
Ich habe nicht vor, mal wieder eine Diskussion über dieses Thema zu eröffnen, sondern will lediglich meinen Text denjenigen zu Verfügung stellen,die eventuell Interesse haben. Wer das Essay inhaltlich oder bezüglich der Form kommentieren will, kann das gerne tun und ich freue mich auch über Feedback. Eine Diskussion möchte ich wie gesagt aber vermeiden.

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Was ist Willensfreiheit?
1. Einleitung
Auf den kommenden Seiten möchte ich in kurzer Form die wichtigsten Fragen zum Thema „Freiheit“ behandeln: Was für Formen von Freiheit gibt es? Wie stehen diese zueinander? Wie ist das Verhältnis von Freiheit und Determinismus? Und inwiefern sind wir frei?
Ich werde diese Fragen nicht strikt nach einer bestimmten Reihenfolge beantworten, sondern sie auf den Begriff der Willensfreiheit ausgerichtet behandeln.
Bevor ich zu den eigentlichen Ausführungen komme, muss ich noch darauf hinweisen, dass es sowohl keine einheitliche Verwendungsweise des Oberbegriffs „Freiheit“ gibt, als auch keine hinsichtlich der verschiedenen Freiheitsformen. Wie auch bei vielen anderen grundlegenden Ausdrücken unserer Kommunikation haben wir es hier leider mit einem sprachlichen Chaos zu tun. Dieser Aufsatz hat nicht das Ziel, dieses Chaos zu beenden, da dies freilich nicht in meiner Macht liegt. Mein Ziel ist es lediglich, eine in meinen Augen vernünftige Einteilung vorzunehmen und, speziell in Hinsicht auf die Willensfreiheit, mit ein paar elementaren Missverständnissen aufzuräumen. Damit dies gelingen kann, muss sich der Leser zumindest im Rahmen dieses Aufsatzes auf meine Einteilungen einlassen und eventuell von seiner abweichenden Verwendungsweise der Wörter absehen.
2. Drei Formen von Freiheit
Was meinen wir im Alltag, wenn wir den Ausdruck „Freiheit“ benutzen? Eine Form der Freiheit ist zu tun, was man möchte. Sitzen wir auf einem Stuhl, so können wir von diesem aufstehen, wenn es uns beliebt und wir nicht an diesen gefesselt sind oder uns jemand festhält. Wir können aber auch sitzen bleiben, wenn wir es wollen, und uns niemand vom Stuhl stößt. Die äußeren Umstände erlauben uns, die Wünsche, die wir haben, in die Tat umzusetzen. Dies soll im Folgenden als „Handlungsfreiheit“ bezeichnet werden. Man ist also handlungsfrei, wenn man das tun kann, was man will.
Die äußeren Umstände sind auch dann entscheidend, wenn es darum geht, wie wir bestimmte Wünsche realisieren wollen. Bekomme ich z.B. mitten in der Nacht Durst und gehe zum Kühlschrank, so habe ich umso mehr Freiheit in der Auswahl der Getränke, umso mehr verschiedene Getränke ich im Kühlschrank lagere. Ist hingegen nur noch eine Flasche Wasser da, so sind meine Wahlmöglichkeiten sehr begrenzt. Entweder ich trinke Wasser oder ich habe weiterhin Durst. Solche Fälle bezeichne ich des Weiteren als „Wahlfreiheit“.
Wir sind umso wahlfreier, je mehr Möglichkeiten die äußeren Umstände geben, verschiedene Wünsche zu verwirklichen. Die Wahlfreiheit ist also umso größer, umso mehr Auswahlmöglichkeiten mir die äußeren Umstände zu Verfügung stellen.
Eine weitere relativ unproblematisch zu beschreibende Freiheitsform ist die „Entscheidungsfreiheit“. Wann sprechen wir davon, dass eine Entscheidung frei war? Diese Frage kann man leicht beantworten, sobald wir sagen können, wann wir eine Entscheidung als unfrei bezeichnen. Ein Beispiel, wo wir eine Entscheidung als unfrei bezeichnen, ist wenn jemand das Leben eines anderen oder das von geliebten Menschen bedrohen würde. Droht ein Räuber die Tochter des Auszuraubenden zu erschießen, so wird der Vater sich dazu gezwungen fühlen, seine Geldbörse zu übergeben, wenn keine Rettung in Aussicht steht. Er hat dem Räuber freilich die Geldbörse nicht aus freien Stücken gegeben, sondern weil ihn die äußeren Umstände dazu gedrängt haben. Eine Entscheidung ist also dann frei, wenn sie unabhängig von äußerlich verursachten psychischen Zwängen geschieht. Das ist nun nicht mit Handlungsfreiheit zu verwechseln, die dann gegeben ist, wenn man etwas ohne äußeren physischen Zwang tut.
