Ein neuer Anfang

Gemeinsam Welten und Figuren erfinden - Fortsetzungsgeschichten zum Mitschreiben.
Lykurg
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So 26. Mär 2006, 17:59 - Beitrag #21

Sie hatten Esme an Händen und Füßen gebunden und in die Ratshalle geschleppt. Dort, im zuckenden Schein von Fackeln und des rätselhaften Feuers draußen fand eine kurze, hitzige Beratung statt. Da das Tosen der Flammen durch die Wände der Halle abgeschirmt wurde, konnte sie einen Teil der Verhandlung verfolgen. Die Dorfvorsteherin vertrat die Überzeugung, Esme allein sei für den Brand verantwortlich, und er könne nur dadurch beendet werden, daß man sie in die Flammen stoße. Andere Frauen sprachen für sie, das Feuer sei magisch, es müsse also Naim gewesen sein, der es gelegt habe und verschwunden sei. Er werde schon zurückkommen, wenn man sie dort hinführte und drohe, sie zu opfern. Sie kamen jedenfalls rasch überein, sie in die Nähe des Feuers bringen zu lassen, um keine Zeit zu verlieren, damit die Flammen sich nicht weiter ausbreiten könnten.

Die Schergen packten sie wieder und trugen sie hinaus auf den Markt, wo sich der größte Teil der Bevölkerung versammelt hatte. Sie standen völlig gebannt um das flammende Inferno herum und waren offenbar nicht imstande, irgendeine sinnvolle Initiative zu ergreifen. Die Flammensäule, das sah sie jetzt, stieg aus dem Tempel der Großen Mutter auf! Deshalb war die Ehrwürdige Priesterin bei der Verhandlung nicht anwesend! Ob sie versuchte, Löscharbeiten einzuleiten, oder selbst im Feuer... Sie wagte den Gedanken nicht zu vollenden. Die Ehrwürdige Priesterin war ihr herzlich unsympathisch, aber das Mitleid mit ihrer Tochter Sharie, mit der sie sich früher gut verstanden hatte, ließ sie hoffen, daß sie wohlbehalten wäre. Aber für sich selbst hatte sie nun nicht mehr viel Hoffnung. Die turmhohe, wirbelnde grüne Flammensäule drohte, umstehende Häuser zu erfassen, obwohl der Tempel etwas vereinzelt stand.

Sie wußte, daß ihr Mann nichts damit zu tun haben konnte. Er wäre gar nicht dazu imstande, schon weil er nie einem Menschen Schaden zufügen könnte, noch von seinen magischen Fähigkeiten her. Er hatte auch gar keine Möglichkeit, das Feuer zu beenden, geschweige denn die Karai zu beruhigen; und wenn es nicht von selbst erlosch, war sie verloren. Sie hoffte nur, daß er nicht umsonst sein Leben aufs Spiel setzen würde, denn die Menge um sie herum raste vor blinder Wut. Ihre Wächter mußten sie mehrfach vor Fausthieben schützen. Schreie wurden laut, man solle die Hexe einfach ins Feuer werfen, man werde schon sehen, was passiere.

Raiden/Yuji
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So 26. Mär 2006, 21:12 - Beitrag #22

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Khaldun wartete auf eine Antwort, aber bekam vorerst keine, da sie sich wieder auf das gschehen konzentrierten. Er spürte, dass in Naim eine kleine Veränderung vorging, Erschrecken und eine Menge anderer Gefühle, die er ausstrahlte.
Dann sah er die "Prozession" ebenfalls. Eine große Ansammlung von Dorfbewohnern hatte sich gebildet, zwischen ihnen eine Gasse. Es war wie eine Verurteilung und hatte etwas grausig Entgültiges. Der Zorn der Menschen war spürbar, Wachen hatten zutun sie im Zaum zu halten.
Eine Frau, deren Gesicht er angesichts des Rauches nicht gut erkennen konnte, wurde von zwei Männern aus einem größeren Gebäude herausgeführt und durch die Gasse zum Feuer hingezerrt. Sie schien wenig Widerstand zu leisten, was angesichts ihrer Lage wohl auch das beste war. Doch anscheinend wollte man sie opfern- oder auch Naim hervorlocken, um ihn zu bestrafen, denn so, wie er aussah, war diese Person eindeutig jene, die er im Dorf noch hatte und wegen der er zurückgekommen war.

Lykurg
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So 26. Mär 2006, 21:56 - Beitrag #23

Naim bemerkte, daß Khaldun ihn eingeholt hatte, und warum er so lange gebraucht hatte: Er hatte Sharie auf seinem Rücken hergetragen. Ob das eine gute Idee war... Sie hatten den Dorfrand erreicht, und nun sah auch er die geballte Masse der Dorfbewohner und - sein Herz setzte einen Schlag aus - Esme gefesselt in ihrer Mitte. Er sah zu Khaldun hinüber und sagte:
"Die Gefangene in der Mitte ist meine Frau Esme. Entweder wollen sie sie töten, oder es ist nur eine Falle, die sie mir gestellt haben. Kannst du mir irgendwie helfen, hast du eine Idee, wie wir sie befreien können?"

Er zögerte einen Moment.
"Sharie, ich habe eine schlimme Nachricht. Der Tempel der Großen Göttin brennt. Und - ich habe deine Mutter noch nicht gesehen."

"Ich glaube, wir müssen ins Dorfzentrum, trotz aller Gefahren, die uns dort drohen."

Illajha
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So 26. Mär 2006, 22:45 - Beitrag #24

"Das darf nicht wahr sein! Wie so etwas geschehen? Wo kommt das Feuer her?" Sharie blickte ungläubig zu dem grünen Licht. Das alles war unheimlicher als sie sich je hätte vorstellen können. Am liebsten hätte sie geweint, doch tief in sich wusste sie, dass es jetzt wichtigere Dinge gab. Sie musste wissen wo ihre Mutter war und ob es ihr gut ging!
Augenblicke, die ihr wie Stunden vorkamen, blickte sie zwischen Naim, dem Tiger und dem Licht hin und her.

