Weißt du was?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Maurice
Analytiker
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So 17. Jun 2007, 21:02 - Beitrag #1

Weißt du was?

Nachdem ich heute ein Buch über Erkenntnistheorie zu ende gelesen habe, stellte sich mir mal wieder die Frage, was "Wissen" bedeutet, bzw. wie das Wort "Wissen" sinnvoll zu definieren ist. Mit "sinnvoll" meine ich so, dass die Definition auf unseren Gebrauch des Wortes zutrifft, wenn wir z.B. sagen "Ich weiß, dass XY".
Wenn mich jemand fragen würde, was ich unter "Wissen" verstehe, würde ich ihm spontan antworten: "Eine sicher als wahr bewiesene Behauptung."
Da man nichts absolut sicher beweisen kann (vgl. "Münchhausen-Trilemma", "Gödelsches Unvollständigkeitstheorem" usw.), kann man nach dieser Definition nichts wissen. Nun ist es aber leider so, dass auch Behauptungen als "Wissen" bezeichnet werden, die falsch sind und von denen einige nicht mal richtig begründet sind. Ich habe daher den Eindruck, dass "Wissen" im Alltag überwiegend gleichbedeutend mit "Überzeugung" gebraucht wird, aber lieber "Wissen" benutzt wird, um der Überzeugung rhetorische Kraft zu verleihen. Dass wir aber eigentlich unter "Wissen" mehr verstehen als eine bloße Überzeugung, wird dadurch offensichtlich, dass wir normalerweise keinen Einspruch erheben, wenn jemand sagt "Ich habe die Überzeugung, dass XY" (denn warum sollten wir besser beurteilen können, von was der andere überzeugt ist, als er selbst?), sehr wohl aber hin und wieder andere dafür kritisieren, wenn sie sagen "Ich weiß, dass XY". Während Überzeugungen also rein subjektive Geschichten sind, bezieht sich Wissen auf die subjektunabhängige Realität.

Um mir vielleicht etwas mehr Klarheit über das Denken und Sprechen meiner Mitmenschen zu verschaffen, frage ich hier, wie ihr "Wissen" definieren würdet, wenn man euch spontan fragen würde und was ihr von der oben genannten Überlegung haltet.
Auf Grund meiner bisherigen Reflektionen, scheint es mir ratsam zwischen "fehlbaren Wissen" und "sicheren Wissen" zu unterscheiden. Meine zuerst genannte Defintion von "Wissen" würde dann dem "sicheren Wissen" entsprechen. Bleibt für mich die Frage, wie dieses "fehlbare Wissen" zu definieren ist, von den die Menschen scheinbar die meiste Zeit sprechen, wenn es mehr sein soll als Überzeugungen...

Lykurg
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So 17. Jun 2007, 22:07 - Beitrag #2

Das Substantiv "Wissen" verwende ich leicht anders als das Verb, handle daher beides getrennt voneinander ab. Für die Phrase "Ich weiß, daß..." gelten einige Sonderformen, derer einige abschließend aufgeführt weredn.

Wissen hat für mich zwei Bedeutungen, von denen die eine mit deiner übereinstimmt ('gesicherte' Kenntnis um Faktizität), die andere aber, die in meinem Denken und Sprachgebrauch wesentlich häufiger gemeint ist, und die unabhängig vom konkreten Gegenstand bleibt: Jemand hat ein großes Wissen bedeutet in diesem Zusammenhang die Zwischenstufe zwischen er hat solide Kenntnisse (=eines eingegrenzten Bereiches) und er hat eine umfassende Bildung (d.h., kann in kanonischen und nichtkanonischen Bereichen nicht nur mit Spezialinformationen, 'Kenntnissen', aufwarten, sondern verfügt darüber mit einer gewissen Abgeklärtheit, 'Wissen', einem hohen Reflexionsgrad; zeigt aber darüber hinaus auch ein gewisses Maß an sozialer Kompetenz sowie eine gute Erziehung).

