Zuerst noch einmal zu dem Punkt, ob alle oder zumindest die meisten Menschen implizit eine absolute Moral vertreten: ich gestehe zu, dass es Menschen gibt, die das nicht tun (was nicht heißt, dass alle, die von sich behaupten, Wertrelativisten zu sein, dies auch praktisch wirklich sind). Ihnen würde ich einen ähnlichen Status wie Solipsisten oder ähnlichem zusprechen.
@Maurice:
Ich benutze "echt" für gewöhnlich im Sinne von "real" also "existent". Dass für dich subjektive Werte auch existieren, wirst du wohl kaum bestreiten. Gehe ich richtig in der Annahme, dass "echt" bei dir soetwas wie "authentisch" bedeutet?
Ich benutze in diesem Fall 'echt' so wie 'eigentlich'. D.h. dass ich bloß subjektive Werte eigentlich nicht mit diesem Wort belegen würde, höchstens "metaphorisch".
Ist übrigens jedes Gemälde, das existent ist, für dich auch echt?

Was würde es denn für dich bedeuten, wenn es (in deinem Sinne) keine "echten" Werte geben würde? Wäre das schlimm?
Ja. Wenn es keine echten Werte gibt, wird jede Bewertung rein willkürlich, d.h. ich könnte bei allem
genauso gut sagen, dass es gut ist, wie das es schlecht ist, dass es tuenswert ist, wie, dass ich es lassen sollte. Da ich mir durchaus die Macht zuschreiben würde, meine Wertvorstellungen in gewissem Maße zu ändern, würde es mich auch nicht trösten, dass ich naturgemäß eine Neigung dazu habe, mich dem zuzuwenden, was mich glücklicher macht.
Ich wüsste nicht mehr, was ich tun sollte (ein Problem, das ich lokal schon leidvoll genug erfahren hab), außer vielleicht mich meiner naturgemäßen Neigung gemäß so zu betäuben, dass mir dieses Bewusstsein des "Alles ist gleich." nie wieder in den Sinn kommt und ich irgendwie meines Weges gehen kann.
Das musst du mir (und wohl auch manch anderen hier) nochmal genauer erklären.
Müsste damit nicht wieder der Mensch als Ausgangspunkt von Moral stehen und somit Moral fast unrettbar wieder subjektiv werden?
Hm, so meinte ich das nicht. Werte als eine externe Sphäre. Das meinte ich. Die vom Menschen in gewissem Maße wahrgenommen werden kann. Das ist aber mehr ein Gedankenspiel als eine festgefügte Meinung.
Denkbar wäre auch eine Art von aristotelischen Telos, ein jedem Menschen innewohnender Zweck, den er auszufüllen hat. Wobei es mir etwas unsympathisch ist, wenn es so festgefügt wird. Eher frei gedacht. Dass, wenn man ihm zuhört, ob ein bestimmter Weg gut ist.
Zu den Handlungstheorien: damit hab ich mich bisher noch kaum auseinandergesetzt. Ich meine aber nicht, dass da ein Widerspruch in deinem Beispiel ist, dass sich die Neigung gegen die Vernunft durchgesetzt hat oder dass der eine Wunsch einfach stärker war als der andere. Wünsche haben ja auch Herkunftsquellen und Kant betrachtet die Herkunftsquellen, während Hume anscheinend bei den Wünschen stehenbleibt. [da es nur auf sehr mangelhafter Kenntnis beruht, soll das keine Kritik an Hume sein]
Vernunftergründungen können eben auch "Wünsche" (in einem weiteren Sinne) produzieren. Aus dem Ziel, gesund zu sein, leitet der Verstand den "Wunsch" ab, einen Apfel statt Schokolade zu essen. Obwohl ich das Wort 'Wunsch' dann hier für deplatziert halte, da man es wohl kaum als Wunsch ansieht. Das Wort Interesse finde ich aber auch nicht gut gewählt, da ich eine instinkthafte Neigung nicht guten Gewissens als 'Interesse' bezeichnen könnte. Nunja, sich in Sprache auszudrücken, ist immer schwer

