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Fr 3. Mär 2006, 14:00 - Beitrag #21 |
Wenn das Verhältnis zwischen Mensch und Gott bei Berkley wie das zwischen Schreiber und Werk ist, ist dann bei Berkley überhaupt Platz für einen freien Willen? Das Verhalten einer Romanfigur wird ja vollständig durch den Schreiber determiniert.
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"Erst der grosse Schmerz ist der letzte Befreier des Geistes, als der Lehrmeister des grossen Verdachtes"
- Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft |
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Fr 3. Mär 2006, 14:09 - Beitrag #22 |
nach meinem Dafürhalten ist das Problem des freien Willens, das bei Berkeley ganz deutlich zutage tritt, das uralte ungelöste Problem der Inkonsistenz der Vorstellungen des Christentums überhaupt. Wenn wir uns das NT genauer anschauen, finden wir gleichermaßen Passagen, aus denen die Eigenverantwortlichkeit der Einzelnen hervorgeht, wie auch Passagen, aus denen hervorgeht, daß der Einzelne gar nichts dagegen machen könne, von Gott für das eine oder andere Schicksal zubereitet zu sein (und deswegen letztlich nur in Zittern und Zagen vor Gott liegen und darum bitten könne, doch zur Gnade zubereitet zu sein - was er/sie wieder nur kann, wenn Gott das schon vorher ohnehin schon gemacht hat).
Vielleicht sagt Padreic noch das ein oder andere Korrigierende dazu, aber nach meinem Verständnis schließen sich Berkeleys Vorstellungen und das Konzept der Willensfreiheit notwendig aus, beide für sich jeweils absolut ernst genommen. |
Wer bist du, dass du die Qual lindern kannst und es nicht tust ...
-------------------------------------------------------------------------- ... nicht das Licht und nicht die Finsternis ... die Schatten, die leisen Übergänge ... |
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Fr 3. Mär 2006, 21:25 - Beitrag #23 |
Diese Überlegung (ich vermute, dass es eher die ist, die du Berkeley unterstellst, als deine eigene?) beruhft auf der "kognitozentrischen" Perspektive, Begriffe wie Beobachtung und Interaktion könnten nur von bewussten Wesenheiten ausgehen. Modern-physikalisch kann man aber auch einfach sagen, dass ein Elektron ein Magnetfeld wahrnimmt, und mit der Präzisierung von "nur was wahrgenommen wird, existiert" zu "nur die Existenz wahrgenommener Dinge ist überhaupt relevant und bestimmt" braucht es keinen ausgezeichneten Ersten Beobachter mehr, und eigentlich wird die ganze Thematik recht tautologisch. Die interessante Fragestellung der Erkenntnistheorie ist also IMHO eher die nach der Erkenntnisqualität denn nach der Beziehung zwischen Erkenntnis und Existenz, denn letztere wird durch eine praktische Definition schon fast automatisch uninteressant. @Ipsi: Natürlich Zustimmung zur Christentumskritik im letzten Beitrag. ![]() |
Year by year, month by month, day by day... Thought by thought. Leonard Cohen
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Fr 3. Mär 2006, 23:18 - Beitrag #24 |
Nun ja, aber nur, wenn man Interaktion als Vorgang mit mindestens einer bewußten Entität ansieht. Die Gravitationswirkungen zwischen Himmelskörpern oder Atomen könnten aber auch auch als Interaktion angesehen werden, dann wäre alles existent, was "in Beziehung zu etwas anderem steht". Sicher würde sich dann aber die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer derart weit gefaßten Seinsbeschreibung stellen...
Stimmt, diese Inkonsistenz ist eine Achillesferse der christlichen Lehre. Allerdings gibt es die reale Erfahrung, daß die eigene Handlungsmöglichkeit begrenzt ist, sehr schnell kommen wir in Bereiche, in denen wir von Zufallsprozessen abhängen. Hier kann man hoffen und bangen, daß sie sich so abspielen, wie es für einen günstig wäre, oder sein Vertrauen auf einen Gott lenken, "der es wohl machen" wird, und der sich nicht als alttestamentarischer rächender Gott darstellt, sondern als liebender. |
Der Fehler ist die Grundlage der Erkennntnis
Heute schon gechattet? Man muss versuchen zu lernen, dass man sein Sein, sein Leben nur suchen kann, indem man für die anderen tätig ist. Darin liegt die Wahrheit. Es gibt keine andere. J.P.Sartre, zit.n. Rupert Neudeck |
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Sa 4. Mär 2006, 11:28 - Beitrag #25 |
wenn wir "Interaktion" als "physikalische Wechselwirkung" auffassen, ist meine diesbezügliche Argumentation in der Tat gegenstandslos; ich habe sie kommunikationstheoretisch aufgefaßt, um damit Berkeleys Gedankensystem besser entschlüsseln zu können, nicht um die physikalische Natur des Universums aus heutiger Sicht zu beschreiben^^
wie siehst du das Verhältnis zwischen Zufallsprozessen und Gott, janw? Aus meiner Sicht hängt das hochgradig von individuellen Auffassungen hinsichtlich des letzteren ab. Ich kenne Christen - und auch Muslime -, die klipp und klar sagen, daß Gott noch die Bewegungsbahn des letzten Atoms eines Wirbels aktiv steuert und daß es nur der Gnade Gottes zu verdanken ist, wenn er sich dabei einer Konsistenz befleißigt, die uns als annähernd gesetzhaft vorkommt. |
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