Dann sah auch sie die Menschen im Dorfzentrum zusammen stehen, Sharie brauchte einen Moment um zu erkennen, dass die Männer eine Frau in Richung des Feuers brachten. Es dauerte nicht sehr lange bis sie erkannte, dass es Esme war. Diese Erkenntnis traf Sharie wie ein Schlag ins Gesicht. Das durft nicht sein, nicht nur das ihr Mutter verschwunden war, jetzt sollte auch noch ihre langjährige Vertraute geopfert werden.
Eine Angst die sie noch nie zuvor gespürt hatte stieg in Sharie auf, sie musste versuchen etwas zu tun damit ihr Dorf nicht noch weiter zerstört wurde und damit nicht noch mehr unschuldige Menschen verletzt oder getöten wurden.

"Gut," ihre Stimme zitterte noch etwas, aber sie bemühte sich ruhig zu sprechen, "Naim, wenn du meinst wir müssen ins Dorf hinein, dann gehen wir jetzt. Sie dürfen Esme nichts antun! Und ich muss wissen wo meine Mutter ist!" Sie atmete einmal tief durch und ging los in Richtung des Dorfes.

Raiden/Yuji
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Mo 27. Mär 2006, 01:07 - Beitrag #25

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Der Tiger überblickte scharf die Menge. Einige waren bewaffnet, es waren einige Krieger, sogar viele dabei. Doch etwas anderes verwirrte ihn mehr, traf ihn mehr als er geglaubt hatte- "Der Tempel der Großen Göttin brennt. Und - ich habe deine MUTTER noch nicht gesehen"- der Satz hallte immernoch nach in seinen Gedanken. Seine Bedeutung...er schluckte...ihre Mutter...es änderte einiges.

Er knurrte- wütend über sich selbst, dass ihn die Sache so anging. Damit konnte er nicht umgehen.
Ich lenke sie ab. Gegen das Feuer kann ich so gut wie nichts tun, aber es wird verlöschen. Versuch deine Frau zu erreichen,wenn der Weg frei ist und sucht nach ihrer Mutter. Solange werde ich sie schon beschäftigen können. Ich stoße zu euch.
Ohne auch nur einen Einwand abzuwarten stieß er sich elegant ab und rannte. Winzige Chancen für ihn ganz durchzukommen. Doch für den Moment sollte es reichen.
Er schoss wie ein oranger Pfeil aus dem Wald hervor auf die Lichtung, auf der die Siedlung erbaut worden war. Die Menschen bemerkten ihn nicht, da er sehr schnell war und sie zudem auf das Geschehen in der Mitte konzentriert waren. Wachposten gab es keine, sie waren ebenfalls versammelt.
Aus dem Dunkel zweier Häuser schoss er auf die Ansammlung zu und sprang über die Köpfe der Dörfler hinweg auf einen der Krieger, die Esme hielten. Sein Kopf flog- abgetrennt von schwungvollem Krallenhieb, hinter dem das gesamte Gewicht der Raubkatze gesteckt hatte- mitten in die Menge, in der sofort Panik entstand. Sie rannten teilweise, wichen zurück- Frauen schrien entsetzt und flohen. Günstige Gelegenheit für ihn. Der andere Scherge der Dorfältesten hatte ein Messer gezogen und sie so hart am Arm gepackt, dass sie schmerzhaft aufkeuchte. Angst stand auch in seinen Augen und damit hatte er verloren. Dem Tiger genügte ein unachtsamer Moment, um ihn von Esme zu trennen und unter seinen Krallen zu haben. Er schaltete ihn aus, ohne ihn allerdings zu töten. Hinter ihm kreischte die Dorfvorsteherin- zumindest dachte er, dass sie es war- die ersten Befehle und er konnte das Surren von Pfeilen hören, die auf sie zuflogen.
Esme hatte er nicht erst sagen müssen, dass sie fliehen sollte. Sie hatte schleunigt das Weite gesucht, eine Lücke in der Menge genutzt.
Vermutlich hielt man ihn jetzt ohnehin für den Falschen. Er sah, wie das grüne Feuer das Gebäude entgültig vernichtete und über den trockenen! Sand hinüber zum nächsten wanderte. Es tat ihm leid, aber verschaffte für sie trotzdem den Vorteil der Ablenkung.
Die beiden anderen mussten kurz nach ihm losgesprintet sein. Sharie würde niemand angreifen, jedoch Naim war ungeschützt, wenn man ihn entdeckte.
Khaldun sprang einen Mann an, der ihm im Wege stand,streifte ihn mit den Krallen und jagdte weiter. Hinter ihm war ein wildes Geschrei zu hören. Soziemlich alle Männer, die in der Lage waren zu kämpfen, waren hinter ihm her wie es schien. Er hoffte das würde den beiden die Ruhe verschaffen, die sie brauchten. Damit hatte er seine Schuld bei Naim beglichen.
E rannte, sprang über einen verkohlen Leichnam weiter auf den Wald zu. Sie hatten hier das Unterholz weitgehend entfernt, um Gegner besser sehen zu können. Pfeile schlugen links und rechts neben ihm ein, als er endlich den Waldrand erreichte und versuchte so gut wie möglich auszuweichen. Nur ein bisschen, weit genug, sie zu schützen.
Die Jagd ging weiter, hunderte Meter tief in den Wald hinein, bis vom Dorf nichts mehr zu hören oder zu sehen war. Viele verfolger waren auf der Streckte geblieben, Khaldun führte sie im Grunde auch nur in einem weiten Kreis um das Dorf, um sie zu beschäftigen, doch einige waren hartnäckig.

