Geschichten des Augenblicks

Gemeinsam Welten und Figuren erfinden - Fortsetzungsgeschichten zum Mitschreiben.
Anadyr
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So 6. Mär 2005, 19:58 - Beitrag #81

Nur soviel zu diesem Text: Schlafende Männer sind was Schönes...


Kein Muskel rührte sich in ihrem Körper. Selbst den Gesichtausdruck wagte sie nicht zu verändern, immer noch lag das selbe Lächeln, der letzten Nacht auf ihren Lippen.
Einzig ihre Augen wanderten wach der weissen Decke entlang. Unruhig huschte ihr Blick im Zimmer umher, bis sie das Fenster bemerkten. Das spärliche Zwielicht des anbrechenden Morgens fiel durch es.
Das Erwachen des Tages, immer wieder einer ihrer liebsten Momente. Der Wandel, die Unbeständigkeit dieser Tageszeit nahm sie immer wieder aufs Neue ein. Zu schön war es zu beobachten wie das Licht die Schatten verdrängt, damit sie bereit gewesen wäre diesen Moment mit ihm zu teilen. Halb in dieser, halb in der Traumwelt gefiel er ihr am besten. Sachte suchte sie noch mehr seine Nähe - nur nicht aufwachen, bitte. Nur noch einen Augenblick seine Wärme konsumieren, dann wird es Zeit sein zu gehen...
Sie genoss diese Nächte, ohne Zukunft und ohne Vergangenheit, die einem das Fliegen verlehrten. Nur der Moment der relevant war. Der Morgen solange sie schliefen zog sie noch fast vor. Sie hatte sich jedoch angewöhnt ihn nie zu sehr in die Länge zu ziehen. Wenn sie es schaffte, die Wärme zu verabschieden bevor sie den Weg ganz zurück in die Realität gegangen waren, vermeidete sie unnötige Worte, Gespräche ohne Sinn, für sie.
Eine Nacht, nicht mehr, nicht weniger, sollte es bleiben.
Vorsichtig löste sie sich aus seiner Umarmung. Zog sich an und ging. Alleine, doch mit dem Gefühl frei zu sein.

Ceyx
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So 13. Mär 2005, 01:43 - Beitrag #82

Nun springe ich.
Dies ist keine Drohung und dies ist kein Geschwätz, kein Flüstern und schon gar kein Schrei, dies ist eine pure, nackte, leuchtende, frohlockende Tat.
Eine Tat.
Tat. Tun. Etwas tun. Unternehmen. Handeln. Kein Denken, kein Wägen, kein Zögern, kein Hadern, einfach springen.
Und es ist toll.
Wie Adrenalin durch mein Herz gepumpt mit einer langen Nadel direkt durchgestochen, wie Kokain und Heroin und lauten Bässen mit Nebeldruck verleuchtet. Wie ein Kuss, eine Droge, wie Wind, der meine Haare von meinem Schädel reist und die Freude auf die brechenden Knochen.
Warte, warte...
...hier läuft etwas nicht, wie es sollte...
immer noch hier, sitze ich, oder ich sitze, oder und nichts getan und nichts geändert und ich warte auf den Fall der nur in meinem Kopf langsam Gestalt annimmt und ich möchte schreien und möchte das Glas an meiner Seite nehmen und gegen die Wand schleudern und auf das warme Klirren ohne Konsequenzen warten und möchte die Scherben in meiner Hand zudrücken und das Blut wohl schmeckend auf meiner Zunge leckend anstarren und.......................
und...
und...
und...
und...
UND?
UND DANN?
IDIOT.
Du möchtest und du willst und du wartest, warum anstatt auf den richtigen Moment zu warten, ihn nicht greifen und ihn dein machen, obwohl er dir nicht gehört?
Weil er mir nicht gehört, verdammt. Verdammt. Verdammt. Verdammt, seist du und sei ich und wir alle sind verdammt, lebende Puppen, Schausteller, grinsende Hohlgesichter in vermummten Sumpfbänken...
Halt, halt, halt...
Was du hier sagst ist ziemlich...naja, du kannst das so nicht sagen, du kannst es für dich behaupten, aber nicht für alle. Spielst du? Bist du nur eine leblose Puppe deiner selbst? Bist du's? Bist du's?
Antwort, bitte...
Na, schweigst du? Genug davon? Wahrheit tut weh.
Lasset uns beten -> Und ich sass hier, an diesem elektronischen Gerät und ich sass da und wartete auf den Moment in dem die Welt in meinen Augen in Steine zerfällt und ich fühlte, wie der Fall, den ich plante mich langsam von innen aufsog und durch eine Welt zog, die absolut kalt war, fern von hier und ich fragte mich, ob sie wahr war oder nur eine Einbildung, ein Gebilde meines eigenen Wahn, der mich leben lies, der mich sterben lies, der mich hoffen lies und der mich fürchten lies und ich stand auf und ging zu jenem Spiegel und schlug mit meiner Hand auf mein Gesicht ein und hoffte, der Spiegel würde zu Staub zerfallen und unter meine Haut kriechen und durch mein Blut fliessen und meinen Körper von innen heraus zerstören, einfach so in einem Augenblick und einen Augenblick später würde ich tot sein.
Tot sein.
Was das auch bedeuten mag...
...ich weiss es nicht...
Und eines ist gewiss...
Die Liebe in Gedanken...
Und ich sprang.
...nützen tut sie nichts...


AN: Man kann tun, was auch immer man will, aber die Lust etwas destruktives zu schreiben (zu tun?) kehrt irgendwann zurück.

Br.-Dragonlady
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So 13. Mär 2005, 11:56 - Beitrag #83

Grund? Anadyr's Textanfang "Schlafenden Männer sind was Schönes" meine Signatur, der gestrige Abend und mein letzter Traum ...

---

... ich weiß, wann er einschlafen würde ... ich wusste es schon immer ... schon vom ersten Tag ... vom ersten Abend an: Aneinandergekuschelt lagen wir dort, als ich wusste, dass er gleich einschlafen würde. Woher wusste ich das? Ich hatte meine Augen geschlossen, ich lag an seiner Seite .. ich sah ihn nicht .. aber ich wusse, ich spürte es .. und er schlief ein. In den Nächten, die wir zusammen verbrachten, habe ich es immer gewusst .. ich durfte ihn in den Schlaf streicheln .. mit einem Lächeln im Gesicht sah ich ihn an, ihn zärtlich streichelnd und fast rückwärtszählend ... 3 .. 2 .. 1 ... und den Mann, den ich so sehr liebe, süß schlafend in meinen Armen haltend. Leider ist es nun nicht möglich, ihn schlafend zu sehen, so sehr ich mich auch danach sehne. Leider ist er nun so weit weg von mir, auch wenn unsere Herzen nahe beieinander sind. Leider bleiben uns nur Gedanken und Träume .. unsere Träume .. die uns erlauben, uns aneinanderzuschmiegen .. ich träume viel .. ich träume gerne von ihm .. und wir hoffen und arbeiten daran .. dass sie wahr werden ....

... aber mein letzter Traum darf nicht wahrwerden ... an dem er .. nicht alleine .. und auch ... nicht bei mir .. eingeschlief ...

Amy
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So 13. Mär 2005, 15:51 - Beitrag #84

Zwei Erlebnisse von mir

Erlebnis vor einem Jahr.

