MelianaweGood Member


Beiträge: 458Registriert: 31.12.2002
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Melianawe war das nur zu Recht. Alles, was geschehen war, hatte sie tief aufgewühlt... Diese Wolke... es war Riku's Stimme gewesen, der nach seiner "Mutter" gerufen hatte... Und jetzt der Mord an Pliskin, ein völlig grundloser Tod des Mannes, der Holy so ähnlich sah... Was ging hier überhaupt vor?
"Krad, ich schlage vor, du bleibst in Melianawe's Nähe!", raunte JaY dem Eisdämonen zu. "Sie wirkt... abgelenkt... Und ich will nicht, dass ihr etwas zustößt!"
"Natürlich, JaY-sama!", meinte der Geflügelte mit einer kurzen Verbeugung. Seine Schwingen zitterten, raschelten, das einzige Geräusch, abgesehen von dem Scharren JaY's Stiefel auf dem Teppich.
"Wir treffen uns... In dem Gang, aus dem wir gekommen sind. Und zwar..." Ein dumpfer Glockenschlag unterbrach den Kämpfer. Dann noch einer. Ein Dritter. Dann wieder - Stille. "Wenn die Turmuhr vier Mal schlägt! Ob wir Holy gefunden haben oder nicht!"
"In Ordnung...", flüsterte Melianawe, ihre Kapuze sacht vom Kopf streichend. Ihr goldenes Haar reflektierte das Fackellicht... Es war zu heiß hier unter.
JaY wollte sie noch bitten, den Mantel anzubehalten - es war einfach zu gefährlich, ihn inmitten der Höhle des Löwen abzulegen! - da vernahmen alle drei die schweren Schritte der Burgwachen. "Schnell!", raunte er, seine Stimme überschlug sich fast. Männer - mindestens drei - näherten sich. "Ich gehe nach Süden! Versteckt euch!"
Das ließen die zwei Dämonischen sich nicht noch einmal sagen. Melianawe öffnete die Metallspange, die ihren Mantel zusammenhielt, und ließ diesen auf den Teppich fallen - in die Nähe des Blutfleckes, des letzten Überbleibsels von Pliskin. Dann fasste sie Krad's Hand und lief, so schnell ihre schlanken Beine sie trugen, den einzigen sicheren Gang entlang - nach Nordosten.
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Chiara öffnete ihre Augen und fühlte in diesem Moment, dass sie nicht mehr unter den Real Existenten war. Ihr Körper hatte eine durchscheinde, kristalline Konsistenz angenommen, und die Qual - die Qual, die sie gebunden hatte - war vorüber. Weit darüber hinaus spürte sie aber eine undeutliche Verdichtung von seltsamen Empfindungen in ihrer psychischen Konsistenz. Es war das, was Melianawe und Krad in ihr zurückgelassen hatten - die Empathie.
"Was geschieht dort...", fragte die Aitori sich in lautlosem Tonfall. Nun, nach Tagen des Leidens, endlich efreit von physischen Fesseln - eine Seele ohne Körper! - breitete sie ihre Schwingen aus und erhob sich, wie auf Watte gehend, aus den Ruinen der Türme empor.
Evereskea der Zukunft - der eigentlich realen Zeit - war in der Zeit ihrer Konsistenzlosigkeit offensichtlich zerfallen... Die Steine hatten geschrieen, doch niemand hatte ihnen helfen können... Chiara, nun seelenlos wie die alten "Bewohnen" der Türme, fühlte den nicht enden wollenden, aber zugleich nicht körperlichen Schmerz, den sie nun - als "Mitbestandteil" der singenden Steine - mit allen teilte; Als habe jemand ihr das Herz entrissen...
Nein, wie denn, sinnierte sie, sie besaß doch gar keines. Das "Herz" der Viererbundes war und ist immer Melianawe gewesen - das "Endprodukt", auf welches "SIE" die Schöpfung angelegt hatten. Obwohl Chiara weit entfernt von realen Leiden sein müsste, empfand sie auch hier die Qual der Dämonin... Der Segen und Fluch der Empathie, die blieb... Melianawe wusste, dass sie niemals geboren worden ist... Nur ein Versuch von Verrückten, die sie "Vater" und "Mutter" nannte, nur gefertigt, um einen ewigen Streit auszufechten.
Litt sie denn nicht?
Konnte sie es vielleicht gar nicht......?
