Durchzug des Mondes wieder hinter diesem hervor.
Wieso sollte man da nicht an 3D denken? Wo liegt der Unterschied zur Fernsicht in der freien Landschaft?

Ok, ich habe nur von den "Fixsternen" geredet. Eine vertikale Staffelung der Wandersterne=Planeten hat man natürlich schon früh erkannt, und Sternschnuppen sind ja nochmal näher, in der Atmosphäre. Die unterschiedlichen Entfernungen der "Fixsterne" kennen wir aber noch nichtmal seit 200 Jahren.

Zitat von Ipsissimus:Heißt das, übertragen auf die realen Verhältnisse, die Expansion treibt den innergalaktischen Raum nicht auseinander? Das würde aber üble Konsequnezen erzeugen, wenn ich mir vorstelle, eine Galaxie wäre wirklich so starr auf dem Luftballon befestigt, dass sie der Ausdehnung des Hüllenmaterials standhielte. Irgendwann würde entweder die Galaxis oder das Hüllenmaterial reißen.
Ja, das müssten wir auch schonmal irgendwo diskutiert haben, oder? Stichwort "Entkopplung" überdichter ("kollabierter") Regionen von der Expansion, z.B. zum Thema zukünftige Entwicklung des beobachtbaren Universums. Wenn die Dichte lokal (also z.B. in einer Galaxie oder einem Galaxienhaufen) hoch genug ist, hält ihre Anziehungskraft die lokale Raumzeit gegenüber der Expansion zusammen.
Konsequenzen hat das keine, da die Materie ja eben nicht auf einem Medium "Raumzeit" beschäftigt ist, sondern in Feldgleichungs-Symbiose mit dieser koexistiert.
Und auch im Ballonexperiment hat das keinen wesentlichen Einfluss auf die Explosion, die findet immer noch durch "globale" Überspannung statt - es sei denn, man benutzt plastikfressenden Kleber und handelt sich damit Schwachstellen an den Klebepunkten ein. ;)

Zitat von Ipsissimus:Das mit der WMAP-Interpreation fand sich so bei Wikipedia. Ist vielleicht nicht die seriöseste Quelle, ich sehe es ein^^
Kannst du mir ein Zitat geben?

Zitat von janw: inwiefern ist der Effekt eines sich vor Sterne schiebenden Mondes etwas anderes als der einer an eimem Baum vorbei trottenden Kuh, durch die mir zeitweise der Blick auf den Baumstamm verwehrt wird?
Nichts wesentlich anderes. Nur dass man der Kuh je nach Entfernung durch ihre eigene Ausgedehntheit und evtl. Drehbewegungen noch inhärent ihre Dreidimensionalität aussieht, dem Mond wegen Durchmesser << Abstand aber nicht. Und man noch Vergleichspunkte, und sei es nur der leicht geschwungene Boden, zwischen Kuh und Baum hat, wo im Weltall nur Leere ist.

Zitat von janw:Ipsi, wenn ich es richtig verstehe, dehnt sich der intergalaktische Raum aus, aber die Gravitation der größeren Materieansammlungen "arbeitet" mehr oder weniger dagegen, so daß deren Lagebeziehungen in jeweils abgeschwächter Form durch die Expansion überformt werden.
Genau, bis hin zum Fall hinreichend großer Überdichten, bei denen die Expansion lokal gar nicht mehr wirkt.

Padreic
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Di 15. Apr 2014, 03:51 - Beitrag #11

@Ipsissimus:
Die "Flachheit" des Universums ist lediglich Physikerjargon dafür, dass es zumindest lokal der euklidischen Geometrie unterliegt, also insbesondere keine Hypertorusform aufweist.

