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Fr 2. Dez 2005, 16:25 - Beitrag #61 |
Es ist mir klar, dass eine Argumentation keine Wirkung hat, wenn der andere die Ohren verschließt. Da ich aber davon ausgehe, bzw. hoffe, dass Pad unseren Argumenten zugänglich ist, so wie wir auch versuchen, seinen Argumenten zugänglich zu sein (zumindest gehe ich davon aus bzw. hoffe es), mache ich diese Ausführungen. Wenn ich nämlich der Meinung wäre, dass es sinnlos wäre, also Pad nur eine Diskussion vortäuscht, dann würde ich hier nichts schreiben wollen. Auf Grund der Tatsache, dass auch du hier postest und argumentierst, gehe ich davon aus, dass auch du diese Annahmen machst.
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"Erst der grosse Schmerz ist der letzte Befreier des Geistes, als der Lehrmeister des grossen Verdachtes"
- Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft |
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Fr 2. Dez 2005, 16:33 - Beitrag #62 |
ich will und wollte niemandem etwas unterstellen; immerhin erscheint es mir bemerkenswert, daß die Argumentationslinien sich offenbar jeweils teilweise oder völlig verschiedenen Kriterien verpflichtet fühlen^^
nach meinem Dafürhalten muss eine Moral, bei der auch nur ansatzweise eine Chance bestehen soll, daß sie eine "objektive" sein könnte, vor allem menschliche Psychologie - und zwar sowohl Individual- wie auch Massenpsychologie - und Soziologie berücksichtigen. Moralische Konzepte, deren Relevanz und objektive Gültigkeit nach Inhalt und Gültigkeit selbst nach hochgradig sophistischen Gedankengängen bestenfalls umstritten bleibt, sind nach meinem Empfinden - das wiederum kein Maßstab ist - nicht geeignet, diese Chance zu besetzen. |
Wer bist du, dass du die Qual lindern kannst und es nicht tust ...
-------------------------------------------------------------------------- ... nicht das Licht und nicht die Finsternis ... die Schatten, die leisen Übergänge ... |
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Fr 2. Dez 2005, 16:41 - Beitrag #63 |
Tja bei dem was ich als meine Vorstellung von objektiver Moral ausgeführt habe, spielt die Meinung irgendeines Menschens oder gar einer ganzen Gesellschaft keine Rolle.
Warum eine Moral aber nur dann objektiv sein kann, wenn sie von (fast?) allen anerkannt wird, kann ich leider noch nicht nachvollziehen. Zumindest, wenn ich mein Konzept von "objektiver Moral" zu Grunde lege. Ich glaube, dass wir unter diesem Begriff was grundsätzlich verschiedenes verstehen, wobei ich davon ausgehe, dass Pad und ich uns hier im Großen und Ganzen einig sein sollte. Solange wir alle aber nicht über etwa dasselbe reden, werden wir wohl notwendig auch aneinander vorbeireden. Es kann natürlich auch sein, dass ich deine bisherigen Erläuterungen, was du unter objektiver Moral verstehst, z.T. missverstanden habe und wir doch über dasselbe sprechen. ^^ |
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Fr 2. Dez 2005, 16:45 - Beitrag #64 |
ich bin wahrscheinlich einfach nur zu skeptisch eingestellt gegenüber Konzepten, die beim menschlichen So-sein-Sollen ansetzen statt bei der Faktizität menschlicher Erweise
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Fr 2. Dez 2005, 17:03 - Beitrag #65 |
Hast du zufällig eine Ader für Soziologie? Wenn ich dich so reden höre, dann meine ich oft jemanden vor mir zu haben, der mehr zu Soziologie statt zur Philosophie tendiert. Aber man kann es auch einfach so sehen, dass dein philosophischer Ansatz eben ein ungewöhnlicher ist. Als ich etwas auf deiner HP gestöbert habe, habe ich auch an Schopenhauer denken müssen, den man auch als Exot bezeichnen kann.
