Sozialer Utilitarismus

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Padreic
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Do 24. Jun 2004, 19:40 - Beitrag #21

@Maurice
Natürlich achtet man auch die Sklaven als Menschen. Aber man achtet auch die anderen, denen es ja, um das Sklaventum utilitaristisch zu rechtfertigen, dadurch wesentlich besser geht. Normalerweise würd man aber wohl sagen, dass es den Sklaven so viel schlechter geht, dass das das bisschen angenehmere Leben der Anderen nicht rechtfertigt. Eine extreme Benachteiligung von Minderheiten wird durch den Utilitarismus im Allgemeinen nicht gegeben. Jedenfalls in einem nach für meine Verhältnisse einigermaßen vernünftigen Utilitarismus, der auch qualitative Unterschiede zwischen Gütern berücksichtigt (ich dürfte z. B. meine Oma nicht umbringen, nur um zu erben). In irgendeiner kohärenten Form lässt sich der Utilitarismus aber IMHO eh nicht mit unserem Gewissen und der Praxis vereinbaren.

Von deinen Vorstellung halte ich als gesellschaftliches Prinzip durchaus nicht wenig. Gegenüber dem Ideal der Nächstenliebe, was ich als ethische Grundlage für den Einzelnen eigentlich vorziehe, hat es wohl den Vorteil der leichteren Durchführbarkeit und für den Staat ist Nächstenliebe im eigentlich Sinne ohnehin nicht praktizierbar, im Gegensatz zu deinen Anschauungen, denke ich.

Padreic

Maurice
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So 27. Jun 2004, 22:45 - Beitrag #22

Eine extreme Benachteiligung von Minderheiten wird durch den Utilitarismus im Allgemeinen nicht gegeben.

Dies ist aber im klasssichen Utilitarismus theoretisch aber durchaus möglich. Ich glaube es war sogar Bentham der Begründer des Utilitarismus, der gesagt hat, dass man durch eine Tabelle ermitteln könne was das jeweils nützlichste. Man solle in ethischen Konflikten einfach auf den jeweiligen möglichen Nutzen der Beteiligten schauen, diesen in Zahlen ausdrückken und dann sehen welche Entscheidung den größten Gesamtnutzen erbringe. Eine Minderheit stark zu benachteiligen, wenn viele davon profitieren würden, wäre demnach völlig legitim.
Wir sind uns wohl einig, dass diese Sicht der Dinge für gesellschaftliche Entscheidungen viel zu leicht zu kurzsichtig ausfallen würde. Man kann nicht einfach nur danach gehen, wer in einer Situation den momentan höchsten Nutzen von einer Entscheidung hätte, man muss auch das Gesammtwirken der Entscheidungen berücksichtigen. Dies ist natürlich sehr schwer und in seiner Gesamtheit wohl oft nicht durchführbar, aber es muss das Bestreben geben Entscheidungsfragen in einem weiten Kontext zu betrachten.

Die Unterrichtseinheit liegt für mich schon ein bisschen zurück, ich hoffe ich habe jetzt nichts falsches gesagt, ich habe das eben nur so in Erinnerung.

Damit Utilitarismus in meinen Augen praktikabel sein kann muss natürlich eine Wertegrundalge existieren. Diese aber soll eben nur Grundlage sein, eine Plattform sozusagen und nicht in allen belangen den Menschen diktieren. Und auch diese Grundlage muss diskutierbar bleiben. Sie soll nicht bei der nächstbesten Gelegenheit umgestoßen werden, aber offen sein für mögliche Veränderungen.

Der Begriff des Staats ist oft etwas ungenau. Der Staat wird oft mit der Politik gleichgesetzt und so verwenden wir den Begriff meistens auch, aber im Grunde ist ein Staat eine Gemeinschaft von Menschen innerhalb von geographischen Grenzen. Der Staat sind letzten Endes wir. Das wir den Begriff anders und somit eigentlich falsch verwenden ist nicht ungewöhnlich, da wir mit Staat Poltik und mit Politik, Politiker und nicht den einzelnen Bürger assozieren. Das Thema wäre aber wohl schon einen eigenen Thread wert, aber imo nicht uninteressant. :)

Bowu
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Mi 30. Jun 2004, 11:37 - Beitrag #23

Mir ist nur noch immer nich ganz klar, wie du das Problem der Übersicht lösen willst.

Die Annahme, das der Staat den Nutzen/Schaden relativ objektiv und weitläufig feststellen kann, ist vielleicht nicht soo utopisch.
Das das Individuum aber solch ein weites Blickfeld hat scheint mir dagegen sehr utopisch.
Wenn also der Utilitarismus ein Werkzeug des Staates wird, wie vermeidet man, das die Bürger sich das Werkzeug abkucken, und mit ihrer begrenzten Wahrnehmung den Utilitarismus benutzen.

riskiert man wenn man das "sozial" dieses Utilitarismus diskutierbar macht, nicht den Wegfall desselben?