Wenn ich "Hypertorusform" korrekt zurück in Mathematikerjargon übersetze, dann nein: Wie du selbst gesagt hast, geht es bei der Flachheit darum, dass sich lokal um einen Beobachter (wobei "lokal" durchaus heißen kann: in einem Umkreis von einer Milliarden Lichtjahren) Winkel und Abstände so verhalten wie im gewöhnlichen Raum. "Hypertorusform" bezieht sich auf die (globale) Form des Gesamtuniversums. Anzunehmen, dass das Universum flach ist, bringt starke Einschränkungen für die Gesamtform mit sich (z. B. eine (Hyper)sphärenform ist ausgeschlossen), aber eine Hypertorusform ist durchaus konsistent damit.
In zwei Dimensionen kann man sich das wie folgt vorstellen: Klebt man ein rechteckiges Papier an gegenüberliegenden Seiten zusammen, bekommt man einen Zylinder. Da man das Papier dabei nicht verzerrt hat, sondern nur in eine zusätzliche Raumrichtung gebogen hat, ist der Zylinder immer noch (lokal) flach. Nimmt man jetzt noch eine zusätzliche Raumrichtung an, kann man die gegenüberliegenden Ränder des Zylinders zusammenkleben und bekommt einen Torus, der immer noch flach ist.
Ähnlich geschieht das im 3 Dimensionen, wenn man die gegenüberliegenden Seiten eines Würfels miteinander verklebt. Das gibt auch eine Andeutung darauf, wie man noch anderen flache "Universen" basteln kann: man klebt sie sich geschickt aus Polyedern zusammen. Tatsächlich geht das sehr ähnliche Mathematik vor sich, wie wenn man mögliche Kristalle klassifizieren will.

Ich schätze, dass die globale Gesamtform des Universums experimentell nur äußerst schwer zu erfassen ist. Wäre das Universum deutlich kleiner, sollte es simpel sein, aber um die Gesamtform des Universums zu erfassen, müssten wir das gesamte Universum beobachten können, was wohl schon aufgrund der endlichen Geschwindigkeit des Lichts kaum gelingen wird. Denkbar sind nur indirekte Schlüsse und verschiedene heuristische Argumente werden da sicherlich auch ausgetauscht; Heuristiken sind aber immer die eine Sache, Tatsachen eine andere.

Feuerkopf
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Di 15. Apr 2014, 09:48 - Beitrag #12

Ich kann euch kaum ansatzweise folgen, was u. a. daran liegt, dass ich nur ein halbes Jahr lang Physik in der Schule hatte, meine Mathekenntnisse gegen Null streben und ich mein rudimentäres Wissen aus dem TV beziehe. :shy:

Verstanden habe ich, dass flach im astrophysikalischen Sinne nicht wirklich "platt", also 2 D bedeutet. Das Ballonbeispiel scheint auch nicht so ganz falsch zu sein.
Es bringt mich aber zu meiner nächsten Frage.
Wenn es den Urknall gegeben hat und die darauf folgende Ausdehnung in den sich damit erst bildenden Raum, was ist *hinter* der sich ausdehnenden Ballonoberfläche, also quasi *im* Ballon? Oder fliegt da immer noch das Restgerümpel vom Urknall herum? ;)

Ipsissimus
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Di 15. Apr 2014, 12:08 - Beitrag #13

Padreic, üblicherweise werden an möglichen Geometrien des Universums flache, sphärische und sattelartige Formen unterschieden. Ich nehme an, der Hypertorus ist eine Variante einer Sattelform? In dem Fall sollten die Winkelsummen kleiner 180 Grad liegen, mit einem mittleren "flachen" Bereich, indem sie mehr oder weniger nahe bei 180 Grad liegen.

Feuerkopf, das stimmt, "flach" ist einfach Jargon dafür, dass die Geometrie des Raumes - nicht der Raumzeit!- der üblichen euklidischen Geometrie folgt. Ich glaube zwar, dass in dieser Frage das letzte Wort noch nicht gefallen ist, aber derzeit scheint das Konsens nach Datenlage zu sein.

