IpsissimusDämmerung


Beiträge: 10251Registriert: 29.10.2004
|
Der Buddhismus hat von konkurrierenden indischen Religionen sowohl die Vorstellung des "Rads der Wiedergeburten" als auch die Vorstellung vom "Karma" übernommen.
"Karma" (Sanskrit, n., कर्मन, karman, Pali, kamma, Wirken, Tat) bezeichnet ein spirituelles Konzept, demzufolge jegliche Handlung, sei sie physischer oder psychischer Natur, unweigerlich eine auf den Akteur rückwirkende Folge hat, die allerdings nicht unbedingt im aktuellen Leben wirksam wird, sondern über das Rad der Wiedergeburten u. U. in einer anderen Inkarnation. "Karma" formuliert also den Glauben in die Gültigkeit des Ursache-Wirkungsprinzips auf geistiger Ebene auch über mehrere Lebensspannen hinweg.
Das buddhistische Karma-Konzept beschreibt ausschließlich die Wirkungen von Handlungen und Gedanken, insbesondere die Rückwirkungen auf den Handelnden selbst. Karma entsteht demnach durch eine universelle Gesetzmäßigkeit und nicht infolge der moralisch-ethischen Beurteilung durch einen Weltenrichter oder Gott. Es geht um das Prinzip von Ursache und Wirkung, nicht um "Göttliche Gnade" oder "Strafe". Daher erzeugt nicht nur "schlechtes" Karma den Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara) sondern gleichermaßen das "gute" Karma.
Dieser letzte Satz beschreibt einen fundamentalen Unterschied zwischen der hinduistischen und buddhistischen Karma-Konzeption
Letztes Ziel des Hinduisten ist es, durch das Ansammeln von gutem Karma, überwiegend durch gute Taten, zur Erkenntnis seiner ursprünglichen Gottgleichheit zu gelangen. In jenem Augenblick, da sich der Atman als der ursprüngliche Braman erkennt, verlässt er Maya und das Rad der Wiedergeburt und geht in göttliche Glückseligkeit ein.
Letztes Ziel des Buddhisten ist, überhaupt kein Karma mehr zu haben, weder gutes noch schlechtes. Dies kann er nicht über Taten bewirken, auch nicht über Gebete, sondern überhaupt nicht. Er ist also gefangen im Rad. Hebt er nur den kleinsten Finger, erzeugt er Karma. Der erste Atemzug des Neugeborenen erzeugt schon Karma. Alles erzeugt Karma.
Freiheit vom Rad erlangt er nur durch eine Einsicht, die Einsicht in die Nichtigkeit des Rads und aller Existenz. Und diese Freiheit führt zum Eingang ins Nirvana, das wir uns in aller Berechtigung als das endgültige, irreversible Auslöschen der persönlichen Existenz vorstellen können.
Nun, das ist "unpraktisch" für eine Religion, da hast du recht, janw, auch wenn es für einen Philosophen, der tatsächlich genug hat vom Rad, befreiend ist.
Unsere an Religion interessierten Pragmatiker waren auch unmittelbar nach Buddhas Tod eher nicht um eine Lösung verlegen. Wie erlangt mensch denn die besagte Einsicht?
Nun, Buddha hatte da etwas im Sinn, das seiner eignen Vorgehensweise entsprach, und die verlief in strenger Meditation. Natürlich gibt es auch von ihm Verhaltensregeln. Die sind aber nicht im Sinne einer moralischen Lebensweise zu verstehen, sondern als praktische Lebensregeln, die das ganze etwas vereinfachen sollten (und führten zu dem analogen Irrtum wie bei den Juden, wo Vorschriften wie das Schweinefleisch- und Meeresfrüchteverbot aus dem ursprünglichen medizinischen Kontext in den moralischen Kontext umgedeutet wurden).
"Ungeeignet für die breite Masse", lautete das Verdikt seiner Apologeten und Nachfolger in moderner Sprache, und die geniale Lösung des Mahayana lautete: "Wer auch immer nach Nirvana strebt, wird es nicht erlangen, solange er so selbstsüchtig ist, ins Nirvana einzugehen, ehe noch die letzte empfindende Seele zum Nirvana befähigt wurde."
Damit hielt prinzipiell die Moral Einzug in den Buddhismus, und auch, wenn Hinayana, Theravada und Zen darüber lächeln, erwiesen sich Vajrasana und Mahayana geschichtlich bei weitem wirkungsmächtiger. Das moralische System wurde im Laufe der Zeit entfaltet und ausgeweitet, und das war´s schon^^
|