Maurice
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Mi 30. Jun 2004, 12:10 - Beitrag #24

Eine kleine Utopie

Natürlich muss auch das "sozial" bei diesem Utilitarismus diskutierbar bleiben. Aber nehmen wir an das "sozial" würde wegfallen, wie könnte man dann noch von einem "sozialen Utilitarismus" sprechen? Das wäre ja wie soziale Marktwirtschaft ohne sozial. Wir verstehen uns? :D

@Bürger und Politik: Selbst die Politik kann nicht sicher den Allgemeinnutzen immer bis ins Detail voraussehen. Das Wichtige ist mir eben das Bestreben zu haben das Nützlichste für den Staat (im Sinne von Gesellschaft allgemein udn nicht nur der Politik) anzustreben und diesen utilitaristischen Gedanken als Doktrin zu haben und nicht die Werte auf denen er aufbaut. Nicht das hier etwas missverstanden wird, ich will nicht dass sich die Politik über die eigenen Werte hinwegstetzt, denn dann würde das gemeinsame Werteverständnis als Plattform keinen Sinn mehr machen. Die Gesellschaft sollte sich aber mit einer deontologischen (prinzipiengerichteten) Moral nicht im Vorfeld so stark festlegen, dass es sich den eigenen Handlungsspielraum stark selbst beschneidet. Was ich mit der utilitaristischen Doktrin meine ist, dass wenn es ein Problem gibt nicht nur auf zu fragen, ob die Ideen falsch sind, sondern auch die Werte die den Ideen im Weg stehen in Frage stellen. Ich betone nochmal, dass die Werte nicht bei der nächstbesten Gelegenheit umgeworfen werden sollen und auch nicht dürfen, wenn das System irgendeinen Bestand haben will, sondern nur dass die Werte diskutier- und änderbar bleiben. Im Normalfall sollte die Werteplattform auch so durchdacht sein, dass sie Regeln für das Zusammenleben vorgibt und dennoch genug Spielraum für den Utilitarismus bietet. Kommt es zum Konflikt so zieht eher die Idee den Kürzeren, denn die Plattform zu ändern ist immer ein einschneidender Schritt. Sollte sich aber herausstellen, dass die Idee durch die Werte blockiert werden, die Idee aber von so einem allgemeinen Nutzen wäre, dann muss man in diesem System ernsthaft über die Änderung der Grundlagen diskutieren.

Der Staat kann die Folgen der Ideen (also im Sinne von politischen Reformen) nicht ins letzte Detail voraussehen und er kann sogar mit seiner Prognose falsch liegen, aber das wichtige ist eben der utilitaristische Gedanken.
Ich verstehe nicht ganz was es für ein Problem geben soll, wenn die Bevölkerung die Methoden des Staates übernehmen sollte. Nein sie soll sie gar nicht übernehmen, sie sollte es ihm wenn möglich immer gleichtun. Die Frage ist wäre nicht nur "was ist für mich das Nützlichste?", sondern "was wäre für mich und die anderen Menschen das Nützlichste?". Ich will keinen kommunistischen Staat wo der Mensch sich selbst aufgeben soll um sich für die Gesellschaft aufzuopfern, nein jedem sollte das eigene Befinden genauso wichtig sein wie das der Anderen und umgekehrt. Natürlich wird das so kaum 1zu1 realisierbar sein, aber es geht hier ja letzten endes um eine Utopie und deren Ideal. Was mir aber wichtig ist, ist dass deutlich wird, dass dies keine klassische Utopie im Sinne einer Insel "Utopia" ist, sondern (wie ich meine) relativ realistisch ist. Ich hoffe das seht ihr nicht völlig anders. :)

Bowu
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Mi 30. Jun 2004, 12:59 - Beitrag #25

Naja eine Utopie ist es (und bleibt es) solange du keine Werkzeuge aufzeigst um das Ideal zu erreichen.
(Ja das ist eine Aufforderung nachzulegen ;) )
Ich denke zum "Utilitarismus" brauch man zumidnest die westeurop. Kultur kaum noch hinführen, aber die Verbindung desen mit sozialen Aspekten scheint da schon schwieriger.