Kälte.
Mein Atem ist eine Wolke aus weißem Rauch.
Mein Körper ein zitterndes Etwas.
Meine Fingernägel versuchen sich an dem Blech festzukrallen, hin ein zu bohren, obwohl ich doch weiß, dass es unmöglich ist. Nur das Geräusch der Fingernägel, die über das Blech des Fenstersims kratzen. Und mein Atem. Stoßweiße.
Aber keine Tränen in den Augen. Keine einzelne. Unbeschreibbare Traurigkeit, unbeschreibbare Wut. Gefühle, die in mir sind, die ich aber nicht nach außen kehren kann.
Wieso nicht?
Ich sitze auf dem Fenstersims und starre zu den Bergen, hinter denen der glühende Ball, die Sonne, untergeht. Alles wird in ein Rot getaucht. Blutrot.
Du solltest endlich springen. Sie kommen bald.
Ich höre sie. Ich höre ihr Lachen, ihr Poltern auf den Gängen, ihr Geschrei.
Du solltest endlich springen. Sonst ist es zu spät.
Zu spät?
Zu spät ist es schon seit langem.
Zu spät war es schon in dem Moment, wo ich auf dem Fenstersims stand und nicht sprang. Und nun sitze ich und sehne mich nach dem näherkommenden Boden.
Bringe dennoch keine Kraft, keinen Mut auf, zu springen. Ich will es doch.
Die Tür hinter mir öffnet sich. Ein Mädchen kommt herein, sieht mich nicht einmal an, greift nach einer Jacke, geht. Haut die Tür zu und ist wieder weg. Hat mich gar nicht wahrgenommen.
Ein Wind kommt auf. Noch kälter. Fährt mir durch das blonde Haar, spielt damit.
Eine Umarmung. Seine Worte in meinem Ohr: Nicht springen.
Aber ich will doch.
Nicht springen.
Die Tür geht wieder auf, erneut kommt ein Mädchen herein, seufzt, wirft sich aufs Bett und fragt, was ich gemacht hätte. Ich schiebe mich zurück, sehe noch einmal kurz auf den Abgrund unter meinen Füßen, sehe noch zum Himmel, zum Wind und antworte: „Nichts.“


Erlebnis vor drei Tagen.

Wieder diese Kälte.
Obwohl die Heizung sich so abrackert. Obwohl ich unter einer Decke liege. Mit angezogenen Füßen und dem Kopf auf der Schulter.
Mir wird nicht warm.
Weil ich weiß, dass meine Seele friert.
Ich schiebe meine bleichen Arme unter der Decke hervor.
Starre sie an, als würde ich sie das erste Mal sehen.
Und wieder der Gedanke, der mir sooft kommt:
Ich stehe auf, zerstöre Glas, fahre damit über meine Arme, sehe zu, wie Blut fließt. Mein Blut. Spüre die Wärme, die es verbreitet, als es zu den Fingern hinabgleitet und auf den Boden tropft. Ich will es schmecken. Ich will das Blut in meinem Blut. Will diesen bitter-süßen Geschmack auf der Zunge. In meinem Hals. In meinem ganzen Körper. Ich sehne mich danach. Ich brauche es.
Die Tür geht auf. Ein Mädchen kommt herein, fragt, ob ich krank werde, wartet nicht auf Antwort, holt ihre Zigaretten und geht. Und ich sehe ein, dass ich kein Glas finde und keinen Ort, wo ich alleine sein kann oder einen Ort, wo man mich in den Arm nimmt. Ich sehe ein, dass ich einsam bin und ich akzeptiere es.
.... Im Schlaf beiße ich mir die Lippen auf, nur um das Blut zu schmecken.

Anadyr
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Mo 14. Mär 2005, 23:55 - Beitrag #85

Ja, ich gebe es ja zu: schlafende Männer faszinieren mich, oder soll ich besser sagen, ein schlafender Mann fasziniert mich...

Dich schlafen zu sehen. Ich glaube für mich gibt es nichts, dass schöner sein könnte. Einfach nur da zu liegen, zu fühlen wie dein Atem deine Brust hebt und senkt, während du in die Traumwelt eintauchst. Nein, ich bereue es nicht, dass ich dir nicht folgen kann, noch nicht folgen kann. Viel zu sehr geniesse ich es zu sehen, wie deine Züge sich entspannen und nur noch Zufriedenheit ausstrahlen. Der ganze Alltag gleitet von dir, zurück bleibst nur du, vielleicht schutzlos, doch sorgenfrei.
Ich suche deine Nähe, finde die Wärme, die du mir gibst, die ich zu brauchen gelernt habe. Was vorher war wird unwichtig, der Tag verblasst, die Zweifel schwinden. Das einzige was bleibt, Geborgenheit. Die Sicherheit, dass es sogar in meinem Leben Momente gibt, die ich nicht einmal im Detail verändern möchte.
Langsam holt die bleierne Müdigkeit auch mich ein. Doch noch nicht will ich gehen. Einen Augenblick lang soll sie mich noch verschonen. Nur noch ein letzter Blick auf dein Gesicht will ich, dass sie mir gewährt. So schön bist du für mich. Deine dunkeln, geschwungen Wimpern, die sich fast unmerklich im Wind bewegen. Oder ist es nur ein Lichtspiel? Das eine oder das andere, die Faszination vermag es nicht zu beeinflussen. Die beinahe unerkennbaren Sommersprossen über deinem Nasenrücken. Ich gebe zu, sie sind in der Dunkelheit, die nur die Strassenlaterne, draussen, vor dem Fenster, durchbricht, nicht zu erkennen. Aber ich weiss, dass sie da sind.
Der Schlaf ruft mich zu sich. Die Realität entgleitet. Ein letzter Gedanke, eine einzige Frage im Zwischenraum zwischen Wirklichkeit und Traum: Wird die Zeit irgendwann wagen mir diese Momente zu nehmen?

Br.-Dragonlady
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Di 15. Mär 2005, 22:41 - Beitrag #86

So teilen wir sie, die Faszination ... aber wohl nicht am selben Mann *lächel* ...

===

... und wieder weiß ich, dass Du in wenigen Augenblicken in die Traumwelt gleiten wirst. Ich spüre noch Deinen süßen Kuss, doch langsam wirst Du eingeholt von der Müdigkeit. Deine zärtlichen Lippen verlassen die meinen und Dein Körper kuschelt sich sanft ein. Dein Atem wird ruhig ...

Mit einem Lächeln sehe ich .. Deine geschlossenen Augen, Deine Nase, Deine Lippen, Dein rechtes Ohr, da Du auf dem linken liegst .. ich betrachte mir Dein ganzes Gesicht .. sauge jedes Detail in mir ein .. möchte nichts verpassen .. nichts vergessen ...

... ich denke daran, was morgen sein wird .. und ich weiß, Du wirst Dir vorwerfen, vor mir eingeschlafen zu sein ... aber nein, Du sollst Dich nicht entschuldigen dafür ... vielmehr ist es ein Geschenk, Dich schlafend und lächelnd in meinen Armen zu halten und zu wissen, dass Du glücklich bist

... dann bewegst Du Dich, Du setzt Dich auf ... doch ich weiß, dass Du Dich auch in diesem Moment in der Welt der Träume aufhältst ... sanft setze ich mich zu Dir, halte Dich zärtlich fest und unsere Lippen berühren sich ... bis sie sich langsam wieder trennen ... bis Dein Körper wieder ganz entspannt ist ... Dein Kopf sich an mich lehnt ... und Du wieder tiefer und tiefer zurück gleitest in Deine Träume ...

... ich spüre das Schlagen Deines Herzen .. ich genieße jeden Augenblick ..

.. höre ich ein Schnarrchen? ... ist es störend? .. ich lächle .. nein, das ist es gewiss nicht ... denn es bedeutet, dass Du da bist .. dass Du hier hier bist .. dass Du bei mir ist.

... langsam werden auch meine Augen schwer ... ich streiche nochmal über Deinen Körper ... gleite zu Deine Hand und halte sie zärtlich fest ... ich versprach Dir, Dich nie mehr los zu lassen ...

Nun versinke auch ich langsam in Träume ... Träume, die wir uns teilen .. in unsere gemeinsamen Träume ...