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Melianawe rannte, Krad immer an der Seite. Es fühlte sich seltsam an... Etwas in ihr schien zu erwachen, und es schmerzte - es BRANNTE - und Feuer war das einzige, was sie fürchtete. Der Eisdämon, der ihre Hand hielt, merkte nicht, was in ihr vorging; Er warf einen Blick zurück, dann verlangsamte er den Lauf.
"Herrin!", raunte Krad - penibel darauf bedacht, nicht lauter als ein Flüstern zu sprechen - "Herrin, ich denke nicht, dass sie uns ver..."
In diesem Moment merkte er, dass Melianawe über seine Schulter hinwegstarrte. Ihre kirschblütenfarbenen Augen waren weit aufgerissen, und auch ihr Mund stand offen - Verwirrung zeichnete ihr schönes Gesicht, ließ sie kindlich, verletztlich wirken.
Langsam, unendlich langsam, drehte der Geflügelte seinen Kopf und folgte ihrem Blick....
"Bei allen....!"
Vor den Augen beider lag eine offensichtlich stählerne Tür, in der jedoch auf Augenhöhe ein Gitter eingelassen war. Es gestattete den Blick in eine kleine, nur mit schmutzigem Stroh ausgestattete Zelle; Ein völlig normaler Kerkerraum, so wie Melianawe schon viele Tausend gesehen hatte und vermutlich in ihrer Unsterblichkeit noch eine weitere Menge sehen würde.
Was jedoch das verblüffende war, belief sich auf die Gestalt, die im Raumesinneren auf dem Boden lag.
Melianawe stürzte an die Tür und umfasste das Gitter; Ihre Augen unabwendbar auf die dort hockende, zitternde Gestalt gerichtet, die nun langsam den Kopf hob.
Die Eisdämonin blickte in sanfte, rosafarbene Augen. Goldenes Haar ringelte sich in schmutzigen Strähnen über die bleiche Stirn, auf der das Zeichen des Viererbundes lang. Weiße Flügel ruhten beerdigt unter Stroh und Schlick, eingestaubt, fast tot.
Es war wie der Blick in einen Schmutzigen Spiegel.
"Bist du... Ich?", keuchte das Mädchen vor der Zelle verwirrt.
"Ja..... Und Nein.", drang aus dem Mund der Gefangenen. Ihre Stimme klang schwerer als die Melianawe's, als kenne sie die Sprache nicht mehr... Als sei sie schon lang hier...
"Ich bin das... Was du gewesen bist!"
Erst jetzt konnten die zwei im Gang stehenden Dämonischen sehen, was diese Frau von einer wahren mMenschlichen Gestalt unterschied; Ihre Beine... Es waren die schuppigen, silbrig glänzenden Beine eines Vogelwesens.
"Du... Du bist... Wie ich, und doch...!"
"Anders, mein Kind..."
"Mein... Mein Kind?!"
Krad drehte den Kopf. Er vernahm Stimmen. "Melianawe-sama...!"
Doch sie reagierte nicht. "Mein Kind? Bist du... Bist du meine WAHRE Mutter??"
"Ich bin einer der Wesenheiten, die entstanden, bevor sie dich fertigen konnten, meine Kleine... Du und ich, wir sind eins... Ich bin ein Versuch, einer von Hunderten, den SIE gebraucht haben, bis sie die vollendete Schönheit entwickelt hatten - DICH!"
"Verdammt, da kommt jemand! Herrin! Herrin!!!"
"Sie... Sie haben versucht, mich zu erschaffen? Sie haben dich und... meine... Vorgänger... Gequält... Bis ich entstanden war??"
""SIE" haben nur versucht... Das Bildnis zu erhalten!"
"Das Bildnis!???"
"HERRIN!!!"
Melianawe sah auf - und erstarrte. Im Gang standen drei vermummte Gestalten - zwei von ihnen trugen weiße Roben, an denen schwarze Flecken klebten, die verdächtig nach Blut aussahen. Die Dämonin konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken, als sie sah, das der dritte in seinen Händen hielt - ein Gemisch aus Knochen, Federn und rohem Fleisch... zerfetzte Schwingen!!
Krad taumelte blass zurück - er wirkte, als müsse er sich übergeben! - aber trotz seiner nicht zu übersehenden Panik wich er nicht von Melianawe's Seite.
"Herrin - flieht!"