Ich kann eigentlich aus dem Ideal nichts schlechtes rauslesen, ausser ich stell mich böswillig, und das will ich irgendwie grad nich :)

Das mit der Ebene der Indiviuen meinte ich so, das jeder wohl den Nutzen für sich relativ deutlich abschätzen kann, den Nutzen für sein soziales Umfeld vielleicht auch noch, aber wenn es um den Nutzen für die Gesellschaft im Ganzen geht, würde ich der Gesellschaft jetzt einfach unterstellen im grossen und ganzen weder Ahnung noch Interesse zu haben, und frage mich, mit welchen Mitteln du diese Faktoren "gradebiegen" willst...

Maurice
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Mi 30. Jun 2004, 13:41 - Beitrag #26

Wer nach dem Nützlichsten für sich und sein soziales Umfeld strebt, strebt imo automatisch auch nach dem Nützlichsten der Gesellschaft. Wenn du positiv auf dich und dein Umfeld wirkst kann sich das doch kaum schlecht auf die gesamte Gesellschaft auswirken. Der Bürger muss nicht wissen welche Handlung seinerseits den größten Nutzen für den Staat darstellen würde, das kann er wie du schon sagst in den meisten Fällen kaum wissen. Durch sein positves Verhalten auf seine nähere Umgebung und dem Willen den Staat nicht aktiv zu schaden, erfüllt er für mich seine Verantwortung schon. Einleuchtend, oder? :)

Ich denke zum "Utilitarismus" brauch man zumidnest die westeurop. Kultur kaum noch hinführen, aber die Verbindung desen mit sozialen Aspekten scheint da schon schwieriger.

Die Poliker sagen zwar immer sie wäre um das Wohl der Bürger besorgt, aber im Grunde geht es ihnen doch oft allein nur um ihr eigenes Wohl. Da werden Wahlversprechen gebrochen, Blockadepolitik betrieben, andere Parteien und Politker niedergemacht, Entscheidungen aus reinem Aktionismus getroffen. Da lese ich nicht das Betreben raus für das Allgemeinwohl zu kämpfen, sondern um das jeseinige. Nein Utilitarismus ist dies nicht, zumindest keiner der über einen eindimensionalen Egoismus hinausgeht.

Wie man meine Utopie erreichen könnte? Tja das ist wohl immer das Schwierigste bei solchen Staatsidealen. ;)
Der Mensch betreibt sehr oft Modelllernen, er nimmt sich also ein Beispiel an einer Vorlage und imitiert das Verhalten. Das Vorbild muss also ein positives Verhalten haben, damit der Mensch wenn er Modelllernen betreibt ein positives Verhalten an den Tag legt. Hier mangelt es schon imo in unserer Gesellschaft, nämlich an guten Vorbildern. Wenn sich die Menschen die Politker als Vorbild nehmen führt dies auf Grund ihres schlechten Image oft zu keinen besseren Verhalten. Die Politker veraraschen und nur, dann verarsch ich sie auch. Keine wirklich gesamtfördernde Sicht, aber eine imo verständliche. Neben den Politkern, die als öffentliche Personen die ein Vorbild darstellen können, stehen an zweiter stelle die Prominenten. Sehr viele von diesen "Prominenten" haben dieses Prädikat, weil sie entweder sehr erfolgreich, sehr reich oder auf irgendeine Art sehr bekannt geworden sind. Aber wer davon ist schon wirklich ein Vorbild? Verkörpern diese doch meist immer nur das selbe kapitalistische Ideal von Erfolg, Geld, Macht und Enerkennung. Ich will hier nicht gegen den Kapitalismus wettern und diese vier Aspekte halte ich auch für erstrebenswert, aber diese vier reichen nicht aus. Und wenn ein Promi XY mal wieder ein paar krebskranke Kinder besucht, dann ist das für mich in erster Linie Imagearbeit und ich unterstelle den meisten, dass dahiner keine echte Überzeugung steckt. In unserer Familie ist der Status der Familie wohl so gering wie noch nie, an positiven Vorbildern aus den eignen Reihen mangelt es demnach auch häufig.
Das wäre eine Möglichkeit ein bisschen auf das Ideal hinzuarbeiten, indem sich wieder richtige Vorbilder für die Gesellschaft etablieren. Was das Thema Vorbilder angeht wäre das schon einen eigenen Thread wert. :)
Zum anderen muss die Poltik wieder an Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Gesellschaft gewinnen. Da lässt sich wohl nur hoffen, dass mit der Zeit ein paar kompetentere Politker an die Spitze kommen. :shy:
Und last but not least, natürlich das Bestreben der Menschen, wenn sie einen Mündigkeitsanspruch erheben, ein bestimmtes Maß an Reflektion zu praktizieren.

Das sind die Punkte die mir auf die Schnelle einfallen, aber da kommt bestimmt noch was dazu mit der Zeit. Für den Anfang aber besser als nichts. ;)

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