Wirklichkeit IST

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
BEN2506
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Do 20. Apr 2006, 16:11 - Beitrag #21

Wissen ist doch nur ein Begriff der von jedem verwendet wird, richtiges Wissen gibt es nicht, wie sollte man auch Wissen erlangen wenn die Wirklichkeit unerreichbar bleibt ? Kennen wir alle Variablen ? Nein, nichtmal im Ansatz, es ist unmöglich ALLE zu kennen deswegen ist es auch unmöglich zu wissen, das einzigste was wir tun können ist uns an das Ergebnis heranzutasten oder aus dem Ergebnis einen Auslöser dafür abzuleiten.

Niemand hat jemals gewusst, Einstein nicht, Buddha nicht.

Ben

Ipsissimus
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Fr 21. Apr 2006, 10:59 - Beitrag #22

ich weiß^^

mit den Hinweisen auf Buddha und Einstein wollte ich lediglich darauf hinweisen, daß Vorstellungen - Beschreibungen - die im einen Kontext scheinbar absurd sind, durch einen geänderten Kontext plötzlich als der Weisheit letzter Schluss dastehen, bis sie durch noch andere Vorstellungen abgelöst werden. Es hat sich aber außer den Kulturen der westlichen Industrienationen kaum eine Kultur je zu der Hybris verstiegen, ein definitives Sosein der Wirklichkeit messtechnisch erfassen zu können.

Maurice
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Fr 21. Apr 2006, 12:59 - Beitrag #23

Hmm ich bin nicht so gewandert, was all die nicht-abendländlichen Philosophien angeht. Aber schätzt du nicht auch, dass die Mehrheit der Menschheit eine realistische Weltsicht haben? ("Realistisch" im Sinne von erkenntnistheoretischen Realismus, der eine von uns unabhängige Wirklichkeit annimmt.)
Ich bin mir sicher, dass in aller Welt ein wie auch immer gearteter Realismus die dominante Weltsicht ist, da sie die intuitivste ist. Nicht umsonst vertritt jeder Mensch zu beginn einen naiven Realismus. Und wieviele Menschen reflektieren schon kritisch über die Frage, was sie wissen. Die aller meisten Menschen haben Meinungen und das genügt ihnen. Außerdem werden sich viele Menschen nicht nur aus Denkfaulheit über einen naiven Realismus erheben, sondern werden allein schon deshalb in diesem verhaften bleiben, weil sie nicht die Zeit und Energie haben, über solche Themen nachzudenken.
Nur weil in der philosophischen oder religösen Elite eine antirealistische Stimmung dominant ist, bedeutet das nicht, dass sie auf die gesammte Bevölkerung übertragen dominant ist.

janw
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Fr 21. Apr 2006, 13:33 - Beitrag #24

Zitat von Ipsissimus:Es hat sich aber außer den Kulturen der westlichen Industrienationen kaum eine Kultur je zu der Hybris verstiegen, ein definitives Sosein der Wirklichkeit messtechnisch erfassen zu können.

Was mich zu der Frage führt: Ist eine Alternative zur westlichen Naturwissenschaft denkbar, die auf "östlichen" Denkmodellen basiert, also z.B. ohne die Trennung in Subjekt und Objekt auskommt?

Maurice
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Sa 22. Apr 2006, 10:16 - Beitrag #25

Ich behaupte jetzt einfach mal, dass Naturwissenschaft einen Realismus voraussetzt. Denn wenn da keine objektive Wirklichkeit ist, was sollte die Naturwissenschaft dann untersuchen? :rolleyes:

janw
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Sa 22. Apr 2006, 11:51 - Beitrag #26

Maurice, das ist ja die crux: Die "objektive Wirklichkeit", von der du sprichst, ist ja per se nur ein Konstrukt. Allerdings eines, das in Teilen notwendig ist, um überhaupt überleben zu können, insofern werden auch Buddhisten und Hinduisten und Schamanen nicht ganz ohne solche Konstrukte auskommen - möge das Gegenteil bewiesen werden.
Das Trennende ist wohl die Etablierung einer Spaltung von Subjekt und Objekt, wie sie von (iirc) Descartes formuliert wurde.
cogito, ergo sum, bzw. eigentlich cogito, ego sum bedeutet, die Existenz von der Denk- und Erkenntnisfähigkeit zu trennen, um sie danach als Bedingungssystem zusammen zu bringen. Was letztlich eine ganze Reihe von Problemen nach sich zieht - logischer und linguistischer Natur.

