MelianaweGood Member


Beiträge: 458Registriert: 31.12.2002
|
>Verbindung<
Seit Melianawe sich erinnern konnte, hatte sie dieses vertraute Gefühl in sich gehabt. Ein Gefühl, als würde immer jemand ihre Hände sanft in seinen halten, als würde ab und zu etwas ihre Haare streifen oder sich des Nachts an sie lehnen. Es war einfach da gewesen, die Nähe, Anwesenheit von... "etwas".
"Verbindung", hatten sie es genannt.
>Sie<
Erst jetzt, als die junge Exekutorin mit den weißen Schwingen ihren im Schnee liegenden Körper entdeckte, kamen ihr Zweifel. Zweifel an ihrem Weg, ihrem Leben, welches sie bisher geführt hatte, Zweifel an... sich.
Nie hätte sie das hinterfragt, was man ihr damals als wahr verkauft hatte. Treu einem Weg folgend, einem Gesetz gehorchend, welches man ihr als das Einzig Wahre dargestellt hatte, kam in ihr nie Verwunderung hoch - sie hatte nicht daran gedacht, dass es vielleicht ungewöhnlich war, hoch droben in einem Turm eingesperrt zu sein, blindlings auf Befehle gehorchen zu müssen, die ihr von einer Fremden, die sie "Mutter" zu nennen hatte, gegeben wurde, und Schläge von einem ebenso fremden "Vater" für eventuelles Nichtbefolgen zu erhalten. Sie hatte sich darüber nie gewundert. Das war ihr Leben, es war so...
Sie hatte ja nicht einmal andere wie sie gehabt, die sie hätte fragen können... Und was waren eine "Mutter" und ein "Vater" schon, wenn nicht ehrende Bezeichnungen? Tagaus, tagein in ihrem wundervoll kalten Turm an der Spitze einer dunklen Klippe, interessierte die Geflügelte nichts ausser ihre Anweisungen, für die sie... geschaffen worden war.
>>Geschaffen...<<
Es schmerzte, dies so zu erfahren. Ja, sie war anders gewesen, sie war nicht, überhaupt nicht wie die, die behaupteten, ihre Eltern zu sein, sie war stattlich, groß, schön, hellhaarig - und mächtig... gegenteilig zu den beiden Menschenwesen, denen sie gedient hatte. Jetzt, während sie neben ihrer leblosen, bleichen Hülle niederkniete, ihre eigenen, geschlossenen Augen, das Mal auf ihrer Stirn und die zerrissenen Kleider betrachtete, erkannt sie... Dass die, als deren Kind sie aufgewachsen war, deren Regeln sie gedient hatte, niemals ihre Eltern, sondern nur die Schöpfer einer Bindung waren...
>>Was bin... Ich?<<, dachte die Exekutorin, sanft über ihre eigene Haut streichend. Sie fühlte es nicht - wie auch? Zurzeit war sie körperlos, nur ein Geist, nur der Gedanke, der sie ausmachte. Doch die Frage brannte fast peinigend auf ihrer Haut. WAS war sie? Nur eine Bindung? Oder mehr? War sie nur geschaffen, um Chiara, dem Wissen ewiger Äonen, Krad, dessen Macht der einer ganzen Armada von Eisdämonen gleich kam, und Riku, dem undurchschaubaren Jungen, einen Körper zu bieten, oder gab es mehr, was SIE, Melianawe, ausmachte?
>>Wir werden wieder eins werden, nicht wahr? Wie früher wird uns nichts mehr trennen? Verzeihe mir meine Torheiten, Melianawe ... ich werde versuchen, besser zu handeln...<< Krad fragte mit leiser, fast änglicher Stimme. Er spürte das unwohlsein, die Trauer Melianawes, doch er musste diesen Satz einfach herausbringen, musste seinen Ernst, seine Reue zeigen...