... doch ich werde sofort wach sein, wenn Du Dich rührst ... nur um dann erneut dabei sein zu dürfen, wenn mein Sonnenschein sanft wieder einschläft

===

Anadyr, Du schreibst das so schön : )

Amy
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Mi 16. Mär 2005, 20:14 - Beitrag #87

Graue Wolken

Sie lag auf dem Boden.
Ihr Kopf war in einer seltsamen Position.
Die Lippen waren geöffnet.
Und ihre Brillengläser zerbrochen.
Sie starrte zum Himmel hoch, weil sie nirgendwo anders hin starren konnte.
Und betrachtete die grauen Wolken in einem Anflug von Traurigkeit.
Ihre Arme waren vom Körper gestreckt, die Füße in genau so einer seltsamen Position wie ihr Kopf.
Ihre Finger spürten etwas flüssiges.
Und sie wusste nicht, ob es ihr Blut war oder der Regen, der wieder einsetzte.
Sie hatte das Auto nicht kommen sehen, als es um die Ecke gebogen war.
Der Fahrer war zu schnell gefahren. Konnte nicht mehr bremsen.
Hatte sie erfasst, über die Kühlerhaube geschoben, über das Dach, auf den Boden.
Rasendschnell. Zu schnell.
Sie lag auf dem Boden und spürte, dass die Flüssigkeit über ihr Gesicht lief und in ihren offenen Mund. Es war eine Mischung aus Regen und Blut. Ihrem Blut.
Aus dem Augenwinkel heraus sah sie das Auto stehen.
Es stand quer zur Straße und rauchte. Wieso rauchte es?
Sie wartete, dass jemand kam. Jemand, der ihr half.
Aber es kam niemand.
Und sie lag dort, auf dem nassen Asphalt und der Regen füllte ihren Mund und die Wimpern kämpften mit den Wassermengen fertig zu werden.
Sie hörte, wie sich die Tür öffnete.
Konnte nicht sehen, wer sich ihr näherte.
Aber schwere Schritte kamen näher.
Als nächstes ein Fluchen, ein stöhnen und jammern.
Dann entfernten die Schritte sich fluchtartig.
Die Autotür wurde zugeschlagen.
Gas gegeben.
Weitergefahren.
Ohne sie.
Denn sie lag immer noch auf dem Asphalt und spürte ein Ersticken.
Das Wasser hatte den Mund gefüllt, lief ihr aus den Mundwinkeln und vermischte sich mit der Pfütze Blut, die sich unter ihrem Kopf gebildet hatte.
Keine Hilfe.
Ihr verschwommener Blick erkannte die grauen Wolken nur unscharf.
Einen Moment lang hoffte sie, dass er zurück kommen würde.
Und ihr helfen würde.
Sie hatte einmal eine Geschichte gelesen, da war der Fahrer auch zurück gekommen.
Doch der Fahrer kam nicht zurück.
Und wegen dem Wolkenbruch kam auch kein Passant die Straße entlang.
Sie war alleine und sie wusste, dass sie alleine sterben würde.
Ihre rechte Hand zuckte.
Sie wollte ihren Kopf etwas nach rechts drehen, in eine normale Position bringen, damit sie nicht ersticken musste.
Aber ihre Finger zuckten nur wie sterbendes Fleisch.
Fanden keine Kraft.
Sie weinte innerlich.
Und dachte schluchzend nach.
Sie hatte einmal eine Geschichte gelesen, da hatte der Fahrer nach dem Tod des Mädchens gebeichtet, dass er es war. Menschen waren eben doch Wesen, denen man irgendwie vertrauen konnte.
Wenige Minuten später erstickte sie an den Mengen von Wasser, die ihre Lungen füllten und an den Verletzungen.
Und als man sie fand,
kam kein Fahrer, der beichtete, dass es er es war. Menschen waren eben doch keine Wesen, denen man irgendwie vertrauen konnte.

Amy
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Fr 18. Mär 2005, 20:34 - Beitrag #88

Sieh zum Himmel hoch.
Zu den schwarzen Wolken.
Kannst du das Getöse hören?
Hörst du die Engel sich bekriegen? (= Gewitter)
Für einen Moment hallten sie inne, drücken ihre heiligen Hände auf die blutenden Wunden.
Wo ist der Glanz aus ihren Augen hin?
Wo ist all die Kraft und Wärme hin?
Ich sehe nur noch zerbrochene Spiegel.
Blut.
Es tränkt eure weißen Gewänder.
Wach auf.
Sie weinen, um uns.
Sind denn wir es, die sie in diese Kriege führen?
Ja.
Uns trifft alle, sie trifft keine Schuld.
Ihre Glastränen tränken die Wolken.
Nun sind sie vollgesaugt und es beginnt zu regnen.
Tränen fallen auf uns.
Ich sehe keinen Regen.
Ich sehe nur Blut.
Blut, das auf mein Gesicht tropft und meinen Mund füllt.
Ich blinzle, fahre mir mit der Hand über das blasse Gesicht und starre auf das Blut.
So rot.
So süß.
Weine ich beim Anblick des Blutes?
Weine ich, als sich das Engelsblut in meinen Haaren verfängt?
Du runzelst die Stirn.
Findest es nicht wahr.
Nun, sieh zum Himmel hoch und zähle die fallenden Federn.

Shinigami
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Di 12. Apr 2005, 20:57 - Beitrag #89

