Zitat von Maurice:Sorry aber das halte ich für Unsinn. Nur weil Emotionen in irgendeiner Weise fast immer beim Denken eine Rolle spielen wird nicht jede Entscheidung zu einer Bauchsache. Ok diese These kannst du natürlich vertreten, doch ist diese sehr revisionistisch. Du trägst also eine starke Beweislast. Und ich wette, dass nicht nur mir deine These äußerst unplausibel ist.
Wie gesagt meine Forderung war nicht, völlig emotionslos an eine Sache heran zu gehen, sondern lediglich kopfbetont. Dass du die Möglichkeit letzteres leugnest, beißt sich mit den Alltagsintuitionen der meisten Menschen.
Revisionistisch, warum?
Nun, Du hast insofern, was die Alltagsintuition betrifft, recht, als diese emotionale Konnotation diskret ist, Dir also nicht zwingend bewußt wird. Daß die These dennoch nicht falsch ist...lies mal Maturana und Varela.
Das Bauchhirn, genauer der Solarplexus, hat übrigens wohl mehr Zellen als das Großhirn.
Vorneweg wäre ich denkbar, wenn du auf solche unnötig undeutlichen Formulierungen verzichten würdest. Nun zur Interpretation: Ich vermute, dass du sagen willst, dass ich von mir selbst ein völlig rationales Verhalten verlange, dies aber nicht realisierbar ist, da ich nunmal von Natur aus emotional bin und das bei mir nicht gerade gering. Wenn meine Interpreation stimmt, frage ich mich, wie du auf die Idee kommst, dass ich diese Meinung vertrete. Wohl wahr, dass ich das reine Verstandeswesen als Ideal sehe, aber das ist ein Ideal, was ich glaube nicht erreichen zu können und deshalb auch nicht mehr versuche anzustreben. Meine kritische Einstellung gegen Emotionen bleibt trotzdem.
"Ich sehe es ganz ehrlich so, daß Dein Primat der ratio nicht mit Deinem Menschsein vereinbar ist, corollar mit Deinem Lebewesen-Sein."
Gut, es ist vielleicht nicht ganz leicht verständlich ausgedrückt...
Ich will damit sagen: Der absolute, auch wertmäßige Vorrrang, den Du der
ratio gegenüber der Emotionalität zuweist, entspricht nicht Deiner grundsätzlichen menschlichen Eigenheit, Emotionen nicht nur zu besitzen, sondern als primäre Triebfeder des Handelns einzusetzen, ob Du als Maurice das willst oder nicht.
Die corollare Erweiterung auf Lebewesen ist etwas provokativ, und vielleicht auch fraglich - ich konnte sie mir aber nicht ganz verkneifen.
Gut, Du bist auf dem Weg...möge Deine kritische Einstellung sich noch etwas wandeln

Wenn ich eine Moralkonzeption vertreten würde, dann keine in dem Bauchgefühle als Wahrheitskriterium eine Rolle spielen. Vorraussetzung ist da für mich, wie bei aller Philosophie nur das Vorhandensein eines entsprechenden Intelligenzquotienten und der Wunsch über eine Sache nachzudenken.
Worauf Du eine Moralkonzeption gründest, ist Dir unbenommen. Du kannst Dich hier hinsetzen, einer Buckelwal-CD lauschen und jedem Walfang, auch dem der alaskanischen Indianer, Inuit und der Tschuktschen in Sibirien den Krieg erklären - mit Geld und Einfluß auch sicher etwas erreichen. Die Industrie liefert heute Kohlefaser-Zelte und Kleidung, dazu Nahrung im Überschuss, mit der man diese Menschen ausstatten könnte, dann bräuchten sie keine Wale mehr jagen. Gleiches gilt für arktische Robben und Pelztiere.
"Kein Mensch soll wilde Tiere töten", das könnte ein
minimum moralium sein.
Du kannst auch sagen "Das industrielle Töten der Tiere für westliche Konsumartikel ist ein Verbrechen, die kulturelle Identität der Ureinwohner ist aber ein Wert an sich".
Wichtig ist, daß Du überhaupt einen Begriff davon hast, was "Moral" bedeutet, was das soll, was ein Wert ist.
Ich behaupte, daß mensch dies einer KI nicht wird beibiegen können, daß mensch dies nur lernt, indem mensch selbst Wertschätzung erfährt und in einem werthaltigen Bezugssystem aufwächst. Daß mensch sich letztlich gar in dem Bezugssystem, in dem er aufwächst, selbst die implizit enthaltenen Werte zusammen sucht.
Wie Ipsi wohl jetzt wohl sagen würde: Was spielt das für eine Rolle? ^^
Mensch fällt Urteile und da ist ihm in der Regel egal wie gut begründet es anderen erscheint. Hauptsache ist, dass er einen für sich plausiblen Standpunkt hat.
Ich glaube die wenigstens gehen einen Schritt weiter und reflektieren und relativieren ihre eigenen Standpunkte.