Das Verb "wissen" verwende ich ebenfalls teilweise unter bewußter Bezugnahme auf die Unvollständigkeit meines Kenntnisstandes ("das konnte ich doch nicht wissen!" bedeutet nicht "das war nicht zweifelsfrei beweisbar" sondern "das mußte mir den Umständen entsprechend verborgen bleiben"). Auch rückblickend, etwa durch einen auktorialen Erzähler vermittelt, kann "... wußte, daß es hart auf hart kommen würde", im Extremfall sogar ein Vorausempfinden ausdrücken, der mit gesicherter Kenntnis nur wenig zu tun hat. Dagegen kann vorausblickend sowohl das Ahnen als auch die Zurkenntnisnahme eines Risikos damit ausgedrückt werden ("Ich weiß, daß das auch schiefgehen könnte")

Welche der Bedeutungen im Satz "Ich weiß, daß..." gemeint ist, hängt stark vom Zusammenhang ab. Bei einer strengen Auslegung im Sinne der Tatsachenbehauptung wäre eine so übliche Aussage wie "Ich weiß, daß du damit nicht mich meinst" unsinnig; und auch wenn ich diese strenge Auslegung nicht teile, vermeide ich eine solche Verwendung eher.
Auch eine Aussage wie "Ich weiß, daß er das will, er hat es mir doch selbst gesagt", ist logisch natürlich fragwürdig, aber eine sehr griffige und alltagstaugliche Formulierung.

Zur Bekräftigung einer Aussage, wenn ich meine, über gesicherte Informationen zu verfügen, benutze ich "ich weiß, daß es so ist, weil" o.ä. höchstens im zweiten Anlauf, auf Nachfrage.

Ipsissimus
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Mo 18. Jun 2007, 10:01 - Beitrag #3

aus meiner Sicht besteht der größte Teil des "Problems des Wissenkönnens" aus dem Problem der Konvention.

Menschen haben äußerste Mühe, ein absolutes Referenzsystem des Wissens zu finden oder zu konstruieren. Descartes hat es mit seinem "cogito, ego sum" ("cogito, ergo sum" wurde es erst durch einen Übersetzungsfehler, der dann allerdings von Descartes akzeptiert wurde) schon versucht, der Ansatz hat aber genauso seine Grenzen wie viele andere Ansätze auch (z.B. der religiöse Ansatz)

Wenn aber ein absolutes Referenzsystem fehlt, kann nur relativ zu Axiomen und Ableitungsregeln oder Konventionen, also relativ zu Grundannahmen "gewußt" werden. Ich kann z.B. wissen, ob eine Farbfläche "grün" ist. Ich kann das aber nur wissen, wenn meine Sozialisation gelungen ist, wenn es mir also ohne Hinterfragungsnotwendigkeit in Fleisch und Blut übergegangen ist, welches Farbspektrum mit dem Begriff "grün" abgedeckt wird; d.h. mein diesbezügliches Wissen ist relativ zu den Sozialisierungsgrundlagen meiner Gesellschaft und Kultur. Ich kann auch zu einem Wissen darüber kommen, ob die Quadratwurzel aus 256 16 ist; auch das kann ich nur relativ zu dem Peanoschen Axiomen nebst einigen Erweiterungen.

Das heißt Ableitungsregeln und Axiome, anders gesagt Logik und Grundannahmen regeln, was ich "Wissen" nenne, korrekte Ableitungen aus einem Axiomensystem. Daß das Axiomensystem oft genug so verborgen ist, daß es gar nicht zu existieren scheint, ist dabei fast selbstverständlich. Wenn die Grundlagenaneignung erst vollzogen ist, sind außer für den Theoretiker meist nur noch die Ableitungen interessant.


