Der Weg ist das Ziel

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Milena
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Mi 26. Jan 2005, 15:39 - Beitrag #21

darf ich auch etwas zu Rainer Maria Rilke
beitragen...?
vielleicht mit einem Ausschnitt aus einer
seiner Aufzeichnungen....:
...habe ich es schon gesagt?
ich lerne sehen. Ja, ich fange an.
Es geht noch schlecht.
Aber ich will meine Zeit ausnutzen.
Dass es mir zum Beispiel niemals zum Bewusstsein gekommen ist,
wieviel Gesichter es gibt.
Es gibt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr Gesichter,
denn jeder hat mehrere.
Da sind Leute, die tragen ein Gesicht jahrelang,
natürlich nutzt es sich ab,
es wird schmutzig,
es bricht in den Falten,
es weitet sich aus wie Handschuhe, die man auf der Reise
getragen hat.
Das sind sparsame, einfache Leute;
sie wechseln es nicht,
sie lassen es nicht einmal reinigen.
Es sei gut genug, behaupten sie,
und wer kann ihnen das Gegenteil nachweisen?
Nun fragt es sich freilich,
da sie mehrere Gesichter haben,
was tun sie mit den andern?
Sie heben sie auf.
Ihre Kinder sollen sie tragen.
Aber es kommt auch vor, dass ihre Hunde damit ausgehen.
Weshalb auch nicht?
Gesicht ist Gesicht.

janw
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Do 15. Mär 2007, 23:36 - Beitrag #22

Läuft Rilkes Forderung nicht auf Wu wei hinaus, auf "Im Nicht-Handeln ankommen" ?
Geringer werden und wieder geringer werden,
um zum Nicht-Handeln zu kommen.
Nicht-Handeln
und nichts bleibt ungetan.

(Daodejing 11/48)

Ipsissimus
Dämmerung
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Fr 16. Mär 2007, 12:17 - Beitrag #23

es hat was davon^^

henryN
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Fr 16. Mär 2007, 15:36 - Beitrag #24

oh wei, da bin ich unterwegs und verpasse fast die schönsten threads. nachfolgendes sollte eigentlich woanders hin, passt aber vielleicht auch hier. Manchmal hat man auch auf der langen Autobahn Muße, und die Zeit vergeht viel schneller odr ist nicht spürbar, weil.... nicht das Ziel in den Augen.

Zufall, es fällt Dir zu, wenn Du es zuläßt... (eins meiner Lebensmatras ;) )

Ich bin Schütze, und im psychologischen Sinne hätte ich immer behaupten können, ich bin Schütze, Schütze. D.h. ohne Ziel, kein Grund der Bewegung, keine Richtung der Bewegung, keine Zeit. Die Erreichung des Ziels wird als Erfüllung bzw. danach als Langeweile erfahren. Ein Leben ohne Ziel, ohne Perspektive = Depression. Im Nachhinein betrachtet, war dies die beste Strategie sich am weitesten wie nur möglich von sich Selbst zu entfernen. Die Konzentration auf das Ziel, erfordert die Vorwegnahme, der Struktur des Zukünftigen im Jetzt. D.h. ich muß im Jetzt eine hohe Energie aufbringen, Möglichkeiten und Komplexität auszuschalten bzw. zu reduzieren.
Einmal in komplexer Form ins "Hirn eingebrannt" als Entsprechung, findet nur noch das Zugang, was sich an die Zielerreichung "anschließen" läßt.
In diesem Sinne gibt es Anfang und Ende des Weges. Je weiter beide Punkte auseinander liegen, desto
simpler die Projektion des Weges dazwischen im Jetzt. Einfachste Form, Geburt-Tod.
Anders formuliert, könnte man auch sagen, je stärker das Ziel, je stärker der Zeitstrahl, der aus dem Jetzt ins Zukünftige reicht, desto stärker der erfahrene "Dualismus".
Ein gegenteiliges Bild für mich war immer das Segeln auf etwas größeren Schiffen. Auf den Brettern immer angekommen und zu Hause und dennoch immer unterwegs.
Ich muß das Bewußtsein hier als eigene Welt herausnehmen. (Worin liegt da der Fehler?)
Ich kann mich bewegen von A nach B, ohne daß ich die Bewegung in mein Bewußtsein integriere. Bleibe also gleich, ohne Veränderung in Bezugnahme auf die Bewegung im Raum. Ich könnte ein bißchen davon zulassen, oder es überhaupt einfach nur zulassen, dann bin ich dennoch unterwegs, oder ich blende es komplett aus, und wundere mich, daß die "Seele" nicht schnell genug hinterherkommt. ;)

Die Binsenweisheit sagt aber: Der Weg sei das Ziel. Ich würde sagen, er ist nicht mal das, er ist einfach nur Weg.
Weg ist für mich heute übertragen gesagt, erfahrener Informationsaustausch und Wandel, der sich in der Komplexität des Systems Denken wiederspiegelt. Dieses findet im Hier und Jetzt statt. (Sozusagen erfahrene Zeit, nicht einfach nur als Anfang und Ende, sondern versehen mit den Eigenschaften Dauer, Dimensionaliät, Rhytmik...) Ich entwickle eine Prozessdynamik innerhalb des Denkens, die es mir ermöglicht,
komplexe Systeme "intuitiv", d.h möglichst weitreichend in der Erkenntnis über die Verbindungen zur Umwelt und die Potentiale der stattfindenden Bewegungen wahrzunehmen. Dies erfordert allerdings eben genau das Gegenteil von Reduzierung von Komplexität in Form von, Kernsätzen, Antworten, klaren Zukunftsprojektionen. Es ist eher ein komplexes System aus Dynamiken im Denken und Wahrnehmen die verschiedene Zeitläufe ermöglichen, aber dennoch die eigene Farbe behält. Die Wahrnehmungsfähigkeit bleibt erhalten, und erweist sich im Lauf der Zeit. Hat Ausstrahlung oder nicht.
Diese Art des Denkens ist "auf dem Weg".