Mir scheint, daß in der medizinischen Betrachtung die Säftelehre des Hippokrates, die bis in das Mittelalter gültig war - wenn ich recht erinnere, hat auch Hildegard von Bingen teilweise solche Vorstellungen gehabt - strukturelle Ähnlichkeiten haben könnte zu östlichen Vorstellungen wie Ayurveda - möge man mich ggf. korrigieren.

Maurice
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Sa 22. Apr 2006, 12:03 - Beitrag #27

Es sei nochmal angemerkt, dass ich hier die Wörter "Wirklichkeit" und "Realität" synonym verwende. Nicht dass wir aneinander vorbeireden, weil du davon ausgehst, dass ich wie du die Wörter für verschiedene Dinge verwende. Ich unterscheide zwischen Wirklichkeit/Realität und Theorien über die Wirklichkeit/Vorstellungen über die Wirklichkeit. Wirklichkeit bzw. Realität ist damit per se objektiv. Es gibt keine subjektive Wirklichkeit, sondern nur subjektive Vorstellungen über die Wirklichkeit. Damit ist die Wirklichkeit kein Konstrukt, sondern die Vorstellung über diese.

Ich weiß, dass du mit den Wörtern "Wirklichkeit" und "Realität" verschiedene Begriffe ausdrückst, aber ich kann dir nur raten, dich wenigstens hier im Forum dem allgemeinen Konsens anschließst, diese Wörter synonym zu verwenden, wenn du nicht regelmäßig missverstanden werden möchtest. Die meisten werden nämlich davon ausgehen, dass du wie die Mehrheit die Wörter bedeutungsgleich verwendest und dich deshalb missverstehen werden.

janw
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Sa 22. Apr 2006, 12:18 - Beitrag #28

Zitat von Maurice:aber ich kann dir nur raten, dich wenigstens hier im Forum dem allgemeinen Konsens anschließst, diese Wörter synonym zu verwenden,

Das hieße, meine Seele zu verkaufen.

Ipsissimus
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Sa 22. Apr 2006, 12:32 - Beitrag #29

Maurice, zumindest ist klar, daß dieses Realismuskonzept, von dem du ausgehst, menschheitshistorisch sehr neu ist, kaum älter als vielleicht 300 Jahre; und daß es in größerem Umfang erst seit allerhöchstens 50 Jahren über seinen ursprünglichen Ausprägungsraum - West-/Mitteleuropa, UDSSR, USA, Canada - hinausgelangt ist

Davon, daß dieses Realismuskonzept einen Grundkonsens formulieren würde, kann keine Rede sein - es ist vielleicht ein Konsens einer bestimmten elitären Gruppe von Menschen - aber ich empfehle mal ernsthaft die Lektüre von ein paar Wisseschaftlern der ersten Riege.

wenn ich zitieren darf

Als Belohnung für all die Mühe, die ich auf die Darlegung der rein wissenschaftlichen Seite unseres Problems sine ira et studio verwandt habe, gestatte ich mir hier, meine eigene, notwendigerweise subjektive Ansicht über die philosophischen Schlüsse, zu denen es Anlaß gibt, anzuführen.

Nach dem oben Vorgebrachten sind die raumzeitlichen Abläufe im Körper eines Lebewesens, die seiner Geistestätigkeit und seinen bewußt oder sonstwie ausgeführten Handlungen entsprechen, wenn nicht strikt deterministischer, so doch statistisch-deterministischer Art (auch in Anbetracht ihrer komplexen Struktur und der allgemein anerkannten Deutung der physikalischen Chemie). Dem Physiker gegenüber möchte ich betonen, daß nach meiner Ansicht, die allerdings verschiedentlich nicht geteilt wird, die Unbestimmtheit der Quanten bei diesen Vorgängen keine biologisch wesentliche Rolle spielt, ausgenommen vielleicht durch Steigerung des Zufallscharakters von Vorgängen wie der Reifeteilung, der natürlichen und der durch Röntgenstrahlen hervorgerufenen Mutation usw. - und das ist sowieso unbestritten.