Oje jetzt wirds aber langsam sehr ot. ^^* |
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Fr 2. Dez 2005, 17:16 - Beitrag #66 |
sagen wir es so, ich beziehe in mein philosophisches Denken auch Konzepte mit ein, die aus Soziologie und Psychologie stammen, besonders von Luhman, Bourdieux und Foucault (Michel). An Philosophen haben wohl Sartre und Derrida den größten Einfluss gehabt
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Fr 2. Dez 2005, 19:00 - Beitrag #67 |
Ja man merkt den Strukturalismus raus... ich hoffe ich verbinde Derrida jetzt richtig mit dem Strukturalismus, habe nämlich nicht nachgeschlagen. ^^*
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Fr 2. Dez 2005, 19:30 - Beitrag #68 |
ja, Derrida war Strukturalist (und Dekonstruktivist)
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Mi 7. Dez 2005, 21:05 - Beitrag #69 |
Tut mir leid, dass es mit meiner Antwort so lange braucht...hab irgendwie plötzlich erfahren, dass ich noch eine Philosophie-Hausarbeit bis Samstag schreiben muss und hab auch noch einiges anderes zu tun. Aber in den nächsten Tagen wird noch eine Antwort kommen.
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Eine profunde Wahrheit ist eine solche, deren Gegenteil ebenfalls wahr ist.
"Dass es ein Vergessen gibt, ist noch nicht bewiesen; was wir wissen, ist allein, dass die Wiedererinnerung nicht in unserer Macht steht." (Friedrich Nietzsche) |
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Mi 7. Dez 2005, 21:12 - Beitrag #70 |
Kein Problem, Uni geht vor. Das ist doch gar keine Frage.
![]() Danke aber dass du Bescheid gesagt hast, sonst glaubt man am Ende noch, dass du den Thread abgeschrieben hast. Ich zu meinem Teil bin am Wochenende bei Sarah und werde daher wahrscheinlich nichts hier schreiben können, wenn die Diskussion weitergehen sollte. Nur zu Info. |
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Mi 7. Dez 2005, 23:05 - Beitrag #71 |
Also meine Meinung zu der Diskussion:
Es gibt kein "Wesen" der Moral. Moral ist ein Gedanke oder eine Empfindung, die unser Gehirn aussendet bei bestimmten Anlässen.... es hat kein Wesen... wenn ich Wesen jetzt richtig deute. |
"Mut ist oft Mangel an Einsicht, während Feigheit nicht zuletzt auf guten Informationen beruht."
Sir Peter Ustinov (16.04.1921-28.03.2004) |
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Do 8. Dez 2005, 13:35 - Beitrag #72 |
Wenn du Moral als Empfindung oder als Gedanke definierst, dann existiert schon einmal Moral und es gibt kein Sein ohne So-Sein- Mit "Wesen" meinte ich nichts anderes, als das So-Sein.
Gehe ich richtig in der Annahme, dass deine Vorstellung von Moral ein Werterelativismus darstellt? Von der Richtung her stimme ich dir zu, aber ich habe Probleme damit, dass du "ein Gedanke oder eine Empfindung" schreibst. Ein Gedanke ist ja was anders als eine Empfindung. Ist Moral jetzt für dich eines der beiden oder beides zusammen? Vielleicht schreibst du nochmal ausführlicher, was du zu dem Thema denkst, weil so eventuell neue Aspekte in die Diskussion miteinfließen, die wir bisher noch nicht bedacht haben. ![]() |
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Mo 12. Dez 2005, 22:33 - Beitrag #73 |
Notizes on morality and happiness@Ipsissimus:
Das sei unbestritten. Nur ist die Frage, inwieweit man dem unterworfen ist. Wenn ich tief in mich schaue, dann merke ich immer mal wieder, dass ich bestimmte Ansicht vertrete, weil ich so von meinem Elternhaus geprägt bin; andere vielleicht, weil sie mir von bestimmten Büchern, mit denen ich früh in Kontakt gekommen, eingeimpft wurden. Aber wenn ich viel schüttle, rüttle und grabe, so fällt einiges von dem ab. Ich sehe dann vieles, was mir nur kontigent erscheint. Aber ich habe auch bei so einigem das Gefühl, dass es nicht nur kontigent und sozial aufgeprägt ist. Ich mag mich bei einigem irren, bei so manchem werde ich bei zukünftiger tieferer Erkenntnis darüber auch noch sicherlich meine Meinung ändern. Aber ich halte es für durchaus möglich/plausibel/wahrscheinlich, dass Teile von meinem moralischen Bewusstsein, nicht nur aufsozialisiert sind.
