Flacher Weltraum?

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
Traitor
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So 27. Apr 2014, 11:22 - Beitrag #21

Danke in die Runde für die verteilte Erklärungsübernahme - oder ist gerade noch eine konkrete Frage offen, um die ich mich kümmern sollte, die ich aber übersehe?

Zitat von Ipsissimus:alles viel zu kompliziert^^ am Anfang muss etwas sein, dass so einfach ist, dass der Übergang vom "nichts" zum "etwas" praktisch bedeutungslos ist^^ wenn du eine Komplexität an den Anfang stellst, ergibt sich immer die Frage, wo die herkommt und woher sie ihre Macht hat, die berühmte Anfangsrekursion^^
Es muss aber eben auch die Macht zum Übergang an sich haben, und somit bleibt die Frage erhalten. Reine Komplexitätsreduktion hilft da nicht fundamental weiter.
Die populärsten Ansätze derzeit neigen ja auch eher dazu, ein beliebig komplexes (im Wortsinne, nicht Jargonsinne, von "beliebig", also nicht "so komplex wie nur möglich", sondern möglicherweise sehr komplex, aber auch gerne extrem einfach) Vor- oder Metauniversum anzusetzen und dessen Ursprung für völlig unergründbar zu halten. Leider auch nicht sehr befriedigend...

Feuerkopf
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So 27. Apr 2014, 12:36 - Beitrag #22

Ich habe da gerade ein Bild vor Augen: Ei- und Samenzelle. Beides vergleichsweise einfach, bringen sie gemeinsam einen komplexen und lebendigen Organismus zustande, mal kleine Maus, mal Elefant, mal Lurch, mal Mensch - oder auch einen Baum.

Traitor
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So 27. Apr 2014, 12:51 - Beitrag #23

Die "vergleichsweise" Einfachheit ist aber diskussionswürdig. Beide enthalten komplette Genome. Der fertige Organismus ist dann erstmal nur eine Vermehrung gleichwertiger Strukturen (viele Zellen). Die zusätzliche Komplexität in Aussehen, Abläufen und Verhältnissen ist dann "nur" emergent (ob stark oder schwach, darüber kann man ewig streiten).
Rückverglichen mit dem Universum, müsste im allerfrühesten Moment des Universums bereits ein "Bauplan" für alle späteren Strukturen eingebaut sein - ontologisch reale Manifestation der Naturgesetze, anstatt dass diese nur abstrakt wirken und sich alles selbst organisiert?

Ipsissimus
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Mo 28. Apr 2014, 11:31 - Beitrag #24

oder ist gerade noch eine konkrete Frage offen, um die ich mich kümmern sollte


Feuerkopf hat da etwas gesagt, was mich auch immer wieder beschäftigt, weil ich es nicht richtig verstehe:
Wenn also beim Punkt Null es den großen Wummmms gab, das Universum mit seiner Expansion begann, ist es dann so, dass es in alle Richtungen auseinander strebt, also doch eher wie bei einer Explosion?


wenn das Universum die Folge einer Explosion aus einem Punkt ist, dann sollte sich doch nicht nur der Zeitpunkt dieser Explosion rückwärtsrechnen lassen, sondern auch der Ort. Wir kennen doch jede Menge Bewegungsbahnen von Galaxien und/oder Sternen und da sollten doch einige dabei sein, die nicht jede Sekunde ihre Richtung ändern. Deren Flugbahnen müsste man doch rückwärtsrechnen können, und irgendwann müssten die sich schneiden.

Soweit ich die ART verstanden habe, gibt es keinen Nullpunkt; alle Punkte sind gleichrangig als Koordinatennullpunkte. Aber die Galaxienbahnen, rückwärtsgerechnet, können sich nicht nicht gleichzeitig auf der Erde und auf einem Planeten im Andromedanebel schneiden. Also müsste es doch möglich sein, irgendwo im dreidimensionalen Raum den Ausgangspunkt zu finden. Was ist an der Überlegung falsch? Weil sie nicht von der Raumzeit ausgeht, sondern nur von Bahnkurven?

