Die Frage nach der Leitwissenschaft ist halt immer aus dem Blickwinkel entsprechend unterschiedlich.
Früher kannten die Menschen eigentlich nur religiöse Systeme. Alle alten Großkulturen hatten keine Trennung von Theologie, und anderen Wissensgebieten. Es gab Religiöse Führer, und die hatten durch göttliche Legitimation alles andere in der Hand. Grundlage waren Überlieferungen, teils mündlich, teils schriftlich.
Der schon genannte Thales von Milet begann dann in Griechenland etwas neues: der Wandel vom Mythos zum Logos. Es begann "Wissenschaft".
Diese zeigte sich zuerst darin, daß man den sog. Urgrund, die Archä, suchte. Diese wurde je nach Schule mal in Elementen, mal in Atomen, oder gar in Musik, bzw. Formeln gesehen. Als nun der Streit des Heraklit mit Parmenides über die Identität des Seins aufkam, war Philosophie endgültig geboren. Diese wurde (mit einigen Überschneidungen) parallel zur Religion eingeführt, und etablierte eine neue Denkweise. Folge war der Sophismus: die Ansicht, daß man jegliche Ansicht vertreten kann, wenn man sie nur gut genug argumentativ vertritt. Jura im heutigen sinne
Platon fasste nun alle möglichen Richtungen zusammen, und baute mit großen Rückgriffen auf seine Religion das wohl bis heute bedeutungsvollste philosophische Grundgerüst. Sein Schüler Aristoteles, mit dem er in ständigem Streit lag, baute ein darin fußendes Gegensystem, und dann war erst mal Ruhe.
Die beiden Richtungen zogen sich in Rom weiter, und ich behaupte mal der Kürze wegen, daß das nichts mehr sooo wesentliches war. (Stimmt zwar nicht, aber ich hab ja nicht unendlich viel Platz)
Als nächstes kam ein Kulturkampf: Germanen/Kelten, Israeliten und römisch-Christliche Kultur traf aufeinander. Hieraus entstanden im Mittelalter die Grundlagen für unsere heutige Wissenschaftsauffassung. Zuerst gab es (wie immer) Streit. Einige Religiöse sagten, die philosophie bräuchte man nicht, da das christentum als Offenbarungsreligion schon alles gesagt hätte. Durchgesetzt haben sich diese Kräfte nicht, da kirchlich festgelegt wurde, daß der Glauben, wenn er denn stimme, auch rational keien Widersprüche haben dürfe. Somit kam eine Verschmelzung der Christlichen und Antiken Kultur auf germanischem Boden zu stande. Die Methodik, wurde stark philosophisch, die Inhalte und Fragestellugen Christlich. Augustinus rezipierte Platon (z.B. die Ideenlehre als Illuminationslehre...) Thomas v. Aquin rezipierte später Aristoteles, und die Scholastik war auf ihrem Höhepunkt.
Man kann sagen, Scholastik ist eine Theologie nach der philosophischen Methode. Hier wird erstmals die Religion in ein logisches Modell gebracht. Als Überlieferung der Juden baut das ganze auf dem Jüdischen Geschichtsverständnis auf, und sorgt für eine Liniarität der Kausalketten. Unsere Historienvorstellung findet dort genauso ihren Anfang, wie die Art unseres Wissenschaftlichen Denkens, sowie viele Impulse für die Kunst. Hier ist die Wurzel für die Vorstellung, der Philosophie als Magd der Theologie, und auch die Wurzel für moderne Wissenschaften.
Der christilche Personenbegriff macht die Gesellschaftswissenschaften möglich, und die Historienvorstellung und Logik, als erklärung eines Weltbildes schafft Grundlagen für Naturwissenschaften. Im Zuge der Entwicklung werden beide Stränge oft miteineander verbunden, es entstehen Medizin, u.v.a.
Dies ist natürlich sehr verkürzt, und kann durch vieles ergänzt werden, ich will nur zeigen, wie früher, eindeutig eine Leitwissenschaft festgelegt war. Das ist heute nicht mehr so. Eine vereinheitlichende Theorie gibt es nicht mehr, oder noch nicht, und alles andere wird nicht mehr geschichtlich, sondern phänomenologisch gesehen. Als Grundlage für alles sollte nach wie vor die Logik gelten. Aber aufgrund unserer Demokratie und Wirtschaft ist die Wirtschaftswissenschaft natürlich viel stärker in den Vordergrund gestellt worden. Alle Naturwissenschaften, alle Gesellschaftswissenschaften beschäftigen sich nur noch mit Teilgebieten, und somit kann keine für die andere mehr als Leitwissenschaft gelten. Selbst mit der Logik halten es heute viele nicht mehr so genau
Gruß,
Orald