Lykurg, der Begriff der Rasse ist ganz ursprünglich sicher Volksgut, in dem Sinne, daß Bauern ihn benutzten, um damit das Phänomen zu beschreiben, daß unter ihrer Hand zahlreiche ganz verschieden aussehende und zu verschiedenem unterschiedlich gut nutzbare Typen von Rind, Schaf, Schwein und Geflügel entstanden. Wenn auch die Registrierung und gezielte kontrollierte Zucht erst um 1750 etwa einsetzte, ein Aspekt der damals beginnenden Revolution in der Landwirtschaft, waren viele der dann gezielt gezüchteten Typen schon länger bekannt.
Der sich im Gefolge Mendels entwickelnde biologische Wissenschaftszweig der Systematik, der sich damit befasst, die unüberschaubare Fülle an Formen in der Natur zu ordnen, griff diesen Begriff auf und machte ihn zu einer wissenschaftlichen Begrifflichkeit, die er heute in Synonymie zu den Begriffen Unterart, Varietät, Sorte,... immer noch ist.
Zumindest Naturwissenschaft findet in ziemlich lufterfüllten^^ Räumen statt, wir leben in einer Zeit der ausgeprägten Für-wahr-Haltung wissenschaftlicher Verlautbarungen, was sich auch darin äußert, daß Schnellnahrungsketten die Gesundheit ihrer Produkte von weißbekittelten Doktortitelträgern bestätigen lassen. Man kann dies mögen oder nicht, es bedeutet aber für Wissenschaft im Allgemeinen, daß sie sich der Implikationen ihres Tuns, und auch Nicht-Tuns im Klaren sein muss, sich bewußt sein muss, daß alles was sie tut und läßt von gesellschaftlich relevanten oder in irgendeiner Weise Interessierten umgesetzt wird.
Und gerade alles, was jenen merkwürdigen Zweibeiner, uns selbst, betrifft, ist
en vogue, und überall stehen Interessierte, um die letzten Neuerungen abzugrasen und auf irgendeine Verwertbarkeit zu überprüfen.
Nun ist der Rassenbegriff in hohem Maße ein gesellschaftlicher Stein des Anstoßes, und dies nicht erst seit den Nazis. Schau mal nach, was alles im 19. JH über die "Schwarzen" aus angeblich wissenschaftlich berufenen Mündern verlautbart - und prompt von Politik und Wirtschaft als willkommenes Argument zur Behandlung der Menschen in den Kolonien und zur Vorenthaltung von Rechten verwendet wurde...
Umso wichtiger ist es, mit diesem Begriff (und auch mit seinen Synonyma) entsprechend vorsichtig umzugehen.
Aus biologischer Sicht ist der Mensch, Homo sapiens, eine Art unter vielen und systematisch nicht anders zu behandeln als hundkatzemaus.
Wenn in der Vergangenheit bei Tieren innerhalb von Arten deutlich erkennbare Merkmalsunterschiede festgestellt wurden, dann wurden die Träger dieser Merkmale typisiert und als Rassen bezeichnet, analog neig(t)en die Botaniker eher dem Begriff Unterart zu, der dassselbe bedeutet.
Man konnte nicht anders, als diese Gliederung nach einfach wahrnehmbaren Kriterien durchzuführen, denn in die genetischen Grundlagen hatte man keinen Einblick, konnte also über genetische Ähnlichkeit nur mutmaßen.
Daß dem heute anders ist, stellt die Systematik insgesamt vor nicht geringe Probleme, und macht sie gleichfalls zu einem äußerst spannenden Feld - während paradoxerweise die systematischen Institute reihenweise geschlossen oder wegfusioniert werden.
Nun ist aber der Mensch eine der am besten erforschten Arten, was die Möglichkeit eröffnet, die als auffällig erkannten und zur Untergliederung der Art herangezogenen Merkmale hinsichtlich ihrer genetischen Relevanz zu überprüfen.
Das Ergebnis ist eben, wie gesagt, daß die für den Menschen postulierten Rassen genetisch kaum unterschieden sind - vielmehr lassen sich in Afrika 3 genetisch deutlich unterschiedliche Gruppen erkennen, die sich voneinander deutlich stärker unterscheiden als alle anderen Gruppen voneinander.