Das Restgerümpel der Explosion ist, abgesehen von den Details, bekannt, wir nennen das "Universum" ^^

Ich denke, das Bild muss an dieser Stelle verlassen, zumindest modifiziert werden. Stelle dir einfach keinen Luftballon vor, sondern ein Stück sehr elastischen Tuches, das nach allen Seiten in der Ebene auseinander gezogen wird. Die Übertragung auf eine vierdimensionale Raumzeit übersteigt unser sinnliches Vorstellungsvermögen.

es gibt auch Leute, die von einem "mystischen Zentrum" sprechen, um das das ganze Universum kreist, aber die finden sich eher in Esoterikerkreisen oder unter SF-Autoren^^

Padreic
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Mi 16. Apr 2014, 00:23 - Beitrag #14

@Feuerkopf:
Stell dir mal vor, wir wären zweidimensionale Wesen auf unserer Erdoberfläche. Wir würden nicht einmal verstehen, was es heißt, was "im Inneren der Erde" überhaupt bedeutet, außer wenn uns jemand es mit der kruden Analogie des Inneren eines Kreises erläutert. Aber es macht auch keinen Unterschied: wenn wir die zwei Dimensionen der Erdoberfläche nicht verlassen können, was spielt es für eine Rolle, was außerhalb ist?
Von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt zu: Es gibt gar keine dritte Dimension. Das "Universum" ist nur die Erdoberfläche, es hat nur zwei Dimensionen.

Wir befinden uns in der Situation eine Dimension drüber. Zumindest in der klassischen Sichtweise ist das Universum nicht irgendwie in eine noch höhere Dimension eingebettet. Es hat einfach seine drei Dimensionen (plus die Zeit), ob es nun gekrümmt ist oder nicht, spielt dabei keine große Rolle.

Unsere Anschauung ist darauf nicht ausgelegt. Wir pressen immer alles in unsere Anschauungsform des üblichen dreidimensionalen Raums. Die Evolution hat es uns nicht daran angepasst, über das Universum als ganzes nachzudenken. Das ist eine der Gründe der höheren Mathematik (neben Zahlen ausspucken): sie gibt uns überhaupt erst eine Sprache, um über solche Sachen präzise zu reden.

@Ipsissimus:
Will man sich auf diese drei Geometrien einschränken (uns es folgt quasi, wenn man sagt, dass weder ein Ort noch eine Richtung im All besonders ausgezeichnet sein sollte), fällt der Hypertorus in den flachen Fall. "Sattelförmig" (oder hyberbolisch wie die Mathematiker sagen) ist eine andere Geschichte. Tatsächlich sind sie mathematisch der interessanteste Fall - Bill Thurston, der vielleicht größte Geometer des 20. Jahrhunderts, hat sich um ihr Studium sehr verdient gemacht, und erst kürzlich gab es wieder immensen Fortschritt in diesem Gebiet. Während man die möglichen Gesamtformen im flachen Fall schon seit 100 Jahren versteht, ist man dem Verständnis des "sattelförmigen" Falls erst seit kurzem nahe.
Auf dem Hypertorus ist die Winkelsumme im Durchschnitt 180 Grad; je nach Metrik, die man drauflegt, ist es durchaus auch möglich, dass sie überall exakt 180 Grad beträgt.

Nebenbei: Tatsächlich war schon lange vor Einstein Gauß der erste, der sich gefragt hat, ob der Raum gekrümmt ist. Und zwar nicht nur theoretisch (er war der erste, der sich solche Fragen überhaupt mathematisch präzise gestellt hat), sondern auch durch konkrete Messungen. Es kam heraus, dass, wenn der Raum gekrümmt ist, er nur äußerst schwach gekrümmt sein könnte, unter seiner Messgenauigkeit -- was sich auch genau als korrekt herausstellte. So vorsichtig ich üblicherweise mit dem Wort Genie bin: bei Gauß ist es eindeutig.

