@Ipsissimus:
Dass dich meine These von der im Sein verwobenen Sinnhaftigkeit nicht überzeugen kann, ist eigentlich nicht weiter verwunderlich: insbesondere, da ich so recht auch selbst nicht dran glauben kann.
Nun aber grundlegender zu meiner Behauptung, dass nicht jedes moralische Urteil rein subjektiv ist.
Für mich besteht Erkenntnistheorie vor allem darin, die Möglichkeiten von Deutung meines Erlebens darzulegen und zu untersuchen. Dabei bevorzuge ich Deutungen, die meinem Erleben ähneln, die einfach und klar, sozusagen naiv sind (im Ziel, nicht im Werden), nicht Deutungen bei denen man an das Bild 'von hinten durch die Brust ins Auge' erinnert ist. Nun habe ich trotz aller Wertvorstellungen doch in mir das Erleben, dass überhaupt so etwas wie Recht und Unrecht gibt, egal, wieviel ich daran rumklopfe, zerre und hämmere. [als Beispiel steht mir gerade vor allem das Verhalten der Bürger von Dogville vor Augen, dass ich als unrecht sehe. Allen, die den Film nicht kennen und sich ein wenig für Moral interessieren, kann ich ihn nur wärmstens ans Herz legen]
Ich will gar nicht bestreiten, dass meine Moralvorstellungen möglicherweise einzig und allein aus Erziehung und evolutionär geprägten Mustern resultiert. Aber ich halte diese Interpretation nicht für die naheliegenste und der Sache angemessenste. Auch sie ist ohne Zweifel durch unsere Zeit geprägt.
Für die Existenz dessen, was man üblicherweise Außenwelt nennt, in einer Form, die unserem üblichen Begriff davon zumindest ähnelt, gibt es auch im wesentlichen nur die Anzeichen meines Erlebens. Und ich kann nicht sagen, dass meine Zweifel an der Existenz von objektiver Moral größer wären als die an der objektiven Außenwelt (von meinem Empfinden her). Was nicht heißt, dass sie nicht vorhanden sind, versteht sich.
Wenn die Werte schon nicht objektiv sind, kann ich ihnen dann wenigstens einen hypothetisch objektiven Status einräumen wie ich ihn auch der Außenwelt einräumen kann.
Sicher mag man auch einwenden, dass so eine These schlecht vertreten ist, wenn man weder die genauen Inhalte dieser objektiven Werte beschreiben kann noch in welcher Seinsweise sie existieren. Darauf kann ich nur die vielleicht etwas hölzerne Analogie erwidern, dass niemand bestreiten wird, dass ein losgelassener Stein hinunterfällt, nur weil man weder die Newtonsche noch die Einsteinsche Gravitationstheorie kennt. Auch soll man die These nicht an meiner mangelnden Einsicht messen.
ich würde es eher andersherum für logisch halten^^ wenn ich für einen Wert eine Situation ersinnen kann, in der er seinen Wertecharakter verliert, ist es kein absoluter oder objektiver Wert^^ Die in deiner Variante geforderte Vollständigkeit ("in jeder Hinsicht") ist ohnehin grundsätzlich nicht gegeben, und würde auch dazu führen, daß der Ausdruck seinen Inhalt verliert, da dann jeder Wert ein absoluter Wert wäre. Hinsichtlich deines Pädophilie-Beispiels: frag mal einen Pädophilen, wenn er nicht zu befürchten hat, für die falsche Antwort zur Rechenschaft gezogen zu werden
Es geht mir sozusagen nur um die Verneinung vom Wertrelativismus, also die Behauptung, dass da irgendwie irgendwas Objektives bei Werten bei ist. Dazu genügt ein so ein Beispiel. [zur Klärung meiner Begrifflichkeiten]
Wenn man zugibt, dass es unsinnig ist, zu sagen, dass es in jeder Hinsicht besser gewesen wäre, hätte ich [Padreic] zu jener Zeit ein Kind geschändet, so gibt man immerhin zu, dass nicht
alle Wertvorstellungen gleich zulässig/sinnig/wertig sind.
Und auch bei einem eingefleischten Pädophilen würde ich bezweifeln, dass er hier der Meinung gewesen wäre, dass es wirklich in allen (oder zumindest den meisten) Hinsichten besser gewesen wäre, denn erstens würde ich bezweifeln, dass die meisten Pädophilen ihr Verhalten als moralische Forderung aufstellen würde (es gibt sicherlich auch einige, die sich ihres Verhaltens dembezüglich schämen), und zweitens hatte ich am betreffenden Tag auch nicht die geringste Neigung zu einer solchen Tat und wer sollte eine Tat gutheißen, zu der der Betreffende keinerlei Neigung hat, von der der Befragte keinen persönlichen Vorteil hat und die er auch nicht zur strikten moralischen Forderung erheben will?
wo hat Ästhetik etwas mit Werten zu tun?
gut, ich kann deiner Aussage dann zustimmen, wenn ich vom Fall eines Hörers ausgehe, dem es nicht um die Musik, sondern um die darin gemutmaßten und transportierten Inhalte geht - aber weswegen sollte ich die Probleme eines Zensors zur Aushebelung des Werterelativsmus benutzen?
Nicht mir moralischen Werten, wohl aber mit ästhetischen, denke ich; öfter hört man solche Urteile wie: "Obgleich mir Werk XY persönlich besser gefällt, muss ich zugeben, dass Werk GammaXi das größere ist." Das zeigt, dass der Glaube an objektive Züge von ästhetischen Werten durchaus vorkommt, wenn nicht gar verbreitet ist.
Und das hat nicht nur mit transportierten Inhalten zu tun. Oder welche Inhalte kommen in der Kunst der Fuge oder in den Goldbergvariationen vor? Trotzdem hört man immer wieder Bewunderung für diese Werke, auch jenseits des rein persönlichen Geschmacks...
Zu der Werthaftigkeit von Gerechtigkeit: ich bin davon überzeugt, daß die Feststellung der (Un-)Gerechtigkeit eines Sachverhaltes belanglos ist angesichts der Faktizität des Sachverhalts. Ob wir Foltern als gerecht oder ungerecht bewerten, ändert nichts daran, daß das CIA foltert. Wir können den Begriff ersatzlos aus unserem Vokabular streichen - außer ein paar Begründungen, die nicht mehr ganz so gut klingen, wird sich nichts ändern.
1. Bei zu großem öffentlichen Gegenwind wird normalerweise reagiert und die betreffenden "ungerechten" Maßnahmen werden zumindest besser kaschiert oder eben gar minimiert.
2. Wenn ich selbst angewiesen werde, zu foltern, mögen moralische Begriffe nicht ohne jegliche Relevanz sein.
In deinen letzten Gedankengängen vermischst du imo Moral mit Annehmlichkeit oder mit Geschäft. Was hat "Gehorsam um Geld zu verdienen" mit einer moralischen Wertung zu tun?
Ich wollte nur demonstrieren, dass Gehorsam sehr wohl auch mit Propaganda ohne moralische Untertöne gefördert werden kann.
@Maurice:
Du machst wie Ipsi den Fehler die Frage, ob es objektive oder nur subjektive Moral gibt, an intersubjektiven Einigungen festzumachen.
Nein, den Fehler mache ich nicht. Es war primär als Antwort auf Ipsis Ausführungen gedacht.
Aber ich will Ipsi auch sicherlich zugestehen, dass uns weniger veranlasst, eine objektive Moral anzunehmen, wenn um uns herum die moralischen Vorstellungen völlig willkürlich verteilt zu sein scheinen, keine moralische Begründung jemals zieht. Ich würde auch eher daran zweifeln, dass ein Auto rot ist, wenn Person A erzählt, es sei rot, Person B, es sei grün, und Person C, es sei blau, als wenn alle es für blau halten