Nunja... *verlegen grins* Hin und wieder schreibe ich auch etwas....

~~~~~~

Dunkle Räume, eiskaltes Metall. Angstvolle Schreie, die die Stille durchbrechen. Uralte Bilder an den Wänden, erleuchtet von Fackeln. Raue Mauern, mit Blut besudelt. Lebenssaft derer, die nach der Meinung meines Herrn keine Lebensberechtigung hatten.

So habe ich sie in Erinnerung, die alten Kellergebäude des Schlosses.

Hier ist alles anders. Und doch wirkt es kalt. Das einsame Bett in der Ecke, lieblose Möbelstücke, wirr im Zimmer verteilt. Ein Computer, der leere Kühlschrank und das offene Fenster mit der zerrissenen Gardine.

Aber eins haben sie gemeinsam, diese beiden Orte. Von der Zeit getrennt, und doch auf ewig verbunden. Auch hier ist es der rote Lebenssaft, welcher die kahlen Wände schmückt. Doch diesmal ist es nicht mein Blut, welches auf grausame Art und Weise vergossen wurde.

Geschrien habt ihr, laut und deutlich. Und doch wurdet ihr nicht erhört. Ihr habt nach dem Tode gebettelt, ihn ersehnt um von der Pein des Lebens erlöst zu werden. Wut regt sich in euch, als ihr den Blick auf mich richtet. Auf mich, die schweigende Gestalt neben eurem Bett. Meine Kleidung ist weiß, rein und unbefleckt. Doch von meinen Händen tropft eine Flüssigkeit auf den Boden, und es sind nicht meine Tränen.

Dieser Hass entlockt mir ein Schmunzeln. Doch ich rühre mich nicht, noch spreche ich. Meine Stimme würde diese abstrakte Perfektion zerstören.

Das Laken bedeckt gerade eure Hüfte. Die Brille liegt zerbrochen auf dem Boden, neben meinen bloßen Füßen und die Splitter schneiden mir in mein Fleisch. Die blassen Arme sind leblos neben dem Körper ausgestreckt, Narben verzieren die Haut und geben ihnen eine einzigartige Musterung.

Die Wut wird schwächer und euer Blick flackert. Ihr scheint mir zuviel Blut verloren zu haben. Wie schade, dann wird das Spiel hier schneller zu Ende sein als ich es mir erhoffte.

Und immer noch stehe ich hier. Fast scheint die Lampe auf dem Tisch ihr künstliches Licht zu verlieren und der Schein einer Fackel euer Gesicht zu erleuchten. Die weiße Tapete nimmt die Form einer rauen Kerkerwand an und ihr... ihr werdet zu mir.

Ein junger Körper, so leicht zu verletzen und zu schänden. Unverständnis liegt in dem Blick, gemischt mit einer Wut. Nichts falsches wurde in den Taten gesehen, man glaubte Recht zu haben. Und doch, tief in eurem Inneren, da wusstet ihr dass es ein schweres Vergehen war. Aber ihr habt es dennoch getan und so meine Wut provoziert.

Ihr wusstet was euch blüht, ihr ahntet bereits was geschehen würde. Aber eure Gewissen hielt euch dennoch nicht ab. Und nun erntet ihr was ihr gesäht habt, erlebt die Früchte eurer Arbeit.

Ein Zittern durchfährt euren Körper, und noch immer rühre ich mich nicht. Mein Schweigen muss euch mehr belasten, als ihr euch selbst je eingestehen würdet.

Trotz allem erkenne ich noch Kraft in euren Augen, ein gewisser Trotz. Ihr wollt ihm wiederstehen, dem Tod, der nahenden Dunkelheit. Aber ihr wisst dass es kein Entrinnen gibt. Und so wehrt ihr euch auch nicht, als ich mich hinabbeuge, um den letzten Atemzug von euch für einen sanften Kuss von mir zu nutzen...

~Owari~

Anadyr
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So 24. Apr 2005, 20:06 - Beitrag #90

Eigentlich ist der Text noch nicht ganz fertig. Aber wenn ich eine Pause mache, ist immer fragwürdig, ob ich meine Geschichten beende, daher einfach mal der erste (vielleicht einzige) Teil.


The Bird afraid of flying
Der Sonnenaufgang… jeden Tag von neuem die angenehme Wärme, die mich sanft zu sich in die Realität holt. Meine Realität, eine wohlbehütete, sichere Welt.
Was könnte man sich mehr wünschen? Kann ich doch nicht wissen, ich kenne nichts anderes!
Soll ich mich unzufrieden mit dem, was ich als meine Welt bezeichne, nennen?
Nein?
Ja?
Nein, ich brauche nichts mehr für mein Glück. Ich habe die Sonne, die mich morgens weckt, mich durch den ganzen Tag begleitet. Abends singt sie mich in den Schlaf, bevor der Mond, mich küsst und mich mit Traumwelt einhüllt.
Ja, das Andere, das ich manchmal durch die Grenzen meiner Welt betrachte, es fasziniert mich. Manchmal scheint es mich zu rufen, in den Momenten, in der die Sonne mich im Stich lässt, um hinter einer Wolke zu ruhen, säuselt es, leises Flüstern in meinen Ohren.
Wieso kann mich das Andere reizen, wenn es mir doch besser wie hier, nirgends gehen könnte.
Könnte es nicht? Weißt du doch gar nicht!
Vielleicht hält mich auch nur die Angst hier. Die Angst vor dem Anderen. Die Angst, was das Anderem mit sich bringen würde. Die Angst vor der Unsicherheit.
Hier bin ich geborgen. Ich kenne meine Welt, weiss wie ich mich zu verhalten habe, weiss wie sie sich verhält. Ich kenne meine Sonne, ich schätze sie. Meistens... Wenn sie mit mir spielt, sich vor mir versteckt, hinter den Wolken, nur um mich zu ärgern, dann hasse ich sie. Doch ich weiss, dass sie so ist. Sie wird sich nicht ändern, weil sie sich nicht ändern will.
Wäre das Andere gleich zu mir? Würde es mich dazu bringen es zu verachten, auch wenn ich gelernte hätte es zu lieben?

Anadyr
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Mi 18. Mai 2005, 18:39 - Beitrag #91

Du sagtest, du liebst mich.
Als mein Gesicht leer blieb, und die Antwort ausblieb, hast du nicht verstanden. Vergebens suchtest du die Freude in meinen Zügen. Kein scheues Lächeln konntest du meinen Lippen andichten, in dem Moment, als deine Worte noch verklangen.
Deine Gedanken füllten sich mit Zweifel. Wie schnell das manchmal geht. Du hattest gedacht, es ginge mir gleich. Hattest gedacht, dass sich diese drei Worte auch seit langer Zeit in meinem Mund anstauten, nicht nur in deinem. Das auch ich auf den richtigen Moment wartete um sie zu formulieren.
Und jetzt, zwangest du dich daran zu zweifeln. Dein Kopf füllte sich augenblicklich mit Horrorszenarien. Du zogest es ihn Erwägung, dass dieser Moment, den du als den Anfang von etwas sahest, das Ende in meinen Auge sei. Doch das nur, weil du nicht verstandest.
Doch das nur, weil ich nicht verstand. Weil ich nicht wusste, was du meintest, wenn du von lieben sprachst.
„Sag mir, was meinst du wenn du lieben sagst? Was gehört zu lieben?

Wollest du damit sagen, dass du mich begehrst?

Dass du mich verehrst?

Dass du dich wohl fühlst, wenn du bei mir bist? Wenn wir beieinander sind?

Dass du mir vertraust?

Dass du mich brauchst?

Lieben ist so ungenau. Was es für dich heisst, kann ich nicht wissen, solange du von lieben alleine sprichst. Deshalb suchtest du vergebens nach dem Strahlen in meinem Gesicht, ich verstand zu wenig. Was ich weiss, ist das was ich für dich empfinde, was ich wahrnehme, wenn ich in deiner Nähe sein darf.
Sicher fühle ich mich. Bei dir habe ich einen Ort gefunden, zu welchem ich zurück kehren kann, unabhängig davon wie viele Stürme mein Leben aufwühlen. Ich weiss dass ich in deiner Umarmung von Geborgenheit und der Wärme umgeben werde.
Vor dir hatte ich nicht gewusst, dass es Momente gibt, an denen man kein Detail ändern möchte. Momente die einfach durch deine Präsenz der Perfektion so nahe kommen, dass es mich beinahe ängstigt.
Was wenn mir die Zeit diese Momente nimmt? Du weißt wie ungern ich das zugebe. Aber ich brauche dich. Ein Leben ohne dich, in diesem Moment, wäre so leer, so karg.
Doch ich denke auch zu wissen, dass du nicht von einem Tag auf den anderen mein Leben verlassen wirst, genauso wenig wie ich mich klammheimlich aus deinem stehlen würde. Vertrauen nenn ich es. Es heisst nicht, dass das was wir haben für immer sein wird. Ich meine damit nur, dass ich auf dich zählen kann, im Moment.

„Jetzt sag mir, ist dass das was auch du für mich entfindest? Nennst du das alles einfach lieben?