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Mi 16. Apr 2014, 09:40 - Beitrag #15

Pad,
die Dreidimensionalität (plus ggfs. Zeit) kann ich nachvollziehen. Ihr habt mir ja auch schon mal erklärt, warum es vor dem Urknall keinen Raum in dem Sinne gab.
Wenn also beim Punkt Null es den großen Wummmms gab, das Universum mit seiner Expansion begann, ist es dann so, dass es in alle Richtungen auseinander strebt, also doch eher wie bei einer Explosion?

Eigentlich schade, dass es dermaßen kompliziert ist.

Um mal kurz religiös zu werden: Gerade die Sache mit dem initialen Beginn, mit dem "Es werde Licht!" ist für mich die glaubwürdigste Form der Schöpfung. In einem Punkt liegen alle Möglichkeiten, alle Freiheiten. Großartiger geht es - für mich - nicht.

Ipsissimus
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Mi 16. Apr 2014, 11:29 - Beitrag #16

In einem Punkt liegen alle Möglichkeiten, alle Freiheiten.


Das mag so sein oder nicht. Allerdings ist in einem Punkt auch definitiv keine Masse von Universumsgröße enthalten, eigentlich überhaupt keine Masse^^ Singularitäten sind mathematische Konstrukte, keine physikalischen Sachverhalte. Insofern verweist der Punkt am Anfang beinahe zwingend auf einen übergeordneten Zusammenhang, und in diesem übergeordneten Zusammenhang ist Schöpfung nur eine Umschreibung für "wir haben es bisher noch nicht verstanden", eine Möglichkeit vielleicht, aber eine Möglichkeit nur unter vielen^^ und wissenschaftlich eigentlich die am wenigsten in Frage kommende, oder erst dann in Frage kommende, wenn die wissenschaftlichen Optionen tatsächlich ohne Erklärungsansatz und endgültig ausgeschöpft sind. Soweit sind wir aber noch lange nicht, wir haben ja gerade erst angefangen

Feuerkopf
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Mi 16. Apr 2014, 13:32 - Beitrag #17

Ipsi,
ich weiß, Gott ist nicht zwingend nötig, aber ich glaub halt dran. ;)
[/glaubensouting]

Ipsissimus
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Mi 16. Apr 2014, 13:56 - Beitrag #18

die Frage ist halt, in diesem wie in anderen Fällen, was mit der Erklärung "Gott" erklärt wird^^ irgendwie eine ein bisschen komplizierte Vorgehensweise von ihm^^

janw
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Mi 16. Apr 2014, 15:25 - Beitrag #19

Feuerkopf, stell Dir ein Aquarium vor und nimm Dir eine Topographische Karte zur Hand.
Auf der Topographischen Karte siehst Du am Rand das Gradnetz mit Koordinaten, etwas verfeinert gegenüber dem Globus.
Wenn Du die Linien verbindest, müsstest Du eigentlich leicht gekrümmte Linien zeichnen, weil die Erdoberfläche ja gekrümmt ist. Die kürzeste Strecke von A nach B ist demnach nicht gerade, sondern leicht gebogen.
Im Gegensatz dazu ist für die Fische der kürzeste Weg von ihrem Ort zum Futter gerade. Sie leben in einem 3D-Raum, der aber nicht gekrümmt ist.

Ipsi, vielleicht steckt das große mystische Wesen ja hinter der Masse. Dann wäre es wirklich der letzte/oberste Beweger ;)

Ipsissimus
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Mi 16. Apr 2014, 16:08 - Beitrag #20

Jan, was meinst du damit, dass er "hinter der Masse steckt"? Es gibt eine gnostische Richtung, die meint, die Materie sei sowas wie "abgespaltener Geist Gottes", beinahe so, als habe Gott einen Teil seines Geistes amputiert und daraus Materie gemacht^^

alles viel zu kompliziert^^ am Anfang muss etwas sein, dass so einfach ist, dass der Übergang vom "nichts" zum "etwas" praktisch bedeutungslos ist^^ wenn du eine Komplexität an den Anfang stellst, ergibt sich immer die Frage, wo die herkommt und woher sie ihre Macht hat, die berühmte Anfangsrekursion^^

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