Wir wollen diese Behauptung zunächst einmal als feststehende Tatsache betrachten, wie es wohl jeder unvoreingenommene Biologe tun würde, wenn nicht das wohlbekannte unangenehme Gefühl da wäre, das entsteht, wenn man »sich selber als bloßen Mechanismus erklären« soll. Man hat nämlich den Eindruck, daß sie der Willensfreiheit, die durch die unmittelbare innere Erfahrung verbürgt ist, widerspricht.

Unmittelbare Erfahrungen aber, so verschieden und ungleichartig sie auch sein mögen, können sich logischerweise gar nicht widersprechen. Wir wollen daher versuchen, ob wir nicht aus den folgenden beiden Prämissen den richtigen, widerspruchslosen Schluß ziehen können:

1. Mein Körper funktioniert als reiner Mechanismus in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen.
2. Doch weiß ich auf Grund unbestreitbarer unmittelbarer Erfahrung, daß ich seine Bewegungen leite und deren Folgen voraussehe, die entscheidend und höchst bedeutsam sein können; in diesem Falle empfinde und übernehme ich die volle Verantwortung für sie.

Die einzig mögliche Folgerung aus diesen zwei Tatsachen ist die folgende: Ich - Ich im weitesten Sinne des Wortes, d. h. jedes bewußt denkende geistige Wesen, das sich als »Ich« bezeichnet oder empfunden hat - ist die Person, sofern es überhaupt eine gibt, welche die »Bewegung der Atome« in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen leitet.

Wenn man einem Kulturkreis angehört, in dem gewisse Begriffe, die bei anderen Völkern einen weiteren Sinn hatten oder haben, eingeengt und spezialisiert worden sind, ist es gewagt, diesen Schluß in so einfachen Worten auszudrücken, wie es die Sache erfordert. Es klingt gotteslästerlich und wahnsinnig, wenn man sich der christlichen Ausdrucksweise bedient und erklärt : »Also bin ich der Liebe Gott.« Setzen wir uns aber für den Augenblick darüber hinweg, und überlegen wir uns, ob die obige Folgerung nicht einem biologischen Beweise Gottes und der Unsterblichkeit zugleich am nächsten kommt.

An sich ist die Einsicht nicht neu. Die frühesten Aufzeichnungen datieren meines Wissens mindestens 2500 Jahre zurück. Seit den frühen großen »Upanischaden« betrachtet die indische Philosophie die Gleichsetzung Atman = Brahman (das persönliche Selbst ist dem allgegenwärtigen, allesumfassenden ewigen Selbst gleich) keineswegs als Gotteslästerung, sondern ganz im Gegenteil als die tiefste Einsicht in das Weltgeschehen. Das Streben aller Vedanta-Schüler war, kaum daß ihre Lippen Worte zu formen vermochten, darauf gerichtet, sich diesen größten aller Gedanken wirklich einzuverleiben.

Auch die Mystiker vieler Jahrhunderte haben unabhängig voneinander und doch in vollkommener Harmonie (den Partikeln eines Idealgases vergleichbar) die einzigartige Erfahrung ihres Lebens in Worten beschrieben, die sich zu dem Satz verdichten lassen: Deus factus sum (»Ich bin Gott geworden«). Dem westlichen Denken ist diese Vorstellung fremd geblieben, trotz Schopenhauer und andern, welche sie vertraten, und trotz aller wahrhaft Liebenden, die beim Anblick des geliebten Wesens gewahr werden, daß Denken und Freuen ihnen gemeinsam und nicht nur ähnlich oder gleichartig sind. Allerdings sind sie meist zu sehr mit ihrem Gefühlsüberschwang beschäftigt, um noch klar denken zu können - und darin sind sie den Mystikern recht ähnlich.

