Die Grenze zwischen Egoismus und Altruismus?

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Maurice
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Do 24. Feb 2005, 17:18 - Beitrag #1

Die Grenze zwischen Egoismus und Altruismus?

Eigentlich wollte ich hier einen Text aus einem Schulbuch posten, aber als ich das Buch aus dem Ranzen ziehen wollte, fiel mir auf, dass ich es ja der Leherin zurückgegeben hatte. -.-*

In der einen 10er-Klasse Ethik ist ging es um "Egoismus und Altruismus" und ich habe sie diesen einen Text aus dem Buch zu lesen gegeben, um an ihm auch den Unterschied von beiden Begriffen zu erarbeiten. Ich versuche ihn aber zu referieren: Marco hat Aids aber bisher weiß es keiner aus seinem Umfeld, auch nicht Inga für die er sich interessiert. Als er sich mit ein paar anderen Typen darüber unterhält rät ihm der erste Inga einfach nichts zu sagen und sich an sie ranzumachen. Da er e ein Kondom benutzen würde, würde er Inga nicht anstecken und was sie nicht weiß. Diesen Vorschlag kritisiert der zweite aber als völlig unmoralisch und schlägt Marco vor, Inga alles zu erzählen, weil sie sich über das Vertrauen freuen würde und er somit bessere Chancen bei ihr. Der dritte in der Runde bezeichnet diesen Vorschlag aber als genauso Egoistisch wie den ersten und der zweite wäre einfach nur raffinierter.

Imo ist klar, dass der dritte Typ recht hat, weil es bei beiden Taktiken nur darum geht, eine Strategie für Marco zu entwickeln, mit der er Inga möglichst sicher landen kann. Sowohl der erste als auch der zweite Typ vertreten einen ethischen Egoismus.
Die Schüler Egoismus und Altrusimus definieren, was ihnen imo dann auch mit der Formel "Egoismus = Handeln zum eigenen Nutzen, Altruismus= Handeln zum Nutzen des anderen" auch gelungen ist. Das Problem war nur, dass eine Schülerin am Ende den (imo berechtigten) Einwand brachte, dass man mit jeder Handlung versuche auch seinen eigenen Nutzen zu vermehren, also z.B. anderen Menschen hilft, weil das einen glücklich macht.

Ich weiß, dass wir das Thema so ähnlich schon mehrmals hatten, aber die Frage an euch ist, wie ihr die beiden Begriffe möglichst schülergerecht definieren würdet und dabei das aufgeworfene Problem löst.

PS: Als Hausaufgabe sollten die Schüler den Text aus dem Buch weiterschreiben und durch die dritte Person in der Story einen altruistischen Standpunkt darstellen. Wer will kann das hier auch sowas posten. ;)

aleanjre
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Do 24. Feb 2005, 17:23 - Beitrag #2

Hm - wie soll denn hier ein altruistischer Standpunkt möglich sein?

Marco hat Interesse an Inga.
Sie weiß nichts davon.
Er hat Aids.
Sie weiß nichts davon.

Wie soll er etwas für sie tun, was ihr nutzt, ihm selbst aber nicht, außer sich von ihr fernzuhalten und sie so gar nicht in die Verlegenheit zu bringen, eine Beziehung zu einem tödlich kranken Menschen aufzubauen?

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 24. Feb 2005, 17:27 - Beitrag #3

es gibt noch die weitere Komplikation, daß auch extrem egoistisches Handeln zum Nutzen für viele oder aller führen kann. Ein Arzt, der sich rücksichtslos die Karriereleiter hochboxt, aber wirklich gut ist und ein desolates Krankenhaus wieder zu einer Klasseheilstätte macht, wäre dafür ein Beispiel

weiteres aber erst heute abend :-)


... außerdem glaube ich immer noch nicht, daß Aids das ist, als was es Schulmedizin darstellt :-)

Maurice
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Do 24. Feb 2005, 17:49 - Beitrag #4

@Alea: Ob sie nicht weß, dass er was von ihr will, habe ich jetzt leider nicht mehr im Kopf. Ich versuche morgen dran zu denken, von der Lehrerin das Buch übers Wochenende zu bekommen, dann poste ich den ganzen Text hier nochmal. ^^*

Maurice
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Do 24. Feb 2005, 19:09 - Beitrag #5

Differenzierung

Nach etwas Überlegung bin ich zu dem Schluß gekommen, dass es doch sinnvoller ist, lieber nicht all zu alte Threads aufzuwärmen, statt neue zu starten. Ich plädiere dafür die Definitionsfrage von "Egoismus" und "Altruismus" in meinem Thread "Die Verwerfung der Begriffe "Egoismus" und "Altruismus"" weiterzuführen und uns hier nur mit dem Gedankenexperiment aus dem Buch beschäftigen. Der vollständige Text folgt hoffentlich am Wochenende.
Den alten Thread findet ihr hier -> http://www.the-web-matrix.de/showthread.php?t=15005&page=1&pp=20

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Fr 25. Feb 2005, 01:03 - Beitrag #6

Ich komme noch mal auf das Eingangsbeispiel zurück.
Reiner Egoismus würde sich m. E. darin ausdrücken, völlig ohne Schutz mit einer ahnungslosen Person Sex zu haben.
Natürlich könnte man dem Mann, der seiner zukünftigen Partnerin von seiner HIV-Infektion erzählt, unterstellen, er hege eine Art Egoismus durch die Hintertür, aber da er der Frau die Entscheidung überlässt, respektiert er ihre eigenständige Persönlichkeit. Das ist ein Akt der Selbst-losigkeit, und damit durchaus altruistisch.