Padreic
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Mo 28. Apr 2014, 23:27 - Beitrag #25

Man muss, denke ich, berücksichtigen, dass sich ja nicht die Materie in einem schon vorhandenen Raum ausgedehnt hat, sondern eben auch der Raum selbst. Rechnet man die Raumkoordinaten rückwärts, waren beim Urknall der heutige Punkt des Andromedanebels und der der Erde eben doch derselbe Punkt, da es nur einen Punkt gab. Und kurz nach dem Urknall eben sehr nah beieinander (insofern Raumpunkte heute und Raumpunkte damals zu vergleichen überhaupt Sinn macht).

Ipsissimus
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Di 29. Apr 2014, 00:17 - Beitrag #26

danke, das leuchtet ein^^

janw
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Mi 30. Apr 2014, 00:57 - Beitrag #27

Ich glaube, daß diese gleichzeitige Entstehung von Raum und Ausdehnung von Materie in ihn hinein an die übliche Vorstellungskraft rührt. Nicht-Raum, was soll das sein?^^

Traitor
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Fr 2. Mai 2014, 22:39 - Beitrag #28

Jan, das "in ihn hinein" ist der klassiche Denkfehler, oder genauer das "hinein". Man braucht eben keinen die Expansion aufnehmenden "Nicht-Raum", die Expansion ist eine rein inhärente Entwicklung.

janw
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Sa 3. Mai 2014, 11:25 - Beitrag #29

Mh, naja, aber irgendwo gibt es doch eine "Ausbreitungsfront", und da stößt Raum an... was?

Traitor
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Sa 3. Mai 2014, 12:16 - Beitrag #30

Ein unendliches oder endliches, aber in sich selbst zurückgekrümmtes ("geschlossenes", aber das ist ja weitgehend ausgeschlossen) oder topologisch mit sich selbst "verklebtes" Universum (ersteres und letzteres sind in flach möglich) hat keine Ausbreitungsfront. Nur für endlich mit einfacher Topologie gäbe es nominell einen "Rand", aber auch der wäre keine "Ausbreitungsfront", da sich eben keine Front kinetisch bewegt, sondern nur das Ganze expandiert, gestreckt wird.

Im simpelsten Denkmodell für ein endliches Universum gibt es einfach kein Außen, aber das ist verständlicherweise unbefriedigend. Also lieber unendlich, oder endlich mit Einbettung.

Am nächsten an das intuitive Verständnis mit "Fronten" kommen vermutlich "eternal inflation" und ähnliche Modelle, bei denen unser Universum ein "abgekoppelter" Bereich aus einem inflationären Metaversum ist, siehe S.17-19 dieses hoffentlich laienkompatiblen Max-Tegmark-Textes, wenn man auch dort statt einer "Ausbreitungsfront" nur auf eine Raum-Zeit-Entartung trifft. Je nach Modell kann es zumindest "Domänengrenzen" geben, vielleicht sogar innerhalb des beobachtbaren Universums, an denen verschiedene Expansionsphasen aufeinander treffen. Aber selbst die sind kein "Stoß".

janw
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Sa 3. Mai 2014, 12:32 - Beitrag #31

Also eher Bereich mit Teilchen grenzt an Bereich mit keinen Teilchen und Teilchen mit ihrem ganzen Begleitumstand an Gravitation und Naturgesetzen wandern in Richtung des Bereiches ohne Teilchen ?

Ipsissimus
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Sa 3. Mai 2014, 15:19 - Beitrag #32

das Universum als ein Bereich, der innerhalb seines eigenen Vergangenheitslichtkegels liegt? Aber dann kann über eventuell darüber hinausgehende Bereich im Grunde gar keine Aussage gemacht werden, weder ob da was ist, noch ob da nichts ist. Und insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass es nicht andere Bereiche gibt, außerhalb unseres eigenen Vergangenheitslichkegels, die völlig innerhalb ihrer eigenen entsprechenden Kegel liegen.