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Noch drei kurze Gedanken.
1) Um den Wertrelativismus abzulehnen, reicht es, es für objektiv zu halten, dass in irgendeiner speziellen Situation eine Tat nicht in jeder Hinsicht gut war/wäre. Z. B. wenn man sagt, dass es objektiv nicht in jeder Hinsicht gut gewesen wäre, wenn ich (Padreic) mich heute nach Kräften bemüht hätte, ein Kind zu schänden. Ich denke, man wird zumindest Fälle finden, wo intersubjektive Einigkeit besteht. Ich kann mir zumindest keinen Menschen vorstellen, der sagte, dass es in jeder Hinsicht gut gewesen wäre, wenn ich mich heut nach Kräften bemüht hätte, ein Kind zu Schänden.
2) Ein konsequenter Wertrelativismus muss auch auf's Ästhetische übergehen. Es gibt keinen guten und keinen schlechten Geschmack. Es gibt keinen Grund, jemanden eines Unrechts zu bezichten, wenn er irgendeinen x-beliebigen Schlager über Beethovens Neunte stellt. [ich unterscheide dieses 'über stellen' schon von persönlichen Vorlieben. Man mag mit einer Musik persönlich mehr anfangen können und trotzdem eine andere höher stellen.]
3) Wer ist der Zweifler, der, der zweifelt, ob es richtig ist, was er tut, oder der, der sagt, dass es gut ist, was er tut, weil er es so sagt?
@Bowu
War (normative) Moral für Nietzsche nicht eher etwas für Kranke (für Leute die sie brauchen um nicht abzudrehen)? Hat es laut ihm nicht die Menschen nur dann krank gemacht wenn es ihnen "eingetrichtert" wurde (Weil sie diese Moral dann später wirklich brauchten)?
Ich meine, Nietzsches Wertekritik bezog sich auf die Art der Erziehung - weniger auf den Inhalt.
Ich bin kein Nietzsche-Spezialist, kann dir also auch nur im Ungefähren antworten. Das Wort 'Moral' hat er wohl vor allem mit Sklavenmoral in Verbindung gemacht, die die Kräfte von denen, die vielleicht Möglichkeit zu Höherem hätte, schwächt, ihnen die Säfte trübt. Das meinte ich etwa.
@Ipsissimus
du glaubst, daß eine Moral in die Struktur des Seins hineinverwoben ist?
Ich halte es zumindest für denkbar.
aber letztlich läuft es wahrscheinlich doch darauf hinaus, daß du eine Instanz annimmst, die die absolute Macht hat und dafür eingesetzt hat, eine Moral als absolut verbindlich zu setzen, ein Gott mithin.
Nicht unbedingt. Auch wenn man sich natürlich fragen müsste, wo die Struktur des Seienden herkommt...
Spricht es denn in irgendeiner Weise gegen eine Wertvorstellung, wenn sie widersprüchlich ist?
nein^^ war es das, was ich behauptet hatte?^^
Angedeutet

. Geschrieben hast du: "Werterelativisten haben also öfter die Neigung, bei Werten nicht zu sehen, daß sie nützen, sondern zu fragen, wem sie nützen - und wenn der faktische oder proklamierte Nutzen zu einseitig verteilt ist, den Wert als solchen in Frage zu stellen."
Irgendwo muss diese Neigung ja herkommen. Auf die Frage, ob sie aus dem Glauben an die Werthaftigkeit von Gerechtigkeit kommt, sagtest du, dass es daran liege, dass Gerechtigkeit ein Begriff sei, mit den öfters argumentiert würde. Ich hatte dich dann erst so verstanden, dass die Wertrelativisten es als Problem sähen, wenn jemand mit Gerechtigkeit argumentiert und dessen Wertvorstellungen dann zu Ungerechtigkeit führen. Verstehe ich dich nun richtiger, wenn sie einfach aus Spaß mal hypothetisch die gesellschaftliche Konvention annehmen, dass Gerechtigkeit etwas wertvolles ist und dann damit diskutieren?
Ich habe teilweise immer noch Probleme, die Sprechweisen von Wertrelativisten zu verstehen. Was meinst du z. B. genau, wenn du im "Unruhen in Frankreich"-Thread von den "wirklichen Verbrechern" redest? Meinst du in dem Thread, dass es in irgendeiner Weise falsch ist, "gefügig,leise, zahm und still" als Wert anzunehmen?
eine faszinierende Vorstellung, daß jemand an die Relativitätstheorie glauben könnte^^ und welch Ausbund von Missverständnis, wenn er es tatsächlich täte^^
Ersetzte 'Relativitätstheorie', wenn es dir mehr beliebt, durch 'Die Erde hat in etwa kugelförmige Gestalt.'.
es muss bei der Moral deswegen so sein, weil sie üblicherweise Tür und Tor für die Willkür menschlicher Machtsetzung ist.
Wenn sie als Argument angewendet wird, vielleicht. Mir geht es primär um persönliche Moral.
Und das "Faktische' kann dafür auch gut angewendet werden...s. Propaganda. Man muss einem Menschen gar nicht mal einreden, dass es moralisch toll ist, einem zu gehorchen, es reicht wohl, ihm einzureden, dass er dadurch Wohlstand und Glück bekommt.
Padreic
P. S. Ist man eigentlich seltsam, wenn Postings länger werden als Hausarbeiten?
