Ibeth sprang von Dreigars Hengst. Und wieder streichelte sie das Pferd sanft und vorsichtig. "Wie viel Angst du doch vor mir hast..", flüsterte sie. Dann wandte sie ihren Blick von dem Pferd.
Die Magierin drehte sich um und blickte zu dem Hof. Und da fragte sie sich, was sie nun hier eigentlich tat.
Dennoch schritt Ibeth zu der Tür und als sie die Hand auf die Türklinke legte, stieß sie wie aus dem Nichts etwas zu Boden. Die Magierin richtete sich auf und wischte sich den Staub vom Gewand. Ihr kalter Blick ruhte auf der Tür, wo ein schatten war, aber nicht der Ihre.
"Wie dumm ihr seid. Wollt Ihr euch wirklich mit mir anlegen?", lächelte Ibeth und sah dem Schatten nach, wie er lautlos verschwand. Sie stand mit einem Kopfschütteln auf und legte wieder die Hand auf den Türgriff. Und dieses Mal hinderte sie nichts daran.
Leise betrat sie das leergefegte ältere Gebäude. Dreigar hatte Recht: Man sah nichts von einem Kampf oder einer Flucht.
"Wie sollte man auch?", sagte eine Stimme hinter ihr und die Tür fiel zu. Ibeth sah sich über die Schulter und sah den jungen Mann mit dem schwarzen langen Haar, den sie als ihren Bruder wieder erkannte. Um ihn herum waren Schatten. Verschieden groß und breit.
"Gib sie frei. Es nützt dir doch nichts, welche in dein Schicksal miteinzubeziehen..", sagte die junge Frau.
Der Mann rannte zu ihr und der Dolch in seiner rechten Hand verfehlte nur knapp ihre Wange. Ein dünner roter Strich zeichnete sich nun in ihrem Gesicht.
"Miteinzubeziehen?", wiederholte er und seine Augen glühten rot.
"Wenn ich könnte, würde ich dich in den Tod reißen!!!"
Ibeth wusste nicht wieso, aber in jenem Moment musste sie zu Lächeln beginnen.
"Wenn du könntest...", sagte sie und als ihr Grinsen immer breiter wurde, stachen spitze Eckzähne hervor. "Aber du würdest doch nie deine Schwester töten, oder?"
Seine Hand machte die Bewegung, ihren Hals zu umfassen und sie zu erwürgen, doch etwas hielt ihn ab. Zischend ließ er die Hand zurücksinken.
"Wieso schliesst du dich denen an, Schwester..? Wieso bleibst du nicht bei mir?", fragte er.
"Weil ich mit Mäken noch eine Rechnung offen habe und du mir nur Probleme bereitest!!", antwortete sie scharf und das Lächeln erstarb. Die spitzen Zähne verschwanden hinter ihrer Oberlippe.
"Probleme?!!!", kreischte ihr Bruder und der Dolch in seiner Hand zuckte.
Und plötzlich stach die Waffe viermal in ihren rechten Arm.
Das Blut tropfte auf den Boden und der Mann ließ den Dolch fallen.
Er trat einen Schritt zurück und starrte geschockt ihren Arm an.
"Verzeih mir Schwester! Oh, verzeih mir!", brüllte er und torkelte zur Tür. Dann wurde er eins mit den Schatten und verschwand.
Die Magierin stand immer noch am selben Fleck.
"Ich weiß genau, dass du mich hörst und ich will dir sagen, wie krank du bist!! Du solltest endlich damit aufhören, eine gespaltene Persönlichkeit zu sein!!!", fluchte sie und sah mit zusammengebissenen Zähnen auf ihren Arm.
Im stillen fluchte sich noch etwas, denn das war den Arm, mit dem sie kämpfte.
Dann riss sie einen dünnen Streifen aus ihrem Kleid und band ihn sich um den Arm, um die Blutung zu stoppen.
Schnell ging sie zu Dreigars Pferd und legte ihren Arm auf den Sattel. Die Decke saugte sich mit dem Blut voll und Ibeth schloss für einen Moment die Augen. "Verflucht..."
Einen Augenblick später, stieg sie auf das Pferd und befahl dem Pferd, zu seinen Herrn zu reiten.
"Sie werden mich fragen, wie das passiert ist...", dachte sie sich.
"Ob sie sich mit der Lüge zufrieden geben, dass ich von einem Wolf angegriffen wurde..?"
Der Wind streichelte Ibeth Arm, ganz vorsichtig.
"Hau ab!", bellte sie und es wurde windstill.