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Ich mag Mozart mehr als Hip-Hop und deshalb ist Mozart für mich wertvoller als Hip-Hop. Wenn nun jemand überhaupt kein Mozart mag aber dafür Hip-Hop, dann hat für ihn Hip-Hop mehr Wert. Ich weiß jetzt nicht, wo hier das Problem ist.
Wie schon gegenüber Ipsi ausgeführt, wird das halt von vielen nicht so gesehen. Und ein weiteres Indiz dafür, ist IMHO auch die Langlebigkeit der Musik von Mozart gegenüber der von Hip-Hop...
Ein Werterealist, der Kunst einen objektiven Wert zuschreibt, muss auch dem Picasso Wert zuschreiben, der mit einer Rakete auf den Mond geschossen wurde und da immer noch steht, selbst wenn die Menschheit schon längst nicht mehr existiert. Wie kann denn das Bild einen Wert haben, wenn es keinen Menschen mehr gäbe, denen das Bild von Nutzen ist? Und komm mir jetzt bitte nicht mit möglichen Außerirdischen.
Jein. Wenn der Wert in dem Bild allein und für sich selbst liegt, ja. Aber man kann auch einen objekten Wert für Menschen annehmen. Das ist ähnlich wie mit einem tollen Roman, der wertlos wird, wenn man die Sprache nicht versteht... die Inschrift "1+1=2" beinhaltet ja auch für Außerirdische oder gar für gar kein Leben auch keine wahre Aussage