Ein weiteres Problem ist das der Wissenshierarchie. Ich weiß, was sich unmittelbar vor mir abspielt (mögliche Täuschung mal außen vor gelassen). Da steht ein Baum, da fährt ein Auto, hier ist eine Straße, dort plaudern Menschen. Ich sehe es, und da ich sozialisiert bin, kann ich es einordnen. Dies ist das Wissen erster Stufe. 10 km weiter von hier liegt ein Nachbarort. Ich war dort noch nie, aber ein guter Freund war dort, erzählte mir davon, und daher weiß ich, daß der Ort dort ist. Das ist Wissen zweiter Stufe. In der Antarktis war allerdings noch niemand, den ich kenne. Alle Berichte von dort stammen von Menschen, mit denen ich nichts zu tun habe, deren Glaubwürdigkeit ich nicht einschätzen kann, aber weil es viele Berichte sind, von vielen verschiedenen Menschen, glaube ich das, was sie übereinstimmend berichten. Das ist Wissen dritter Stufe. An der Schlacht vom Thermophylenpass hat kein lebender Mensch teil genommen. Nur eine lange Kette von Berichten führt zurück in die Zeit, als die Schlacht stattfand. Es ist unwahrscheinlich, daß irgendjemand sich die Mühe macht, mir eine komplette Weltgeschichte vorzugaukeln, deswegen akzeptiere ich den Gegenstand vieler derartiger Berichtsketten als Realität. Das ist Wissen vierter Stufe. Und letztlich noch Wissen fünfter Stufe, das ist solches, über das wir nur vermittels Interpretation verfügen. Die Existenz eines Elekrons kann ich nicht bestätigen, ich kann aber zur Kenntnis nehmen, daß eine Menge Messergebnisse mit der Existenz eines Elektrons erklärbar wären. Also glaube ich, daß Elektronenphänomene der Elektrizität und der Chemie zugrundeliegen. Dieses Wissen der fünften Stufe führt wieder direkt zum Problem der Axiome und Ableitungsregeln zurück. Streng genommen gibt es noch ein Wissen sechster Stufe, das ist Wissen auf Grundlage insonsistenter Vorstellungen, z.B. Glaubensakte.

zusammenfassend sieht es meiner Ansicht also so aus, daß "Wissen" ein sehr idealisierender Begriff ist, der in scharfer Form nur in sehr modellhaften Umgebungen ein gewisses Maß an Berechtigung hat. Überall sonst begnügen wir uns mit plausiblen Hypothesen und dergleichen.

Feuerkopf
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Mo 18. Jun 2007, 10:43 - Beitrag #4

Ipsi,
verstehe ich das richtig, dass "Wissen" immer auf Setzungen beruht, ganz gleich, auf welcher der von dir beschriebenen Stufen dieses Wissen gerade angesiedelt ist?

Wenn dem so ist, dann ist es ein Gerüst, das unser bewusstes Leben in dieser Welt stützt. Ich muss mich darauf verlassen können, dass Grün eben Grün ist, weil ich sonst an der Ampel einen Unfall riskiere, ich muss mich darauf verlassen, dass dort hinter dem Berg ein weiterer Ort ist, denn sonst verirre ich mich.

Ich muss aber auch wissen, dass (Selbst)Täuschungen und Irrtümer möglich sind, als Sicherung sozusagen.

Ipsissimus
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Mo 18. Jun 2007, 11:50 - Beitrag #5

Feuerkopf, ich bin in der Tat der Ansicht, daß wir - wenn wir nur gründlich und schonungslos genug fragen - am Anfang immer auf eine bzw. meistens mehrere Setzungen stoßen, und immer nur relativ zu diesen wissen. Das ist in der Praxis offenbar auch völlig ausreichend, es gibt eine genügend große Schnittmenge dieses relativen Wissens zur Wirklichkeit, so daß Menschen ihr Leben in Abhängigkeit von diesem Wissen mehr oder weniger gut gestalten können. "Absolutes" Wissen ist imo nur ein Anspruch, der aus Zeiten zu uns hinübergekommen ist, in denen Menschen noch an absolute Bezugspunkte glauben konnten.

Aydee
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Mo 18. Jun 2007, 11:52 - Beitrag #6

naja, Feuerkopf... um bei deinem Beispiel zu bleiben (salopp ausgedrückt: )warum ist "Grün" denn "Grün"`?