Abgesehen davon: Es bleibt im Auge des Betrachters, wann ein Urteil gerechtfertigt ist. Ok das mit dem Gottesbuch war nicht das beste Beispiel bei einem gläubigen Menschen, weil es zu konotiert ist. Aber du solltest verstanden haben, auf was ich hinaus will. Wir alle fällen hin und wieder Urteile über Dinge, über die wir nicht ausführlich bescheid wissen. Bist du da etwa eine Ausnahme?
Was die Moral angeht, so haben wir hier aber nicht mal dieses Problem. Ich habe lediglisch behauptet, dass jemand über Moral urteilen kann, der nicht die Innenperspektive kennt. In gleichem Maße maße ich mir an über Religion zu urteilen, obwohl ich nicht die Innenperspektive kenne. Und ebenso urteilen wir alle über Dinge, von denen wir nicht die Innenperspektive kennen. Zu verbieten, Dinge zu beurteilen, von denen man nicht die Innenperspektive kennt, zu beurteilen halte ich für alles andere als sinnvoll. Die allermeisten dürften dann z.B. nämlich nicht über Sekten urteilen, weil sie noch nie in einer waren oder dürften nicht über Kokainmissbrauch urteilen, da sie noch nie welches genommen haben.
Einem Diskurs ist es aber schon förderlich, die Grundlagen seiner Standpunkte transparent zu machen...
Koran und Bibel waren nicht qua Glaubenskonnotation schlechte Beispiele, ich hätte statt der Bibel auch die Metamorphosen des Ovid nehmen können oder das Werk Feuerbachs.
Man sollte in meinen Augen von den Dingen, über die man urteilt, eine mindeste Ahnung haben, bzw. die Begrenzungen durch eigenes Halbwissen transparent machen.
In diesem Sinne würde ich mir eben über Ovids Metamorphosen oder Feuerbachs Werk kein Urteil anmaßen - weil ich außer der von ihrer Existenz kaum Kenntnisse über sie habe zur Zeit.
Wie weit man eine Innensicht haben muss, ist dabei sicher die Frage - sie ist aber in jedem Falle hilfreich. Im übrigen ist dies nicht nur ein philosophisches Problem, sondern ein reales - wenn wir die Innensichten der Vertreter unserer Staatsorgane betrachten.
"Wer einmal aus dem Blechnapf aß, der weiß, was Hunger ist". Für die jetzige alte Garde trifft dies teils noch real zu, aber welcher aus der Westerwelle-Generation kennt die Situation von Sozialhilfe-Beziehern?
Kann einer Verteidigungsminister sein, der die Wehr nicht im mindesten von innen kennt? - das fragten sich BW-Leute tatsächlich, als ich glaube Struck antrat - es ging in dem Falle, und erfolgreich.
Wenn Leute über Drogen urteilen, die Junkies nur aus Fernsehkrimis kennen und Drogen...naja, mal auf einer Party eine Ekstasy oder etwas schwaches Koks genommen, wenn überhaupt...da ist tatsächlich viel Inkompetenz in Amt und Würden.
Aber dies nur als Exkurs in die Niederungen des Alltäglichen...
@Eigenwert und Werterelativismus: Das Wort "Eigenwert" habe ich in diesem Kontext übersetzt mit "Wert an sich". Imo hat nichts einen Wert an sich, sondern lediglich für ein Subjekt. Daraus folgt aber nicht notwendig eine Reduzierung des Wertes den der eine für den anderen Besitzt und ein damit verbundenes Verhalten wie Zuwendung. Nur weil ich z.B. meine, dass mein Neugeborenes keinen Wert an sich hat, liebe ich es nicht weniger, da meine Instinkte nicht von der Idee des Werterelativismus (zumindest in dem Fall) beeinflusst werden. Folglich wird der Werterelativist sein Kind unter gleichen Rahmenbedinungen genauso Zuneigung schenken wie der Werterelativist.
Oder meintest du mit "Eigenwert", dass man sich selbst einen Wert zuschreibt? Auch das bleibt vom Werterelativismus unberührt, er macht lediglich unmöglich, sich einen Wert an sich zuzuschreiben. Das heißt aber nicht, dass ich mir selbst nichts wert bin.
Du hast es zwar nicht explizit gesagt, aber ich meine heraus hören zu können, dass du auch den Fehler machst Werterelativismus als die Leugnung von Werten zu sehen. Das ist natürlich falsch. Die meisten Dinge haben auch hier einen Wert, sie sind nur von einer anderen Art.
Wenn ich dich hier falsch deute, dann entschuldige.
Zum ersteren: Es geht nicht um die Zuneigung, die ein Werterelativist seinem eigenen Kind schenken würde, sondern um die Zuneigung, die er selbst erfahren hat und die ihn in meinen Augen erst befähigt, sich über Werte ein Urteil zu bilden und sich ggf von ihnen zu distanzieren.
Vielleicht verstehe ich den Werterelativismus falsch, auf welche Weise auch immer. Erklärs mir doch noch mal