Im Alltag sprechen wir auch von anderen Freiheitsformen wie z.B. Meinungs- und Pressefreiheit. Ich beschränke mich in diesem Essay auf die, wie ich meine, Grundformen, weil alle anderen Formen sich diesen zuordnen lassen.
Analysiert man diese Freiheitsformen auf die von mir hier vorgestellte Art, so kann man zum einen eine Wahlfreiheit haben, aber zugleich entscheidungsunfrei sein. Das könnte dem ein oder anderen jetzt etwas komisch vorkommen, da man vielleicht dazu neigen könnte, beim Räuber-Beispiel zu sagen, dass der Vater keine Wahl hatte. Nach den obigen Definitionen hat der Vater aber sehr wohl eine Wahl. Die äußeren Umstände lassen ihm nämlich die Möglichkeit, einfach weg zu rennen und seine Tochter im Stich zu lassen. Diese Option ist freilich gegeben, selbst wenn er sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wählen wird, da er vermutlich nicht das Risiko eingehen will, dass seine Tochter verletzt wird.
Bei dem Räuber-Beispiel würden wir im Alltag auch sagen, dass der Vater nicht freiwillig seine Geldbörse weggibt. „Frei-willig“ ist hier also in Form von Entscheidungsfreiheit gemeint. Das ist eine Art, wie wir von Freiheit bezüglich eines Willens sprechen. Wenn jemand von Willensfreiheit spricht, dann meint er aber mehr als bloß ohne Einfluss von psychischem Druck zu handeln. Was aber meinen wir, wenn wir von „Willensfreiheit“ sprechen? Ja, der Wille sei frei, aber was bedeutet das? Hier muss gesagt werden, dass es darauf wieder einmal keine einheitliche Antwort gibt. Manche verstehen das eine unter „Willensfreiheit“, andere etwas anderes. Es gibt auch den Fall, dass Willensfreiheit so definiert wird, dass es dem entspricht, was ich als „Handlungsfreiheit“ bezeichnet hatte. Ich möchte diesen Falle hier nicht diskutieren, weil ich ihn für unproblematisch halte, wenn gleich er auch den Nachteil hat, dass er mir weniger differenziert erscheint, als die von mir gewählte Einteilung. Ich möchte auf die, wie ich glaube, im Alltag dominanten Definitionen von „Willensfreiheit“ eingehen und diese kritisch hinterfragen.
3.1. Willensfreiheit als Fähigkeit des Willens unabhängig von Naturgesetzen zu sein
Am häufigsten, so scheint es mir, wird „Willensfreiheit“ als die Fähigkeit verstanden, unabhängig von den Naturgesetzen zu handeln. Der wohl prominenteste Vertreter eines solchen Verständnisses ist Immanuel Kant. Eine solche Definition von „Willensfreiheit“ wird damit begründet, dass wir ja völlig unfrei seien, wenn wir nur nach Naturgesetzen handeln würden. Manche gehen sogar so weit, dass sie behaupten, dass man gar nicht mehr von „handeln“ sprechen könnte, wenn wir vollständig durch Naturgesetze bestimmt seien.
Was mich bei dieser Argumentation als erstes stört, ist die Verwendung des Ausdrucks „Handlung“. Mann kann „Handlung“ einfach definieren, indem man sie als „vom Willen gelenkte Bewegung einer Person“ bezeichnet, oder anders formuliert „eine Bewegung, die eine Person durch bewusste Zielsetzung bewirkt“. Aus dieser Definition wird nicht deutlich, inwiefern der menschliche Wille unabhängig von Naturgesetzen agieren müsste. Ob und inwiefern der Wille von Naturgesetzen beeinflusst wird, spielt hier keine Rolle, da die Existenz eines Willens nicht davon abhängig ist, ob er durch Naturgesetze beeinflusst wird. Daraus folgt, dass zumindest die drei bisher genannten Freiheitsformen (Handlungs-, Wahl- und Entscheidungsfreiheit) unabhängig davon gegeben oder nicht gegeben sind, ob wir von Naturgesetzen bestimmt werden. Wir besitzen also auf jeden Fall schon mal gewisse Freiheiten, selbst wenn wir völlig durch die Naturgesetze bestimmt wären.
Ein Einwand hierauf ist, dass es zum Begriff der Handlung gehöre, dass man eine Wahl hat und das hieße, dass man unabhängig von den Naturgesetzen handeln kann, da diese uns sonst vollständig bestimmen würden. Wären wir aber vollständig bestimmt, so könnte man nicht mehr von einer Wahl und somit nicht mehr von Handlung sprechen.
Das bringt uns nun zu der Frage, wie Freiheit und Determinismus zueinander stehen:
Der erste Fehler, der in Bezug auf die Frage gemacht wird, ist die unhinterfragte Gegenüberstellung von Freiheit und Determinismus. Das Gegenteil von Freiheit ist Unfreiheit und das Gegenteil von Determinismus ist Indeterminismus. Nun muss erstmal gezeigt werden, dass Determinismus Unfreiheit bedeutet und Freiheit gleichbedeutend mit Indeterminismus ist. Was bedeuten also „Determinismus“ und „Indeterminismus“? Etwas ist dann determiniert, wenn es vollständig kausal bestimmt wird. Hingegen ist etwas insoweit indeterminiert, sofern es nicht kausal bestimmt ist. Man kann also statt „determiniert“ auch „bestimmt“ und statt „indeterminiert“ „unbestimmt“ sagen. Wann sprechen wir davon, dass etwas „indeterminiert“ bzw. „unbestimmt“ ist? Im Alltag benutzen wir dieses Prädikat z.B. in Bezug auf das Ziehen der Lottozahlen oder das Ergebnis beim Werfen eines Würfels. Im wissenschaftlichen Kontext wird von Quanten häufig gesagt, dass sie sich indeterministisch verhalten. „Indeterminiert“ meint hier nichts anderes als „zufällig“. Ob die Ergebnisse beim Lotto, beim Würfelwurf oder das Verhalten der Quanten tatsächlich zufällig sind, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.
Bedeutet das jetzt, dass viele Menschen glauben, dass wir frei sind, weil unser Wille zufällig funktioniere? Das wird nicht der Fall sein können, da wir niemanden als frei bezeichnen würden, der sich völlig zufällig verhalten würde. Wenn jemand also meint, dass der Mensch durch seine Willensfreiheit „indeterminiert“ sei, wird er damit nicht meinen, dass der Wille des Menschen völlig zufällig funktioniert. Unser Wille soll also weder kausal bestimmt sein, noch zufällig. Aber was ist er dann? „Selbstbestimmt“ ist die nahe liegende Antwort, aber was ist das? Lautet die Antwort, dass man selbstbestimmt ist, wenn der Wille weder zufällig noch kausal bestimmt ist, dann bringt uns das nicht viel weiter, da dies nur eine negative Definition ist. Diese Definition von Willensfreiheit ist deshalb negativ, weil sie uns nur sagt, was wir nicht sind. Wir wollen aber nicht nur wissen, was Willensfreiheit nicht ist, sondern wollen auch eine positive Definition. Wenn uns ein Ausländer z.B. fragen würde, was das Oktoberfest ist, so würde es ihm auch nicht weiterhelfen, wenn wir ihm nur aufzählen würden, was es nicht ist. Wenn es also neben determiniert und zufällig noch etwas gibt, wie ist dieses Dritte zu beschreiben?