Vieleicht ist das auch eben jener Grund, warum sich der "Wissenschaftler" oder Mönch aus dem Strom der Zeit, des alltäglichen, herauszieht, in einer bestimmten Form des Denkens herausziehen muß (die Schola), aus Angst vor dem Zwang der Zukunft im Denken des Jetzt?
Hat es auch mit dem Denken des Weges zu tun?
Zen und Buddhismus, tun für mich auf eine Art das gleiche. Allein die Begrifflichkeiten verursachen immer ein ungutes Gefühl, da es immer schon eine Projektion auf Zukunft ist, auf ein bestimmtes Denken und Verhalten. Es sind für mich Extremformulierungen, die sich mE auch nur selbstreferentiell bestätigen.

Weg ist nicht nur der Raum zwischen A und B. Es müßten eigentlich alle Dimensionen, des Raumes und der Zeit (wie in der Physik) mitgedacht werden.
Zen und andere sind für mich eine ideale Form, wirklich "unterwegs" sein zu können, alle Dimensionen in der Wahrnehmung zu erfahren, obwohl es natürlich dabei keine Handlungsanweisung mehr sein darf (sondern von innen heraus als komplexes Wissen, gelebt - obwohl Wissen ist auch das verkehrte Wort).
Die Loslösung von dem Gedanken des Handelns, Willens und der Projektion von Zuständen aus Vergangenem oder Zukünftigen, eröffnet dem wahrnehmenden Subjekt die Fähigkeit, im Strom der Zeiten bzw. in den Wegen, die Potentiale und Energieflüsse des Lebens wahrzunehmen und darin einzugreifen, zu "wirken".

Ziel ist das Gegenteil von Weg. Es eleminiert Raum und Zeit, und all deren Eigenschaften. Ist somit "tot", bzw. nicht-lebend.

Aydee
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Fr 16. Mär 2007, 18:50 - Beitrag #25

"Ich muß das Bewußtsein hier als eigene Welt herausnehmen. (Worin liegt da der Fehler?)"

Du kastrierst dein Ich ,-)



"Ziel ist das Gegenteil von Weg. Es eleminiert Raum und Zeit, und all deren Eigenschaften. Ist somit "tot", bzw. nicht-lebend."

vielleicht überlese ich deinen Gedanken, kann ihn nicht fassen, aber.... das ist imo zu absolut, und einseitig. Wenn du an einem Ziel bist, ist das nicht auch ein gutes Gefühl angekommen zu sein? und schafft das Angekommensein, das Erreichthaben nicht "Platz" für neue Ziele, neue Wege (zu gehen)?

Ziele zu haben an sich ist nichts verkehrtes, aber sein Jetzt auf diese Ziele zu konzentrieren eher schon


Was genau ist denn mit Nicht-Handeln gemeint?

henryN
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Fr 16. Mär 2007, 19:33 - Beitrag #26

Zitat von Aydee:[i]
vielleicht überlese ich deinen Gedanken, kann ihn nicht fassen, aber.... das ist imo zu absolut, und einseitig.


Ja leider. Das stimmt. Die Formulierung übersteigt leider nich nicht die Komplexität des Ziel-Begriffs.

Zitat von Aydee:[i]
Wenn du an einem Ziel bist, ist das nicht auch ein gutes Gefühl angekommen zu sein? und schafft das Angekommensein, das Erreichthaben nicht "Platz" für neue Ziele, neue Wege (zu gehen)?


leider nur begrenzt, und eigentlich bin ich es müde, immer wieder neue Wege gehen zu wollen, obwohl es unter solchen Voraussetzungen das beste Gefühl vermittelt....

Vielleicht ein anderes Beispiel. Ein Ziel ist für mich soetwas wie ein in einen lebendigen Organismus einoperierter lebloser Gegenstand. Es wäre interessanter etwas zu denken, was sich wie ein eigener lebendiger Organismus in den anderen einwebt, verwebt und sich selbständig erhält und bewegt. Ähnlich einer DNA. Zeit und Weg sind in Form von Information in einem JetztZustand enthalten. Der Organismus der daraus entsteht lebt selbst, bewegt und verändert sich.....

Zitat von Aydee:[i]
Was genau ist denn mit Nicht-Handeln gemeint?


ich glaube, handeln im Sinne von Fortsetzung eines Willens, unter Annahme, daß dieser Wille, herausgelöst ist aus dem Netzwerk der "Verbindungen"
Ich bekomme dabei immer echte Kopfschmerzen.....;)

avenga
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Sa 17. Mär 2007, 18:33 - Beitrag #27

Stimmt auch. "Ziel" ist für mich das, was ich erreichen will. Und das kann Jeder selbst bestimmen.

Wenn ich zum Beispiel einen neuen Weg des "strukturierten Arbeitens" gehen möchte, dann versuche ich als Ziel "feste und dauerhafte Arbeitsstruktur" einzugeben. Ähnlich wie bei einem Routenplaner.
Ich lege mir also im Kopf meinen "inneren Routenplaner" fest. Ich programmiere mir das also ein, egal, ob ich ein "lebender Organismus" bin oder nicht.

Das Handeln ist mehr "Programmierung" als ihr denkt.

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