Die für den Menschen postulierten Rassen sind aus genetischer Sicht - und diese ist in systematischer Hinsicht letztlich entscheidend - damit unhaltbar geworden.
Es ist schon ein Gebot wissenschaftlicher Ehrlichkeit, diese Tatsache zu veröffentlichen - und angesichts der immer noch vorhandenen bestimmten Erkenntnisinteressen bezüglich der causa wäre Verantwortungslosigkeit ein mildes Wort, mit dem ein weiteres Propagieren des Rassenbegriffes am Menschen gescholten werden müßte.
Natürlich mag mensch den Verlust an Struktur in der Welt bedauern, anderseits eröffnet die Lage auch neue Perspektiven, z.B. für den Blick auf tatsächlich vorhandene Unterschiede, die es geben mag, die vielleicht die Wanderungen des Menschen entschlüsseln helfen.
Zitat von Lykurg:Man könnte analog etwa auch die Bezeichnungen der mittelalterlichen Gedichtformen kollektiv abschaffen, weil es bei manchen von ihnen Übergangsformen, Definitionsschwierigkeiten und generelle Unklarheiten gibt. Dem Beispiel folgend dürfte man hier nicht mehr von Gedichtformen sprechen - es gibt ja auch inhaltlich innerhalb einer Form so verschiedene Inhalte und Bauprinzipien, wie könnte man da...
Der Vergleich hinkt ein wenig... Die biologische Systematik ordnet die vorhandenen Lebewesen, so wie sie sind und ohne, daß sie Gegenstand gezielter Veränderungen wären dabei.
Das Ordnen von Kultiurschöpfungen hat demgegenüber immer das Problem, daß es zwischen den Gruppen keine prinzipiellen "Paarungshindernisse" gibt, eine überkommene Form bleibt so lange eine bestimmte Form, bis irgendjemand ein Werk schafft, in dem diese Form so verfremdet wird, daß sie nicht mehr klar von einer anderen Form zu unterscheiden ist.
Die Möglichkeit der Ordnung von Kultur findet ihre Grenzen im freien Schaffen von Kultur unter Verwendung bestehender Kulturelemente, Kreativität ist der Feind jeder Ordnung^^
Woher bitte kommen diese 15 bzw. 6 Prozent - bzw. was ist hier die Vergleichsgrundlage?
Das ist in der Tat ein schwieriges Kapitel...
Die Statistik unterscheidet immer Gesamtheiten, d.h. Gruppen, die hinsichtlich des interessierenden Merkmals als relativ homogen vermutet werden, voneinander.
Um genetische Ähnlichkeiten zu bestimmen, könnte man einerseits ganze Genome miteinander vergleichen, andererseits bestimmte Ausschnitte des Genoms, die als besonders veränderungsträchtig oder sonstwie relevant erachtet werden.
Der Datenwust beim Vergleich ganzer Genome wäre riesig, es gibt aber bestimmte Bereiche in Genomen, die für Vergleichsuntersuchungen besonders geeignet erscheinen, da sie sich im Laufe der Zeit besonders stark oder besonders wenig verändern. Um die Unterschiede in diesen Bereichen geht es bei den Zahlen, was im einzelnen gemeint ist, muss man ggf. nachlesen.
Ein sehr gern benutzter DNA-Bereich, der auch sehr gut geeignet ist, Verwandtschaftsbeziehungen aufzuzeigen, ist die DNA oder auch RNA der Mitochondrien. Die Mitochondrien besitzen ein eigenes Erbgut, das im Unterschied zur Zellkern-DNA nicht rekombiniert wird und sich dadurch über lange Zeiträume nur wenig verändert.
Weil die Mitochondrien über die Eizelle, also über die mütterliche Linie weiter gegeben werden, erlaubt die Mitochdrien-DNA damit Rückschlüsse auf die Verwandtschaft zweier Lebwesen, deren Mitochondreine-DNA verglichen wird.
(Ist ein etwas kompliziertes Thema, ich weiß, notfalls erkläre ich es morgen nochmal).