Auch hier wird die Antwort der meisten Menschen (wenn sie auf diese Frage überhaupt eine haben) wohl mit der von Kant übereinstimmen. Dieser meint, dass Selbstbestimmtheit bedeutet, dass eine Person die Fähigkeit der Akteurskausalität besitzt. Akteurskausalität ist die Fähigkeit, neue Kausalketten zu erschaffen. Eine Kausalkette ist die Aneinanderreihung von Ereignissen, die kausal miteinander verknüpft sind. Wachen wir z.B. morgens auf und sehen, dass draußen die Straßen und Häuser nass sind, dann wird das wohl daran liegen, dass es in der Nacht geregnet hat. Dieser Regen war wiederum dadurch verursacht, dass in den letzten Tagen die Sonne geschienen hat und dadurch Wasser verdunstet ist, dass sich am Himmel zu Regenwolken verwandelt hat, die sich in der Nacht dann ausgeregnet haben. Diese Kausalkette lässt sich unendlich in die Vergangenheit zurückverfolgen, bis man eventuell ein Ereignis erreicht, das selbst nicht verursacht ist. Ob es solche Phänomene in Bezug auf Naturerscheinungen gibt, soll hier nicht diskutiert werden. Uns interessiert hier, ob es Sinn macht, anzunehmen, dass der Mensch einen Willen besitzt, der neue Kausalketten erschaffen kann.
3.2. Willensfreiheit als Fähigkeit des Willens, neue Kausalketten zu schaffen
Wie darf man sich eine solche Schaffung einer neuen Kausalkette vorstellen? Wird sie aus dem Nichts geschaffen? Das schließen wir aus, weil es dem logischen Grundsatz widerspricht, dass nichts aus dem Nichts entstehen kann („nihil ex nihilo“). Also müssen auch die neuen Kausalketten auf etwas aufbauen. Wenn diese aber auf etwas aufbauen, werden sie dann nicht auch durch das bestimmt, auf was sie aufbauen? Ja, die Kausalketten bauen auf dem Willen auf und werden durch diesen bestimmt. Damit es sich aber um eine neue Kausalkette handelt, darf der Wille nicht selbst Teil einer Kausalkette sein. Er darf also selbst nicht kausal bestimmt sein. Wie wir aber weiter oben schon festgestellt haben, stufen wir alles, was wir als nicht kausal bestimmt betrachten, als zufällig ein. Das würde aber bedeuten, dass der Wille zufällig funktioniert und wir sind uns einig, dass ein zufälliger Wille nicht als ein freier zu bezeichnen ist. Der Wille muss also weder kausal bestimmt noch zufällig funktionieren, damit er neue Kausalketten erstellen kann und gleichzeitig frei ist. Wie sieht diese dritte Option aus? Gibt es sie überhaupt? Wir alle haben eine Vorstellung davon, was es heißt, dass etwas kausal bestimmt ist, bzw. was es heißt, dass sich etwas zufällig verhält. Können wir uns aber etwas vorstellen, dass weder das eine noch das andere ist? Ich für meinen Teil nicht! Ich wüsste nicht, wie ich eine solche dritte Option in Worte fassen sollte. Darüber hinaus kann ich mir nicht einmal vorstellen, was es heißen soll, dass sich etwas weder zufällig noch determiniert verhält. Auf mich macht es den Eindruck, als ob hier etwas Drittes behauptet wird, wo es kein Drittes gibt. Dieses angebliche Dritte existiert allem Anschein nach nicht, können wir doch im Grunde nichts darüber aussagen. Die Tatsache, dass dieses Dritte weder determiniert noch zufällig ist, hilft uns nicht weiter. Wir wissen nur, was es nicht ist, aber haben dadurch immer noch keine Ahnung was es ist. Wenn sich dieses angebliche Dritte aber in keiner Weise vorstellen lässt, warum sollten wir davon ausgehen, dass es existiert?
Um die Sache noch mal logisch zusammen zu fassen:
„Eine Sache verhält sich determiniert.“ – „Eine Sache verhält sich zufällig.“
Dies muss nach unseren bisherigen Überlegungen ein kontradiktorischer Gegensatz sein. D.h. dass entweder die erste Aussage wahr ist und die zweite falsch oder die zweite wahr ist und die erste falsch. Alles muss sich also entweder zufällig verhalten und verhält sich somit nicht determiniert oder aber etwas verhält sich determiniert und verhält sich damit nicht zufällig. Entweder determiniert oder zufällig. Weder ist beides zugleich möglich, noch ist keins von beiden möglich. Die Behauptung, dass sich etwas sowohl nicht zufällig als auch nicht determiniert verhalten kann (die beiden Aussagen wären dann ein konträrer Gegensatz), ist allem Anschein nach falsch.