Man erlaube mir einige weitere Bemerkungen. Bewußtsein. wird nie in der Mehrzahl, stets nur in der Einzahl erlebt. Sogar in den pathologischen Fällen der Bewußtseins- oder Persönlichkeitsspaltung wechseln die zwei Personen, sie offenbaren sich nie gleichzeitig. In einem Traum spielen wir tatsächlich die Rollen verschiedener Personen zur gleichen Zeit, aber nicht ohne zu unterscheiden: Wir sind eine Person und handeln und sprechen als solche unmittelbar, während wir oft ungeduldig die Antworten oder die Reaktion einer anderen Person erwarten, ohne darauf zu achten, daß wir selbst ihr Reden und Handeln gerade so in der Hand haben wie unser eigenes.

Wie entsteht überhaupt die (von den Verfassern der »Upanischaden« so nachdrücklich bestrittene) Vorstellung der Vielheit? Das Bewußtsein findet sich in engster Beziehung und Abhängigkeit vom physikalischen Zustand eines begrenzten Teiles des Stofflichen, des Körpers. (Man beachte die geistigen Veränderungen während der körperlichen Entwicklung in der Pubertät, beim Altern, beim Vergreisen usw., oder man denke an die Wirkungen von Fieber, Rausch, Narkose, Gehirnverletzungen usw.) Nun gibt es eine große Vielzahl gleicher Körper. Daher liegt es nahe, sich Bewußtsein oder Geist in der Mehrzahl zu denken. Wahrscheinlich teilen alle einfachen und unverbildeten Menschen diese Denkweise mit den meisten westlichen Philosophen.

Von da zum Erfinden von Seelen - von so vielen Seelen, wie es Leiber gibt - ist es kein weiter Schritt, und die Frage liegt nahe, ob sie sterblich sind wie der Leib oder ob sie unsterblich und eines Eigendaseins fähig sind. Die erste Möglichkeit will uns nicht recht eingehen, während die zweite die Tatsachen, auf welche sich die Hypothese von der Vielfalt stützt, einfach vergißt, übersieht oder verleugnet. Aber es sind schon viel einfältigere Fragen aufgeworfen worden: Haben auch die Tiere Seelen? Man hat sogar gefragt, ob auch die Frauen oder nur die Männer eine Seele besitzen.

Folgerungen dieser Art erschüttern, auch wenn sie nur zögernd gezogen werden, das Vertrauen in die Vielheitshypothese, die allen offiziellen westlichen Glaubensbekenntnissen gemeinsam ist.

Verfahren wir nicht noch viel unsinniger, wenn wir zwar ihren groben Aberglauben ausmerzen, aber doch ihre naive Vorstellung von der Vielheit der Seelen behalten und ihr durch die Erklärung »beikommen« wollen, daß auch die Seelen vergänglich seien und mit ihren Leibern zugrunde gingen?

Uns bleibt nur eines übrig: Wir müssen uns an die unmittelbare Erfahrung halten, daß das Bewußtsein ein Singular ist, dessen Plural wir nicht kennen; daß nur eines wirklich ist und das, was eine Mehrzahl zu sein scheint, nur eine durch Täuschung (das indische Maja) entstandene Vielfalt von verschiedenen Erscheinungsformen dieses Einen ist. Die gleiche Illusion entsteht in einer Spiegelgalerie, und in der gleichen Weise stellten sich der Gaurisankar und der Mt. Everest als ein und derselbe, aber von verschiedenen Tälern aus gesehene Gipfel heraus. Nun haben wir allerdings den Kopf voll toller Gespenstergeschichten, die uns daran hindern, eine so einfache Lösung anzuerkennen. Man sagt mir zum Beispiel, ich könne den Baum da draußen von meinem Fenster gar nicht wirklich sehen. Durch einen listigen Trick (der erst in seinen verhältnismäßig einfachen Anfangsstadien erforscht sei) werfe der wirkliche Baum ein Bild seiner selbst auf mein Bewußtsein und meine Wahrnehmung betreffe nur dieses Bild. Wenn ein anderer an meiner Seite stehe und den gleichen Baum ansehe, so werde dieser ebenfalls sein Bild auf dessen Seele werfen. Ich sehe meinen Baum, und er sieht seinen (dem meinen bemerkenswert ähnlichen) Baum, und was der Baum eigentlich an sich ist, wissen wir nicht. Für diese Überspanntheit ist Kant verantwortlich. Sobald man aber das Bewußtsein als ein singulare tantum betrachtet, wird die Kantische Betrachtungsweise passenderweise durch die Feststellung ersetzt, daß offensichtlich nur ein Baum dasteht und all der Bilderzauber eine Spiegelfechterei ist.