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Du hattest gesagt, dass der Werterelativismus mit dem Solipsismus vergleichbar ist. Das halte ich nicht für richtig. Wer ist schon Solipsist oder welche bedeutenden Solipsisten kennst du? Werterelativisten gibt es hingegen genug (wenn man meinem Prof da glauben darf) und diese philosophische Richtung wird mit Hobbes auch von einem bedeutenden Philosophen repräsentiert. Sein Kontraktualismus ist ja einer der klassischen ethischen Positionen.
Hobbes war sicherlich ein bedeutender Politiktheoretiker, aber sonst...die radikalen Konstruktivisten wären wohl als eine Art von Solipsisten zu nennen und in einem weiteren Sinne würde ich auch an Berkeley denken (obwohl der Begriff Solipsist sicherlich nicht auf ihn passt).
Mir ging es aber eher darum, von meinen persönlichen Erfahrungen auszugehen. Hobbes Erfahrungen haben sicherlich anders ausgesehen, aber mein persönliches Erleben legt halt den Solipsismus-Wertrelativismus-Vergleich nahe, wie weiter oben schon ausgeführt.
Übrigens ist recht fraglich, ob Leute wie Hume und Hobbes wirklich völlige Wertrelativisten waren...ich kann mich an eine Passage bei Hume erinnern (die ich leider nicht zitieren kann, weil sie aus meinem Philosophiebuch hatte), wo er zu den vielleicht verheerenden Folgen seiner Anschauungen für das alltägliche Leben (in etwa) sagt, dass man am besten nicht zu viel darüber nachdenken und sich besser durch Kartenspielen oder so davon ablenken sollte...das nenne ich intellektuelle Redlichkeit

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Und Pad fang bitte nicht mit Drogen an, falls sich dein Denken doch noch zu einem Nihilismus verändern sollte.
Was spricht für einen Hedonisten gegen Drogen?

. Oder hängst du einer qualitativen Glücksstrebenvorstellung an a la Mill? Zu Drogen fühle ich mich tatsächlich aber wenig hingezogen. Auch beim Selbstmord soll man keine halben Sachen machen

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Zur Sinn- und Orientierungslosigkeit: du hast doch durch alle Wertrelativisterei deinen Glauben von Glück als einer von praktischem absoluten subjektiven Wert beibehalten, oder? Wenn dieser Halt wegfällt, sieht es sehr viel düsterer aus

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Padreic
P. S. Ich hoffe, die angestrebte und tatsächliche Länge des Beitrags überzeugt dich davon, dass etwas Zeit von Nöten war, mir das zu überlegen und es aufzuschreiben und dass man so etwas leicht etwas aufschiebt, wenn man nicht gerade zu reichlich mit Zeit gesegnet ist
