Buddhismus und Zen im Verhältnis zur Macht

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janw
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Do 2. Nov 2006, 22:19 - Beitrag #1

Buddhismus und Zen im Verhältnis zur Macht

Eine Frage, die mich schon eine Weile bewegt ist die, wie sich die Auffassungen des Buddhismus, besonders des Zen, in den entsprechenden Gesellschaften niederschlagen.
Was unterscheidet eine buddhistische Gesellschaft von der unsrigen, und was bewirkt der aktuelle Wertewandel im Zuge der Globalisierung in diesem Zusammenhang?

Ein besonderer Aspekt ist IMHO die Frage des Umgangs mit Macht, die Art des Erwerbs von Führungspositionen, die Art ihrer Vergabe und die Art und Weise, wie Macht ausgeübt wird.
Mir scheint hier, daß in strenger Lesart ein Vertreter des Zen sich per se von jeder Macht enthalten würde, weil er ihrer selbst nicht bedürfte und die mit der Macht verbundene Ohnmacht anderer nicht akzeptieren könnte.
Was allerdings augescheinlich nicht zutrifft, da letztlich auch in Japan dieselben Machtstrukturen herrschen wie hierzulande, teils gar extremer.
Täuscht hier etwas?

Ipsissimus
Dämmerung
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Fr 3. Nov 2006, 13:50 - Beitrag #2

eine einigermaßen hinreichende Antwort wird wohl ein mehrbändiges Kompendium notwendig machen^^

ich denke, in diesem Kontext führt es in die Irre, Zen als Teil des Buddhismus zu betrachten. Tatsächlich gibt es in Japan einen unterschwelligen Konflikt zwischen Zenmeistern und Buddhistischer Kirche, der sich daraus speist, daß Zen eine moraluntaugliche Philosophie ist - während die Kirche ein quasimoralisches, religiöses Konzept verfolgt, das eher massentauglich ist als das strenge Erleuchtungskonzept der Meister.

Ich will es knallhart sagen:

in den Listen anerkannter und renommierter Zenmeister sind einst international gesuchte Kriegsverbrecher aus den mandschurischen Kriegen genauso enthalten wie fromme Leutchen, die im heimischen Tempel für das Wohl der Welt und der Menschheit beten und keiner Fliege was zu leid tun. Zen hat dazu nichts zu sagen; die Werkzeuge, die es zur Verfügung stellt, sorgen nicht dafür, daß mensch eine Moral verinnerlicht, einer religiösen Lehre folgt, oder auch nur ein "guter" Mensch wird, sie sorgen lediglich dafür, daß mensch in JEDER Situation das ihm/ihr Angemessene tut, wobei dies Angemessene intuitiv spontan erkannt wird. Dazu ist natürlich ein langjähriger Klärungsprozess notwendig, und dieser Klärungsprozess wird im Westen leider allzuoft mit westlichen Konzepten verwechselt, die auf "moralische Reinigung" zielen, was dem Zen völlig am Arsch vorbei geht.

Im Zenkontext stellt sich die Machtfrage also nicht in der von dir nachgefragten Weise. Wenn es dir angemessen ist, Macht zu erwerben und dich ihrer zu bedienen, mach es, sonst lass es. Du weißt so oder so um die Konsequenzen, weil du als Zenler gelernt hast, nichts mehr zu verdrängen. Deine Sache also. Punkt.

Buddhismus dagegen kommt mit dem achtfachen Pfad, den vier edlen Tugenden und dergleichen daher (für die Zahlen übernehm ich keine Garantie^^), in historischer Form dezidiert moralischen Vorstellungen für das Leben des Individuums (wenn auch von Buddha ursprünglich nicht moralisch gemeint). Die Ausprägung und die Rückwirkungen, die das auf die soziale und politische Struktur hatte und hat, sind in den verschiedenen buddhistischen Ländern äußerst unterschiedlich ausgeprägt. Hierzu kenne ich mich aber zu wenig aus, weil das nie im Fokus meines Interesses stand


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