Weil *wir* (bzw irgendwann unsere Vorfahren) uns mehr oder weniger darauf geeinigt haben ,-)

e-noon
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Mo 18. Jun 2007, 13:09 - Beitrag #7

ich bin in der Tat der Ansicht, daß wir - wenn wir nur gründlich und schonungslos genug fragen - am Anfang immer auf eine bzw. meistens mehrere Setzungen stoßen, und immer nur relativ zu diesen wissen.
Ist doch klar, oder? :confused: Ich war sicher, da bestünde Konsens. Wenn ich den Baum sehe, das Auto und die Menschen, und dann davon ausgehe, dass sie tatsächlich da sind, stütze ich mich schon auf einige unbeweisbare Axiome, ohne die das Leben für uns unmöglich wäre:
1. Ich existiere
2. Das, was ich mit den Sinnen aufnehme, existiert
3. Im Allgemeinen präsentieren mir die Sinne die Dinge auch in der Art und Weise, wie sie sind (bzw. die Sinnesdaten sind kohärent, nicht ich sehe einen Baum und laufe gegen ein Auto, das ich für einen Baum gehalten habe).

Wenn man mal die Augen schließt und nichts außer seinen Gedanken gelten lässt, eben wie Descartes, beruft man sich immer noch auf Axiome, auf die der Logik zum Beispiel - dass analytische Schlüsse notwendig wahr sind, oder den Satz vom ausgeschlossenen dritten. Damit meine ich:
1) Wenn ich Junggeselle als nie verheirateten Mann definiere, und ich treffe einen nie verheirateten Mann, dann ist das notwendig ein Junggeselle (analytischer Schluss).
2) Entweder ein Gegenstand ist einen Meter groß - oder nicht; entweder es regnet - oder nicht; entweder ich existiere - oder nicht (Satz vom ausgeschlossenen dritten, eine Aussage und ihre Verneinung kann nicht gleichzeitig wahr sein).

Diese Denknotwendigkeiten zu hinterfragen, führt zu nichts, aber sie sind letztlich unbeweisbar, also... ^^ warum überhaupt von "wissen" sprechen? Ansonsten muss man eben bei der Definition von "wissen" das "beweisbar" auslassen.

Ipsissimus
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Mo 18. Jun 2007, 13:43 - Beitrag #8

Ist doch klar, oder?


Feuerkopf schien es nicht klar gewesen zu sein^^ und so insgesamt hege ich auch eher den Verdacht, daß gar allzuviele Menschen diesen Konsens nicht teilen^^ Maurice udn Lykurg haben diese These jedenfalls auch nicht thematisiert, deswegen lag mir dran, nochmal drauf zu verweisen^^

Im Allgemeinen präsentieren mir die Sinne die Dinge auch in der Art und Weise, wie sie sind (bzw. die Sinnesdaten sind kohärent, nicht ich sehe einen Baum und laufe gegen ein Auto, das ich für einen Baum gehalten habe).


schon bei deinen ersten beiden Punkten stammt die Verwendung des Begriffes "existieren" der philosophischen Schlangengrube^^ der zitierte 3te Punkt ist aber mehr als fraglich. Dein Baum und dein Auto "sind" "in Wirklichkeit" ein paar Elementarteilchen mit gigantisch viel Nichts und ein paar Kraftlinien dazwischen (als derzeitiges Ende der Fahnenstange). Unsere Sinne sind nicht geeignet, Wirklichkeit "wie sie ist" widerzugeben, sie geben "etwas" wider, das durch die Gehirnesleistung erst zu einem konsistenten Bild umgewandelt wird.