Ja?

Dann schau mich noch einmal an.

Siehst du wie die Sonne auf meinem Gesicht aufgeht?“

Anadyr
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Mo 30. Mai 2005, 19:25 - Beitrag #92

Wenn eines Nachts sogar der Mond erlischt...
Dass ich für dich nicht scheinen kann, das ich nicht Sonne, oder zu wenig Sonne bin, musste ich einsehen. Ich bin es nicht, werde es nie sein.
Doch was wenn manchmal sogar der Mond erlischt? Werden die Sterne dir nicht zu hell erscheinen? Wirst du sie nicht dem Mond vorziehen?
Monde haben Mondphasen.
Als ich klein war und mein Vater mir den Nachthimmel erklärte, sagte er mir der Mond komme und gehe, dass könne man nicht ändern. Es sei ein immerwährender Rhythmus, ich müsse nur Geduld haben. Schon bald werde er wieder in seiner vollen Grösse scheinen. Ich war so wütend. Damals war es Leermond und Ich und Geduld eine hochexplosive Kombination. Damals, so wie heute.
Meine Liebe für den Mond, ich schwor mir in dieser Nacht sie für immer aufzugeben. Wenige Tage später, als ich erneut meinen Blick, in den Himmel richtet, sah ich ihn. Nur eine dünne Sichel, doch so wunderschön. Gegen meinen Willen verfiel ich ihm. Gegen meinen Willen liebte ich ihn, trotz Mondphasen, oder wegen ihnen?
Doch was ist mit dir?
Ich kann es nicht ändern. Manchmal umhüllt die Dunkelheit mich zu stark, selbst wenn ich es nicht will, erlischt mein Leuchten. Leermond, nenn ich es.
Erinnere dich, Mondphasen sind nicht bleibend, du brauchst nur Geduld. Die Sterne scheinen dann heller, ich weiss. Doch habe Geduld, gib mir Zeit, ich beginne wieder zu scheinen, gib mir nur Zeit. Zuerst zaghaft, und irgendwann in voller Grösse...
...bis zum nächsten Leermond.

Amy
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Mo 1. Aug 2005, 20:21 - Beitrag #93

Der Spiegel


„Einsamkeit ist nur ein Wort.
So wie Liebe.“

Ihre Hände glitten zu dem Band, welches ihr schwarzes langes Haar gefangen hielt. Eine langsame Bewegung und sie waren frei. Wie dunkle Fluten, legten sie sich über ihre blassen Schultern. Ihre Fingerspitzen mit dem schwarzen Nagellack legten einige wirre Strähnen zu recht. Strichen über ihre Wangen und kämmten die Haare hinter das Ohr.

„Perfektion ist ein Ziel.
Ziele sind Träume.“

Farblose Lippen, versteckt hinter schwarzem Lippenstift, die sich zu einem mitleidigem Lächeln formen und sich öffnen, um süße Luft einzuatmen. Lungen mit Leben füllen. Worte auf der Zunge, die ausgesprochen wurden und in Gesang überging. Ein ehrliches Gebet jenen gewidmet, die nie wieder kommen sollten. Jene, denen sie sich verschrieben hatte. Seit ihrer Geburt gehörte ihre Seele nur ihnen. Eine Seele, geschunden wie ein vergewaltigtes Kind. Zerbrechlich wie feines Glas. Traurig wie eine weinende Witwe. Leblos wie totes Fleisch.

„Liebe ist auf einem Thron zu finden,
einem Thron aus Dornen.“

Ihre Augen eingerahmt von schwarzer Schminke. Ein schwarzer leichter Strich, der ihre Wangen hinabglitt. Tränen hatten sich ihren Weg gebahnt, rücksichtslos. An ihren langen Wimpern klebte die unsichtbare Flüssigkeit, die so süß nach Schmerz roch. Aus ihren Fenstern des Lebens blickten Wut und Trauer auf die Dritten herab. Verloren sich bei dem Blick in den Spiegel in sich selbst.

„Je heller der Traum,
desto dunkler die Realität.“

Ihre Hand griff nach dem kleinem Fläschchen vor dem Spiegel, welches mit einer zähen roten Flüssigkeit gefüllt war. Sie bohrte ihre Fingernägel in den kleinen Korken, riss ihn heraus, in einer Eile, als würde ihre Lebenszeit nur noch wenige Atemzüge andauern. Sie setzte es an ihre Lippen, schreckte von der Kälte des Glases zurück. Ließ das Blut in ihren Mund gleiten, spürte die pulsierende Wärme, wie es ihren Rachen hinabglitt. Eine Stimme in ihrem Ohr...
Ihre Hände zitterten, das Fläschchen schien zu schwer zu werden. Ihre Hand zu schwach. Sie schlug die Augen nieder, sie befreite das Glas aus ihrem Griff, erhob sich blind aus ihrem Stuhl. Klirrende Zerstörung. Sie stolperte zurück, verlor das Gleichgewicht.

„Weck mich nicht auf,
wenn ich nicht schlafe.“

Sie ging unter in einem Meer aus Eis. Keine Kraft. Ihre Lippen öffnete sich und stießen einen Schrei aus, der im selben Moment zu gefrieren schien. Die Kälte breitete sich immer weiter aus. Die Stimme in ihrem Ohr wurde lauter... Ihre Hände waren ohne Kraft, schafften es nicht, den Körper aus Fleisch über Wasser zu halten. Ein Kämpfen um das Leben. Die Kälte folgte dem Blut, füllte ihren Mund, ihre Lungen. Riss sie nieder. Das Licht über ihr wurde schwächer, die Kälte war allgegenwärtig. Ihre Finger versuchten, die Oberfläche zu erreichen, doch sie schien sich immer mehr zu entfernen. In den Lungen keine Luft mehr.

„Nimm meine Hand,
und lass uns fortfliegen von unserer Angst.“

Sie öffnete die Augen. Blickte in den Spiegel. Erkannte sich wieder. Riss die feine Spritze aus ihren Adern und warf sie in ihr eigenes irreales Gesicht. Scherben fielen zu Boden. Scherben zierten den Boden. Vermischten sich mit schweigenden Tränen.
Sie kehrte all dem den Rücken. Gehorchte der Stimme. Und kam nie wieder..

Amy
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Mo 8. Aug 2005, 21:38 - Beitrag #94

Mal wieder einer dieser Texte, bei denen ich einen Satz schreibe und dann einfach los drauf schreibe, als würde ich ein Gespräch führen, mit mir selbst..





Es ist, als würdest du deine Seele verlieren.
Als würde sie zu Wasser werden, welches nicht in deinen Händen bleiben will und immer den Weg von dir sucht. Egal, wie sehr du dich anstrengst, es findet immer einen Weg.
Jeder kleiner Ritz genügt, um der Freiheit in die Arme zu fallen.
Um darin zu versinken, wie die Menschen in ihrem Eitel.
Eitel, der sie zu Göttern machte, der ihnen Unsterblichkeit schenkte.
Wie eine strahlende Krone aus dem prächtigstem Gold in Zeiten des Krieges sitzt sie auf den Häuptern der Menschen und reißt sie fast nieder, so sehr erdrückt sie das Gewicht.
Doch nie würden sie sie freiwillig ablegen. Nie.
Die Augen der Menschen können Gefühle wiederspiegeln.
Sie können lieben. Sie können hassen. Sie können trauern.
Doch sie können keine klaren Worte aussprechen.
Lediglich wirres Gerede, Vermutungen.
Und es ist auch gut so.
Die Hände der Menschen können handeln.
Sie können Leid zufügen. Sie können retten.
Sie können Menschen töten.
Sie können Waffen halten, die Menschen töten.
Sie können unschuldiges Fleisch verderben.
Sie können Menschen retten.
Sie können Geräte aktivieren, die uns am Leben halten.
Sie können Leben in die Welt setzen.
Sinnlos. Leben in dieser verlorenen Welt? Sinnlos. So sinnlos.
Wir können, aber wollen wir?
Unsere Gedanken sind längst in Sünde gefallen.
Wir sehnen uns die Apokalypse herbei.
Ich sehne mir die Apokalypse herbei.
Wo mir doch bewusst ist, dass der Gott der Menschen sich abwenden wird von mir.
Denn seine Worte schenken mir keinen Glauben.
„Er liebt jeden Menschen.“
Auch jenen, der ihm den Krieg ansagt?
Auch jenen, der seine Gebote bricht?
Lächerlich. Niemand kann so viel Liebe verspüren.
Erst recht kein Gott, der Menschen in die Welt setzte, obwohl er wusste, welch Leid sie in der Welt anrichten würden.
Obwohl er es bereits damals in Eden sah.
Oh hätte er nur die Cherubim angefleht, die Menschen nicht nur zu verbannen.
Hätte er sie Michael anvertraut, der sie hinab begleitet hätte, zu dem Teufel.
Zu dem schönsten aller Erzengel, dessen Licht selbst jetzt noch so hell erstrahlt.
Er ist verdammt, weil er Gott nicht dienen wollte und wollte selber Herrscher sein, obwohl er ein Geschöpf war.
Er ist der einsame Engeldämon...

Amy
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Mi 10. Aug 2005, 10:21 - Beitrag #95

Ne durchgemachte Nacht und so etwas entsteht :rolleyes:



Das Jahr 2006

Wir sitzen dort,
wo sie uns abgestellt haben,
wie billige Ware.
Sind wir nicht mehr wert?
Haben wir keine Gefühle?
Deine Hand in meiner.
Deine Schulter an der meinen.
Deine Worte in meinem Ohr.
So still und ernst sie über deine Lippen kommen,
wirken sie so grausam auf mich.
Wie Nadelstiche in meinem Inneren,
die auf einem Meer dahintreiben und stets an die Wand stoßen,
sich darin verhaken.
Bitte, sag nichts mehr.
Erspare mir die Tränen, denn sie sind zu kostbar..
Die Luft riecht nach Rauch.
Und der Wind trägt ein Geräusch mit sich,
ein einziges Geräusch.
Ohne Hoffnung.
Dein Schluchzen.
Es ist sinnlos, sagst du und das erste Mal, kann ich dein Gesicht sehen,
ohne diese lästige menschliche Maske.
Das erste Mal weiß ich, wie du denkst und fühlst..
- Wir werden untergehen. Ohne sie.
Sind deine Worte wahr?
Werden wir wirklich untergehen?
Gibt es keinen Weg zu entrinnen?
Oh, bitte, sag, dass wir leben werden.
Sag mir Dinge, die nicht wahr sind.
Lüg mich an.
Erstelle mir eine Welt voll Lügen.
Eine Welt, die länger leben wird, als diese hier.
Doch deine Lippen haben von der Frucht gekostet
Und das Lügen ist dir versagt.
Ich will nicht hier bleiben.
An diesem fremden Ort, welcher so voll Schmerz ist.
Geh mit mir wohin, wo ich lächeln werde.
Bitte.
Erfülle mir diesen Wunsch.
Meinen Letzten.
Hand in Hand gehen wir die Straße hinauf,
vorbei an jenen, die vom Tod eingeholt wurden,
vorbei an jenen, die wie wir fliehen.
Obgleich wir alle wissen, dass es keinen Ausweg gibt.
Ist es Hoffnung? Ja.. ein bisschen.
Hand in Hand.
Herz an Herz.
Die Felder sind nicht mehr, sagst du und blickst nicht hinab.
Der Anblick der bloßen Erde würde dich zu Tränen rühren.
So wie die Menschen nicht mehr sein werden, kommt über deine Lippen.
Nur ganz leise, als wäre es nur für dich gewesen,
um dir den Schmerz zu nehmen.
Und weißt doch nicht, dass du den meinen damit vertieft hast..
Auf der Straße fließt Wasser den Berg hinab.
Ein dünner kleiner Bach, der auch Blut mit sich trägt.
Das Wasser ist vergiftet.
Können wir nicht Halt machen und etwas trinken?
Du siehst lediglich zu der roten zähen Flüssigkeit und gehst weiter.
Ziehst mich mit.
Kein Blick zurück.
Anders bist du geworden.
So viel anders, als damals..
Deine Hand lässt die meine nicht los,
als würdest du befürchten, ich könnte der Verführung nicht widerstehen.
Der Verführung des Todes.
Wie lange werden wir noch gehen?
- So lange, bis du wieder lächeln kannst..
Der Asphalt wird nach und nach zu unförmigen Gestein und tiefen Löchern.
Wie wünsche ich mir doch, mich in einem zu vergraben und alles zu verschlafen.
Und nie wieder aufzuwachen.
Keine Qual.
Doch keine Zeit lässt du mir.
Und dein Griff wird keineswegs kraftloser..
In der Luft liegt Lärm.
Scherben auf dem Boden.
Geschrei von den Menschen.
Füße, die flüchten.
Angst, die wächst.
Können wir ihnen nicht folgen?, frage ich dich und sehe ihnen nach.
Voll Sehnsucht.
- Nein. Denn wo sie sind, ist kein Lächeln auf deinen Lippen..
Tote Augen starren mich an, lebloses Fleisch liegt vor meinen Füßen.
Tränen regnen von dem Himmel.
Heiß sind sie. Heiß, wie der Zorn in jedem Herzen.
Zorn auf die Menschheit.
Wir lassen die Stadt hinter uns.
Unsere Schritte gehen dorthin,
wo all die anderen nicht sind.
Unsere Schritte gehen dorthin,
von wo sie alle kommen.
Ist es dort nicht gefährlich?
- Du stehst unter meinem Schutz. Mein Leben ist dein Schild..
Es ist nicht der Rauch in meinen Augen,
der das Wasser über die Wangen jagt.
Es ist die Liebe, die du mir gibst..
Rot ist der Horizont, ich kann es sehen.
Die Felder um uns brennen.
Es wirkt, als würden wir in die Hölle marschieren.
- .. mit erhobenem Haupt.
Unseren Weg bahnen wir uns stolz durch das Feuermeer.
Hin zum Tor des Waldes, welcher hell erleuchtet..
Und dann kann ich es sehen.
Das, was du jede einzelne Sekunde vor Augen hattest.
Hoffnung. Sicherheit.
Eine einzelne Bank.
Verfallen, wie die Welt es ist.
Weiß sie denn, was sie mir bedeutet?
- Nein, aber du weißt es.
Deine Hand lässt das erste Mal los.
Und ich lächle. Danke..
Nebeneinander sitzen wir auf der Bank und blicken zur wahrgewordenen Hölle.
Die Welt geht unter, nicht wahr?
- Ja. Denn es ist das sechste Jahr des neuen Jahrhunderts. Doch sie wird neu entstehen.
Mein Kopf auf deiner Schulter.
Ich bin froh, dass sie weg sind. Und nur noch du da bist.
- .. ich werde auch nie weg sein.
Deine letzten Worte, meine letzten Worte.
Zu stummen Wesen sind wir geworden.
Unsere Augen schließen sich, denn wir wollen nicht sehen.
Doch unsere Ohren hören das tiefe Surren des Fliegers.
Leb wohl, Leb wohl..





Der Weg


Wir treten den Weg an,
ohne Furcht in unseren Gesichtern,
doch wer will es sehen?
- Unsere Gesichter sind gesenkt

Unsere Hände halten einander,
mit all der Liebe, die wir haben.
Doch wie viel ist es?
- Zu wenig.

Unsere Münder sprechen Gebete zu Gott,
die uns Hoffnung schenken soll.
Doch zu welchen Gott beten wir?
- Wir wissen es nicht, es sind zu viele.

Unsere Augen verfolgen jeden Schritt unseres Nächsten,
lauern auf ihn, als wäre er unsere Beute.
Doch wer weiß, vielleicht ist er unsere Nahrung..
- Die Gier hat uns zerfressen.

Unsere Ohren lauschen jedem Ton, jedem Vers und jedem Wort,
selbst die Verbotenen, denn wir wissen nicht, was wahr ist.
Woher sollten wir es wissen?
- Uns wurde verboten, die Frucht vom Baum des Lebens zu essen.

Wir treten den Weg an,
ohne Furch in unseren Gesichtern,
doch wer will es sehen?
- Unsere Gesichter sind gesenkt.

In unseren Gedanken vergießen wir stille Tränen,
wann wird all das enden?
- „Gott wird über euch richten.“
- Wann?
- „Wenn Er es als richtig empfindet..“

Amy
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So 21. Aug 2005, 18:27 - Beitrag #96

Einer Familie gewidmet, die ich nicht kenne und nicht kennen lernen werde.
Einer Familie gewidmet, die die Stütze ihrer Gemeinschaft zu früh verloren hat.
Ich weiß nicht, ob die Kinder abends warten. Ich weiß nicht, wie sie ihr Haar abschnitt und ob es aus dem Grund war, weil er es liebte.
Ich sah dieses dunkle Haar nur unter grauen Himmel über den Blumen, während tote Tränen vom Himmel fielen...



In der heutigen Zeit ist es schwer zu leben.
Sehr schwer.
Doch die Jungen haben noch Hoffnung.
Sie beten, dass sie das Alter mit sich nimmt.
Kein Unfall.
Keine Krankheit... Krankheit.

Ihr Mann war 26. Ein geliebter Mensch. Ein schützender Vater zweier Kinder.
Ihr Mann war 26, als ihn der Tod abholte. Ihn langsam leiden ließ, all die Freude nahm. Der Krebs hat ihn zerstört...
Nachts sitzen die Kinder auf der untersten Treppenstufe.
Und wenn Stund' um Stund' vergeht, weicht all das Glänzen aus ihren Augen, wie das zögernde Erlischen einer Kerze, denn sie wissen: Er kommt heute nicht mehr.
Nein. Er wird nie wieder kommen. Nie wieder.
Auf und zu wird die Türe gehen. Leute werden kommen und gehen.
Doch was nützen ihnen die anderen, wenn jener, der sie liebte, nicht mehr kommen wird..?

Seine Frau saß vor dem Spiegel und kämmte ihr Haar. Langes schwarzes Haar.
Dass er so liebte.
Jede einzelne Strähne..
Und nun, wo sie dies Haar kämmte, überkam sie mehr als nur einfacher Schmerz.
Tränen. Stillschweigend aus ihren Augen, hinab über das zitternde Kinn.
Und der Kamm wurde beiseite gelegt.
Was nützte ihr ihr schönes langes Haar, wenn niemand mehr da war, der es liebte?
Was nützte ihr ihr schönes langes Haar, wenn es sie stets an ihren Mann erinnerte?
Sie griff nach einer Schere und schnitt es ab.
Weinend löste sie es ab und blickte verloren in den Spiegel.
Wieso konnte er sie nicht anlügen? Wieso musste er ihr die Wahrheit zeigen?
Ihre Einsamkeit..

Haar für Haar. Strähne für Strähne.
Und wie leichte Federn sanken sie nieder zu Boden.