Inwieweit sie wirklich divergieren und was man daraus für Folgen ziehen sollte, ist sicherlich eine sehr interessante Untersuchung, der ich mich mangels Kenntnisse aber nicht gewachsen sehe.
ohne Zweifel. Was willst du mir sagen? Mein Punkt war der, dass ich darlegen wollte, dass es wohl moralische Urteile gibt, bei denen sich alle einig sind, dass sie unsinnig oder falsch sind.
Das kann einen schon was scheren. Es ist ja nicht einfach so, dass man JETZT und HIER etwas machen will, sondern es gibt auch die Dimension des Zweifels. Darüberhinaus ist mir nicht wirklich klar, was du mir genau sagen willst und was du hier mit Vollständigkeit meinst. Zu deinem ersten Posting vom 2.12: Es geht mir erstmal nicht darum, dass andere Menschen nach meinem gusto leben sollen. Es geht mir erstmal um die Frage: Wie soll ich leben? Es geht mir darum, ob da bessere oder schlechtere Handlungen für mich existieren. Oder ob ich willkürlich alles, was mir passt, als gut oder schlecht definieren kann. OK, dabei bleibt es nicht; der Anspruch auf 'objektive Moral' erstreckt sich dann auch auf andere Personen. Ich glaube, ich bin im großen und ganzen kein intoleranter Mensch. Sicher halte ich manches Verhalten von anderen für schlecht, manches vielleicht für besser, aber erstmal soll, so weit es kein persönlicher Freund ist, dem ich vielleicht helfen will, wenn es denn geht, jeder das für sich selbst wissen. Aber es ist nunmal nicht so einfach, dass jeder einfach nach seinem gusto lebt, wenn er die Sphäre anderer Menschen wesentlich berührt. Etwas illustriert: soll ich die Frau, die da auf der Straße vergewaltigt wird, verrecken (je nach Geschmack auch mehrfach vergewaltigt werden) lassen oder versuchen, ihr zu helfen (vorausgesetzt, dass dies mir möglich ist). Wie anmaßend ist es, dem Vergewaltiger jetzt mein gusto aufzuzwängen, indem ich sage: "Nein, es ist nicht OK, dass du diese Frau vergewaltigst. Ich werde dich davon abhalten, so weit es in meiner Macht steht."? Es ist vielleicht diese Relativität "Jemand, der vergewaltigt, tut kein Unrecht. Es ist moralisch indifferent, jemandem zu helfen oder nicht.", gegen die ich mich wenden möchte. Und es ist übrigens auch nur sehr wenig von meiner Moral, dem ich wirklich irgendeine intersubjektiv gültige Objektivität zusprechen möchte. Aber das mit dem Vergewaltiger ist so ein Punkt. @Maurice:
Es dürfte bei vielen Philosophen so gewesen sein, dass sich ihre Lebenspraxis nicht hundertprozentig mit ihren philosophischen Äußerungen deckte. Dass das kein äußerst unwahrscheinlicher Fall ist, dürftest du schon an den Leuten in deiner Umgebung beobachten könnnen (obwohl da eher bei nicht-philosophischen Äußerungen). Und da, wo die Lebenspraxis eines philosophischen Autoren seiner Philosophie nicht entspricht, da werde ich skeptisch gegenüber der Philosophie. Es mag immer auch andere Gründe haben, aber es kann auch einen Mangel an Überzeugung von der eigenen Philosophie andeuten. Nicht jede Philosophie ist gleichermaßen lebbar... Aber das auch nur als Gedanken nebenbei; so gut kenne ich mich mit Hobbes nicht aus, dass ich über diese Punkte ein Urteil wagen wollte. Übrigens überzeugen mich deine Punkte nicht