Traitor
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So 11. Mai 2014, 19:52 - Beitrag #33

@Jan:
"Bereiche ohne Teilchen"? Als "leerer Raum" ganz außerhalb des nichtleeren Universums, in den hineinexpandiert wird? Oder als Domänen, in denen die Inflation nur Vakuum hinterlassen hat?
Naturgesetze als Begleitumstand von Materiepräsenz ist eine sehr spezifische philosophische Position. Möglich, aber auch nicht mit zwingenden Argumenten gegenüber unabhängiger Existenz der Gesetze bewehrt.

@Ipsissimus: Das ist ja kein großer Wandel vom üblichen beobachtbaren Universum innerhalb eines potentiell unendlich großen mit gleichen Bedingungen. Die Bedingungen sind nur nicht a priori die gleichen. Und damit, dass man nicht alles beobachten kann, hat man sich halt schon seit langem weitgehend abgefunden.

janw
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Mo 12. Mai 2014, 00:18 - Beitrag #34

Zitat von Traitor:@Jan:
"Bereiche ohne Teilchen"? Als "leerer Raum" ganz außerhalb des nichtleeren Universums, in den hineinexpandiert wird? Oder als Domänen, in denen die Inflation nur Vakuum hinterlassen hat?
Naturgesetze als Begleitumstand von Materiepräsenz ist eine sehr spezifische philosophische Position. Möglich, aber auch nicht mit zwingenden Argumenten gegenüber unabhängiger Existenz der Gesetze bewehrt.

Der Einfachheit halber als ersteres gedacht, weil ja im schon ziemlich teilchenarmen interstellaren Raum trotzdem die Naturgesetze gelten, und ja wohl auch in den Vakuum-Domänen.

Ipsissimus
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Mo 19. Mai 2014, 10:14 - Beitrag #35

Möglich, aber auch nicht mit zwingenden Argumenten gegenüber unabhängiger Existenz der Gesetze bewehrt.
wusste ich doch, dass im Herzen der Physik ein Gottesbeweis droht^^

ein "Gesetz" existiert nicht "an sich", sondern ist Folge einer Macht, die in bestimmter Hinsicht eine bestimmte Handhabung erzwingt. Wenn also Naturgesetze nicht einfach nur "Begleitumstände von Materiepräsenz" sein sollen, stimmt entweder an der Begrifflichkeit etwas nicht, oder aber es gibt diese Macht, die eine bestimmte Handhabung der Materie erzwingt. Wahrscheinlich ist auch, dass wir keine Ahnung haben, was wir eigentlich meinen, wenn wir "Naturgesetz" sagen. Und dann wäre evtl. auch noch Gödel zu berücksichtigen, der iirc nachgewiesen hat, dass die Metaeigenschaften eines geschlossenen Systems mit den Mitteln und aus dem Inneren des Systems nicht nachgewiesen werden können.

janw
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Mo 19. Mai 2014, 11:07 - Beitrag #36

Ipsi, ich vermute, daß es ein Problem der Begrifflichkeit ist, vielleicht entstanden aus einer Darlegungsabsicht, nach der "eben so ist", was als Naturgesetz formuliert und bezeichnet wird, wie eben unter vordemokratischen Vorzeichen "so ist", was als Gesetz von der Macht vertreten wird.
Vielleicht wäre es besser, von "Regelmäßigkeit" zu sprechen.
Wobei es da wieder Übertragungsprobleme in andere Sprachen gäbe.