Als hätte sie gerade ein Engel verloren...


Am nächsten Morgen fiel schwerer Regen zu Boden.
Die Himmelswesen schienen zusammen zu sitzen und zu weinen.
Zu beklagen, welch Leid die Menschen durchfühlen mussten und müssen.
Leute kamen und gingen. Der Friedhof war ruhig.
Die Menschen verkrochen sich in ihren Häusern, ruhten unter Decken.
Niemand wollte hinaus. Weswegen in den Regen treten, wenn man Trockenheit besitzt?
Wie hätten so auch alle sehen können, dass auf dem frischen Grab, ganz vorne, nicht nur Blumen um das Holzkreuz lagen.
Bunte lachende Blumen mit weinenden Bannern.
Darüber durchnässtes Haar.
Schwarzes Haar.
Für den Mann, der es so liebte.
Für den Mann, der nicht länger leben durfte..

Amy
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Mo 2. Jan 2006, 14:39 - Beitrag #97

~Geschenk der Finsternis~

Mein Leben, wenn man es so nennen konnte, war leer...
Nacht für Nacht wanderte ich durch die schlafende Stadt und suchte nach Opfern, die meiner würdig waren. Ihr Blut würde mir ewiges Leben und Schönheit bescheren, bis an das Ende der Menschheit. Und doch fühlte ich mich einsam.
Meinesgleichen lebt, jagt, leidet alleine, ohne Weggefährten. Sie gehen, verlassen von der Zweisamkeit, durch jede Ebene der Zeit und zweifeln keinen Augenblick.
Doch in mir keimt eine dunkle Saat, die jeden Schritt in dieser Welt in Frage stellen.
Ich bin anders, als mein Volk, meine Rasse. Wir alle sind des Teufels Kinder, seit er von Gott aufgrund seines Antlitzes, verstoßen wurde. Und doch bin ich anders.
Denn ich sehne mich nach einem Gefährten, der stets an meiner Seite weilt und die Kälte in mir erträglicher macht.

Wie eine Katze schlich ich durch das Stadtleben in der pulsierenden Nacht. Eine Katze, die lauerte, jeden und alles beobachtete und bereit war, schwarzes Leben zu erschaffen.
Ich tauchte in der Menschenmasse auf dem Hauptplatz ein und wurde wie sie. Rieb ihren Duft an meiner blassen Haut. Lediglich meine toten Augen hätten mich verraten können. Doch der Mensch ist ein durchschaubares Wesen. Vor allem der Mann. Kein einziger sah mir in die Augen, um die Ungleichartigkeit zu erkennen. Nein. Sie hingen an meinem Körper und starrten mich wie in Trance an.
Ich konnte den Schweiß auf ihrem Körper riechen, wenn sie meine langen Beine betrachteten, die mich in schwarzen Stiefeln vorwärts brachten und unter einem zu kurzen Rock verschwanden. Das Geräusch ihrer Zungen, die sich über gierige Lippen strichen, hörte ich bei jedem Schritt. In ihren Fantasien erkundeten sie den Bereich zwischen den abgöttischen Beinen. Und den darüber, verborgen hinter einem blutroten Korsett. Die moderne Frau trug solches Gewand lediglich beim Sex, doch für mich war es mehr. Wenn ich spüre, wie die Fäden immer enger gezogen werden und meine Lungen vor Luftmangel keuchen, denke ich an die Zeit zurück, in der auch ich noch das Herz in meiner Brust schlagen hören konnte..
Nun waren es die Männer, die bei meinem Anblick um Luft rangen.
Willige Opfer waren sie, dachte ich. Jeder einzelne von ihnen wäre mir blind gefolgt und hätte die Gefahr erst im Moment des Todes wahrgenommen. Doch solche wie sie warteten an jeder Ecke.
Und an diesem Abend war ich nicht zur Jagd hier. Nein, heute wollte ich Leben kreieren, dass dem meinen so gleich war...

Da hörte ich dich.
Hörte deine Gedanken, die an mein Ohr drangen und die mir so vertraut waren.
In deinem Kopf zerrtest du dein Leben vor das Jüngste Gericht, um es beenden zu lassen. Nichts, was du noch machtest, ergab einen Sinn. Alles in deinen Händen zerfiel zu Staub...
Und doch war es ein Gedanke, der mich letztendlich zu dir führte. Eine Eingebung, die meine Rasse betraf: „Ich wünschte, ein Vampir würde mir einfach das Leben aus den Adern saugen...“

Wie es üblich war, kam ich zu dem unpassendsten Moment.
Ich dachte, durch all deine wirren Gedanken, dich ohne Begleitung zu erwischen, doch das war falsch. Als ich den Hauptplatz verlassen hatte und in eine der vielen dunklen Seitengassen eingebogen war, hörte ich schon von weitem dein erregtes Gestöhne.
Warst du etwa doch, wie all die anderen Männer?, frage ich mich im Stillen und schritt die dunkle Gasse entlang. Vorbei an toten Ratten und Exkrementen.
Du warst so versunken in dem Höhepunkt der Erektion, dass du weder das harte Auftreten meiner Schuhe auf den Pflastersteinen hörtest, noch meine zierliche Gestalt, die in deiner Nähe halt machte.
Nur die Prostituierte, die vor deiner geöffneten Hose kniete und tat, wofür du ihr Geld gabst, bemerkte mich. Mit einem Mal war sie auf den Beinen und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Billig war sie, so billig, mein Liebster.
„Ähm.. sind Sie.. sind Sie seine Frau?“, stammelte sie, während sie bei meinen toten Augen erzitterte. Aufgeregt blickte sie zwischen ihrem Kunden und mir, der Fremden, hin- und her. Für einen Moment hing mein Blick nur an ihr, weil sie so jung und naiv war. Ein Mädchen, dass man Montag morgens nackt und tot aus tiefen Gewässern zog. Doch dann drang deine männliche Stimme an mein lauschendes Ohr.
„Was soll das?!“, riefst du aufgebracht. „Wer sind sie?“
Langsam und selbstbewusst ließ ich meinen Blick zu dir schweifen und sah dir zu, wie du dich wieder vollkommen anzogst. Oh, wie ich diesen Blick liebe! Diese Unwissenheit, diese Angst und Verwirrtheit in deinen braunen Augen.
„Ich bin die, die du suchtest. In stiller Zeit hast du nach meinesgleichen gefordert und hier bin ich.“ Konnte eine Stimme majestätischer klingen, als die meine? Napoleon hatte mich dafür geliebt, Zar Paul I. verehrt. Nicht umsonst nannten die Meinen mich den „blonden Todesengel“. Denn das Ende war nicht süßer als meine Gestalt.
„Was..? Ich versteh nicht, was Sie meinen... Könnten Sie sich nicht etwas besser ausdrücken?“, sagtest du mit einem gedämpften Unterton, der erneut auf Angst hinwies.
Und erst da erkanntest du mich...

„Lillian.“ Mein Name aus deinem atemlosen Mund hallte in der Dunkelheit wieder. „Lillian Le Fay... aber Sie sind...“
„Tot? Eine Muse? Das zeitlose Motiv eines Bildes?“, hauchte ich verführerisch und ein Lächeln wurde auf den geschminkten Lippen geboren.
Endlich, endlich hast du erkannt, wer vor dir stand.
„Aber das kann unmöglich sein... ich meine, die Bilder sind schon zwei Jahrhunderte alt... das... das können sie unmöglich überlebt haben...“
Wieder sehe ich den kleinen Jungen vor mir, dem ein Buch in die Hände fiel. Hunderte von Seiten voll mit Mythen aus der alten Zeit und Bildern. Bildern von mir, als ich noch fühlte.
„Überlebt habe ich es wirklich nicht.“ Meine Augen folgten der Nutte, die sich still und leise davonmachte. Du hingst so an meinen Lippen, dass du sie nicht bemerkt hattest. Auch ich machte mir keine Sorgen. Sollte sie ruhig erzählen, was sie erlebt hatte. Ich würde sie schon finden, egal, wo sie war...
„Mein Herz ist tot, Damien. Aber in mir giert etwas...“, wisperte ich und war dir nun so nah, dass ich dich berühren konnte. Was hast du empfunden, als meine Arme dich umschlangen? Fühltest du dich wie eine Ratte im Würgegriff der Schlange? Oder eher wie ein Mann in der Umarmung seiner Geliebten?
„Was... was giert da?“ Du konntest nur noch nuscheln, aber deine Worte waren mir klar. Wie amüsant, was alleine meine Berührungen mit dem Willen eines so starken Mannes machten. Hätte ich dir befohlen, dich zu erhängen – du hättest es getan.
„In mir giert“, fuhr ich fort, „die Sehnsucht nach einem Gefährten.“
Ein Feuer wurde in deinen Augen entfacht, dein Atem ging schneller. „Mich?“
„Ja. Du. Nur du. Mit mir zusammen. Bis ans Ende der Menschheit.“, lächelte ich. Langsam beugte ich mich vor und küsste deine Lippen. Knabberte leidenschaftlich daran und drang mit meinem Blick in dich ein. Ich betrank mich an deinen wirren Gedanken und unterdrückte ein Auflachen. Herrlich.