davon, dass Hobbes wirklich totaler Wertrelativist war. Er spricht beispielsweise (am Anfang von de cive) im Naturzustand auch von Rechten; aber der Punkt ist ein wenig heikel, da er schließlich vom Recht von jedem auf alles spricht, obwohl seine Argumentation dabei wieder für was anderes spricht...nunja. Außerdem ist es kein Wertrelativismus mehr, wenn man sagt, dass moralisch ist, was Verträgen/Gesetzen entspricht. Zumindest nach meinem Begriff von Wertrelativismus, nach dem man in jeder Situation jeder Handlung in gleichem Maße zu- oder absprechen kann, dass sie moralisch ist. Denn hier wird ja gesagt, dass in einer Situation, wo ich den von dir genannten Vertrag geschlossen habe, es moralisch ist, Jungfrauen am 4. Oktober zu köpfen, und unmoralisch, sie nicht zu köpfen. Mag sein, dass Hobbes das anders meinte. Aber immerhin trägt dann der Exkurs zur Klärung meines Begriffes von Wertrelativismus bei ![]()
Gefühl vielleicht schon, aber nicht Gefühl im Sinne von Emotion, das meinte ich; Gefühl also in einem weiteren Sinne. So wie vielleicht Intuitionen auch irgendwo gefühlt sind...schwer zu beschreiben.
Jein. Wenn man 'funktionierend' irgendwie definiert, ist es eine rationale Frage, wie man ein funktionierendes Zusammenleben erreicht. 'Funktionierend' hat normalerweise aber schon einen wertenden Charakter. Etwas funktioniert, wenn es seinen Zweck erfüllt und das findet man gut... Deine Anmerkung geht aber an dem vorbei, worauf ich hinaus wollte. Darauf bist du nicht eingegangen.
Wenn du jemals erlebt hast, dass ich in moralischen Fragen mit dem kategorischen Imperativ oder mit der Bibel argumentiert hab, dann weis mir das bitte nach ![]() Darüberhinaus hab ich schon gesagt, dass ich kein schlüssiges Gesamtkonzept einer Ethik hab. Weiterhin ist es nicht mein wesentliches Ziel, hier für eine bestimmte Wertvorstellung zu argumentieren. Ich glaube, wirklich argumentieren kann man in solchen Fällen nur vor sich selbst...
Jein. Schematisch könnte man Wertsysteme so darstellen, dass man Elementarwertungen hat (z. B. Glück ist etwas gutes) und Schlussregeln (z. B. Widerspruchfreiheit oder dass es gut ist, nach etwas Gutem zu streben) hat, woraus man dann weitere Wertvorstellungen ableiten kann. Wenn diese Ableitungen nicht plausibel sind oder wenn die Wertvorstellungen dem selbst gesetzten Gebot der Widerspruchsfreiheit widersprechen, so kann man einhaken und darüber diskutieren. Aber wie will man über Elementarwertungen diskutieren? Du sagst vielleicht, dass es gut ist, wenn jemand glücklich ist; ich kann genauso gut sagen, dass es schlecht ist. So auch, wenn man sagt, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben sollen (sofern man diesen Grundsatz nicht aus anderen ableitet). Wenn ich als Elementarwertung ansetze, dass es gut ist, Frauen zu diskriminieren, so kann man dagegen höchstens einwerfen, dass es vom theoretischen Blickwinkel her vielleicht etwas unbefriedigend ist, nicht grundlegendere Fragen als Elementarwertungen zu haben, aber sonst eigentlich nichts (außer, dass ich nicht danach lebe, aber das ist ein anderes Thema). Wirklich über Werte diskutieren kann man nur auf einem wesentlichen Elementarwertungskonsens.
