Zum Verhältnis von Vernunft und Wissen

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
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Mo 28. Nov 2005, 14:15 - Beitrag #41

nu, gelegentlich mag es wohl passieren, daß der Stapel einstürzt^^ dann rappele ich mich wieder auf, schaue ganz kurz verdutzt um mich und krabbele auf den nächsten^^
aber ernsthaft - ich habe es 2mal erlebt, daß in meinem Leben der Stapel "eingestürzt" ist - keine zu angenehme Erfahrung, aber vor allem eine, die ich zweimal überlebt habe^^ gerade dieses Einstürzen - mitsamt seinen Begleitumständen, ist es gewesen, was mich dazu geführt hat - über tausenderlei Reflexionen - es mit der von dir ersehnten Schärfe nicht mehr allzu eng zu sehen.

Wie können wir überhaupt irgendetwas mit Sicherheit sagen, wenn wir kein sicheres Wahrheitskriterium besitzen?


wie ich schon darlegte, es ist nicht notwendig, irgendetwas mit Sicherheit zu sagen, solange wir die Erfahrung machen, daß unsere ungewissen Annahmen "im Schnitt" akzeptable Resultate erbringen

Maurice
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Mo 28. Nov 2005, 14:26 - Beitrag #42

Dann habe ich mich also geirrt, als deine Aussage über die zwei Kühe, auf mich den Eindruck machte, dass sie sicher sei? :wzg:

Ipsissimus
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Mo 28. Nov 2005, 15:29 - Beitrag #43

ich versuchte mit diesem Beispiel lediglich, zu verdeutlichen, daß das Konzept von absoluter Sicherheit überflüssig ist, um sein Leben führen zu können^^

Menschen haben die Fähigkeit, einander logisch ausschließende Möglichkeiten problemlos gleichzeitig als gültig zu handhaben. Logische Widersprüche führen nicht zu einem Kollaps des Intellekts, sondern zu einem Schulterzucken. Die Ausweglosigkeit mancher logischer Schlüsse beruht nur auf der Ignoranz der Logik gegenüber diesem Phänomen^^

Aydee
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Mo 28. Nov 2005, 15:43 - Beitrag #44

kleiner Einwurf:
Zitat von Ipsissimus:ich versuchte mit diesem Beispiel lediglich, zu verdeutlichen, daß das Konzept von absoluter Sicherheit überflüssig ist, um sein Leben führen zu können^^

imo ist es sogar hinderlich für's Leben leben...

**flücht**

Maurice
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Mo 28. Nov 2005, 16:01 - Beitrag #45

Aydee da musst du mir aber mal erklären, warum es hinderlich für dein Leben wäre, wenn du zu Recht sagen könntest, dass du weißt, dass du existierst.

Und nochmal zu Ipsis Kissenmetapher:
Es geht mir nicht wie Descartes darum, einen archimedischen Punkt zu finden und auf diesen die Welt sicher zu erkennen. Ich will nicht den ganzen Kissenstapel fixieren. Was ich möchte ist die Gewissheit, dass mein Kissenstapel auf einem festen Grund steht und nicht in der Luft schwebt.
Man könnte sagen, dass ich in den Kissen gewühlt habe und bisher nur Kissen, aber keinen festen Grund gefunden habe.

Ipsissimus
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Mo 28. Nov 2005, 16:30 - Beitrag #46

Was ich möchte ist die Gewissheit, dass mein Kissenstapel auf einem festen Grund steht und nicht in der Luft schwebt.

worst-case-Szenario: dein Leben geht in 60, 70 Jahren irgendwann vorüber und du hast diesen sicheren Punkt tatsächlich nicht gefunden, im übrigen aber dein Leben ganz gut "hingekriegt".

Welchen Unterschied hätte es dann für dich gemacht, die ganze Zeit geschwebt zu haben statt auf festem Grund zu stehen, abgesehen von einem Gefühl der "vanitas" vielleicht?

Aydee
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Mo 28. Nov 2005, 16:51 - Beitrag #47

@hinderlich.
Weil es mich davon abhält auf Änderungen eingehen zu können.


OT:
Zitat von Maurice:Aydee da musst du mir aber mal erklären, warum es hinderlich für dein Leben wäre, wenn du zu Recht sagen könntest, dass du weißt, dass du existierst.