December
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Mo 27. Mär 2006, 08:59 - Beitrag #26

"Sanuye, Sanuye!" Reann kam an geflogen mit einem kleinen Holzkästchen in der Hand. Das Wasser unter ihm, wurde von den Windstoß seiner breiten Flügeln an die Ufer getrieben. Sanuye, die ihr kleines gebundenes Buch in der Hand hielt und das gegenüberliegende Ufer des Flusses abzeichnete, sah auf. Sie saß auf einen großen, dicken Ast, der sich vom Ufer aus bis zur Mitte des Flusses erstreckte. Ihre Füße berüherten leicht das Wasser und genossen das kühle Nass, an diesem warmen mittsommer Tag. "Sanuye, willst du mal sehen was ich gefangen habe?" Reann, war vor ihr stehen geblieben und wippte aufgeregt mit seinen leichten durchscheinenden Flügeln auf und ab. Sanuye, verstaute ihr Zeichenzeug sorgfälltig in ihre kleine Schultertasche, sie warf ihr schulterlanges schwarz gelocktes Haar zurück und lächelte ihm zu. "Ich habe lange dafür gebraucht, aber die Mühe hatte sich gelohnt." Reann war Sanuyes kleiner Bruder, der fast jeden Tag versuchte sie mit neuen "Erungenschaften" zu beeindrucken. Sanuye liebte diesen kleinen Wettstreit, den er führte. "Also was ist es?" Reann lächette ihr spitzbübisch zu, dann schob er den Deckel des kleinen Holzkästchen zurück. Sanuye war entzückt von dem Anblick, der sich ihr bot."Ist das etwa ein Wasserrennkäfer?" Ein großer dicklicher sehr unbeholfener aussehender Käfer in einer orangerot schimmernden Farbe, krappelte schwerfällig in der Holzkiste herum. "Wie schön und das in einer meiner lieblings Farben." "Was meinst du , hast du Lust auf einen Wettlauf, wer ihn als erster hat, darf heute Abend auch als erster von uns beiden einen Schluck von Mutters berühmten Euphorion-Trunk nehmen."
"Wenn du unbedingt verlieren willst." Reann baute sich vor ihr auf. "Das wollen wir ja erstmal sehen". Sanuye nahm den Käfer aus der Truhe und setzte ihn auf dem Wasser ab. Zuerst begann er sich zu schütteln, dann flitzte er mit einer geschwindigkeit, die man diesem Käfer auf den ersten Blick nicht zugetraut hätte, los. Sanuye und Reann breiteten ihre Flügel aus und und flogen ihm schnell hinterher, sie waren genau einen Katzensprung von ihm entfernt, versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen, indem sie den Wasserrennkäfer näher kamen. Ab und zu stellten sich Hindernisse in ihren Weg, wie lange Äste oder Brücken. Das eine Mal war es recht knapp, während Reann unter der Brücke durchflog, schlug Sanuye den Weg über der Brücke ein.
Doch leider war ihre Sicht auf jeweilige Passaten ziemlich schlecht, da diese Brücke überdacht war und sich über die Jahre hinweg eine Pflanze dort oben ausgebreitet hatte, die wie eine Gardine über das Brückengeländer hing. Als sie hindurchflog, wäre sie beinahe mit ihrer Nachbarin zusammengestoßen, die einen riesen Schreck erlitt und daraufhin sehr laut den beiden verspielten Geschwistern hinterher fluchte. Es war trotzallem einer der schönsten und glücklichsten Tage, die Sanuye erlebte. Und das nicht nur,weil sie den Wettlauf gewann, sondern sie völlig unbeschwert in den Tag hineinlebte.

Jedoch war dieser Tag vor 130 Jahren gewesen, es war lediglich ihre Erinnerung, ihre heile Welt, die sie sich schuf, um an ihrer Trauer nicht zu zerbrechen. Tagsüber wandelte sie durch den Wald, vermied Menschen oder andere Geschöpfe, die ihr einst so weh getan hatten auf der Suche nach überlebenden ihrer Art. Am Abend, wenn die Sonne untergegangen ist und sie sie nicht mehr versorgte, wird ihr die Dunkelheit und Einsamkeit wieder bewusst. Dieses Gefühl herrscht für Sanuye nur in der Realität, aber in ihrer Welt hat es keinen Platz. All die schlimmen Erinnerungen an die Fluchten und die Katastrohpe gab es für sie dort nicht. Es sind Schmerzen an diesen Erinnerungen geheftet, die sich Andere nicht einmal vorstellen können. 100 Jahre waren seit der Katastrophe vergangen, 100 Jahre war Sanuye im Eis gefangen, 100 Jahre sah sie in ein dunkles, kaltes Nichts, bis sich erste Sonnenstrahlen einen Weg durch die dunklen Wolken bahnten und auch Sanuye erreichten, ihr wieder Kraft gaben. Der Grund für all ihr Unglück war der Neid und der Wahnsinn anderer Rassen. Dumme Gerüchte, fragwürdige Beweise pflanzten einst die Völker in die Köpfe der Menschen, welche eifersüchtig auf das Leben der Eiliondor schauten. Und die Menschen, die blind für die Wahrheiten waren, denen Unglück wiederfahren waren, klammerten sich an diesen Lügen und eröffneten die Jagd. 20 Jahre flohe sie mit ihrer Familie vor den blutrünstigen Armeen und kämpfte für die Freiheit. Erst an einem geheimen Ort, unerreichbar für jene die den Kampf suchten, fanden Sanuye und ihre Artgenossen für 10 Jahre Zuflucht. Bis sich der grösste Magier in dieser Zeit, dazu berreit erklärte den Befehl eines irren Herrschers zu erfüllen. Und den Ort mit den Bewohnern in Dunkelheit und ewiges Eis hüllte. Die Zeit war lang und Sanuyes Art geriet in Vergessenheit.

Nun flog sie mit ihrem jüngeren Bruder, um die Wette an einem warem mittsommer Tag, obwohl es eigentlich tiefe Nacht war in einem alten dichten Wald und ihr Erscheinungsbild ebenfalls nicht der Realität entsprach.

Lykurg
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Mo 27. Mär 2006, 09:33 - Beitrag #27

Naim lief hinter Sharie her auf den Markt zu. Als er sah, wie Khaldun Esme befreite und das allgemeine Chaos im Dorf noch um eine Dimension steigerte, änderte er die Richtung und schlug einen Bogen, um Esme einzuholen. Es schauderte ihn. Khaldun hatte einen der Karai kaltblütig getötet, um sie abzulenken! Das unheimliche Gefühl, von diesem Mann fast nichts zu wissen, wurde noch stärker in ihm. Und nun verband sie eine Blutschuld. Er griff sich ein zu Boden gefallenes Tuch und legte es sich als Mantel über Kopf und Oberkörper. Es trug viele Fußabdrücke, aber er hoffte, daß es trotzdem neugierige Seitenblicke abhalten konnte. Und wer ihm ins Gesicht sah...