Ipsissimus
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Mo 19. Mai 2014, 13:06 - Beitrag #37

in der Sache sind es ja zwei Fragen: wie verhält sich Materie in einem bestimmten Kontext und warum verhält sie sich so. Bei der Klärung des wie? sind wir deutlich weiter, und da würde ich dir zustimmen, da geht es nur darum, die Regelmäßigkeit zu finden. Beim warum? wird es aus meiner Sicht aber erst interessant für die Frage der Gesetzmäßigkeit.

janw
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Mo 19. Mai 2014, 21:13 - Beitrag #38

Und wenn es sich um Grundeigenschaften von Materie handelt?
Warum wird eine Ansammlung von Quarks zu Protonen, Neutronen und Elektronen, warum haben diese ihre spezifischen Eigenschaften? Warum werden Ansammlungen dieser Teilchen zu Atomen mit extrem unterschiedlichen Eigenschaften?

Vielleicht alles emergente Phänomene?

Traitor
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Sa 24. Mai 2014, 12:05 - Beitrag #39

Zitat von Ipsissimus:wusste ich doch, dass im Herzen der Physik ein Gottesbeweis droht^^
Definiere Gott als das, was nicht erklärt werden kann, und du hast seine Existenz per Definition bewiesen. Einer der ältesten und unfairsten Theisten-Tricks. ;)

Zitat von Ipsissimus:ein "Gesetz" existiert nicht "an sich", sondern ist Folge einer Macht, die in bestimmter Hinsicht eine bestimmte Handhabung erzwingt. Wenn also Naturgesetze nicht einfach nur "Begleitumstände von Materiepräsenz" sein sollen, stimmt entweder an der Begrifflichkeit etwas nicht, oder aber es gibt diese Macht, die eine bestimmte Handhabung der Materie erzwingt. Wahrscheinlich ist auch, dass wir keine Ahnung haben, was wir eigentlich meinen, wenn wir "Naturgesetz" sagen. Und dann wäre evtl. auch noch Gödel zu berücksichtigen, der iirc nachgewiesen hat, dass die Metaeigenschaften eines geschlossenen Systems mit den Mitteln und aus dem Inneren des Systems nicht nachgewiesen werden können.
Das mag im politisch-juristischen Bericht die einsichtige Beschreibung sein, für Naturgesetze ist es nur eine beliebige unter mehreren gleichwertigen, nach aktuellem und auch langfristig absehbarem Stand rein philosophisch-ideologischen Auffassungen. Die Alternativen umfassen (mindestens) die von Jan genannten "emergenten Gesetze" oder sogar "nicht zwingende Regelmäßigkeiten".

"Wie" und "warum" kann man nur schwer trennen, sofern unser einziges gut funktionierendes und dabei auch effizientes Modell für das "wie" als essentielle Zutat Kausalität enthält. Prinzipiell ist eine rein deskriptive Theorie denkbar, ebenso der Zwischenweg mit Kausalität selbst nur als emergentem Muster, aber das wäre halt alles sehr unhandlich.

@Jan und damit wenigstens halbwegs zurück zum Weltraum, wenn auch nicht unbedingt zu seiner Flachheit: ganz ganz leerer Raum auch "ohne Vakuum" (also ohne die Grundzustände der diversen Felder) ist nur schwer sinnvoll zu beschreiben. Wie könnte man überprüfen, dass er Raum ist? Wie würde sich sein "Zurückweichen" vor gefülltem Raum davon unterscheiden, dass es kein "außen" gibt? Aber prinzipiell könnte man sich schon eine Metatheorie vorstellen, in der die Anzahl der Felder selbst eine Fluktuationsvariable ist, und somit bei der Anfangsfluktuation/Inflation/Knospung/... auch (Meta-)Bereiche ganz ohne Felder entstehen. Zumindest, wenn man Raumzeit als primäre Entität annimmt, die auch ohne alle Felder existieren könnte, was unter Quantengeometern ein heißes Thema ist - die aktuell am detailliertesten und formellsten geführte Variante der obigen Diskussion.

Ipsissimus
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So 25. Mai 2014, 14:28 - Beitrag #40

also sind sich die Physiker im Wesentlichen dessen bewusst, dass dem Begriff des "Naturgesetzes" nach Kenntnisstand kein profunder Inhalt zugewiesen werden kann?

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