Ein weiterer Einwand gegen die Behauptung, dass wir unabhängig von den Naturgesetzen handeln könnten, ist die Tatsache, dass dies einen ontologischen Dualismus voraussetzt. Sobald wir nämlich sagen, dass alles ein und dieselbe ontologische Basis hat, wir also eine monistische Position vertreten, ist nicht ersichtlich, warum wir nicht den Naturgesetzen unterworfen sein sollten, während dieses z.B. ein Stein ist, der aus den gleichen Grundbausteinen besteht wie wir. Ist die Annahme eines Dualismus also des Rätsels Lösung? Die Antwort lautet aus zweierlei Gründen „nein“. Erstens sind dualistische Positionen generell logisch nicht konsistent, weil es völlig unplausibel ist, wie zwei Entitäten mit verschiedener ontologischer Basis wechselwirken sollten. Zum anderen weil auch ein Dualismus nicht das Problem lösen kann, dass eine Sache sich entweder determiniert oder zufällig verhalten muss.
Ist diese logische Analyse richtig, so müssen wir uns als unfrei betrachten, wenn wir „Freiheit“ als ein Frei-Sein von Determiniertheit und Zufälligkeit definieren. Oder wir müssen unseren Begriff der Freiheit ändern. Letzteres ist aus pragmatischen Gründen geboten.
Wir kommen also zu dem Schluss, dass Freiheit und Determinismus sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern erstmal als völlig unabhängig voneinander zu betrachten sind.
3.3. Willensfreiheit als Fähigkeit wollen zu können, was man will
Ich will aber noch auf einen anderen populären Ansatz eingehen, was es bedeuten soll, dass wir „willensfrei“ seien. Analog zur Handlungsfreiheit wird Willensfreiheit auch gerne als die Fähigkeit definiert, wollen zu können, was man will. Vielleicht ist diese Vorstellung sogar noch verbreiteter als die, dass Willensfreiheit bedeute unabhängig von Naturgesetzen agieren zu können. Letzteres erscheint mir zumindest häufiger artikuliert zu werden. Fest steht, dass die Definition von Willensfreiheit, wollen zu können, was man will, sowohl allein als auch in Kombination mit der Vorstellung vorgetragen wird, unabhängig von Naturgesetzen zu sein.
Dies mag vielleicht vielen erstmal plausibel erscheinen. Bei kritischer Sicht auf unsere Alltagswahrnehmung scheint diese Beschreibung nicht immer zutreffend zu sein. Bekomme ich z.B. Heißhunger auf ein Stück Torte, dann kann ich mich freilich dazu verhalten, indem ich diesen Wunsch nicht gut finde, da ich meine, dass ich keine Torte essen sollte. Ich will in diesem Fall nicht nur zugleich ein Stück Torte essen und es auf der anderen Seite nicht essen, sondern ich will darüber hinaus auch keine Torte essen wollen. Bis dahin scheint der Ansatz plausibel. Aber nun ist es leider so, dass der bloße Wunsch, etwas nicht zu wollen, normalerweise nicht ausreicht, um den Wunsch verschwinden zu lassen, den wir nicht haben wollen. Es kommt sogar oft genug vor, dass wir sogar einem Wunsch nachgehen, von dem wir wollen, dass wir ihn nicht haben. Aber wer würde sich deshalb schon als nicht willensfrei bezeichnen? Wir würden sagen, dass wir in diesem Moment willensschwach waren, aber wohl kaum, dass wir keine Willensfreiheit hatten. Vor allem ist es nicht einsichtig, warum wir nur willensfrei sein sollten, wenn wir Wünsche über Wünsche haben. (Solche Wünsche nennt man auch Wünsche zweiter Ordnung.)
Aber das ist nicht das einzige Problem, denn auch dieser Ansatz entpuppt sich bei näheren hinsehen, als logisch nicht tragbar. Wenn wir nämlich nur dann willensfrei sind, wenn wir wollen können, was wir wollen, also bestimmen können, was wir wollen, dann müssen wir auch wollen können, was wir wollen zu wollen. Dann aber müssen wir auch dazu in der Lage sein, wollen zu können, was wir wollen, zu wollen wollen usw. Diese Wollen-Kette müsste unendlich lang sein und nie abbrechen, weil wir sonst letzten Endes einmal nicht über unser Wollen bestimmen könnten. Dass eine solche unendliche Wollen-Kette absurd ist, bedarf keiner weiteren Erklärungen.