Esme hatte es tatsächlich geschafft, dem Gedränge zu entkommen und zwischen zwei Häusern durch in den äußeren Teil des Dorfes zu gelangen, in dem wenige Menschen waren. Wie ihre Befreiung vor sich gegangen war, konnte sie sich nicht erklären. Sie hatte den Aufschrei der Menge zuerst auf sich bezogen, gedacht, der Rat sei zu einem Urteil gekommen, da schoß von hinten ein orangefarbener Blitz auf sie zu und schlug ihren Bewacher nieder. Nur aus dem Augenwinkel und durch die zurückbleibende Witterung erkannte sie, daß es sich um eine große Raubkatze handeln mußte. Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie nutzte die Gelegenheit zur Flucht. Ihre Hände waren noch gefesselt, aber dafür würde sich eine Lösung finden. Sie war frei! Und Naim hatte sich offenbar nicht in Gefahr begeben müssen! Sie würden das Volk verlassen müssen, aber dazu war sie nach der Erfahrung dieser Nacht nur allzu gern bereit.

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Mo 27. Mär 2006, 12:05 - Beitrag #28

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Garu, der Falke, jagdte als erster hinter dem Tiger her. Seine Augen brannten vor Zorn, Wut und Schmerz, der ihm übermenschliche kraft gab, sodass sich selbst nach so langer Strecke der Abstand nicht vergrößert hatte. Er würde diesen Feind töten, der seinen Bruder niedergestreckt hatte. Er war nicht einmal Krieger gewesen, wie er, hatte nur zum falschen Zeitpunkt im Weg der Bestie gestanden, die ihn einkalt mit ihren Klauen zugerichtet hatte.

Er wusste nicht, dass Eirik noch lebte und nur leicht verletzt war. Er hatte das Blut gesehen, seinen Bruder, wie er leblos am Boden lag, hatte den Speer genommen und war gerannt.

Das tat er selbst jetzt noch, nach unzähligen Minuten, wo er die Schrammen und Kratzer, die das dornige Dickicht an ihm hinterließ, nicht mehr spürte, genausowenig wie seine Beine oder den metallischen Geschmack in seinem Mund und den Schmerz seiner zerberstenden Lunge.
Er sah , wie die Bestie vor ihm eine freie Fläche erreichte und zögerte keine Sekunde. Mit jeder Kraft, die er in seinem gepeinigten Körper mobilisieren konnte, schleuderte er den Speer. Im Mondlicht glitzterte die Spitze durchscheinend, wie ein silberner Pfeil. Sie und ein Teil des Schaftes waren aus dünnem Glas.


Khaldun hörte etwas, drehte ein Stück zur Seite und verhindere so eine tödliche Verletzung. Der Speer traf ihn trotzdem und riss ihn mit seinem Schwung zur Seite. Der lange Holzstab wurde davongeschleudert und landete Meter entfernt im Gras. Aber seine Spitze hatte sich an seinem unteren Rücken tief ins Fleisch gebohrt, war am Knochen abgebremst worden und hinter durch die Wucht abgebrochen, genau, wie es bei diesen hinterhältigen Waffen vorgesehen war. Er schrie vor Schmerz,aber gewann den Kampf gegen die Ohnmacht und richtete sich auf. Der Mann kam auf ihn zu,bereit ihn in den Tod zu schicken. Es war ein kräftiger Krieger, sein letzter Verfolger.
Doch er rechnete nicht mit der verbliebenen Kraft, die der Tiger noch aufbrachte. Ohne auf den Speer in seinem Körper zu achten, der durch die Bewegung in wetere Stücke zerbrach federte er sich ab und begrub den anderen unter sich.
Ein Messer zischte durch die Nachtluft und blieb zitternd im Baum stecken, während Die Raubkatze ihrem Gegner mit einem Biss die Kehle durchtrennte.

Khaldun spürte, wie seine Magie und Kraft mit dem dünnen Rinnsal Blut, dass aus seiner Wunde tropfte erlosch, aber er quälte sich weiter. Irgendwo da war das Dorf. Irgendwo da waren Naim und Sharie.

Illajha
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Mo 27. Mär 2006, 14:10 - Beitrag #29

Sharie lief so schnell sie konnte auf die Menschen auf dem Marktplatz zu, niemand schien sie zu bemerken. Die Frauen schrien immernoch in Panik, und die Männer folgten dem Tiger. So konnte Sharie sich unbemerkt unter die Menschen mischen, sie musste wissen was geschehen war und ihre Mutter finden. Der Tempel brannte noch immer und in dem Chaos das unter den Dörflern schienen keiner mehr ans löschen zu denken. Ich muss etwas tun, um den Tempel zu löschen brauche ich Hilfe! Sharie überlegte kurz, dann fasste sie einen Entschluß.

Sharie kletterte auf den Rand den Brunnens, der in der Mitte des Marktplatzes stand und erhob ihr Stimme. "Hört mir zu!" Ihr lauter Ruf ließ die Menschen des Dorfes erschrocken zusammen fahren, sie drehten sich langsam zu ihr um und sahen sie erstaunt an. "Sharie, warum bist du hier? Du solltest im Wald sein!" sprachen einige Dorfbewohner. Sie wussten alle das Sharie das Dorf verlassen hatte um ihrem Schicksal zu begegnen, wie es alle angehenden Priesterinnen zu tun hatten. Und jetzt stand sie hier im Dorf, die Ältesten wussten, dass sie in der Nacht des Schicksals nicht hätte zurückkommen dürfen.
"Wo ist meine Mutter, hat irgendjemand sie gesehen?" Sharie blickte fragend in die erschrockene Menge. Keiner Antortete, betretenes Schweigen machte sich breit. Erst jetzt fiel den meisten auf, dass die hoher Priesterin nicht unter ihnen war.
"Dann helft mir den Tempel zu löschen! Ist euch klar, dass sie vielleicht noch im Tempel ist? Warum musstet ihr denn erst jemanden suchen dem ihr verurteilen könnt ohne vorher den Schaden zu begrenzen? Wir müssen uns jetzt beeilen, vielleicht ist es möglich noch jemanden aus dem Tempel zu retten, es könnte sein, dass sich irgendwer bis jetzt vor den Flammen retten konnte! Also jetzt steht hier nicht einfach so rum, holt Eimer wir müssen löschen!!!"
Sharies harte und eindringliche Worte trafen alle Dörfler vor ihr auf dem Marktplatz standen. Und so schnell sie konnten holten sie Eimer und Kübel, bildeten eine Kette vom Brunnen zum Tempel und begannen das Feuer zu löschen.