Eine solche Überlegung - Sicherheit bzgl meiner Existenz - ist für mich eher irrelevant. Nicht Bestandteil meines Denkens :-) Wenn ich bin, dann bin ich sowieso. Sollte ich nicht sein, scheint das von irgend"etwas" permanent ignoriert zu werden: "es" bildet sich ja noch immer ein zu sein...

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Mo 28. Nov 2005, 17:11 - Beitrag #48

Das erinnert mich an einen alten Spruch, Aydee.

Das Leben ist ein scheiß Spiel, aber mit einer geilen Grafik.

Sorry, wenn das jetzt zu OT war, aber mein ich stand unter dem Zwang es zu schreiben. Was mein Ich dazu zwang, war die Erinnerung und das Bedürfnis zu einer Diskussion beizutragen, also ist meine Erinnerung manchmal stärker als mein Ich.

Nee, stimmt nicht. Ich hätte es verhindern können, wenn ich gewollt hätte. :cool:

Maurice
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Di 29. Nov 2005, 11:04 - Beitrag #49

Ipsi natürlich ist es nicht entscheidend, ob man der Meinung ist, dass gewisse Dinge sicher sind. Das einzige auf was es ja letzten Endes ankommt ist Glück. ^^

Es ist nun mal so, dass ich noch den Drang nach zumindest einem Funken Sicherheit verspüre. Gut möglich, dass sich aber nach einer Zeit auch noch gibt. Ähnlich war es ja, als es um meine Einstellung zur Willensfreiheit ging, wo ich erst (wohl mehr aus Gewohnheit) versucht hatte dafür zu argumentieren und erst nach einer Zeit akzeptiert habe, dass Willensfreiheit nicht mit einer anderen mir wichtigeren These zusammen zu passen scheint. Ich halte es für gut möglich, dass es auch nicht mehr lange dauert, bis ich mich mit einem völligen Relativismus abfinde. :rolleyes:

Ipsissimus
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Di 29. Nov 2005, 13:32 - Beitrag #50

och, es gibt schon Sicherheit, Maurice^^ nur ist diese Sicherheit imo nicht auf die absolute Gültigkeit von Wissen und Erkenntniskriterien rückführbar. Ich arbeite mit einigen Annahmen über die Wirklichkeit, die zwar - weit entfernt von absoluter Sicherheit - für mich erstens über alle Maßen plausibel sind und zweitens von der Wirklichkeit, wie ich sie erfahren habe, bisher nicht widerlegt wurden - und es zusätzlich auch äußerst unwahrscheinlich ist, daß sie widerlegt werden können.

So z.B: die Annahme der Kontingenz als zentrales Erklärungskonzept menschlichen Handelns oder die Annahme, daß kein Mensch irgendetwas wirklich muss, außer mit den Konsequenzen seines Tuns und Lassens zu leben

solche Aussagen, in welche die prinzipielle Ungewissheit eingearbeitet ist, geben mir alle emotionale und intellektuelle Sicherheit, welcher ich bedarf

Padreic
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Di 29. Nov 2005, 16:07 - Beitrag #51

@Maurice:
Nur kurz dazwischen wegen wenig Zeit:
Woher wollen wir in einem Augenblick wissen, dass wir die Regeln einer Konvention einhalten, die wir glauben richtig zu befolgen?

Verstehe ich dich richtig, dass keine sprachliche Aussage sicher gewusst werden kann, weil wir uns nie 100%ig sicher sein können, dass wir unsere Sprache richtig benutzen? D.h. insbesondere, dass ich auch nicht mit Sicherheit sagen kann: "Ich existiere.", da vielleicht mich 'ich' doch nicht 'ich', sondern vielleicht vielmehr der Nikolaus gemeint sein könnte?

Maurice
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Di 29. Nov 2005, 21:40 - Beitrag #52

Skepsis in ihrer vollen Konsequenz

Ich brauchte auch eine gewisse Selbstüberwindung, aber zur Zeit würde ich sagen: JA!
Solange wir kein sicherers Wahrheitskriterium haben, können wir nun mal nichts mit Sicherheit sagen. Wenn wir meinen, etwas mit Sicherheit sagen zu können, dann muss man auch das Kriterium nennen, auf Grund dessen man glaubt, dass etwas sicher wahr ist.

