Lesehilfe zu Sartre

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
janw
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Sa 30. Dez 2006, 02:10 - Beitrag #1

Lesehilfe zu Sartre

Bei der Lektüre von Sartres "Das Sein und das Nichts" bin ich an dem Punkt angekommen, wo er den Begriff der "Überschreitung" als das Bewußtsein konstituierenden Vorgang einbringt.
Konkret geht es darum, daß das Bewußtsein z.B. kein Bewußtsein vom eigenen Körper haben soll, wenn es diesen nicht "überschreitet".
Mir ist nun irgendwie nicht restlos klar geworden, worin diese "Überschreitung" besteht, außerdem, wie weit diese Aussage gerade den Körper betreffend wirklich gültig ist.
Denn sind wir nicht in der Lage, reflexiv unseren Körper in Bezug zur Welt zu setzen, zu anderen Körpern, zur uns entgegentretenden Reaktion anderer Personen usw. und daraus Aussagen über dessen Existenz an sich und sein Sosein zu gewinnen?
Oder besteht gerade in dieser Bezugnahme zur Welt die "Überschreitung" des Körpers?

Traitor
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Sa 30. Dez 2006, 14:33 - Beitrag #2

Von Sartre habe ich bisher nur wenig gelesen (Ekel, Fliegen, Baryona) und kann somit keine genaue Erklärung geben. Aber bei allen Differenzen teilte er ja manche Ansichten mit Camus, deshalb kann ich einen Erklärungsansatz aus dieser Richtung geben.
Allgemein würde ich sagen, dass es ihm darum geht, dass Bewusstsein sich eben durch das Überschreiten natürlicher Grenzen bildet - das Tier lebt mechanisch in der gegebenen Welt, der Mensch kann bewusst versuchen, etwas hieran zu ändern (Camus redet von der Revolte) und so ein Bewusstsein zu entwickeln.
Auf den Körper angewandt, kann man sich nur des Körpers bewusst sein, wenn man ihn überschreitet - solange man ihn als gegeben annimmt und nicht in Frage stellt, ist man sich seines auch nicht bewusst. Das ist man erst, wenn man feststellt, dass man ein Bewusstsein in einem Körper ist und anfängt, über Entstehung und Funktionsweise dieser Bestandteile und ihre Relation nachzudenken.
Also würde ich deinem letzten Satz zustimmen. Aber ein Sartre-Kenner möge dies werknäher beleuchten.

Ipsissimus
Dämmerung
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So 31. Dez 2006, 14:41 - Beitrag #3

es gibt dabei Bezüge zu einer modifizierten "Monaden"-Theorie à la Leibniz. Die Monade ist, und unabhängig von diesem schieren Sein ist sie zusätzlich in unerschütterlicher Ruhe und Selbstvollkommenheit, in einem paradiesischen Zustand, von dem sie aber genauso wenig weis, wie sie von der Existenz anderer Monaden weis. Das Kind im Mutterleib kann man sich als Sinnbild solch einer Monade vorstellen.

Die Monade weis nichts von und nichts über sich und sie weis nichts von der Existenz anderer Monaden. Aber sie interagiert - wenn auch in schierer äußerster Gleichgültigkeit, geboren aus absoluter Ingnoranz - mit dem Rest des Universums, von dessen Existenz sie ebenfalls nichts weis. Doch sie erfährt Rückmeldungen, Rückmeldungen, die zunehmend schmerzhafter werden, bis der Schmerz die Blockade des Bewußtseins durchdringt und sie zwingt, die Existenz von etwas anderem - womöglich außerhalb von ihr - wahrzunehmen und schließlich anzuerkennen. Die Situation von Babys mag hier als Sinnbild dienen, auf ihrem Weg von reiner Selbstbezüglichkeit hin zu echter Kommunikation.

janw
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So 31. Dez 2006, 15:07 - Beitrag #4

Die Bewußtwerdung von Reiz vermittelt also die Bewußtwerdung des eigenen Seins, den Wechsel von An-Sich zum Für-Sich...?


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