Und doch haben wir alle den unbestreitbaren Eindruck, daß die Gesamtheit unserer persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen eine Einheit bildet, die von derjenigen irgendeiner anderen Person durchaus verschieden ist. Wir nennen diese Einheit unser »Ich«. Was ist dieses »Ich«?

Bei näherem Zusehen wird es sich meines Erachtens herausstellen, daß es etwas mehr ist als nur eine Anhäufung einzelner Gegebenheiten (Erfahrungen und Erinnerungen), nämlich sozusagen die Leinwand, auf welcher diese festgehalten sind. Und man wird bei eingehender Selbstprüfung gewahr werden, daß das, was man wirklich unter dem »Ich« versteht, eben jener Grundstoff ist, auf dem sie gesamthaft aufgetragen sind. Es kann geschehen, daß man in ein fernes Land verschlagen wird und alle Freunde aus den Augen verliert und fast vergißt; man wird neue Freunde gewinnen und sein Leben mit diesen ebenso intensiv teilen wie zuvor mit den alten. Die Erinnerung an das frühere Leben verliert im neuen Leben immer mehr an Bedeutung. Man mag dazu kommen, vom »Jüngling, der ich war« in der dritten Person zu sprechen, und wahrscheinlich steht einem der Held des Romans, den man gerade liest, näher, jedenfalls scheint er einem viel lebendiger und vertrauter. Und doch liegt kein Bruch, kein Todesfall dazwischen. Und selbst wenn es einem geschickten Hypnotiseur gelingen sollte, alle früheren Erinnerungen in einem Menschen auszulöschen, so würde man doch nicht feststellen, daß er ihn getötet hat. In keinem Fall ist hier ein Verlust persönlichen Daseins zu beklagen.

Und das wird auch nie der Fall sein.

Erwin Schrödinger, Über Determinismus und Willensfreiheit
in: Heidi Bohnet, Klaus Piper (Hrsg.), Lust am Denken. Ein Lesebuch aus Philosophie, Natur- und Humanwissenschaften,
Piper, München, 1992, Seite 82-86


Schrödinger ... es gibt analoge Texte von einigen anderen Physikern seiner Kategorie

Maurice
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Sa 22. Apr 2006, 19:55 - Beitrag #30

Janw wo ist denn das Problem sich so auszudrücken, dass man möglichst verständlich ist? :confused:

@Ipsi: Wenn der Mensch in seiner Kindheit nicht einen naiven Realismus vertritt, wie nennst du diese Weltsicht dann? Auch ein naiver Realismus ist ein Realismus und da es sowohl viele Kinder auf der Welt gibt als auch die meisten Menschen in philosophischer Hinsicht wohl nicht weit von den Kindern entfernt sind, wird der naive Realismus global gesehen die am stärksten vertretene erkenntnistheoretische Position sein.
Wie um alles in der Welt kommst du auf den absurden Gedanken, dass der Realismus erst seit wenigen hundert Jahren vertreten wird?
:confused: :confused: :confused:
Und was du an Wissenschaftlern zitierst, wird wohl kaum in irgendeiner Weise für die Frage entscheidend sein, welche erkenntnistheoretische Position die meisten Menschen vertreten, da die allermeisten Menschen nicht up to date sind, was die wissenschaftlichen Theorien angeht.

janw
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So 23. Apr 2006, 03:33 - Beitrag #31

Maurice, wenn ich dem allgemeinen Konsens folgen würde, dann würde ich die derzeit gültige Lehre vertreten, daß Geld ein glückbringender Faktor ist und Kapitalanleger mehr Recht auf steigende Kurse und Renditen haben als Angestellte auf sichere und akzeptabel bezahlte Arbeitsplätze und einiges mehr...

Ich würde aber damit sowohl eine Lehre vertreten, die alles andere als richtig im Sinne von dauerhaft tragfähig ist, von moralischen Aspekten mal abgesehen - und ich würde meine eigene Fähigkeit, zu eigenen Einsichten zu gelangen, negieren.

Ob mein Wirklichkeitsmodell objektiv richtig ist oder ein anderes, weiß ich nicht, es erscheint mir jedoch schlüssiger als Deines, und so benutze ich es, unabhängig davon, wie konsensfähig es ist.

Wenn ich es richtig sehe..."Ist Schrödinger für mich, so trete..."

EDIT:
Zitat von Maurice:Und was du an Wissenschaftlern zitierst, wird wohl kaum in irgendeiner Weise für die Frage entscheidend sein, welche erkenntnistheoretische Position die meisten Menschen vertreten, da die allermeisten Menschen nicht up to date sind, was die wissenschaftlichen Theorien angeht.

Naja, es ist die Frage, worum wir uns bemühen, ein Weltbild für die Blöd-Leser oder eines, das auf Befunden und bestehenden fundamentalen Einsichten aufbaut, unabhängig von seiner Allgemeinverständlichkeit.
Die ist natürlich wünschenswert^^

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So 23. Apr 2006, 13:02 - Beitrag #32

Hey, wir sind hier doch nicht im Glühbirnenthread, Jan! ;)


Was du da von Schrödinger zitiert hast, Ipsissimus, fand ich sehr aufschlußreich, und es bestätigt erfreulicherweise sogar bestimmte Gedankengänge von mir.

Eine sehr vereinfachte Zusammenfassung von Schrödingers Gedanken über Bewußtsein fand ich bei Wikiquote:

"Der Grund dafür, daß unser fühlendes wahrnehmendes und denkendes Ich in unserem naturwissenschaftlichen Weltbild nirgends auftritt, kann leicht in fünf Worten ausgedrückt werden: Es ist selbst dieses Weltbild. Es ist mit dem Ganzen identisch und kann deshalb nicht als ein Teil darin enthalten sein."

Das klingt so ähnlich wie:

Wir müssen uns an die unmittelbare Erfahrung halten, daß das Bewußtsein ein Singular ist, dessen Plural wir nicht kennen; daß nur eines wirklich ist und das, was eine Mehrzahl zu sein scheint, nur eine durch Täuschung (das indische Maja) entstandene Vielfalt von verschiedenen Erscheinungsformen dieses Einen ist. Die gleiche Illusion entsteht in einer Spiegelgalerie, und in der gleichen Weise stellten sich der Gaurisankar und der Mt. Everest als ein und derselbe, aber von verschiedenen Tälern aus gesehene Gipfel heraus. Nun haben wir allerdings den Kopf voll toller Gespenstergeschichten, die uns daran hindern, eine so einfache Lösung anzuerkennen.

Das Paradies, um den so christlich besetzten Begriff zu nehmen, könnte das Aufgehen im Bewußtsein der Welt sein, zusammen mit dem Loslösen von der Illusion, von der Welt abgeschnitten und alleine zu sein.

Glücklich sind wohl jene, die zumindest diese Erkenntnis erreichen. Noch glücklicher sind solche, denen das Gefühl von kosmischer Gemeinsamkeit bekannt ist.



Ich sage den Leuten, dass "ich", vor allem als ein von der Welt abgetrenntes singulares Wesen gesehen, eine reine Illusion ist und sie meinen ich wäre geisteskrank. ;) Nee, nee, nee, so nich!