Nun was ist dein sicheres Wahrheitskriterium, nach dem du beurteilst, dass dein Post mit Sicherheit den Sprachregeln entspricht, nach die du glaubst eingehalten zu haben? Wenn du kein solches Kriterium nennen kannst, wie willst du dir dann sicher sein, dass du die Regeln eingehalten hast?

Padreic
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Di 29. Nov 2005, 22:04 - Beitrag #53

Wenn du natürlich jeglichem Bewusstseinsakt, der eine irgend geartete Aussage trifft, die Möglichkeit zur Täuschung zugestehst, so ist jegliche Aussage unsicher und kein sicheres Wissen, das stimmt...wobei man natürlich berücksichtigen muss, dass das wiederum keine unbedingt richtige Aussage ist und so weiter und so fort.
Man kann in der Theorie einen solchen Standpunkt einnehmen. Nur so für sich entbehrt er natürlich Sinn, weil man mit ihm nichts anzufangen weiß. Und weil er ohne weitere Überlegungen jeden Diskurs und jede Überlegung seines bzw. ihres Sinns beraubt.

Maurice
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Di 29. Nov 2005, 22:31 - Beitrag #54

Mir verursaht dieser Standpunkt auch noch Bauchschmerzen, aber das ist eben imo ein konsequent zu Ende gedacher Skeptizismus. Ich bin nicht froh darüber, wo ich mich momentan befinde, deshalb will ich ja auch ein sicheres Wahrheitskriterium. Andere Leute hier, scheinen das Ganze aber etwas gelassener zu nehmen.

Padreic
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Di 29. Nov 2005, 22:43 - Beitrag #55

Ich will nicht sagen, dass es schlecht ist, diese Gedanken zu denken. Im Gegenteil: konsequent zu Ende gedachte Positionen schärfen die Gedanken und schützen davor, halbe Positionen schon für konsequent angewandte Prinzipien zu halten. So beim Empirismus, so beim Skeptizismus.

Deine Überlegungen zeigen sehr schön, dass es kein voraussetzungsloses Denken gibt. Man muss sich einen Boden wählen, auf dem man stehen will, um denken, philosophieren und leben zu können. Dieser Boden muss letztlich enthalten, dass uns unser Wahrheitsempfinden, was beispielsweise einfache logische Schlüsse betrifft, nicht gänzlich in die Irre führt. Sonst werden wir keinerlei Erkenntnismöglichkeit haben.
Es bleibt natürlich immer ein letzter Zweifel an diesen "Erkenntnissen". Absolut sicheres Wissen jenseits von jeglichem Zweifel werden wir niemals erhalten. Aber wenn wir leben, bauen wir stets auf stillschweigenden oder auch bewussten Annahmen. Wir können uns philosophisch auf den Standpunkt eines bloßen absoluten Skeptizismusses stellen; das wird nur darin resultieren, dass wir unsere Annahmen fürs Leben völlig unhinterfragt benutzen. Ich denke, dass wir die bittere Pille eines gewissen Zweifels schlucken müssen, wenn wir ein Gedanken schaffen wollen, die reichhaltig genug sind, um irgendetwas damit anzufangen.

Ipsissimus
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Mi 30. Nov 2005, 13:22 - Beitrag #56

diese Diskussion zeigt imo recht hübsch, daß Denken sich nur eingeschränkt auf die Wirklichkeit abbilden läßt^^ die Zweifel, die wir hegen, sind Zweifel unseres Denkens, hinsichtlich der Modellbildung, die unserem Denken zugrunde liegt; aber außer in pathologischen Fällen kommen auch die größten Skeptiker mit ihrem Leben im üblichen Spielraum an Variantenbildungen "einfach so" zurecht.

Maurice
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Mi 30. Nov 2005, 15:34 - Beitrag #57

Ein Fazit?

Ich denke hier kann man (mit den Worten Kants) von theoretischer und praktischer Vernunft sprechen. Ich will damit sagen, dass theoretisch gesehen, wir nach diesen Überlegungen uns in einem völligen Zweifel an der Welt befinden. Das hat aber für unser alltaägliches Denken deshalb wenig Relevanz, da es praktisch besser ist, über diesen theoretischen Zweifel in seiner Absolutheit hinweg zu sehen und sich nur in besonderen Fällen sich diesem zu erinnern.
Was für die Praxis vielleicht dafür bleibt ist eine Änderung der Einstellung dahingehend, dass weder andere, noch man selbst absolut sicheres Wissen besitzen und wir uns deshalb unserer Meinungen nie zu sicher sein sollten.
Von daher würde ich nicht sagen, dass das Nachdenken über diese Probleme völlig sinnlos und nutzlos wahren.

