janwModerator


Beiträge: 8488Registriert: 11.10.2003
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Philosophie bedeutet "Liebe zur Weisheit", und es gilt in ihr, frei nach meinem Lexikon zitiert, der Grundatz, daß nichts, was einer geistigen Orientierung dienlich ist, einem philosophischen Diskurs entzogen werden kann und soll.
In diesem Sinne ist die Philosophie voraussetzungslos, im Gegensatz zu den Naturwissenschaften, die auf grundlegenden Axiomen aufbauen.
Maurice, ich würde es mal mit folgendem Bild vergleichen:
Stell Dir vor, Du lebst in einem engen Tal. Du hast dort Wiesen und Weiden, auf denen jahraus, jahrein deine Kühe grasen, einen Bach, dessen Wasser du trinkst, und der Wald an den Hängen liefert Dir das Holz zum bauen und heizen.
Diese Konstanten sind Deine Axiome, Du kannst Dein Leben und die dazu nötigen Handlungen auf ihnen aufbauen und gut damit leben, der durch die Hänge und die beiden Schluchten oberhalb und unterhalb Deines lieblichen Talabschnittes begrenzte Bereich ist Deine Welt.
Es braucht Dich nicht zu interessieren, ob jenseits der Hänge ein weiteres Tal kommt, ob der Bach irgendwo und von wo herkommt und wohin er fließt.
So kann man durchaus ein Leben lang Naturwissenschaft treiben, ohne zu fragen, ob es eine Welt jenseits des Definitionsbereiches der Axiome gibt, Du brauchst Dir noch nicht einmal bewußt zu werden, daß Deine Axiome einen begrenzten Gültigkeitsbereich haben.
Du kannst aber durchaus irgendwann merken, daß der Bach zeitweise viel Wasser liefert, und dann irgendwann in einem Jahr fast versiegt. Dann wirst Du vielleicht merken, daß der Bach von irgendwo kommt, wohin Du nicht gelangen kannst. Die Schlucht, aus der das Wasser kommt, machst Du Dir nun zum Sitz der großen Gottheit, der Du nun Opfer bringst, auf daß immer Wasser fließen möge. Und siehe da, das Wasser fließt immer ausreichend, weil eine so großen Dürre so nur alle 500 Jahre auftritt.
Bingo, Du hast eine primitive Religion entwickelt.
Damit gibt es jetzt Axiome, die scheinbar grundständiger sind, als Deine bisherigen, aber dies gilt nur für den Bach. Du hast jetzt mit der Religion eine Philosophie über das Wesen des Baches entwickelt, in dem Du ihn für göttlich bedingt ansiehst. Die Wiesen, der Wald, die Kühe "sind" aber nach wie vor nur, ob sie die einzigen auf der Welt sind oder ob außerhalb Deines Betrachtungsraumes noch mehr davon vorkommen, fragst du Dich nicht.
Bis zu dem Tag, wo du findest, Du möchtest gerne mal einen anderen Blick auf deine Welt werfen, sehen, wie sie zusammenhängt, und Du den Berg hinauf gehst.
Erst da fängst Du an, philosophisch zu denken, und Du kannst durchaus vom Gipfel des Berges sehen, daß es außerhalb Deines Tales so weiter geht, das nächste Tal, dann wieder ein Berghang..., und sagen, daß du Dich in Deiner kleinen Welt eigentlich am wohlsten fühlst.
Du kannst aber auch beschließen, in das nächste Tal hinab zu steigen, und siehst dort, daß dort die Wiesen gemäht werden und Kühe aus großen Ställen muhen. Die Hänge sind aber ebenso wie bei Dir mit Wald bestanden, und im Tal fließt ein Bach. Man kann also genausogut die Kühe im Stall halten und dort füttern. Man muß dann aber die Wiese mähen und das Gras trocknen.
Deine Lebensweise hat also bestimmte Bedingungen, wie Dir jetzt klar wird, Deine Axiome sind teilweise begrenzt. Die Erkenntnis der Bedingheit Deiner Grundlagen ist eine philosophische Erkenntnis. Du brauchst sie aber nicht zum täglichen Leben, solange Du Dich immer im Definitionsbereich Deiner Axiome bewegst.
Du kannst also weiterhin leben, ohne Philosophie zu treiben.
Und die Metaphysik?
Die allgemeine Metaphysik in Deinem Sinne liefert die Erkenntnis, daß es jenseits Deiner Welt noch eine andere gibt, oder Deine Welt Teil eines größeren Ganzen ist.
Die spezielle Metaphysik in Deinem Sinne fragt jetzt nach dem Sein dessen, was außerhalb Deiner Welt ist, die theologische kommt dabei zur Erkenntnis des Gottes in der Schlucht und die kosmologische stellt Deine Welt in den Zusammenhang des großen Ganzen und fragt nach dem Sein des großen Ganzen und Deiner Stellung darin.
Für Dein tägliches Leben, gewissermaßen die Physik, ist all das unerheblich.. Wenn Du nur die Kühe auf die Weide treibst, sie melkst, für Kälber sorgst, im Wald Holz schlägst und trocknest, wirst Du immer Milch haben und Käse, wenn du diesen herstellen kannst, gelegentlich Fleisch und Pelze und im Winter nicht frieren.
Ganz ohne Philosophie.
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