Wahrheit und Wahrscheinlichkeit

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Padreic
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Mo 1. Nov 2004, 13:35 - Beitrag #21

@Ipsissimus
An welcher Stelle habe ich behauptet, daß dieser Satz wahr sei, Patreic? Ich weise diesem Satz lediglich eine (wesentlich) höhere Wahrscheinlichkeit zu als ich sie der möglichkeit einer definitiven "Wahrheit" zuweise.

Ich wiederhole mich nur ungern, aber ich habe nicht behauptet, dass du den Ausgangssatz als wahr betrachtest, sondern, dass du ihn als wahrscheinlich betrachtest und es somit als wahr betrachtest, dass er wahrscheinlich ist bzw. du ihn als wahrscheinlich betrachtest..

Unsere Begriffe von Wahrheit differieren wohl in der Bedingung der Beweisbarkeit. Diesen Wahrheitsbegriff würde ich nur auf von uns selbst (möglicherweise auf Basis unserer Wahrnehmung) konstruierten Welten anwenden, wie es beispielsweise die intuitionistische Mathematik tut, die dann eben logischerweise das Gesetz des ausgeschlossenen Dritten nicht für universell gültig hält. Ich sehe allerdings Wahrheit als einen objektiven und nicht vom Subjekt abhängigen Verhalt.
Genauso beim Beispiel der Aussage über die über dem Bett schwebenden Engel, wie du es ja auch schon sagte. Ich würde übrigens für ein Entscheidungsverfahren nicht voraussetzen, dass es von jedem anderen nachvollziehbar ist; es muss ausschließlich für dich allein gültig sein.
Man kann, wenn man's streng nimmt, über so ziemlich gar nichts sprechen, setzt man ein strenges intersubjektives Entscheidungsverfahren für eine Aussage als verbindlich voraus, um darüber ein Gespräch zu führen. Solipsistisch betrachtet, könnte man über keine Außenwelt ein Gespräch führen (mit wem auch...). Oder auch ohne dem Solipsismus anzuhängen, fällt es schon schwer, ein Gespräch darüber zu führen, ob morgen die Sonne aufgeht, denn man kann, betrachtet man bloß die Tatsachen, die Aussage weder Beweisen noch widerlegen.

Wenn du die Ontologie heranziehst, wird der Wahrheitsbegriff noch geisterhafter. Zunächst mal: trotz deiner Verneinung ist das, was wir als "die Realität" auffassen, eine Bewußtseinskonvention. Der Schreibtisch IST gemäß dem derzeitigen Stand der Physik ein Tanz von Elementarteilchen über dem Nichts; aufgrund der Spezifizität unseres Sensoriums und der Reizverarbeitung im Gehirn können wir ohne Hilfsmittel aber lediglich diese besondere Erscheinungsform davon zu einer konsistenten Wahrnehmung integrieren. Unsere Wahrnehmung beschäftig uns also nicht mit den Dingen, sondern sie beschäftigt uns mit sich selbst. Der Rest ist ein Abgleich, den wir in früher Kindheit lernen, eine Prägung, der wir unterliegen. Im Rahmen dieser Prägung lernen wir, Doppeldeutigkeiten zu vermeiden.

Frei nach Kant meine ich mit der Realität das 'an sich'. 'Schreibtisch' ist etwas, was es in der Realität nicht gibt. Aber in unserer Welt ist der Schreibtisch Wirklichkeit.
Dass sich unsere Wahrnehmung nicht mit den Dingen, sondern bloß mit uns selbst beschäftigt, würde ich aber verneinen. Unsere Wahrnehmung ist ein Apparat, der sich auf die ihm eigene Weise auf die objektive Realität bezieht und die subjektiviert, d.h. ins Bewusstsein bringt. Dieses Resultat mag mit der Realität nicht mehr viel zu tun haben, trotzdem hängt es von ihr ab.

@e-noon
Es ging in meiner Aussage, wie du schon richtig bemerkt hast, nicht um den Aufweis, dass etwas bestimmtes real ist, sondern dass überhaupt etwas real ist.

Padreic

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Mo 1. Nov 2004, 16:48 - Beitrag #22

... aber ich habe nicht behauptet, dass du den Ausgangssatz als wahr betrachtest, sondern, dass du ihn als wahrscheinlich betrachtest und es somit als wahr betrachtest, dass er wahrscheinlich ist bzw. du ihn als wahrscheinlich betrachtest.


sorry, hatte ich falsch gelesen.

Ich denke aber, daß das unentscheidbar bleibt, oder - worauf du selbst schon hingewiesen hast - in eine unendliche Rekursion führt, die aus Praktikabilitätsgründen recht schnell abgebrochen wird. Auf stringend klassisch-logische Weise ist deine Betrachtung nicht zu widerlegen; aber vieles, was in Menschen vorgeht, kümmert sich recht wenig um klassische Logik :-) Für mich ist "Wahrheit" in der Tat ein rein philosophisches Konstrukt, das in unendlich vielen subjektiven Ausprägungen modelliert wird. Als Indiz hierfür benenne ich das Zeugen-Problem in der Rechtsprechung.

Hinsichtlich des Entscheidungsverfahrens würde ich schon meinen, daß der Erfolg eines Versuchs, intersubjektive Wahrheit zu etablieren, davon abhängt, daß die beteiligten Menschen sich auf ein Verfahren verständigen können, für das sie auch alle auf einigermaßen vergleichbarem Niveau kompetent sind.

... Aber in unserer Welt ist der Schreibtisch Wirklichkeit.


ich würde das für eine Umschreibung meiner Behauptung halten, daß Wahrnehmung eine Bewußtseinskonventionen beruht. Als Indiz führe ich weiterhin die geänderte Wahrnehmung unter Einfluss von hohem Fieber oder Drogen an. Dabei wird unser Reizverarbeitungsapparat so verändert, daß ein und dieselbe "reale aber unerreichbare Wirklichkeit" zu unterschiedlicher Wahrnehmung führt. Das wiederum heißt, daß die reale Wirklichkeit - so sie denn existierte - nicht viel mit dem zu tun hat, was unser Bewußtsein daraus macht

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