Traitor
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So 4. Dez 2005, 12:30 - Beitrag #58

Ein Fazit?
Nein, ich bin noch da ;) Pardon, dass es so lange gedauert hat.

Und wie willst du dieses sicherstellen? Was ist dein Kriterium, um sagen zu können, dass du eine mit Sicherheit wahre Aussage innerhalb deines Systems tätigst?
Und noch deutlicher:
ABER woher willst du wissen, dass du die Regeln unserer Konventionen hier richtig angewendet hast, wenn du kein sicheres Wahrheitskriterium hast? Vielleicht hatten wir uns ursprünglich darauf geeinigt, dass wir von drei Kühen sprechen, wenn eine und noch eine Kuh zusammen kommen. Woher wollen wir in einem Augenblick wissen, dass wir die Regeln einer Konvention einhalten, die wir glauben richtig zu befolgen?
Zum anderen wissen wir auch nicht, dass wirklich nur zwei Kühe herauskommen, wenn eine und noch eine zusammen kommen, weil vielleicht eine dritte inmaterielle und für uns nicht wahrnehmbare Kuh aus dem Nichts auftaucht, wenn zwei Kühe zusammen kommen? Ja das klingt absurd und unlogisch, aber woher wollen wir wissen, dass die Welt so funktioniert, wie wir sie uns logisch vorstellen?

Du fasst hier stets drei Ebenen des Wissens zusammen. a) ist die Aussage im verwendeten Axiomensystem korrekt?, b) ist es eine wahre Aussage über die Welt?, c) Habe ich diese Aussage richtig erfasst und formuliere ich sie richtig?
Durch c) handelst du dir immer unwägbare Fehlerquellen ein, die nur durch Intersubjektivität oder extrem klare Anwendungsregeln minimiert werden können. Einewirklich, wirklich absolutes Wahrheitswissen kann es dadurch nicht geben, da hast du wohl Recht. Aber wie kann jemand, der nichteinmal die absolute Existenz von ihm bisher nicht gedachter Zahlen annimmt, verlangen, dass es ein über jedes denkbare hinausgehendes absolutes Kriterium geben solle?
"Nach jedem menschendekbaren Kriterium korrekt" sollte daher als Wahrheitskriterium gelten können, und bei hinreichend geschickt gewählten und extrem stringenten Axiomensystemen ist es wohl nicht vermessen, sich zuzusprechen, diese bereits abschätzen zu können und somit die Wahrheit einer Aussage im System anzunehmen.

Kommen wir also zu 1+1=2, Evidenz und Descartes. Und zum Unterschied zwischen echter, harter mathematischer Logik und philosophischer Gedankenspielerei. Eine mathematische Aussage bzw. deren Herleitung lässt sich prinzipiell soweit herunterbrechen, dass nur noch eine triviale Aneinanderreihung von Axiomen, Definitionen und bereits auf dieselbe Art hergeleiteten Aussagen vorliegt. Diese ist dann (innerhalb des Axiomensystems!) wirklich evident. Nicht in dem Sinne, dass Descartes sagt "och, das sieht nett aus, wird schon stimmen", sondern in dem Sinne, dass du keinen Menschen und keine Maschine finden können wirst, die dies nicht evident findet. "Wahrheit durch Evidenz durch Ausschluss der Widerlegung", sozusagen.

Man kann aber durchaus auch Wissen über eine falsche Aussage besitzen.

Ja klar ist theoretisch nicht ausgeschlossen, dass ich weiß, dass eine Aussage falsch ist. Dann muss aber das Wissen über die Falschheit wahr sein. So wie du hier das Wort Wissen benutzt, steckt in diesem der Begriff der Wahrheit. Das Beispiel passt somit nicht, zu der Aussage davor.