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Mo 27. Mär 2006, 16:09 - Beitrag #30

Naim hetzte entlang der äußeren Dorfstraße in die Richtung, in die Esme verschwunden war. Aus dem Wald hörte er die Geräusche einer wilden Hetzjagd, vermutlich verfolgten sie Khaldun. Aber der würde sich schon zu helfen wissen. Plötzlich trat ihm Halad, der Schmied, in den Weg, ein muskelbepackter Schrank, vielleicht zwei Köpfe größer als er.
"Wer bist du? Bleib stehen!"
Naim roch den Rauch des Kohlenfeuers, der wie eine Wolke um ihn lag. Er schlug seine Kapuze etwas zurück und sah Halad fest in die Augen.
"..."
Du willst nach Hause. Schnell.
"Ja."
Naim lief weiter, und traf niemanden mehr, bis er die alte Linde an der Straße nach Osten erreichte. Hier war er damals, auf der Flucht vor seiner verlorenen Heimat, dem ersten Menschen begegnet, der ihn nicht abschätzig und mißtrauisch musterte... Und wirklich, dort unter der Linde saß Esme und erwartete ihn. Mit einem Schnitt seines Messers durchtrennte Naim den Strick um ihre Handgelenke. Dann umarmten sie sich stumm, überwältigt vor Glück.

Esme ergriff das Wort, mit fester Stimme sprach sie das Unabwendbare aus: "Liebling, wir müssen fort. Sie werden uns nicht mehr dulden."
"Ja, du hast Recht. Aber zuerst müssen wir Khaldun finden, der dich gerettet hat. Ich sah, daß sie ihn verfolgten. Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen."
Esme war etwas verunsichert: "Khal..dun? Was ist er? Ein zahmes Tier, das du im Wald gefunden hast?"
"Nein, er ist... ein alter Bekannter... jedenfalls dachte ich es." Er zögerte, selbst nicht sicher, was er denken sollte. "Ein Magier. Und ich fürchte, er könnte deine Hilfe brauchen. Wir sollten aufbrechen."

Sie liefen nun gemeinsam in die Richtung, aus der Naim die Verfolger gehört hatte. Es war still geworden, eine unheimliche Ruhe. Da fing ein Eichelhäher an, Alarm zu schlagen. Sie folgten seinem Ruf tiefer in den Wald hinein. Undeutlich bemerkte Naim den üblen Dunst von Blut. Anscheinend spürte auch Esme ihn, sie blieb plötzlich an einer kleinen Lichtung stehen und zeigte auf eine gelbblühende Pflanze.
"Das hier ist Odermennig, hilf mir, ihn zu ernten!"
Gemeinsam rissen sie ein reichliches Büschel davon aus, die Naim nahm. Da knackte es im Unterholz, und Khaldun trat auf die Lichtung. Er blutete aus einer Wunde in seiner Seite. Sofort kniete Esme neben ihm nieder und machte aus den Odermennig-Halmen einen Verband. Sie spürte, daß ein Teil der Waffe noch in der Wunde steckte.

"Khaldun, halt aus! Ich kenne diese Speere. Wir können die Spitze jetzt nicht herausziehen, sonst ist die Blutung kaum zu stillen. Ich muß schnell ein blutregenerierendes Heilkraut finden, und dann können wir es wagen."

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Mo 27. Mär 2006, 16:18 - Beitrag #31

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Die Krieger hatten sich im Wald zerstreut und suchten oder kehrten bereits zum Dorf zurück. Niemand hätte geahnt, dass der verletzte Tiger immernoch in der Nähe war, da sie von dem Vorfall nichts mitbekommen hatten. Und schließlich brannte das Dorf immernoch. Die ersten Ankömmlinge reihten sich in die Löschkette ein.
Wasser brachte herzlich wenig, aber etwas, das ihnen Hoffnung gab, da es die Trümmer des Tempels doch zu löschen schien. Niemand wusste, dass das Feuer sich seinen Weg zu anderen Gebäuden bahnte, denn es verbreitete sich nur als kleine Flamme.
Es war allerdings nicht mehr viel übrig von dem prachtvollen Gebäude, das ihr Heiligstes gewesen war. Wut breite sich aus. Jeder wurde schuldig gemacht, noch während sie in der Löschkette standen und halfen.
War es nicht vielleicht die Tochter der Priesterin selbst? Wie sollte sie es sonst gewusst haben? Warum war sie gekommen in der Nacht des Schicksals?
Schnell, wie es in solchen panischen Situationen üblich war, breitenen sich die Gerüchte aus und begannen zu Tatsachen zu werden.

Khaldun biss die Zähne zusammen. Er konnte sich kaum bewegen, da der Speer in seinem Rücken gesplittert war und jede Bewegung seiner Hinterläufe Schmerzen verursachte. Wie es aussah, was der Speer ganz in der Nähe der Wirbelsäule steckengeblieben und verteilte kontinuierlich Feuer vom Gehirn bis in die Pfoten.
Vorsichtig humpelte er weiter. Er durfte seine Tarnung nicht aufgeben. Nicht jetzt. Er kam auf eine Lichtung, erkannte Naim nicht einmal, schon war jemand neben ihm, den er zunächst drohend anfauchte.
Doch dann erkannte er die Frau wieder. Er vernahm ihre ruhige Stimme.
Sie machte ihm eine Art Verband aus Kräutern.
Seine Beine zitterten und er legte sich hin. Ungewohnte Bewegung, die die Splitter verschob und weiter in seinen Rücken bohrte. Er verlor fast das Bewusstsein, sein Kopf sank auf die Vorderpfoten und er versuchte wieder klarzuwerden.
Wir müssen sie erst da rausholen, wisperte er schließlich in die Gedanken der beiden. Ich habe ein ungutes Gefühl...