Nun war es so weit.
Meine Zunge leckte deinen Hals liebevoll und ein letztes Mal atmete ich diesen menschlichen Geruch ein. Der Drang zu töten wurde immer stärker in mir und ich kämpfte damit, die Oberhand zu behalten. Nein, heute wurde nicht getötet. Jedenfalls noch nicht.
Ich öffnete den Mund und spürte den kurzen Wiederstand deiner Haut, als meine Zähne versuchten, in dich einzudringen. Es war nur ein flüchtiger Moment, dann schien ein Faden zu reißen und ich spürte das rohe Fleisch unter der warmen Haut. Der Blutgeruch stieg mir schwer und bleiern in die Nase und in mir regte sich etwas: die Befriedigung des Blutdurstes.
Lange trank ich von deinem Blut. Doch ich hörte auf, als deine Beine die Last des Körpers nicht mehr tragen konnten und einknickten. Nun warst du es, der auf den Knien vor mir war. So wie die Hure vorhin.
Genießend leckte ich das Blut von meinen Lippen und betrachtete dich im fahlen Licht des Mondscheines. Wie schön das Spiel von Licht und Schatten auf deiner sterbenden Haut war.
Wenn ich der Tod bin, wärst du in diesem Moment ein Engel gewesen, der von der dunklen Mächten bezwungen worden war. So wunderschön... so wunderschön und hilflos. Doch ich wollte dich nicht sterben lassen, Gefährte. Mit der rechten Hand klopfte ich die Taschen meines Mantels ab, bis ich die zarten Konturen einer Rasierklinge spürte und herausholte.
Betrachtend hob ich sie hoch und lächelte. Sie funkelte im Licht wie ein Diamant.
In einer andächtigen Langsamkeit schnitt ich mit ihr über die zarte dünne Stelle bei meinen Handgelenken und spürte, wie das Blut sich seinen Weg auf den Boden bahnte.
„Hier. Trink es und du wirst nie wieder vom Leben enttäuscht werden, Liebster.“

Und so wurden wir vereint.
Ja, das unsichtbare Band zwischen uns wir ewig andauern,
so wie die abgöttische Liebe der Männer zu den Frauen...

Melianawe
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Sa 10. Jan 2009, 19:59 - Beitrag #98

Da es ewig her ist das hier einmal etwas verfasst wurde will ich den Thread wieder aus der Versenkung holen <3

Grund: Exakt so erlebt und nur niedergeschrieben.

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Ich zog meinen Mantel etwas enger um meine Schultern. Es ist verdammt kalt an diesem Dezembertag, so kurz nach Weihnachten und doch so kurz vor Silvester. Rechts von mir bauen sie Weihnachtsmärkte ab, es riecht nach Schmalzgebackenem und Lebkuchen an jeder Ecke. Die Straßen sind voll, doch ich bewege mich als wäre ich hier geboren, als würde ich nichts anderes kennen. Die Hände fest um meinen Kaffeebecher geschlossen betrachte ich meine Stadt, mein Hamburg welches ich jetzt für mein Studium erneut hinter mit lassen wollte. Es tut ein bisschen weh, aber ich weiß dass es auf mich wartet. Es wartet immer, ohne zu richten.

Rechts von mir ist dieses bekannte Kaufhaus, die Fenster weiß illuminiert gegen den immer dunkler werdenden Winterhimmel. Menschen brummen wie Bienen hinein und hinaus. Ich grinse in meinen Schal. Bin ich froh dass ich nichts umtauschen muss.

Der MP3-Player spielt Musik, leise. Klänge von Chopin. Ich will ja auch noch die Stadt hören, die Schifferklaviere und das Gedröhne aus den abscheulichen kleinen Modeboutiquen.

Plötzlich kommt mir eine Frau entgegen, die Kleider sichtlich teuer, Pelzbesatz und hohe Stiefel und natürlich dieses total modische Lila überall. An ihrer Hand ein kleines Mädchen, ganz in Bonbonrosa. Süß, denke ich und will weitergehen.

Da sehe ich wie die Frau ihrem Kind die Hand vor die Augen hält, den Blick der Kleinen nach rechts abschirmt. "Guck da nicht hin!", höre ich sie schnattern, und die Worte überklingen gar mein Fantasie Impromptu im Ohr. Ich drehe den Kopf und folge ihrem Blick, verblüfft, verwirrt und voller Neugier.

Und da sitzt er.

Er hat nur noch einen Arm, und der ist vor Kälte schon ganz blau. Sein Bart ist struppig, sein Haar licht und seine ganze Gestalt.... nun, er ist keine Schönheit, so viel steht fest. Doch als ich erkenne was die Frau dort impliziert hat erstarre ich mitten in meiner Bewegung (woraufhin ein dummer Junge in mich reinrennt und meint mich Beleidigen zu müssen) und starre ihr hinterher.

Als wäre dieser Mann... ein Monster. Etwas Böses. Etwas... Wertloses und Widerliches.

Ich steuere den Mülleimer neben ihm an, mit dem Ziel meinen leeren Becher zu entsorgen. Chopin hat schon lange aufgehört zu spielen, und ich kann seine leise Stimme hören. Wie er klagt, über die Kälte und die Ignoranz. Jeder, der vorbeigeht und ihn ansieht bekommt ein "Frohes Neues!", zugerufen, doch keiner antwortet.

Er sieht so elend aus. Ich fühle kein normales Mitgefühl, nur eine seltsame Scham für diese blinden und tauben Vollpfosten, die ihn ignorieren. Seine Stimme ist warm und kräftig, auch wenn er zittert.

Soll ich ihm Geld geben? Ich habe kaum welches. Ein letzter Euro und ein paar kleine Münzen lächeln mir unglücklich entgegen. Ah, nicht gerade genug dass es für ein gutes Abendessen genügen würde...

Da spricht er erneut. "Es ist so verdammt kalt!", murmelt er in seinen Bart und blickt sogar in meine Richtung, aber nicht auf mich. Er fixiert den alten Baum hinter dem ich lehne.

"So kalt. Kältester Winter." und dann, als ich mich schon fast zum gehen wende, sagt er "Mann, Kaffee wär' was..."

Ein Lächeln huscht über meine Züge. Ich nehme die Kopfhörer ab und knie vor ihm nieder, strahle ihn fast an.

"Schwarz oder mit Milch?"

Er sieht mich an, verwirrt. Überrascht.

"Kaffee? Eh, schwarz, mit Zucker."

"Sekunde!"

Ich laufe los. Diese Ein Euro und etwas, was nutzen sie mir. Nichts. Ich biege eine Ecke ab, steuere auf den McDonald's zu. Furchbarer Laden, aber Kaffee für meinen kleinen Geldbeutel. Ich bestelle einen. Zahle mit meinem letzten Geld und schnappe mir so viel Zucker wie in eine Hand passt. Dann gehe ich zurück.

Er sieht mich an als würde ich ihm ein Haus mitsamt Garten und allem schenken - dabei ist es nur Kaffee, billiger und langweiliger und vor allem heißer Kaffee. Ich drücke ihn ihm in die eine Hand, lege die Zuckertütchen davor.

"Ist nicht viel.", sage ich entschuldigend, doch er strahlt wie ein Kind und sagt tausend mal Danke. Ich hätte weinen können beim Anblick dieser Augen. In ihnen stand eine ganze Legende, zumindest schien es so, und vor allem - die ehrlichste Dankbarkeit die ich in meinem Leben bisher sehen durfte.

Ich drehe mich um, lächle und sage noch einmal schüchtern. "Naja. Verspätete frohe Weihnachten?"

Alle starren und mittlerweile an, ihn und den Kaffee und das Mädchen wie das ich noch immer aussehe. Er lacht wieder, so offen und herlich, und schreit "ein frohes neues Jahr! Und Gottes Segen!"

"Für dich auch.", murmle ich zu mir als ich gehe, und obwohl mit Gott Schnuppe ist wünsche ich diesem armen Kerl nur das beste. Ich kenne ihn nicht, nicht seinen Namen und nicht seine Geschichte. Aber ich kenne das Leid in seinem Blick, und ich kenne die Reinheit die ich dort gesehen habe.

Und ich weiß, er ist ein Mensch wie jeder andere.

Nein, vielleicht gar besser als viele die ich kenne.

janw
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Sa 10. Jan 2009, 23:11 - Beitrag #99

mirshann uriu ann'ish^^

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Di 2. Jun 2009, 17:11 - Beitrag #100

Ich will den Thread auch erneut zum Leben erwecken.
Also... mein Stil wird sehr von Metaphern dominiert, aber ich denke, das macht er wenn dann aus ;) Hier in dem Text habe ich es zu Beginn übertrieben, das weiß ich selbst. Aber ich konnte es nicht lassen.


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