1) Wenn ich Junggeselle als nie verheirateten Mann definiere, und ich treffe einen nie verheirateten Mann, dann ist das notwendig ein Junggeselle (analytischer Schluss).


zumindest gehört dazu, sich bewußt zu bleiben, daß dies eine konventionelle Zuweisung ist, daß es ein ontologisch greifbares Junggesellentum nicht gibt^^

2) Entweder ein Gegenstand ist einen Meter groß - oder nicht; entweder es regnet - oder nicht; entweder ich existiere - oder nicht (Satz vom ausgeschlossenen dritten, eine Aussage und ihre Verneinung kann nicht gleichzeitig wahr sein).


es gibt Logiken, die ohne den Satz vom ausgeschlossenen Dritten auskommen, diesen zumindest stark modifizieren und einschränken, Fuzzi-Logik z.B.

Das geht, gegen alle Augenscheinlichkeit, weil es unzählige Phänomene gibt, die sich nicht in harte entweder-oder-Entscheidungen zwängen lassen, oder doch nur gewaltsam, in sehr vielen allen Fällen, in denen ein Prozess als solcher zur Debatte steht, und nicht ein Zustand. Ein Mensch entwickelt sich in einer wünschenswerten Richtung. Oder entwickelt er sich in einer nichtwünschenswerten Richtung? Oder gibt es noch andere Möglichkeiten? Oder, anderer Bereich: Sie liebt mich, sie liebt mich nicht - wieviele Zwischenpositionen sind zwischen den Extremen möglich.

e-noon
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Mo 18. Jun 2007, 13:55 - Beitrag #9

Dein Baum und dein Auto "sind" "in Wirklichkeit" ein paar Elementarteilchen mit gigantisch viel Nichts und ein paar Kraftlinien dazwischen
Das schon ^^ wir können keine Atome sehen, das nicht, aber mir ging es darum zu sagen, dass die Sinnesdaten normalerweise kohärent sind - es kommt selten vor, dass ein Gegenstand aussieht wie ein Auto, riecht wie eine Rose, sich anfühlt wie ein Baum (nicht nur wie ein Auto mit Rinde dran, sondern auch von der Form her wie ein Baum) und das Geräusche macht wie Meeresbrandung - vor allem eine Unstimmigkeit zwischen Auge und Tastsinn würde uns über die Maßen irritieren, behaupte ich mal.
daß dies eine konventionelle Zuweisung ist, daß es ein ontologisch greifbares Junggesellentum nicht gibt^^
Ist eine Definition nicht per definitionem :D eine (meist konventionelle) Zuweisung? Und zumindest dem Objekt "Trauschein" mit seinem Namen drauf dürfte andernfalls ontologische Bedeutung zukommen ^^.

Zur Logik: Das gilt nicht in allen Fällen, schon klar. Man könnte zum Beispiel sagen "Das Bild ist rot" oder "Das Bild ist nicht rot", wenn es zum Teil rot ist ^^
Es geht mir nicht darum, alle Abstufungen zwischen zwei Extremen zu leugnen, sondern es geht darum, dass Gegenstände bestimmte (nicht quantifizierbare) Eigenschaften haben oder nicht, oder dass sie eine Eigenschaft zu einem bestimmten Grade haben - oder nicht: Das Bild hat einen Rotanteil von 5 % - oder nicht ^^ wenn es 6% sind, sind es nicht 5%, und umgekehrt. Du weißt, was ich meine ^^

Edit: Man könnte auch sagen, sie gelten nur bei präzisen Fragen ^^ und bei präziser Verwendung der Definitionen. "Liebe" ist so bös unscharf definiert und man kann sie nicht messen (fände ich mal ganz interessant, aber muss auch nicht sein), aber wenn man eine exakte Definition hätte, wüsste man auch, ob man jemanden liebt oder nicht - dein Beispiel hat mir suggeriert, als wäre "nicht lieben" Gleichgültigkeit ^^ Aber man kann jemanden lieben, verehren, lieb haben, gern haben, sympathisch finden, nett finden, manchmal nett finden... Ebenso kann er sich in eine wünschenswerte Richtung entwickeln (für eine bestimmte Wertinstanz, z.B. seine Eltern) und in eine nicht wünschenswerte Richtung (für seine Freunde zum Beispiel), dies führt aber nicht zu einem logischen Widerspruch, weil die Frage so unpräzise ist, dass sich wünschenswert mit nicht-wünschenswert vereinbaren lässt.