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Mo 27. Mär 2006, 17:18 - Beitrag #32

"Du gehst jetzt nirgendwohin!" sagte Esme resolut zu der Raubkatze. "Schatz, sei so gut und mach ein Feuer." Naim kniete sich hin, sammelte ein paar Rindenstücke, nahm etwas mit Salpeter eingeriebenes trockenes Moos, Feuerstein und Stahl aus seinem Beutel und schlug Funken auf den Zunder. Durch erst vorsichtiges, dann kräftigeres Anblasen nährte er eine kleine Flamme zu einem Feuer. Daneben errichtete er aus Zweigen einen kleinen Dreifuß, auf den Esme ihren kleinen tönernen Krug stellen konnte. Währenddessen hatte Esme mit ihren bloßen, längst gegen das Gift unempfindlichen Händen ein Bund Brennesseln ausgerissen, die sie in den Krug tat. Mit etwas Wasser aus Naims Flasche verdünnt stellte sie ihn auf das Feuer. Nach einigem Suchen fand sie sogar ein paar Pflänzchen Johanneskraut sowie etwas Zinnkraut, die sie zerdrückte, rieb und mit dem Sud nacheinander verrührte, so wie sie es von ihrer Großmutter gelernt hatte. Sie wechselte mehrfach die Drehrichtung, ließ das Gebräu kurz ziehen, um es dann wieder auf die Flamme zu stellen, hackte noch ein paar weitere Kräuter klein, die Naim nicht erkannte, und gab sie dazu. Ein kräftiger, herber Duft breitete sich aus, und silbriger Rauch stieg aus dem Krug in spiraligen Wirbeln aufwärts, die in der Höhe mehr verloschen als zerfaserten.

Sie ließ den fertigen Trank etwas abkühlen und flößte eine große Menge davon dem Tiger ein, der zusammengesunken neben ihr lag und winselte. Dann stellte sie die restliche Mischung wieder auf das Feuer, gab eine weitere, gepreßte Substanz dazu, die sie in einer Tasche ihres Gewands bei sich geführt hatte, und bereitete eine feste Paste daraus. Der Geruch änderte sich, wurde beißend und scharf. Die Paste nahm eine moosgrüne Farbe an. Naim bemerkte, daß Khalduns Wunde wieder stärker zu pochen begann, immer mehr Blut aus seiner Seite strömte. Auf Esmes Anweisung hin zog er sein steinernes Messer und hielt es kurz über das Feuer. Dann reichte er es Esme und sah Khaldun an.
"Es wird wehtun. Aber es muß sein. Bitte wehre dich nicht."

Während er ihm in die Augen blickte, spürte er, wie Khalduns Abwehrkraft gegen seinen Blick erlosch. Dann erschlaffte er. Naim packte Khalduns Pranken mit aller Kraft und arretierte den schweren Leib unter seinem Körper. Nun führte Esme sein Messer in die Wunde ein. Sie ertastete die Lage der Speerspitze, ohne die Wunde mehr als nötig zu erweitern. Sie bestrich ihre Hand dick mit der grünen Paste und zog die Splitter des Speers einen nach dem anderen aus der Wunde, ihre Hand immer aufs Neue einstreichend. Als sie die Wunde auf diese Weise von den Fremdkörpern gesäubert hatte, strich sie die restliche Salbe darauf und flocht ein frisches Netz aus Odermennig, das sie ihm um den Leib band.

Khalduns Lebensgeister erwachten wieder. Es begann mit einem Zucken der Ohren und der Schwanzspitze, dann lief ein Zittern über seinen Leib. Esme und Naim traten mehrere Schritte zurück, als er die Augen aufschlug.

"Es wird noch ein paar Tage dauern, bis du völlig wiederhergestellt bist, Khaldun", sagte Esme bestimmt. "Aber es hätte schlimmer sein können. Die Schmerzen werden bald vergehen. Ich habe dir jetzt kein Betäubungsmittel gemischt, ich glaube, du brauchst deine Kraft noch."

"Dann soll ich jetzt allein sehen, was aus Sharie geworden ist?", fragte Naim. Ohne auf eine Antwort zu warten, schlug er wieder den Mantel um sich, erhob sich und lief ein weiteres Mal zum Dorf zurück.

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Mo 27. Mär 2006, 18:54 - Beitrag #33

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Khaldun stand auf. Und sah in Esmes Augen. Er wusste nicht, ob er sich erst über ihre Bestimmtheit- oder vielleicht besser Dreisigkeit aufregen oder er ihr danken sollte. Mit einem inneren Schulterzucken entschied er sich für ersteres.
Danke für eure Hilfe, sagte er kurz, dafür aber ehrlich.
Momentan war ihm noch nicht so klar, was er von beiden halten sollte. Seine Wunde pochte noch, aber nichts im Vergleich zu den Schmerzen, die ihm die Splitter bereitet hatten. Er hatte es zugelassen, dass sie ihn versorgten, schließlich hätte er es vermutlich nicht allein geschafft.
Er roch Wasser, sie waren also wieder in der Nähe des Sees, an dem dieser wundersame Abend begonnen hatte..
Sei vorsichtig und gib Bescheid, solltest du uns brauchen...
Naim war längst im Dunkel verschwunden, aber er hatte ihn sicher noch erreicht. Magier konnten sich auch ohne sich zu sehen über riesige Entfernungen verständigen.

Khaldun warf noch einen Blick ins Dunkle und rückte dann ein Stückchen zum kleinen Feuer, wie es Katzen gern taten, um sich zu wärmen. Dann beschloss er sich die Wartezeit etwas zu verkürzen. Esme hatte ihrem Mann einen langen Blick hinterhergeworfen.
Der Magier fragte mit ruhiger Stimme:
Was willst du nun tun? Hast du eine Idee, wo du das Leben verbringen willst, außerhalb der Karai?

Lykurg
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Mo 27. Mär 2006, 19:54 - Beitrag #34

Esme schwieg eine Weile. Dann zog sie die Flöte aus ihrer Tasche, von der auch ihre Großmutter nicht mehr gewußt hatte, wer sie einst aus einem Schwanenknochen geschnitzt haben mochte, und spielte eine lange, traurige Weise. Ihre Melodie erzählte von den Wäldern und Auen, den Bächen und Seen ihrer Heimat, den Sagen ihres Volkes, von ihrem Glauben, ihrer Geschichte, von Einsamkeit und Schmerz. Aber in ihrer Weise klang immer wieder ein Motiv der Liebe an, das wärmte und tröstete, das den suchenden, schweifenden Klängen ein Ziel, ihrer Chromatik ein festes Gefüge gab, und mit dem das Stück eine in sich ruhende Vollkommenheit erhielt.

