ich denke, das Anliegen eines Sadisten ist ein ganz ähnliches wie das eines Liebenden. Da allerdings, wo der Liebende als Werkzeug seiner Annäherung an den geliebten Menschen Empathie, Einfühlungsvermögen, Mitgefühl u.dgl. verwendet, benutzt der Sadist einen anderen Ansatz, den der gewalttätigen Aneignung. Ein Sadist kann viel über einen Menschen herausfinden, unter starken Schmerzen, wie sie z.B. Folter erzeugen kann, werden Menschen wahrhaftig, vielleicht nicht in ihrem Reden, aber in ihrem Tun. Der Sadist charakterisiert sich im Wesentlichen dadurch, daß er der freiwilligen Wahrhaftigkeit, die sich Liebende wechselseitig spenden, nicht traut, oder daß deren Ausmaß ihm nicht reicht, oder daß er keine absoluter Kontrolle darüber hat; also bringt er sein Opfer in eine Situation, in der es ausgeliefert ist und gebrochen werden kann. Nach diesem Zerbruch des inneren Widerstands - herbeigeführt mit den Mitteln des äußeren Zerbruchs - glaubt der Sadist ausreichend Kontrolle über in die Zuverlässigkeit der Reaktionen und Aussagen seines Opfers zu haben.
Davon abgesehen halte ich die "gut - böse"-Dichotomie für eine der verhängnisvollsten Fehlleistungen der Moralphilosophie und der Religion überhaupt. Erstens ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Wenn aber darauf bestanden wird, Elemente dieses Ganzen in derartige Kategorien zu zergliedern - was im Laufe der Zeit zur Verteufelung und Abspaltung bestimmter Elemente führt - muss - eine psychologische Binsenweisheit - damit gerechnet werden, daß die unterdrückten Teil sich derart massiv emotional aufladen, daß sie irgendwann zur Explosion kommen. Die als Warnschild "eigentlich" gutgemeinte Kategorisierung "böse" führt somit direkt in die Katastrophe, weil über ihr der Blick dafür verlorengeht, daß zur Ganzheit einer Person eben auch die diffamierten Teile gehören; und das Ganze ist eben nicht die Summe seiner Teile, sprich: wie sich ein integriertes Ganzes erweist, ist nicht ableitbar aus den Eigenschaften der Teile.
Die allermeisten Katastrophen aus Bösartigkeit der Menschheitsgeschichte resultieren daher, daß den Individuen ihre Ganztheit verweigert und suspekt gemacht wird, und sie auf die "guten" Elemente festgelegt werden sollen