Doch diese regte sich nicht. Zitternd stand sie da - wie ein Reh, dass seinen Jäger erblickt hatte, seinen Tod vor Augen, doch zu sehr in Angst...
"Wer... Seid ihr etwa.... Vater... Mutter??"
Tränen standen in ihren kirschblütenfarbenen Augen, als eine der Vermummten vortrat und die Kapuze abnahm.
Darunter blickte ihr ein knochiger Kopf entgegen; Tiefliegende, stahlblaue Augen, graues, ja, fast silbriges aar, dass sich um den faltigen Hals wand. Die Frau sah fast aus... Als sei sie schon lange tot... Als hielte sie nur noch das kalte Feuer in den hässlichen Augen am Leben.
Nein, das konnte doch nicht DIE Frau sein, die Melianawe ihre "Mutter" genannt hatte... doch... Etwas an ihr war heimisch... Ja, es war das Gefühl, heimzukommen, als sie in die Augen sah... So abstoßend, doch so WAHR...
"Mein Kind...", stieß die Alte mit zittriger Stimme hervor; Sie öffnete ihre Arme, wie zu einer kraftlosen Umarmung. "Mein Kind... Du bist zurück zu mir gekommen...!"
Melianawe entriss sich ihrer Trance und wollte auf das Weib zustolpern - doch...
...In dem Moment brüllte Krad - "NEEEEEEIIIIN!!!!!!"
Wie von einem Blitz getroffen fuhr die Dämonin herum - da ergriffen sie harte, wenn auch knöcherne Arme, zogen sie zurück. Melianawe wehrte sich - "Krad!! KRAAAD!!!"
Der Dämon war vor ihren Rücken gesprungen, schützend, seine sonst immer so sanft gefalteten Hände zu Fäusten geballt. Sein Aufschrei hatte seiner Herrin das Leben gerettet - denn vor ihm stand der zweite Vermummte, in den behandschuhten Händen ein Messer, welches ohne Zweifel auch als Schwert hätte durchgehen können. Wäre der Blonde nicht dazwischengesprungen, das realisierte Melianawe, die sich nun mit aller Kraft gegen die erwürgende Umklammerung zu wehren versuchte, wäre sie hinterrücks erstochen worden. Krad hatte eine Kampfposition eingenommen.
"Lasst die Herrin in Frieden!", fauchte er; seine Stimme hallte an den Wänden wieder. Wo blieb die Wache? War dies vom König gebilligt, diese Menschen- und Lebensverachtende "Forschung"?
"Warum?", schnarrte die Stimme des Vermummten; Sie ließ vermuten, dass er nicht jünger als die Frau sein konnte. "Sie ist unser - und du weisst das!"
"Sie gehört nur sich selbst!"
Krad sprang mit diesem Aufschrei vor. Er versuchte, den Mann zu entwaffnen, ihm das Schwert zu entwenden, doch da er selbst keine Waffe hatte, war dies ein gefährliches Unterfangen.
"Du hast keine Chance!", brüllte ihm der Alte entgegen.
"Nein; Aber ich habe auch nichts zu verlieren!"
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"Krad!"
Chiara suchte den Geisteskontakt zum Blonden, doch sie spürte, dass dieser blockte. Von einer Sekunde auf die nächste wurde es ihr klar... Seine Zeit war gekommen.
"Ich werde bei dir sein, Kraddo... Keine Angst...!"
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Der Eisdämon wich einem weiteren Streich auf. Er hatte schon mehr als einen Hieb eingesteckt, doch auch der Alte war nicht unverletzt; Hässliche Blutflecken breiteten sich auf dem Kittel aus.
"Krad!! Krad, tu das nicht! Renn weg! Rette DEIN Leben!!" Melianawe wusste, dass sie hier nicht herauskommen würde; Die Umklammerung der alten Frau war wie aus Eisen. Sie konnte sich nach Kräften wehren, es hatte so gut wie gar keine Wirkung... Nur Schmerz war das Ergebnis.
"Was wollt ihr? Lasst ihn in Frieden!!"
"Wir wollen dich!", raunte die Frau, und ihr stinkender Atem ließ das Dämonenmädchen würgen. Der dritte Mann - der, der die abgerissenen Schwingen mit sich trug - kam mit einem kleinen, aber obbenbar sehr spitzen, pflockähnlichen Gebilde auf sie zu.
"Du bist IHR Spiegelbild - bereits perfektioniert! Wir wollendich erforschen, schönes Kind... Wir wollen dich zu ihr machen!"
"Zu WEM??" Melianawe spürte, wie ihre Angst wuchs. Sie wusste nicht, was Hier vor sich ging!
"Zu IHR - Ihrer Tochter!" Es war die Stimme der Frau aus der Zelle. "Du siehst so aus wie sie... Sie werden deine Erinnerung rauben, und du wirst wie ihr Kind heranwachsen... Undall das wird ein Teufelskreis... Du lebst bis in die Zukunft, reist in diese Zeit... Und alles geschieht von vorn... Du bist für immer gefangen... Du bist verloren....!"
"Nein...." Der Goldhaarigen stiegen Tränen in die schönen Augen. "Nein, ich..."
"Nichts ist verloren!"
Es war Krad's Stimme. Er stand vor dem Alten, der an die Wand getaumelt war - eine blutige Wunde an seinem Bauch haltend. Die Finger des Eisdämonen waren mit rotem Leben verschmiert, doch als er den Kopf zu Melianawe drehte, sah sie, wie schlimm er WIRKLICH verletzt war... Sein Gesicht war zerkratzt, und das But, das seine Schulter, seine Hüften und seine Beine herabrann, bildete eine glitschige, schwarze Lache am Erdboden.
"Nichts ist verloren, Herrin... Ihr seid, was ihr seid... Und ihr könnt immer wählen, immer....Solange...."
"KRAD!!! PASS AUF!!!"
Melianawe sah, im gegenteil zu ihrem Alter Ego, wie der Alte, sterbende Mann sich aufgerichtet hatte - das Messer blitzte im Fackellicht, als er es hob - es warf...
In diesem Moment obsiegte der Durst nach Wahrheit der Angst... Und das Schwache bekan seine Stärke zurück... Die Dämonin entriss sich der knöchernen Umarmung und sprang... Auf Krad zu.
Ihre Arme lagen um seinen Hals, ihr Gesicht an seiner Schulter.
"Nichts ist verloren, solange du lebst....!"
Melianawe lächelte, ein letztes und trauriges Lächeln. Dann kam der Schmerz...
Die Klinge bohrte sich durch ihren Rücken, drang tief, durch sie hindurch... Traf Krad, der sie in einer letzten, ergeben Umarmung festhielt... Trat bis durch seinen Rücken, die Zwei, die so gleich empfanden, in einer ewigen, liebevollen Vereinigung haltend... Verbunden durch Hasserfüllten Stahl, waren die zwei Eisdämonen, die nur das Leben liebten, ihres Lebens beraubt... Melianawe öffnete noch einmal die Augen, sah ihren "großen Bruder" an... Sie hörte die Schreie deren, die sie schufen - nur, um ein unsterbliches Abbild ihrer toten Tochter zu bekommen - doch sie fühlte nichts... Nicht mal Schmerz... Krad anlächelnd, brachte sie ein paar letzte Worte heraus, während ihr Geist ihren Körper verlassen wollte.
"Und auch... im Tode... Ist nichts verloren.....! Krad... Ich hab dich lieb'...."
Und Krad umfasste mit zitternde Hand ihren Hinterkopf, grub die Finger in ihr goldenes Haar, um sie fest an sich zu ziehen... Er wusste, es war Zeit zu gehen... Und nun sollten sie gemeinsam die Pforte passieren...
"Ich... Ich habe euch auch lieb, Herrin... und... nun werdet ihr... Sephiroth wiedersehen... zuhause...!"
"Ja..." Melianawe fielen die Augen zu, und ihren Körper verließ das Leben. Ihre Seele jedoch - das, was SIE war - stieg auf, mit derer Krad's an der Hand, emporgleitend zu der von Chiara, die, schillernd, bläulich, hinzugekommen war, beide zu geleiten...
Ein letztes Mal sah sie herab zu den weinenden Alten, die das vollendete Bild ihrer Tochter verloren hatte - das Bildnis, das einen eigenen Charakter entwickelt hatte und das nun aus der ewigen Schleife gebrochen war... Das Bildnis, das keines mehr sein wollte.
Sie hörte noch die Turmuhr vier mal schlagen... Dann lächelte sie zu den zwei durchscheinenden Wesenheiten.
~"Ja.... zuhause.... Kommt... lasst uns nach Hause gehen, Freunde....!"
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