Die Frage ist eine gute und ich kann sie nicht beantworten.
Wertfühlen. Ich weiß, dass ist wiederum nur subjektiv; aber wie gesagt, dass wir nie sicheres Wissen über eine Außenwelt haben werden, heißt nicht, dass da draußen keine objektive rumlungert. Dass ich die wahre Schönheit des Hip-Hops bisher nicht erkannt habe, ist durchaus vorstellbar; nur ist es für mich sehr schwer vorstellbar. Das soll nicht heißen, dass Hip-Hop nicht auch seine Schönheit haben kann, auch wenn ich es persönlich nicht mag. Aber mir erscheint es irgendwie absurd, dass ein Hip-Hop-Werk die Schönheit beispielsweise von Beethovens Neunter oder den Goldberg-Variationen erreichen soll. Vielleicht ist ein Kriterium, in wie weit die Kunst den Menschen über seine normale weltliche Existenz hinaus führt und ihm neue Sphären eröffnet. Vielleicht auch, dass sie in irgendeinem Sinne, der mir zu beschreiben schwer fällt, wahr ist...
1. Was meinst du mit plädieren? 2. Das ist deine Ansicht. Zu deiner Handlungstheorie: Mir ist, glaube ich, nicht hinreichend klar, was du meinst. Insbesondere, weil du dir anscheinend widersprichst ![]() Du gibst mittlerweile ja auch selbst zu, dass es nicht erlebtes Glück ist, wonach wir letztlich streben. IMHO wäre es auch ziemlich komisch zu behaupten, dass man, wenn man gerade bewusst nicht nach Glück strebt, sondern ein Ziel verfolgt, was einem bewusstermaßen weniger Glück verschafft, gerade mit dieser Entscheidung unbewusst nach Glück strebt... Dass man seinen stärksten Wünschen entsprechend handelt, halte ich aber für keine tiefe Erkenntnis, muss ich sagen. Ich sehe übrigens immer noch nicht ein, warum Glück nicht weiter gerechtfertigt werden braucht. Aristoteles sagt auch schon was in der Gegend; dass es Endziel ist, weil wir niemals glücklich sind, um irgendetwas bestimmtes zu erreichen. Aber erstens weiß ich nicht, ob das stimmt (es könnte sein, dass wir versuchen glücklich zu sein, um leistungsfähiger zu sein oder um es leichter zu haben, glücklich zu scheinen, um jemanden anders nicht zu betrüben) und zweitens ist das IMHO kein zwingendes Argument. Zur Glücksqualitätentheorie: Die Millsche Lehre ist auch nicht die meine; ich wollte nur anführen, dass ich sie für plausibler halte als die Benthamsche; was eben nicht heißt, dass sie ohne Lücken ist. Deine Einteilung in verschiedene Qualitäten erstmal unabhängig von der Wertigkeit halte ich durchaus für sinnvoll. Aber in der Praxis kommen dann eben doch Wertigkeiten mit rein; Mill meint ja, dass es Glücksqualitäten gebe, die fast jeder, der diese und noch eine andere gekostet hat, gegenüber dieser anderen vorziehen würde. Und da scheint er insbsondere die Glücksqualitäten zu meinen, die höhere Fähigkeiten des Menschen ansprechen; wie eben beispielsweise intellektuelles Vergnügen. "Lieber ein unglücklicher Sokrates als ein glücklicher Dummkopf.", "Lieber ein unglücklicher Mensch als ein zufriedenes Schwein." heißt es da.