Die Geflügelte lächelte nur traurig zu ihm. >>Shh, Krad. Was du getan und gelassen hast ist geschehen. Lasse die Vergangenheit, wo sie ist, denn die Zukunft ist nun wichtiger. Wir... müssen Riku finden!!<<
Sie erhob sich. ob der Jüngste in ihrer Reihe wusste, was zu tun war? Ob er sich ohne weiteres "einfangen" lassen würde? Melianawe fühlte sich Riku in einer Seltsamen Weise immer am nähsten. Chiara war Klug, Krad war kraftvoll, doch Riku... Er war ein Kind, schön vielleicht und trickreich, doch erstlinig eben noch ein Junge, der mit seinen Gefühlen zu kämpfen schien, der in den Tag träumte, der viel grübelte und einfach von allen in seinem Charakter der Dämonin am ähnlichsten war. Riku war immer ihr "Ich" gewesen, das, was ion ihren Träumen zu ihr sprach, beruhigte, sich Sorgen anhörte... Wie ein beschützender Engel mit einer schwarzen, angsteinflößenden Aura...
"Komm,", flüsterte Sephiroth, "Soll ich...?
"Bitte...", war die leise gehauchte Antwort. Melianawe trat von ihrer "Hülle" zurück und sah zu, wie der schlanke und gutaussehende Feuerengel ihren Körper behutsam in die Luft hob, sie festhielt und dann sein blasses Gesicht wieder zu Krad und ihr wandte.
"Lasst uns schnell losgehen... Ich habe... Ein komisches Gefühl..."
Zum Glück stellte keiner ihrer Begleiter dumme Fragen. Melianawe log nicht - sie fühlte sich wirklich nicht gut... Es war seltsam, als würde etwas schweres auf ihre Brust drücken; Es war kein direkter Schmerz, nur ein tiefes Unwohlsein, eine unwillige Atemreduktion, die in der Geflügelten eine tiefe Angst weckte.
Sie lief - schwebte, glitt, tanzte im paranormalen Gefüge - und Krad sowie Sephiroth, beladen mit ihrem reglosen Leib, folgten, wortlos. Für sie war der Weg weit weniger einfach; die Seelenlosen, die durch das Unterholz hechteten und zischelnd den Bewegungen ihrer Feinde folgten, erhielten aus diesem Grunde nicht selten einen Eiszauber auf den schattigen Pelz gejagt.
Doch nach einer Weile hielten die zwei dämonischen inne; Mitten in ihren Bewegungen ironischerweise "gefroren".
>>Was ist los?<<, fragte Sephiroth, halb ungeduldig, halb verwirrt. >>Wir müssen weiter!!<<
Krads Augen waren schreckgeweitet. >>Der Kleine ... er...er ist weg! ... ich spüre ihn nicht mehr!<<
>>Krad hat Recht ... auch ich spüre Riku nicht mehr! Schnell, es kann nicht mehr weit sein!<<
Nach all der Verbundenheit... Nach all der Nähe, die sie in den Vergangenen Jahrhunderten erlebt hatte, dem Gefühl, der Zuneigung ihrer abstrakten "Seelensplitter", fühlte sie sich nun... Allein. Zerrissen.
Trennung....
Melianawe hatte es schon immer gespürt. Näherlich hatte sie es sogar immer erwartet, jeden Moment, seit sie erfahren hatte, WAS dieser düstere Drang, das Flüstern in ihrer Seele, war; Doch hätte sie nie vermutet, dass es so schnell geschah... Und vor allem nicht, dass es JETZT passierte, jetzt, wo sie ihre Freunde doch brauchte... Riku verlor! Verlor seine Seele.... An den Herren der Schatten...
-------------------------------------------------------------
ER hatte Shockk gesucht.
Irrglaube, dass es anders herum war. Riku fühlte, wie ihn der Schmerz der Überraschung verließ, wie sich seine verstobenen Gedanken klärten. Furcht? Was hatte er zu fürchten?
Sein Leben war das eines Vagabunden gewesen... Eine düstere Seele, älter als das Leben um sich, geboren in dem Körper eines Kindes... Ein Kind, das die Äonen überdauerte... Ein unsterblicher Leib mit einem dunklen Herzen, mit schwarzer Seele und voll unergründlicher Schuld...