Ipsissimus
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Mo 18. Jun 2007, 14:06 - Beitrag #10

die Gehirnesleistung, die aus den Sinnesdaten kohärente Bilder macht, sie ist kohärent

man kann also sagen, der Satz vom ausgeschlossenen Dritten funktioniert nur dann, wenn in der Fragestellung schon von vornherein andere Alternativen verboten wurden^^

e-noon
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Mo 18. Jun 2007, 14:25 - Beitrag #11

die Gehirnesleistung, die aus den Sinnesdaten kohärente Bilder macht, sie ist kohärent
Die Gehirnleistung ist kohärent? Man könnte eher sagen, die einzelnen Sinnesdaten werden durch die Leistung des Gehirns zu einem kohärenten Bild gemacht. Aber nur, wo sie auch kohärent "sind" - lässt man jemanden mit verbundenen Augen einen Baum abtasten, stellt den Baum weg und stellt ein Auto hin, dann wird dieser Mensch, der den Baum betastet hat und nun das Auto sieht, auch nicht glauben, dass er ein Auto betastet hat, oder? In diesem Sinne muss schon die intersubjektiv gültige Übereinstimmung der Sinnesdaten gewährleistet sein, damit man etwas hinnimmt - ob diese eine objektive Entsprechung hat, ist nicht entscheidbar, also auch ein Axiom, von dem wir im allgemeinen ausgehen (Wir =Menschen, die gerade einer nicht allzu philosophischen Betätigung nachgehen).

man kann also sagen, der Satz vom ausgeschlossenen Dritten funktioniert nur dann, wenn in der Fragestellung schon von vornherein andere Alternativen verboten wurden^^
Genau das ^^ Geht es um eine Frage, die viele Antwortmöglichkeiten erlaubt, müssen die sich nicht notwendig widersprechen - aber eine Aussage und ihre Negation können nicht gleichzeitig wahr sein. Oder hättest du ein Beispiel dafür? "Hassliebe", um dem vorzubeugen, ist kein gutes Beispiel, denn offensichtlich lassen sich diese Emotionen vereinen. "Rot" und "nicht Rot" sind Beispiele für meine These.

Aydee
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Mo 18. Jun 2007, 15:12 - Beitrag #12

Ich habe letztens einen Film mit Untertiteln gesehen, ua. kam ab und zu ein Untertitel wie z.B. "damatische leise Musik" oder "schnelle rythmische Musik"


Woher weiß ein tauber Mensch was er da grad liest?

e-noon
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Mo 18. Jun 2007, 15:16 - Beitrag #13

Ich würde sagen, er weiß es nicht ^^

Abgesehen von meinen skeptizistischen Zweifeln könnte er entweder früher mal nicht taub gewesen sein, oder er weiß eben, dass dramatische leise Musik eine spannende Wendung herleitet und schnelle rhythmische Musik eine beschwingte Party begleiten kann, und bereitet sich seelisch darauf vor.
Wirklich vorstellen kann er sich das wohl nur, wenn er nicht schon immer taub ist.

Aydee
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Mo 18. Jun 2007, 15:26 - Beitrag #14

Und warum weiß er nicht?


Was also ist Wissen?

Ipsissimus
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Mo 18. Jun 2007, 15:44 - Beitrag #15

von Geburt an taube Menschen können sehr wohl Musik genießen^^ als allermindestes sind sie Rhythmus-sensitiv, spüren die Erschütterungen und sind dabei zu teilweise extremen Detailauflösungen (hinsichtlich der Zuordnung zu bestimmten Instrumenten auch in rhythmischen Mischungen) fähig