Als sie geendet hatte, schwieg sie wieder. Dann sagte sie: "Wohin wir auch gehen, Naim weiß den Weg. Und wenn wir dort sind, werden wir uns wieder etwas aufbauen. Ich habe das Land der Karai nie verlassen. Aber wir brauchen nicht viel, und wir lassen nicht viel zurück." Sie sann ihren Worten nach und nickte schließlich bekräftigend. Nach einer kurzen Pause fragte sie Khaldun: "Was hat einen wie dich in unsere Gegend geführt?"

Raiden/Yuji
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Mo 27. Mär 2006, 20:09 - Beitrag #35

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Khaldun kannte die Melodie, so wie er viele alte Lieder der Rassen kannte, doch sie berührte, da sie Klage und Hoffnung vereinete und wohl damit den Gefühlszustand der Frau wiedergab.
Er lächelte in sich hinein. Ihre Zuversicht und der Wille, sich trotz vollkommen neuer Bedingungen wieder etwas neues aufzubauen, war selten bei den Menschen geworden. Sie sahen oft alles sehr pessimistisch und waren kraftloser, als in früheren zeiten. Woran das wohl liegen möge?, sann er nach, doch besann sich wieder auf ihre Frage.

Ich bin überall, wohin ich komme, nur auf der Durchreise, hier hielt mich nur die Abgeschiedenheit länger als sonst. Doch damit ist es vorbei, also werde ich mir ein anderes Fleckchen suchen.
Er vermied es bewusst, mehr als eine flüchtige Antwort zu geben. Seit er aus dem Kristallpalast geflohen war, hatte er sich niemandem geöffnet. das würde so bleiben.
Seine Augen schweiften durch den Wald. Im Schein des Feuers sah man ihren rötlichen Glanz, der als einziges Detail abnormal wirkte. Doch das konnte er nicht ändern und es war auch nicht unbedingt schwer es zu verstecken, also kümmerte es ihn kaum. Er schwieg, vielleicht war es besser, wenn sie auf Naim und Sharie warteten.
In der Zeit überlegte er, wer hinter dem Angriff stecken konnte.

Illajha
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Mo 27. Mär 2006, 22:35 - Beitrag #36

Sharie schüttete Eimer für Eimer Wasser in das Feuer, dass an den Ruinen des Tempels fraß. Sie bekam nichts von dem Teiben um sie herum mit, ihr einziger Gedanke in diesem Moment galt ihrer Mutter und der Hoffnung, dass sie noch leben könnte.

Einer der helfenden Männer kam zu Sharie herüber und legte ihr die Hand auf die Schulter. "Lass es gut sein, das Feuer lässt sich nicht löschen. Es gibt keine HOffnung mehr." Sharie sah ihn nicht an, sie wollte nicht hören was der Mann, den sie zwar ansah aber nicht erkannte, zu ihr sagte. "Es muss noch Hoffnung geben!" Sie wollte sich abwenden und zum nächsten Eimer voll Wasser greifen, da griff sie der Mann hart am Arm und zog sie heftig vom Feuer weg. Sie wollte sich wehren in dem sie versuchte nach ihm zu schlagen und zu treten, doch es war sinnlos. Er brachte sie einige Meter von der Tempelruine weg. Ihr Blick haftete noch immer an den Flammen. "Sharie, es gibt keine Hoffnung mehr! Wir haben einen Leichnahm hinter dem Tempel gefunden....und es ist deine Mutter. Sie hat nicht überlebt!"
"Nein! Das kann nicht sein!" Ihr stiegen die Tränen in die Augen und sie brach weinen zusammen. "Wo kommt dieses Feuer denn bloß her?"
"Das würden wir auch gern wissen!" Die Dorfvorsteherin und die restlichen Dörfler bildeten einen engen Kreis um Sharie, alle sahen sie an, jedoch nicht mit dem MItgefühl, dass man erwartet hätte, wenn jemand grad seine Mutter verloren hatte. In den Augen der Menschen, flammten Hass und Verzweiflung.
Die Dorfvorsteherin erhob wieder das Wort,
"Warum bist du in dieser Nacht ins Dorf zu kommen? Du wusstest das es dir verboten ist! Wir sind uns sicher du weißt woher das Feuer kam, also erklär es uns! Außerdem sind wegen der Bestie, die du hier ins Dorf geführt zu haben scheinst mehrer Männer verletzt und getötet worden! Vielleicht sollten wir dich an Esmes Stelle in die Flammen werfen um die Große Mutter wieder milde zu stimmen! Schließlich hast du dich nicht an ihr Gebot gehalten und bist zurück gekommen!" Die Menschen die um Sharie herum standen nickten und begannen zustimmende Worte zu rufen. Sharie, sah sie alle verängstigt an, zu gern hätte sie ihnen alles erklärt und ihnen von den Vorgängen der Nacht erzählen. Aber die Dörfler ließen sie nicht zu Worte kommen. Zwei Männer traten zwischen den anderen hervor und packten Sharie an den Armen , zogen sie wieder auf die Beine. Sie wehrte sich aus leibes Kräften, aber es schien keinen Sinn zu haben. Die Männer schleiften sie immer weiter auf das Feuer zu.

Lykurg
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Mo 27. Mär 2006, 23:48 - Beitrag #37

Zum zweiten Mal in dieser Nacht erreichte Naim den Rand des Dorfes, aber diesmal konnte er nicht dort bleiben, sondern mußte direkt zur Mitte vorstoßen. Ein Teil der Bevölkerung war inzwischen wieder in ihre Hütten zurückgekehrt, auch, um die nutzlosen Eimer und Schüsseln wieder an ihre Plätze zu stellen, andere kamen von dort mit weiteren Gefäßen zurück, um sich an den zwecklosen Löscharbeiten zu beteiligen oder wenigstens die Nachbargebäude feucht zu halten. Die ganze Szenerie wirkte reichlich kopflos, und in diesem Chaos hatte er es relativ leicht, in aller Eile bis zum Markt vorzudringen, ohne besondere Aufmerksamkeit zu erregen. Eine Frau, die versehentlich mit ihm zusammenstieß, "überredete" sein Blick dazu, ihm ihren tönernen Wasserkrug zu überlassen, mit dem er seine Tarnung vervollkommnete. Man ließ ihn bis in die Nähe des Feuers kommen, wo er feststellen mußte, daß Khalduns böse Ahnungen recht behalten hatten. Er sah mit an, wie zwei der Männer die sich wehrende Sharie zum Feuer schleiften. Sie war tränenüberströmt, und auch der Umstand, daß die Karai jetzt nicht mehr eine Verfemte, sondern eine Priesterin opfern wollten, ließ ihn gewiß werden, daß die Ehrwürdige tot sein mußte.

Er hatte kaum Zeit. Er konnte hier in der Menschenmenge keinen offenen Kampf riskieren, es würde keine Möglichkeit geben, auf diese Weise mit Sharie hier heil herauszukommen. Er eilte zur Rückseite des weitgehend in sich zusammengebrochenen Tempels, wo er den Leichnam der Hohepriesterin fand. Er schauderte, als er das von einem gestürzten Balken entstellte Gesicht der Toten sah, aber er wußte keine andere Möglichkeit: Er nahm ihr das purpurrote Zeremonialgewand ab und warf es sich über. In das Pallium gehüllt kehrte er wieder auf den Markt. Dabei bemühte er sich, so dicht wie möglich am Tempel entlangzugehen, damit er den Dorfbewohnern im Gegenlicht erschien und es aussah, als ob er aus dem Feuer käme. Die Rechnung ging auf. Die ersten, die ihn sahen, schrien auf. Der Zug zum Feuer geriet ins Stocken. Er trat vor die Gruppe hin und rief mit hoher, vom Rauch gebeizter Stimme: "Gebt sie frei!"

Es war gut, daß er im allgemeinen Lärm nicht besonders weit zu hören war, denn die Imitation der Stimme der Ehrwürdigen Priesterin mißlang ihm völlig. Entscheidend war aber, daß die Menge stehenblieb. Der eine der beiden Männer, die Sharie festhielten, blickte Naim direkt ins Gesicht, der zurückstarrte. Er ließ die junge Priesterin los, als hätte ihn ein Tiger gebissen, und rief laut: "Sie lebt!" Sharie selbst blickte ihn durch ihren Tränenschleier verständnislos-entsetzt an. Hoffentlich behielt sie die Fassung... Da andere in den Ruf einstimmten, ließ auch der andere Scherge Sharie los, sie taumelte Naim entgegen, der sie in die Arme schloß und das Gesicht so wandte, daß es hinter ihrem Haar verborgen blieb. Und tatsächlich: Sie mußte ihn erkannt haben, aber blieb ruhig. "Gehen wir!", flüsterte er.

Illajha
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Di 28. Mär 2006, 11:49 - Beitrag #38

Sharie war überrascht, bis vor wenigen Minuten dachte sie, dass ihr Leben nicht mehr lange dauern würde. Dann war dieser Mensch aufgetaucht, im Mantel der Hohen Priesterin, erst dachte sie, dass wirklich einen Moment lang das ihr Mutter dort steht. Doch als sie zu der Person herüber ging, und diese sie in den Arm nahm und Sharie ihr ins Gesicht sah erkannte sie, dass es nicht ihr Mutter war bei der sie stand. Es war Naim bei dem sie stand.

Die beiden wandten sich von den Menschen weg und gingen langsam zur anderen Seite Tempels. Keiner der Dörfler schien ihnen zu folgen. Dort sah Sharie ihr tote Mutter am Boden liegen. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie entfernte sich von Naim und ging zu ihrer Mutter hinüber. Sie wusste zwar, dass sie nicht viel Zeit hatten, aber sie kniete trotzdem neben dem Leichnam nieder und sprach ein kurzes Gebet, dafür das ihre Mutter einen guten Platz an der Seite der Großen Mutter bekommen sollte. Sharie wischte sie die Tränen aus den Augen, stand auf und ging zurück zu Naim der in mit einigem Abstand stehen geblieben war.
"Sie werden uns sicher bald hierher folgen um zu sehen ob sie wirlich lebt. Ich glaube wir sollten uns beeilen. Geht es Esme gut?"

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Di 28. Mär 2006, 17:05 - Beitrag #39

Sie schlenderten in nicht übertriebener Hast zum Dorfausgang, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Leise antwortete er:
"Ich denke, ja. Khaldun hatte es ziemlich erwischt, aber der dürfte sich inzwischen einigermaßen erholt haben. Esme hat ein paar von ihren Hausmitteln an ihm ausprobiert. Funktionieren offenbar auch an Katzen."
Er lächelte, und Sharie fand das einen guten Anlaß zur Frage:
"Was ist er eigentlich für ein Geschöpf?"
Naims Gesicht wurde wieder ernst. "Nicht hier und nicht jetzt. Vielleicht sagt er es dir selbst. Wenn nicht, wird er seine Gründe haben. Wie wir alle."

Eine Karai-Frau sprach sie von der Seite an: "Wie geht es dir, o Ehrwürdige?", und Naim sammelte schon wieder seine ermüdeten Kräfte für einen weiteren Blick, als Sharie geistesgegenwärtig entgegnete: "Gar nicht gut. Ich bringe sie zur weißen Quelle, damit sie sich ausruhen kann. Sie muß sich schonen."

Sie folgten ohne weitere Störung dem Weg zur Quelle, wichen dann aber in den dichten Wald ab, bis sie die Lichtung erreichten, auf der Khaldun und Esme sie erwarteten. Naim legte das Pallium ab und überreichte es Sharie. "Es gebührt dir, egal, wohin du nun gehst. Dein Schicksal mag noch nicht gesprochen haben, aber es hat gehandelt."

Illajha
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Di 28. Mär 2006, 21:07 - Beitrag #40

"Ja, so wird es wohl sein." Sharie blickte auf das Pallium in ihren Händen, sorgsam legte sie es zusammen und legte es auf einer großen Wurzel neben ihr ab.
"Esma, wie geht es dir?" sie ging auf Esme zu und schloß ihr alte Vertraute in die Arme. Esme nickte ihr zu, und gab ihr so zu verstehen das ihr nichts fehlte. Dann fiel Sharies Blick fiel auf Khaldun, der am Ufer des Sees lag. Langsam ging sie auf ihn zu und strich ihm vorsichtig über das Fell.
"Danke, dass du uns geholfen hast. Wie fühlst du dich?"

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