Riku spürte die Schwärze - er kannte den Drang zum Bösen schon seit Ewigkeiten. Sein Herz war gebranntmarkt mit dem Siegel der Dunkelheit. Hasserfüllt, von Schatten übermannt... Tötlich und zugleich schon lange tot. Er wusste so viel nicht - nicht, wer ihn gebar, nicht, welches ungerechte Schicksal ihn unter den Bann der Wissenschaft in den Körper einer "Dämonin", die an sich nur ein experiementielles Wunder darstellte, zwang, und auch nicht, woher die Nacht in seiner Seele stammte, eine Nacht, die immerwährend war.
Doch auch ohne all diese Fragen beantworten zu können, hatte Riku schon lang erkannt, was das beste für ihn war... Gehorchen... Nicht verstehen. Nicht denken. Nur gehorchen.
Und die Dunkelheit als >Sein< zu akzeptieren.
>Shockk...<
Die Macht des Herren der Schatten war ungewöhnlich, unfassbar groß. Sie jagte ein interessiertes, aufgeregtes Prickeln durch Rikus angespannten Körper, als dieser die Präsenz des Schwarzen Herren fühlte. Shockk war nicht brutal zu ihm, nicht wie die Vergangenheit... als das Dunkel in gewaltsam genommen hatte, ihm die Kraft aufzwang, ihn peinigte, erpresste, unterwarf...
Halt - Woher kamen diese Gedanken...?
Riku erinnerte sich an nichts, an nichts und niemanden... Er konnte fühlen, wie die sanfte, doch entschlossene Hand Shockk's das Vergangene verdrängten...
Das brauchst du nun nicht mehr, Riku....
>A- Aber... Das.... sie....<
Du brauchst es nicht mehr. Jetzt bin ICH da.... Du brauchst unter deinen Schmerzen nicht mehr zu zittern. Ich nehme dir die Qual, und als Gegenleistung...
>....erhältst du meine Treue....<
Er dachte nicht nach. Langsam senkte er seine Lider - es machte keinen Unterschied, ob seine Augen offen oder geschlossen waren, er sah nichts... Doch sein Gefühl erstarkte. Sein Körper erstarke. Er erhob sich mit einer fließenden Bewegung - als stünde er nicht auf Schnee, sondern wäre ein Tänzer auf glattem Parkett - und wandte sein Gesicht zu dem Drachen, dessen heiße Aura seinen Kopf leitete. Ein Feuerwesen... Vertraut, doch nun unwichtig. Drei Gestalten liefen auf die kleine Lichtung. Etwa 10 Meter hinter ihm, zwischen den dreien - Riku hatte diese Auren schon einmal gespürt, wo nur... - stand ein Krieger. Stärker als sein eigenes, fühlbares Charisma war jedoch das seiner Waffe. >The One<, sagte etwas in Riku's Erinnerung... Was war es.... Prinzipiell war es aber auch nichtig.
>>Redwing, mein Freund... Nimm Riku auf deine Schultern... Wir laufen Melianawe und Sephiroth entgegen... Hier seid ihr... Welch Fügung...<<
Fragmente. Nur Splitter der Worte, dumpf, wie durch Watte.
Redwing... Sephiroth... JaY... ... ... Melianawe...
>>Nein.<<
Riku konnte ihn spüren, seine Präsenz... sein Erscheinen. Das aufwallen kosmisch Schwarzer Energien. Er öffnete seine blicklosen Augen, starrte in die Runde, gefühllos. Seine Hände wiesen wärend seiner folgenden Worte annähernd huldigend empor, sie beschrieben einen zarten Halbbogen... Die dunkle Stimme schien beinah einen düsteren Nachhall aufzuweisen.