O.K., vielleicht hätte ich hinzufügen sollen, dass von Gott geführt zu werden im Alltag eher untauglich ist und pragmatisch gesehen zu Problemen führen kann: "Nein, ich kann diese Rechnung nicht bezahlen, denn derjenige, der diesen Ferrari gekauft hat, tat dies in der Illusion ein abgetrenntes singulares Bewußtsein zu sein. In Wirklichkeit sollte aber die Rechnung an den Kosmos gehen. Es ist dafür verantwortlich!" ;)

janw
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So 23. Apr 2006, 13:43 - Beitrag #33

Spender, woran ich meine Seele hänge, habe ich in dem thread ja schonmal ausgedrückt. Mir ging es hier nur nochmal darum, zu verdeutlichen, daß ich ums Verrecken nicht eine These vertreten würde, nur weil alle sie vertreten, auch wenn sie mir unrichtig erscheint. Wenn mir eine These vertretbar erscheint, dann erscheint sie mir in dem Moment vertretbar, bis mir ihre Unrichtigkeit oder die größere Richtigkeit einer anderen These klar geworden ist, und wenn andere sie auch vertreten - sollen sie machen^^

Was Gott im Alltag betrifft, der würde nie auf die Idee kommen, sich in so sehr die männliche Existenz betreffende Dinge wie Autos einzumischen. ;)

C.G.B. Spender
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So 23. Apr 2006, 15:08 - Beitrag #34

Jan, war doch nur Spaß! :)
Mir ging es hier nur nochmal darum, zu verdeutlichen, daß ich ums Verrecken nicht eine These vertreten würde, nur weil alle sie vertreten, auch wenn sie mir unrichtig erscheint.
Das kann ich vollkommen verstehen und sehr gut nachvollziehen. Das geht mir genauso.

Maurice
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So 23. Apr 2006, 15:12 - Beitrag #35

Maurice, wenn ich dem allgemeinen Konsens folgen würde, dann würde ich die derzeit gültige Lehre vertreten, daß Geld ein glückbringender Faktor ist und Kapitalanleger mehr Recht auf steigende Kurse und Renditen haben als Angestellte auf sichere und akzeptabel bezahlte Arbeitsplätze und einiges mehr...

Ähh Jan darum geht es doch gar nicht ^^* ...
Ich habe dich nicht dazu aufgefordert, meine Weltsicht zu übernehmen (obwohl mir das natürlich auch entgegen kommen würde ;)), sondern lediglich, dass du dich bei deinem Gebrauch der Wörter mehr an der Allgemeinheit orientieren solltest. Ich habe nicht gefordert, dass du dein Weltbild ändern solslt, sondern dir nur geraten die Wörter "Realität" und "Wirklichkeit" synonym zu verwenden, damit dich die User hier besser verstehen.
Was soll daran so schlimm sein? ^^*

Und um ein weiteres mögliches Missverständnis zu entkräften, weil es mir scheint, als liege das auch möglicherweise vor:
Ich habe nicht behauptet, dass eine realistische Position deshalb die bessere ist, weil sie die am häufigsten vertretene Position ist. Ich wollte lediglich ihren Vorsprung an Grundplausibilität gegenüber eines Antirealismus dadurch verdeutlichen, dass sie die am stärksten verbreitete erkenntistheoretische Sichtweise ist. Die These, dass eine Form des Realismus am verbreitesten ist, stütze ich darauf, dass alle Kinder anfangs naive Realisten sind und die meisten Erwachsenen deshalb auch eine realistische Position einnehmen werden, weil sich die wenigsten ernsthafte philosophische Gedanken machen. Um zu einer antirealistischen Position zu gelangen bedürfte es einigem philosophischen Nachdenkens, aber da dies die wenigsten Menschen tun, ist es entsprechend unwahrscheinlich, dass der Normalbürger eine antirealistische Position vertritt. Und was den fernen Osten angeht, so bin ich überzeugt, dass dort auch eine realistische Position dominant sein wird, aus den oben genannten Gründen.
Über Pro und Contra eines Realismus bzw. Antirealismus können wir aber gerne gesondert diskutieren. ;)

janw
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So 23. Apr 2006, 16:06 - Beitrag #36

Zitat von Maurice:Ich habe dich nicht dazu aufgefordert, meine Weltsicht zu übernehmen (obwohl mir das natürlich auch entgegen kommen würde ), sondern lediglich, dass du dich bei deinem Gebrauch der Wörter mehr an der Allgemeinheit orientieren solltest. Ich habe nicht gefordert, dass du dein Weltbild ändern solslt, sondern dir nur geraten die Wörter "Realität" und "Wirklichkeit" synonym zu verwenden, damit dich die User hier besser verstehen.
Was soll daran so schlimm sein? ^^*

"Wirklichkeit" und "Realität" eben nicht synonym zu verwenden, ist aber gerade der begriffliche Ausdruck meines Weltbildes, oder jenes Teiles davon, der auf dem Dekonstruktivismus beruht.
Daß dies Verständigungsprobleme hervorruft, damit muß ich leben - allerdings habe ich das schon öfter thematisiert, und so dürfte es Dir und Ipsi und einigen anderen geläufig sein.
In der Tat ist es ein größeres Problem, diese Angelegenheit in anderen Sprachen zu erörtern, als ausgerechnet im Deutschen...

Maurice
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So 23. Apr 2006, 16:20 - Beitrag #37

Ich empfinde es zwar als exzentrische Spielerei, dass du bei deinem Wortgebrauch hier im Forum beharrst, aber bist du es ja, der in erster Linie dadurch Nachteile erleidet. :rolleyes:

Selbst wenn Ipsi und ich wissen, dass du die Wörter nicht synonym verwendest, so tun das die meisten anderen hier nicht und werden dich deshalb missverstehen. Aber wenn dir das egal ist, ok...

Ipsissimus
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Mo 24. Apr 2006, 09:45 - Beitrag #38

ich fokussiere nicht so sehr auf der Frage von Synonymität oder Nicht-Synonymität von "Realität" und "Wirklichkeit", als vielmehr darauf, daß jedes Konzept, das von einem definitiven Sosein der Sachverhalte ausgeht, mir suspekt ist, gleichgültig, welcher Begrifflichkeit es sich bedient. Ich bevorzuge dabei allerdings Begrifflichkeiten, welche die Unschärfe der Wirklichkeit besser vermitteln als andere.

Maurice
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Mo 24. Apr 2006, 19:45 - Beitrag #39

Dein Antirealismus in Ehren, vielleicht machst du mal einen Post auf und gibst ein paar allgemein verständliche Gründe für deinen Standpunkt. Es führt sonst wohl hier zu weit, wenn wir anfängen darüber zu diskutieren, wie plausibel ein Antirealismus ist. Plausibel natürlich im Sinne von "für die Mehrheit der Menschen", da eine Position nie an sich plausibel ist, sondern immer nur für jemanden. Was für dich plausibel ist, ist es ja nicht unbedingt für mich. Ich habe nämlich ein Problem damit, mir vorzustellen, wie man mit einem antrealistischen Weltbild sinnvoll über Dinge sprechen kann, wenn es diese doch gar nicht gibt, sondern nur unsere Vorstellungen von diesen. :naja:

janw
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Mo 24. Apr 2006, 20:10 - Beitrag #40

Maurice, ein Exkurs zum Antirealismus könnte gut auch hier seinen Platz finden...

Ich hätte eigentlich gedacht, daß Dir klar ist, daß der Gebrauch von Worten (zumindest fast?) stets auch ein Weltbild impliziert, zumindest wäre es in diesem Falle so, und keineswegs eine exzentrische Spielerei.
Die Frage ist aber ebenfalls nicht der Focus, auf den ich hinaus will.

Eher schon...wie könnte ein der Naturwissenschaft äquivalentes System aussehen, das auf der Erkenntnis der Ganzheit beruht?

Oder höher, hätte ein auf Wahrscheinlichkeitswolken aufbauendes Modell irgendeine Relevanz?

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