e-noon, es scheint ein sprachliches Problem zwischen dir und mir zu geben. Ich verstehe deine Aussagen so, als wollest du darauf hinaus, daß der Satz vom ausgeschlossenen Dritten eine quasi-Selbstverständlichkeit in allen logischen Schlussfolgerungsprinzipien zugänglichen Bereichen sei. Ich versuche darauf hinaus zu argumentieren, daß der Satz vom ausgeschlossenen Dritten nur dort etwas aussagt, wo in quasi-artifiziellen Umgebungen die Struktur des Problems schon so zurechtgestutzt wurde, daß der Satz eine Tautologie ist, weil er in der Problemstellung schon angelegt ist und somit nicht zu einem Erkenntnisgewinn führt

e-noon
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Mo 18. Jun 2007, 16:03 - Beitrag #16

daß der Satz eine Tautologie ist, weil er in der Problemstellung schon angelegt ist und somit nicht zu einem Erkenntnisgewinn führt
Ich wollte auch nicht ausdrücken, dass er zu einem Erkenntnisgewinn führt ^^ Er ist in der Problemstellung angelegt und ist es nicht - Er ist, wie ich sagte, eine Denknotwendigkeit, das allerdings in jedem Bereich, unabhängig von der Fragestellung (für Gegenbeispiele bin ich immer offen). Insofern natürlich trivial, aber dennoch ein unbeweisbares Axiom, auf das wir uns stützen (müssen). Stell dir vor, dass ich dich nach der Farbe deiner komplett schwarzen Mütze frage und du sagst, sie ist völlig rot und völlig schwarz zugleich. Daraufhin würde meine Reaktion je nach den Umständen so aussehen :confused: oder so :stupid: oder so :tadel: oder so :fear: . Du kannst diesen Satz zwar aussprechen, aber vorstellen kann sich das (behaupte ich mal) keiner von uns, wir sehen die schicke Baskenmütze entweder rot, oder schwarz, oder rotschwarz, oder rot und schwarz gepunktet/gestreift/kariert, aber eine völlig rote und zugleich völlig nachtschwarze Mütze - wie sollte die aussehen? :confused: es ist nicht denkbar, also kommt auf die Frage "Ist die Mütze völlig rot oder völlig schwarz?" nur als Antwort in Frage, dass sie rot ist, oder schwarz, oder keins von beidem, aber nicht beides. Mehr wollt ich gar nicht sagen ^^

@Aydee: Für mich ist "Wissen", wie ich schrieb, etwas, das man beweisen kann, und man kann nichts beweisen ^^ weil die Sinnesdaten einen täuschen könnten und auch sonst alles eher unsicher ist. Also kann nicht nur dieser Taube es nicht wissen, sondern prinzipiell niemand kann es wissen.

Aydee
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Mo 18. Jun 2007, 16:30 - Beitrag #17

Zitat von Ipsissimus:von Geburt an taube Menschen können sehr wohl Musik genießen^^ als allermindestes sind sie Rhythmus-sensitiv, spüren die Erschütterungen und sind dabei zu teilweise extremen Detailauflösungen (hinsichtlich der Zuordnung zu bestimmten Instrumenten auch in rhythmischen Mischungen) fähig

Ist mir bewusst ,-)

Gibt ein wunderbares Lied von Grönemeyer zu diesem Thema:

Sie sitzt den ganzen Tag auf ihrer Fensterbank
Lässt ihre Beine baumeln, zur Musik
Der Lärm aus ihrem Zimmer macht alle Nachbarn krank
Sie ist beseelt, lächelt vergnügt

Sie weiß nicht, dass der Schnee lautlos auf die Erde fällt
Merkt nichts, vom Klopfen an der Wand

Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist
Das ist alles, was sie hört
Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist
Wenn sie ihr in den Magen fährt
Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist
Wenn der boden unter den Füßen bebt
Dann vergisst sie, dass sie taub ist

Der Mann ihrer Träume muss ein Bassmann sein
Das kitzeln im Bauch macht sie verrückt
Ihr mund scheint vor lauter Glück, still zu schrein
Ihr Blick ist der Welt entrückt

Ihre Hände wissen nicht, mit wem sie reden soll`n
Es ist niemand da, der mit ihr spricht

Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist
Das ist alles, was sie hört
Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist
Wenn sie ihr in den Magen fährt
Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist
Wenn der boden unter den Füßen bebt
Dann vergisst sie, dass sie taub ist



Zitat von e-noon:(..) es ist nicht denkbar (...)

(aus dem Zusammenhang gerissen, bitte um Verzeihung. Dennoch..)
Ein wunderbare Aussage unter diesem Gesichtspunkt. Gehört Vorstellung zum Wissen dazu? Eine Grenze für "Wissen"?



Zitat von e-noon:@Aydee: Für mich ist "Wissen", wie ich schrieb, etwas, das man beweisen kann, und man kann nichts beweisen ^^ weil die Sinnesdaten einen täuschen könnten und auch sonst alles eher unsicher ist. Also kann nicht nur dieser Taube es nicht wissen, sondern prinzipiell niemand kann es wissen.

Ja, das schriebst du.
Damit definierst du Wissen imo als sehr subjektiv und abstimmunbsgedürftig. Wird ein Beweis akzeptiert? Von wem? Unter welchen Bedingungen?

Wie ist das dann eigentlich mit deiner Intuitioin? Intuition *weiß* auch, und wann kann etwas Intuitives bewiesen werden?
Ich bin eher intuitiv, ich *weiß* Dinge obwohl ich sie nicht beweisen kann. Logisch veranlagten Menschen in der Regel sowieso nicht ,-)

Guru Guru
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Mo 18. Jun 2007, 16:46 - Beitrag #18

hmmmmmm .... Wo, e-noon, liegt der erkenntnisgewinn, wenn du nach der Farbe einer komplett schwarzen Baskenmütze fragst? ;)

Wo es nicht um triviale Selbstverständlichkeiten geht - ein Stuhl ist ein Stuhl ist ein Stuhl und wenn ich mich draufsetze, falle ich nicht durch den im wesentlich leeren Raum - ist der Satz vom ausgeschlossenen Dritten eben nicht mehr anwendbar.
Ist das Licht Teilchen oder Welle?
Ist der Mensch gut oder böse?

Sowohl als auch oder beides oder keines von beiden, wären wohl die Antworten auf beide Fragen - also ist die Baskenmütze doch sowohl komplett rot als auch komplett schwarz ;)

e-noon
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Mo 18. Jun 2007, 17:46 - Beitrag #19

Wo es nicht um triviale Selbstverständlichkeiten geht - ein Stuhl ist ein Stuhl ist ein Stuhl
Genau darum geht es aber ^^ Ein Stuhl ist ein Stuhl ist keine Aussage, die noch niemand in Zweifel gezogen hätte. Wir bauen unser gesamtes Weltbild auf trivialen Selbstverständlichkeiten auf,
Stuhl = Stuhl, Stuhl != Nicht-Stuhl, also Objekt = entweder Stuhl oder Nicht-Stuhl,
die wir letztlich nicht beweisen können.
Ist der Mensch gut oder böse?
Der Satz des ausgeschlossenen Dritten sagt auch nur, dass von zwei sich widersprechenden Aussagen (ganz rote Mütze != ganz schwarze Mütze) maximal eine wahr sein kann. Mehr nicht.
Ich bin für Gegenbeispiele offen ^^

Guru Guru
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Mo 18. Jun 2007, 19:01 - Beitrag #20

Die rote Mütze ist nur dann rot, wenn Licht darauf fällt.
Kein licht - ganz schwarz und gleichzeitig ganz rot ^^

Und das Licht ist mal ganz Welle und mal ganz Teilchen und mal beides

Und der Mensch mal gut, mal böse, mal beides

Und Objekt= Baumstumpf=Stuhl=ich kann mich draufsetzen, ohne durchzufallen, obwohl Baumstumpf!=Stuhl ^^

Es gibt im komplexen Leben, das nicht auf Laborbedingungen verkürzt wird, meiner Ansicht nach, KEINE vernünftige anwendung des ausgeschlossenen dritten ;)

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