>>Ich werde auf keinem Drachen reiten. Ich werde nichts tun. Nichts, ausser ihm zu folgen...<<
Zu gern hätte er ihre entgeisterten Gesichter bewundert. Hätte sich an ihren Lauten gelabt, an diesen keuchenden, atemlosen Geräuschen, die sie nun in ihrem Erstaunen ausstießen. Doch es kam anders. Sein Herr bat ihn... befahl im herrischen Ton, der jedoch im Kopf des Jungen beinah zärtlich widerklang...
>>Riku... Zeige ihnen deine... Zuneigung...<<
>>Aber ... sie sind ... Melianawe ...<< Reue regte sich in dem Jungen... Erinnerung, die langsam, verzweifelt in die Vergessenheit driftete....
>>STILL!<< Shockk wirkte barsch. >>Tu, wie dir befohlen!<<
>>Ja... Herr ...<<
Riku konnte die Dunkelheit spüren. Er hatte nun keine Angst mehr... Einsamheit, Schmerz, Erinnerung, Freunde, Liebe und Hass wirkten ihm nun Fremd... Probleme versanken einfach im zähen Nebel der inneren Schwärze....
Er erhob seine Hände zum glutroten Mond. Spürte den Wind in seinem Haar, das Eis zu seinen Füßen, die Präsenz der verschreckten, bewaffneten "Fremden". Eine neue Energie überkam ihn... gleißend, von reinstem, dunkelsten Schatten... SEINE Macht... Es war Shockk's Geschenk... Er übergab es ihm, aus "Vertrauen"... Riku war nicht so dumm wie Krad, sich dem Dunkel aus Rachegelüsten zu überliefern... Für ihn war dies das nachgeben eines Urtriebes, ein vrbestimmter Weg... Gut und Böse waren fest verteilt, doch Riku zählte sich selbst nicht zu denen, die Böses taten, genausowenig wie er behauptete, gut zu sein.
Er war einfach da... Ewig wie die Welt... Schwarz wie das Vergessen...
Was war das in ihm... Wozu war er hier.... Was war das Ziel seiner Reise...
Er würde es sich Später fragen. Nun interessierte es ihn nicht - genauso wenig wie der panische Schrei aus der Menge der "Helden", die es wagten, seinem Herren zu widersprechen...
"Auf Widersehen, ihr "Abenteurer", spöttelte er mit seichter Stimme. "Bald ist zeit für die letzte Schlacht,für die Ankunft der dunklen Armeen... Bis dahin... Schlaft gut... In der Vergessenheit!"
Mit diesen Worten - diesem düsteren Abschiedsgruß - bündelte Riku einen winzigen Teil der ihm überreichten Kraft, seine Hände hoch über den hellhaarigen Kopf erhoben, beschienen vom blutigen Mond. Eine Sphäre absoluter Schwärze huschte um seine schmächtige, doch muskulöre Gestalt - umhüllte ihn, stärkte ihn... Und der Schatten, derzu seiner Seite stand, schien zu lachen.
Ein schwarzes Triumphlachen voll boshafter Entschlossenheit...
Riku sah zum Himmel, seufzte wie ergeben - und übergab seine Magie, seinen Körper, sich, unter die völlige Kontrolle Shockk's, seines Herren. Ein dunkler, dennoch gleißender Blitz jagte vom Auge der Mitternachtssonne herab...
-------------------------------------------------------------
Verloren...
Als würde ein schwarzes Flammenschwert das zarte Band, welches noch zwischen Melianawe und ihrem jüngeren Abbild lag, durchtrennen, stolperte die körperlose Exekutorin zurück. Sie verlor die bekannte Nähe, versuchte noch, das Gefühl zu halten, doch es versank im schwarzen Schnee.
Verloren...
Als der Junge in Shockk's schwarze Umarmung sank, die Dunkelheit akzeptierte, in sich aufnahm, war dies wie ein Versprechen. Riku handelte nicht aus Rachegelüsten, würde dies nie reuen. Er gab sich der Dunkelheit in seinem Herzen hin. Er würde nicht zu seiner "Herrin", die er einstmals so geliebt hatte, zurückkehren.
Riku war..... völlig..... Verloren....
|