Du hast mich da durchaus einer ungenauen Redeweise überführt, die genauso ungenau ist, wie wenn ich sage, dass ich einen Stuhl sehen kann, was natürlich eigentlich Blödsinn ist, aber doch eine sehr praktische Kurzsprechweise.
Zur Plausiblität: Ja, das ist ein wunder Punkt. Obwohl ich gewisse Ansätze ähnlich dem Solipsismus, wie z. B. den Berkleyschen, durchaus für plausibel halte. Zur Metaphysik: Da würde ich dir widersprechen. Gerade den Solipsismus zu verneinen führt einen in metaphysische Abgründe [ich benutze Metaphysik quasi als Synonym zu Ontologie, weil ich alles andere für tendentiös halte]. Man muss sich mit Materie rumschlagen, wie die wieder Bewusstsein bildet und und und... Der Solipsimus ist der konsequente Ansatz, wenn man minimalistisch, auch metaphysik-minimalistisch vorgehen will. Metaphysik reduziert sich dann zur Psychologie; auch wenn es zugegenermaßen eine ziemlich seltsame Psychologie wird... Padreic |
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Di 13. Dez 2005, 10:58 - Beitrag #74 |
Padreic, es soll auch gar nicht bestritten werden, daß neben der Sozialisation auch genetische Faktoren im späteren Sosein eines Menschen ihren Einfluss ausüben. Ich bestreite allerdings, daß diesen Faktoren eine inhaltliche Dimension im Sinne moralischer Inhalte innewohnt. Da die Menschheit nur deswegen überleben konnte, weil ihre Individuen sich als Herdentiere zu funktionalen Verbänden zusammenfanden, ist die Annahme nicht gänzlich unplausibel, daß Verhaltens-Blackboxes, die das Leben im Sozialverband erleichtern, über die Jahrhunderttausende genetisch verankert wurden.
Die Frage der Moral ist allerdings eine Frage des Inhalts, nicht eines allgemeinen moralischen Bedürfnisses, und schon gar nicht die Frage eines verallgemeinert angenommenen, tasächlich aber spezifisch gedachten konkreten Inhalts. Aus dem Bedürfnis nach einem Gott (einer Moral) folgt nicht die Existenz Gottes (einer Moral), auch wenn es möglich ist, gemäß dieser falschen Schlussfolgerung zu leben.
Wenn sie nicht divergieren, wieso sehen wir dann nirgendwo DIE eine große absolute Moral? Weil vielleicht das Bedürfnis universell sein mag - obwohl ich auch das nicht glaube - aber eben nicht die Inhalte dieses Bedürfnisses? Tatsächlich halte ich dieses moralische Bedürfnis in Wirklichkeit für ein egoistisches Bedürfnis, mit Fokus auf dem Wohlergehen des eigenen Lebens, nicht auf dem Wohlergehen anderen Lebens.
ich bezweifele nach wie vor, daß du mir irgendein moralisches Urteil nennen kannst, bei dem sich ausnahmslos alle Menschen unabhängig von ihren Gemütslagen unabhängig von ihren Interessenlagen zu buchstäblich jedem Zeitpunkt unabhängig vom Kontext derart einig sind. Dabei bezweifele ich nicht, daß es möglich ist, komplexe sprachliche Formulierungen so zu deichseln, daß sie logisch nicht widerlegt werden können. Für mich ist an dieser Stelle jedoch nach wie vor Maß der Dinge nicht die Logik sondern das Empfinden und das "sich darauf beziehen lassen wollen".