Das war es nicht, was ich aussagen wollte. Ein Wissen über die Falschheit einer Aussage ist äquivalent zum Wissen über die Richtigkeit der Gegenaussage, natürlich.
Es geht mir darum, ob man sagen würde, dass etwa die präkopernianischen Astronomen wussten, dass sich die Sonne um die Erde dreht (ja, es gab auch vorher andere Ansichten, aber darum geht es nicht). Ich würde sagen: ja. In ihrem wissenschaftlichen Grundsystem (von einem Axiomensystem rede ich hier nicht, da es wohl nach modernem Standard keines war) war die Aussage schlüssig.
Somit zu:
Eine Definition von Wissen, wo Wahrheit nicht enthalten ist? Damit sind nicht wir die Exoten, sondern eindeutig du. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die alltägliche gebrauchte Defintion der allermeisten Menschen von Wissen nicht den Begriff der Wahrheit enthält.
Damit, das "Wissen" bereits Wissen über die Korrektheit im Axiomensystem beinhaltet, könnte ich mich noch anfreunden. Aber damit, dass es auch absolutes Wahrheitswissen über die Realität enthält, nicht, und ich denke auch nicht, dass die allermeisten Menschen dies in ihrer Verwendung des Wortes beinhalten.
Also würdest du nicht sagen, dass du weißt, dass du existierst, sondern nur glaubst zu existieren?
Ich weiß es nicht in deinem Sinne, bzw im Sinne meines "Wahrheitswissens". Ich halte es für ein völlig konkurrenzloses Axiom, also weiß ich es in meinem Sinne a) (Axiome weiß man immer), und wohl auch im Sinne b).

Ich will damit sagen, dass theoretisch gesehen, wir nach diesen Überlegungen uns in einem völligen Zweifel an der Welt befinden. Das hat aber für unser alltaägliches Denken deshalb wenig Relevanz, da es praktisch besser ist, über diesen theoretischen Zweifel in seiner Absolutheit hinweg zu sehen und sich nur in besonderen Fällen sich diesem zu erinnern.
Erinnerst du dich an meinen Thread "Die Grenzen der Philosophie" oder so ähnlich? ;)

Maurice
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So 4. Dez 2005, 13:47 - Beitrag #59

@Traitor:

Na da hab ich ja nix dagegen, wenn wir hier noch ein wenig diskutieren. Nur glaube ich, dass das Thema vorerst bald ausgeschöpft sein wird, weil ich den Eindruck habe, dass die jeweiligen Positionen ausreichend erklärt wurden und man sich nur auf Grund des eigenen Geschmacks für das eine oder das andere entscheiden wird. :)

@Alltagsdefinition von "Wissen": Ich würde es mal interessant finden, wer von uns beiden mit seiner Einschätzung eher recht hat, welche Vorstellung von Wissen die meisten Menschen haben. Wir können ja mal Forsa fragen, ob sie für uns eine Umfrage machen. :D

"Nach jedem menschendekbaren Kriterium korrekt" sollte daher als Wahrheitskriterium gelten können

Wenn ich diesen Satz richtig interpretiere, dann scheint er mir die Vorstllung zu implizieren, dass die Wirklichkeit in irgendeiner Weise so aufgebaut sein müsste, wie wir sie uns vorstellen. Als Gebot der praktischen Vernunft, um sinnvoll sich gegenüber der Welt zu verhalten, scheint mir das richtig, aber alles andere als eine sicherer Annahme, wenn es um eine bloß theoretische Reflektion geht.

Diese ist dann (innerhalb des Axiomensystems!) wirklich evident.

Evident? Ja.
Sicher? Nein.

Es geht mir darum, ob man sagen würde, dass etwa die präkopernianischen Astronomen wussten, dass sich die Sonne um die Erde dreht (ja, es gab auch vorher andere Ansichten, aber darum geht es nicht). Ich würde sagen: ja.

Das ist so ein Beispiel, wo bei mir die Alarmglocken schrillen. Ich würde nie sagen, dass diese Personen wussten, dass die Sonne sich um die Erde dreht, denn im Begriff des Wissens (zumindest in meinem und wie ich behaupte im gewöhnlichen) ist enthalten, dass die Meinung wahr ist. Da die Meinung, dass die Sonne sich um die Erde dreht (nach unserer heutigen Ansicht) falsch ist, kann man auch nicht wissen, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Das ist in meinen Augen ein Widerspruch.