Altruismus wird in der Psychologie (um mal einen weiteren Aspekt zu beleuchten) als eine Einstellung gegenüber Mitmenschen bezeichnet, die durch Selbstlosigkeit und Hilfsbereitschaft ausgezeichtnet ist.

Beide Begriffe kennzeichnen zwei extreme Pole im persönlichen Bezug zu Mitmenschen, beide Einstellungen sind wohl in Reinform nicht lebbar.

Ein reiner Egoist wäre ein Soziopath, ein reiner Altruist liefe Gefahr, sich für andere aufzureiben.

aleanjre
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Fr 25. Feb 2005, 22:29 - Beitrag #7

Hm, als altruistisch würde ich es trotzdem nicht empfinden, auch wenn er ihr auf diese Weise die Möglichkeit gibt, selbst zu entscheiden. Es wäre auf jedenfall sowohl die anständigste als auch die gewinnversprechenste Methode - denn auf Dauer könnte er seine Erkrankung nicht verheimlichen.

OT:
Ipsi, mich zerreisst die Neugier zu erfahren, was für eine These du bezüglich Aids hast. :)

Maurice
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Sa 26. Feb 2005, 14:16 - Beitrag #8

Leider habe ich am Freitag das Buch nicht mehr bekommen können, weshalb ich den Text auch erst nächste Woche posten kann. Sorry. :(

Ich hoffe, dass die Leser hier den Link geklickt haben, aber ich poste sicherheitshalber hier nochmal meine Definition von Egoismus und Altruismus, aus denen dann auch mein Urteil resultiert:
Als "Selbstzweck" seien die Interessen bezeichnet, deren Erfüllung das Glück direkt erfüllen.
Als "Mittel zum Zweck" seien die Interessen bezeichnet, deren Erfüllung die Erfüllung eines oder mehreren anderen Interessen begünstigen.
Interessen können daher sowohl Selbstzweck als auch Mittel zum Zweck gleichzeitig sein.
Als "altruistisch" seien die Handlungen bezeichnet, die zum einen das Glück einer anderen Person vergrößern sollen und zum anderen Selbstzweck sind.
Als "egoistisch" seien die Handlungen bezeichnet, die entweder nur das eigene Glück vergrößern sollen oder bei denen die Vergrößerung des Glücks einer anderen Person Mittel zum Zweck ist.

Daraus folgt eindeutig, dass der Rat der zweiten Person ein egoistischer Standpunkt war, weil diese vorgeschlagene Methode nur die Absicht hatte, das Glück von Marco zu vergrößern und die Offenheit gegenüber Inga nur Mittel zum Zweck war um dies zu erreichen.
Auf die Frage nach einem altruistischem Standpunkt in diesem Gedankenexperiment wäre meine Angtwort, dass Marco die Glücksmaximierung Ingas als Selbstzweck sehen müsste, was praktisch hieße sie nicht in Gefahr bringen zu wollen. Ob er sie nun anlügt oder ehrlich zu ihr ist, um an sie ranzukommen macht die Handlung nicht weniger egoistisch, da die Ehrlichkeit im zweiten Fall nur Mittel zum Zweck wäre.

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Sa 26. Feb 2005, 15:30 - Beitrag #9

Reiner Altruismus ist für mich eine Handlung, die instinktiv und unreflektiert ist und nur dem Wohl des Anderen gilt. Das Nachdenken über eine Handlung führt sofort zur Begründungssuche und damit wird sie egoistischer. Um ein Beispiel zu geben: Jemand sieht einen Autounfall und rennt impulsiv, ohne über seine eigene Gefährdung nachzudenken, zum Unfallort, um zu helfen und zu retten. Die Grenze zum Egoismus liegt beim eigenen Suchen von moralischen Begründungen, bevor man zum Wohle Anderer handelt. Das Letztere macht einen zum Moralisten und diese handeln eher aus ihrem anerzogenen schlechten Gewissen heraus, als aus reinem Altruismus. Natürlich gibt es in der Realität viel mehr Mischfälle, als Fälle, in denen jemand wirklich nur Altruist oder Egoist ist.

Im Bezug auf das erwähnte Beispiel mit dem AIDS-Kranken, kann ich nur Aleanjre zustimmen, denn wie soll er sich auf so eine Beziehung einlassen, ohne die andere Person zu gefährden? Schließlich geht es dabei auch darum, dass sich Niemand gerne in einen Menschen verliebt, der mit großer Wahrscheinlichkeit viel früher sterben muß, als man selbst. Das Altruistischste wäre daher, erst gar keine Beziehung zu diesem Menschen aufzubauen. Oder sprechen wir hier von einem HIV-Infizierten? Da gibt es bekanntlich einen großen Unterschied. Meines Wissens kann man bei fortgeschrittenem AIDS schon äußerlich Veränderungen feststellen. Es wäre in dem Fall sowieso nicht möglich, dies geheim zu halten.

Zudem halte ich es für unwahrscheinlich, dass sich jemand auf so ein Beziehung einläßt, wenn von Anfang an klar ist, dass der Partner AIDS hat. Wobei die Ausgrenzung durch die egoistische Gesellschaft sicher schwerer wiegt, als das Krankheitssymptom.

Das Einlassen auf eine Beziehung mit einem tödlich kranken Menschen wäre in dieser Hinsicht altruistischer.


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