das andere sind nur Preliminarien, das hier ist der Kern. Denn mit dieser Frage stellst du zwei andere, imo viel wichtigere Fragen, erst gar nicht: Wie WILL ich leben? Wie will ICH leben? du scheinst anzunehmen, daß es eine Instanz unabhängig von dir gibt, die die natürliche - machtunabhängige - Befugnis und Autorität hat, an deiner Stelle, für dich verbindlich (und notfalls wohl auch gegen deine Einsicht) deine Willfährigkeit im Sinne eines bestimmten moralischen Systems einzufordern, oder wie anders ist dein "soll" zu verstehen? Dem kann ich mich nur verweigern^^ |
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Di 13. Dez 2005, 12:23 - Beitrag #75 |
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Di 13. Dez 2005, 13:09 - Beitrag #76 |
Die Gegenthese ist, dass die objektive (menschliche) Moral eben in dem Geschmack des Einzelnen also jedem Einzelnen liegt. Eine vom Wollen des Individuums unabhängige aber irgendwie wirksame Moral ist doch gar nicht (konsistent) denkbar. @Ipsi Wenn der noch nicht sozialisierte Mensch keine moralischen Inhalte hat, also keine Wertmaßstäbe, so musst du irgendwie erklären, wie der Mensch zu seiner Moral kam. Kopiert er am Lebensanfang die Bewertungen der anderen? Hat der erste moralische Mensch nur zufällig den Eindruck erweckt moralisch zu sein, und hat so die anderen "angesteckt"? Die Nichtexistenz einer apriorischen Moralvorstellung bedeutet, dass wir den Beginn unserer Moralisierung gänzlich unreflektiert(unbewertet) hinnehmen müssen. Diese Konsequenz ist für mich kontraintuitiv, da ich Werturteile in Relation zum Willen beurteile, und ich mir nicht vorstellen kann, dass mein Wille völlig "meinungslos" auf die Welt kam - ich glaube er erkannte (empirisch) was ihm genehm ist - so ist es bei der Muttermilch und auch dem Zusammenleben. Kennt jemand ein Kind dem schon in jungen Jahren überhaupt nicht nach Kuscheln ist? |
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Di 13. Dez 2005, 13:34 - Beitrag #77 |
Bowu, wenn wir im Rahmen der Evolutionstheorie bleiben, so hat sich die Menschheit entwickelt - am Anfang mögen es also ganz einfach instinktive Verhaltensweisen gewesen sein, etwa der Brutpflege entstammend, die sich durchgesetzt haben. Moral hat imo aber etwas mit Bewußtheit zu tun, mit Reflektion und Entscheidung. Dazu muss mensch erst mal bewußt und reflektions- und entscheidungsfähig werden.
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Di 13. Dez 2005, 20:17 - Beitrag #78 |
Wenn die Grundlage der Moral aber inhaltlich-instinktiv und formell-bewußt ist, so ist die Grundlage nicht durch Sozialisierung gelegt, es sei denn einer der beiden Aspekte ist durch Sozialisierung begründet. Bei Instinkten scheint das Gegenteil auf der Hand zu liegen. Bei Bewusstsein ist das ganze etwas schwieriger, aber wenn man sich ansieht welches Bewusstsein für Moral erforderlich ist, stellt man fest, dass dies nicht notwendigerweise das Bewusstsein für einen Selbst, sondern einen viel schwächeren Grad der Bewußtheit nämlich des Erkennens der Anderen (Menschen und Dinge) und die anschließende Bewertung.
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Di 13. Dez 2005, 22:22 - Beitrag #79 |
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Mi 14. Dez 2005, 00:34 - Beitrag #80 |
Die imo eigentlich interessante(re) Frage in dieser Beziehung ist imo wengier, wie "Moral" entstandt, sondern warum. Die Antwort hierauf dürfte imo Antwort auf die Frage nach dem Wesen von Moral geben...
"Absolutsetzung eines persönlichen (...)Empfindens" von jemandem mit der Macht ggü anderen dies durchzusetzen. Und damit eine gewisse Kontrolle, zu Anfang vielleicht gutgemeint, eine Art Schutz, Beschützerfunktion... aber was Macht zum Opfer fällt.... :-) |
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