Da fällt mir gerade etwas auf! Unsere Meinungverschiedenheit liegt in einer benennbaren Grundsatzentscheidung: Ich vertrete die Korrespondenztheorie bezüglich Wahrheit, du hingegen die Kohärenztheorie.
Ok das ist jetzt nix neues, aber dass der Knackpunkt genau hier liegt, war mir aus irgendeinen Grund bis jetzt nicht so evident. Und dass man der Sache Namen geben kann, hat für mich eine gewisse Entspannung des Gemüts zu Folge. ^^*
Deine These ist ja, dass eine These nicht mit den Tatsachen übereinstimmen muss, sondern innerhalb eines Axiomensystems nicht widersprüchlich sein muss, damit sie als wahr bezeichnen kann. Zumindest so würde ich den Kern deiner Argumentation reformulieren.
Wenn man diesem Sachverhalt psychologisch erklären sollte, so würde ich als Laie sagen, dass es auch mit unseren verschiedenen Interessensschwerpunkten zu tun hat, dass ich mehr theoretisch und du im Vergleich dazu mehr praxisorientiert an das Thema herangehen.

Naja das war jetzt etwas wirr, aber wenn wir weiter diskutieren wollen, sollten wir vielleicht den Gegensatz der beiden Wahrheitstheorien als Schwerpunkt wählen. Obwohl ich vermute, dass hier keine Einigung erzielt werden wird, da beide Standpunkte von den jeweiligen Vertretern mit der nötigen Überzeugung vertreten werden wird.
Bleibt die Anmerkung, dass du mit deiner Kohärenztheorie doch der Exot unter uns beiden bist, was die Definition von Wahrheit und somit auch von Wissen angeht. :P ;)

Traitor
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So 4. Dez 2005, 14:10 - Beitrag #60

Ja, die Diskussion liegt zumindest bereits in den letzten Zügen. Ich wollte nur noch ein paar Missverständnisse aufklären bzw. Punkte spezifizieren.

Wenn ich diesen Satz richtig interpretiere, dann scheint er mir die Vorstllung zu implizieren, dass die Wirklichkeit in irgendeiner Weise so aufgebaut sein müsste, wie wir sie uns vorstellen. Als Gebot der praktischen Vernunft, um sinnvoll sich gegenüber der Welt zu verhalten, scheint mir das richtig, aber alles andere als eine sicherer Annahme, wenn es um eine bloß theoretische Reflektion geht.
Hier liegt eben der Unterschied, ob man die Ebenen "Aussage in einem Axiomensystem" oder "Aussage über die Realität" betrachtet. Erstere bezieht sich auf menschengemachte Dinge, "alles menschenmögliche" ist hier also ein gutes Kriterium. Letztere geht darüber hinaus, das Kriterium ist hier also nicht ausreichend für Wahrheit, lediglich für Brauchbarkeit. (Die Abgrenzung war im entsprechenden Absatz meines Vorpostings wohl unzureichend.)
Evident? Ja.
Sicher? Nein.
Man könnte in Anlehnung an die Unendlichkeits-Debatte von potentieller und aktualer Sicherheit sprechen ;) Du willst beweisen, dass etwas sicher ist; mir reicht es, dass es nicht möglich ist, die Unsicherheit zu beweisen.

Zu den Wahrheitstheorien: Ich vertrete nicht eine von beiden, sondern bin der Ansicht, dass je nach betrachteter Ebene die eine oder die andere zum Zuge kommen sollte. Beziehungsweise sind die beiden Theorien nur Namen für die Kriterien, die ich in meinem Modell auf den verschiedenen Ebenen anlege.
Sprich: auf der Axiomensystem-Ebene ist die Kohärenz hinreichend für Wahrheit, da das betrachtete eben nur ein System ist, in dem Aussagen nur über Widerspruch falsch sein können, nicht durch Vergleich mit einer absoluten Größe; auf der Realitätsebene hilft sie dann aber nur noch, ein brauchbares Modell zu finden, und ist für Wahrheit nicht mehr hinreichend. Hierfür bräuchte es Korrespondenz, die nicht festzustellen ist.

Letztlich sind wir uns, was die Realität angeht, also ziemlich einig, ich bin nur eher bereit, die Axiomensysteme losgelöst von ihr zu betrachten, während sie sich für dich (so, wie ich dich verstehe) stets an der Realität messen lassen müssen.

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