Tragik

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 15. Mär 2007, 14:52 - Beitrag #21

ich denke, das Anliegen eines Sadisten ist ein ganz ähnliches wie das eines Liebenden. Da allerdings, wo der Liebende als Werkzeug seiner Annäherung an den geliebten Menschen Empathie, Einfühlungsvermögen, Mitgefühl u.dgl. verwendet, benutzt der Sadist einen anderen Ansatz, den der gewalttätigen Aneignung. Ein Sadist kann viel über einen Menschen herausfinden, unter starken Schmerzen, wie sie z.B. Folter erzeugen kann, werden Menschen wahrhaftig, vielleicht nicht in ihrem Reden, aber in ihrem Tun. Der Sadist charakterisiert sich im Wesentlichen dadurch, daß er der freiwilligen Wahrhaftigkeit, die sich Liebende wechselseitig spenden, nicht traut, oder daß deren Ausmaß ihm nicht reicht, oder daß er keine absoluter Kontrolle darüber hat; also bringt er sein Opfer in eine Situation, in der es ausgeliefert ist und gebrochen werden kann. Nach diesem Zerbruch des inneren Widerstands - herbeigeführt mit den Mitteln des äußeren Zerbruchs - glaubt der Sadist ausreichend Kontrolle über in die Zuverlässigkeit der Reaktionen und Aussagen seines Opfers zu haben.

Davon abgesehen halte ich die "gut - böse"-Dichotomie für eine der verhängnisvollsten Fehlleistungen der Moralphilosophie und der Religion überhaupt. Erstens ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Wenn aber darauf bestanden wird, Elemente dieses Ganzen in derartige Kategorien zu zergliedern - was im Laufe der Zeit zur Verteufelung und Abspaltung bestimmter Elemente führt - muss - eine psychologische Binsenweisheit - damit gerechnet werden, daß die unterdrückten Teil sich derart massiv emotional aufladen, daß sie irgendwann zur Explosion kommen. Die als Warnschild "eigentlich" gutgemeinte Kategorisierung "böse" führt somit direkt in die Katastrophe, weil über ihr der Blick dafür verlorengeht, daß zur Ganzheit einer Person eben auch die diffamierten Teile gehören; und das Ganze ist eben nicht die Summe seiner Teile, sprich: wie sich ein integriertes Ganzes erweist, ist nicht ableitbar aus den Eigenschaften der Teile.

Die allermeisten Katastrophen aus Bösartigkeit der Menschheitsgeschichte resultieren daher, daß den Individuen ihre Ganztheit verweigert und suspekt gemacht wird, und sie auf die "guten" Elemente festgelegt werden sollen

C.G.B. Spender
Elite Member
Elite Member

 
Beiträge: 1105
Registriert: 21.10.2004
Do 15. Mär 2007, 17:45 - Beitrag #22

@E-noon:

Sado-masochismus und Sadismus sind für mich zweierlei Paar Schuhe. Das Erstgenannte ist freiwillig und das Zweitgenannte nicht. Oder willst du einen KZ-Folterer mit einem Latex-Fetischisten und Hoppe-Reiter Spieler in einen Topf werfen? Ich hoffe mal nicht! Es gibt bei BDSM natürlich Extremfälle, die sicher nicht mehr sehr weit von Sadismus entfernt sind, aber in der Regel wird es als erweitertes oder besonderes Liebesspiel angesehen. Alles andere halte ich für einen Weg hin zum Sadismus, vor allem wenn die Rollen einseitig verteilt sind.

Trotzdem, selbst schlimme Fetischisten & SMler reichen nicht wirklich an den Sadismus von Schlächtern, Folteren, Vergewaltigern in manchen Kriegen heran. Völkermord ist eine ganz andere Dimension als SM. Das dürfte hoffentlich klar sein, oder?

Man kann niemanden direkt als Sadisten bezeichnen, der nur mal ab und an sadistische Gefühle hat. Es gibt so etwas wie den Verstand, der so jemanden hoffentlich von abhält, diese Gefühle und Gedanken eins zu eins in die Tat umzusetzen.


@Ipsissimus:

Um auf die oben genannten Folterer und Kriegsverbrecher zurück zu kommen: Natürlich kann man diese in ihrer Ganzheit betrachten, man kann auch ihren Leidensweg im Leben erkennen, der sie zu dem machte, was sie am Ende waren. Oder, man kann erkennen, dass sie nicht wußten, wie man seinen freien Willen einsetzt, um dem eigenen perversen Verlangen Widerstand zu leisten. Oder das sie gar keinen Widerstand leisten wollten.

Das alles nützt dir nichts, wenn eine Armee in dein Land eindringt, deine Frau vergewaltigt und deine Familie vernichtet. Du kannst dabei zuschauen, oder zu kannst handeln. Ich würde sicher nicht zuschauen. Für dem Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun.

Ansonsten muß ich zustimmen, es ist sinnvoller, wenn man nicht absolut alles diesen Kategorien von Gut und Böse unterwirft. Nur wie gesagt nützt es rein garnichts, wenn dieser Jemand dessen schlechte Anteile gerade überwiegen, der aber irgendwo auch gute Seiten hat, vor dir mit dem Messer in der Hand steht, überspitzt ausgedrückt. Erfahrungsgemäß weiß ich, dass Menschen, die sich mit Einschüchterung und Gewalt "annähern", nur durch Angst Respekt bekommen, und anschließend vielleicht bereit sind zu lernen. Ich bin jederzeit bereit, ihnen diese Angst zu geben. Leider geht das oft nur durch Gegengewalt. Glücklicherweise ist mir das im Leben nicht allzu regelmäßig passiert, dennoch oft genug, um zu verstehen, dass man manchmal einfach pragmatisch denken muß.

ich denke, das Anliegen eines Sadisten ist ein ganz ähnliches wie das eines Liebenden. Da allerdings, wo der Liebende als Werkzeug seiner Annäherung an den geliebten Menschen Empathie, Einfühlungsvermögen, Mitgefühl u.dgl. verwendet, benutzt der Sadist einen anderen Ansatz, den der gewalttätigen Aneignung. Ein Sadist kann viel über einen Menschen herausfinden, unter starken Schmerzen, wie sie z.B. Folter erzeugen kann, werden Menschen wahrhaftig, vielleicht nicht in ihrem Reden, aber in ihrem Tun. Der Sadist charakterisiert sich im Wesentlichen dadurch, daß er der freiwilligen Wahrhaftigkeit, die sich Liebende wechselseitig spenden, nicht traut, oder daß deren Ausmaß ihm nicht reicht, oder daß er keine absoluter Kontrolle darüber hat; also bringt er sein Opfer in eine Situation, in der es ausgeliefert ist und gebrochen werden kann. Nach diesem Zerbruch des inneren Widerstands - herbeigeführt mit den Mitteln des äußeren Zerbruchs - glaubt der Sadist ausreichend Kontrolle über in die Zuverlässigkeit der Reaktionen und Aussagen seines Opfers zu haben.
Und du glaubst nicht, dass Selbstliebe dem Sadisten diese Sicherheit hätte geben können? Die Sicherheit, nicht abhängig von der Zuverlässigkeit des Opfers zu sein? Die Sicherheit zu wissen, dass es nie völlige Sicherheit bei anderen Menschen geben kann, ob mit oder ohne Folter, ob mit oder ohne Liebe? Jemand, der sich einen anderen Menschen aneignen muß, ist im Selbstwert tief gestört.


Gerade fällt mir auf, dass es hier seit meinem Einwand mit dem Meta-Unmenschen richtig negativ geworden ist. Ups! ;)

Gibt es denn nichts positives, das man von der Tragik des Metamenschen oder Menschen ableiten kann? Falsche Frage bei Tragik?

Die unmittelbaren Schönheiten des Lebens sind vielleicht nicht diskussionswürdig oder überhaupt diskutierbar genug?

Das ist die Tragik des unmittelbaren Zen-Radlers... :cry2:

;)

Vorherige

Zurück zu Philosophie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste