Was ist geistig normal - und alles andere krank?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
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Di 25. Apr 2006, 14:54 - Beitrag #61

Die Sätze "jemand ist geisteskrank" und "jemand ist nicht geisteskrank" sind ein kontradiktorischer Gegensätz.


sie sind - und das ist wesentlich - FORMAL ein kontradiktorischer Gegensatz. Aus dieser formalen Gegensätzlichkeit erfolgt nicht die sachliche Gegensätzlichkeit, solange "geisteskrank" nicht modellhaft, sondern real aufgefaßt wird

Feuerkopf
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Di 25. Apr 2006, 16:19 - Beitrag #62

Zitat von Maurice:Jan du scheinst mir auch nicht zu verstehen, um was es eigentlich geht.

Dann für euch beide: In der Logik geht es nicht darum welche Thesen wahr und welche falsch sind, sondern lediglich, ob die Thesen zueinander in der richtigen Form stehen.
...
@Ipsi ich hielt meinen Post für ironisch, deinen für herablassend. Aber darum soll es jetzt nicht gehen, sondern um die minimalsten Grundkenntnisse der Logik bei euch nachzuholen.
...
Eine zu beantwortende Frage scheint mir der Zusammenhang zwischen "eine Krankheit haben" und "krank sein" zu klären, was natürlich voraussetzt die Worte "Krankheit" und "krank" zu definieren. Ist jeder der eine Krankheit hat automatisch krank? Wenn man nur ein bisschen krank sein kann, kann man dann auch nur ein bisschen geisteskrank sein?


:mod-modus:
Maurice, nur, weil hier mindestens drei Leute, die sonst nicht auf den Kopf gefallen sind, deinem Exkurs in Sachen Logik nicht 1:1 folgen, musst du nicht so schroff werden. Niemand bekommt hier Fleißkärtchen, sondern wir sind in erster Linie zu unserem Vergnügen hier. Deshalb: Entspann dich, Maurizio! ;)
:mod-modus aus:

Ich versuche schon seit einigen Beiträgen, zu erklären, dass die Grenze zwischen "normal" und "krank" fließend ist. Es gibt etliche Faktoren, die die Diagnose beeinflussen, nicht zuletzt die persönliche Einschätzung von Patient oder behandelndem Therapeuten.
Möglicherweise ist dieser Thread in der PhiloAbteilung gar nicht so günstig untergebracht, weil gerade der Bereich "Krankheit" so unabstrakt wie nur was ist.
Soll ich's ins Diskussionsforum verschieben?

Milena
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Di 25. Apr 2006, 17:46 - Beitrag #63

...ja Feuerköpfle verschiebe...^^

da dies im Philo läuft traue ich mich nicht so recht
und irgendwie passt es auch nicht mehr......


eine sehr sehr schmale Gradwanderung zwischen geistig `normal´
und geistig krank......
ich wäre nicht fähig, bei keinem einzigen Menschen eine einzige
Grenze dazwischen zu ziehen,
am allerletzten bei mir selbst.....

e-noon
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Di 25. Apr 2006, 18:00 - Beitrag #64

@Feuerkopf: Dass die Grenze zwischen krank und gesund va. im geistigen Bereich nicht immer erkennbar und klar definiert - also fließend - ist, haben sicher alle akzeptiert. Jetzt geht es darum, diesen Missstand zu beheben ;)

Die Grenze ist fließend, weil es keine klare, in den Einzelheiten nachprüfbare Definition einer Krankheit gibt. SONST (und auf dieses "sonst" bezieht sich auch Maurice) wäre ein Mensch entweder krank - oder nicht krank.
Würde ein Mensch die Definition für Krankheit vollständig erfüllen - wäre er krank.
Würde ein Mensch die Definition nicht vollständig erfüllen - wäre er nicht krank.
In diesem Fall gibt es nur ein "vollständig erfüllt" oder ein "nicht vollständig erfüllt" der Definition.

Wenn mir einer einen Zustand nennen kann, der sich weder unter "vollständig erfüllt" noch unter "nicht vollständig erfüllt" einordnen lässt, hat er meinen Respekt!

Zur Beruhigung: Streiten kann man immer noch darüber, ob es sinnvoll ist, eine allgemeine und klare Definition zu finden, oder darüber, ob man nicht "zu 80% erfüllt" als "ziemlich krank", "zu 30% erfüllt" als ein bisschen krank definieren sollte usw.

Oder ob man krank am besten gar nicht definiert, damit nicht einer, der sich vorher für gesund hielt, auf einmal krank ist :boah: und dann vor lauter Schreck gleich noch im herkömmlichen Sinne krank wird!

Feuerkopf
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Mi 26. Apr 2006, 00:43 - Beitrag #65

e-noon,
dann ist der Threadtitel unglücklich gewählt. Er impliziert eine Debatte über "Normalität" und "Wahnsinn".
Offenbar ist eine Reduktion auf "krank" bzw. "gesund", wie Maurice sie anstrebt, bei diesem Thema nicht möglich und möglicherweise auch nicht erstrebenswert, weil zu diffizil.

veritas
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Mi 26. Apr 2006, 00:56 - Beitrag #66

"geistig krank" oder "geistig gesund" ist etwas was man überhaupt nicht deffinieren kann, genau so wenig ob Rot wirklich Rot ist wie ich es mit meinen Augen sehe. Ist doch das gleiche wie wenn man versuchen würde gute und schlechte Musik zu deffinieren. Wenn man die geistige Evolution der Menschheit weglassen würde, was wäre denn normal?

janw
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Mi 26. Apr 2006, 01:29 - Beitrag #67

Zitat von e-noon:Die Grenze ist fließend, weil es keine klare, in den Einzelheiten nachprüfbare Definition einer Krankheit gibt. SONST (und auf dieses "sonst" bezieht sich auch Maurice) wäre ein Mensch entweder krank - oder nicht krank.

e-noon, die Mediziner haben schon Definitionen zur Hand (in Form von Differentialdiagnosen), anhand derer sie zwischen "Normal" und "behandlungsbedürftig" unterscheiden. Das Problem ist aber 1. daß diese Definitionen auf einem großen Stück Willkür basieren und 2. daß die Diagnose letztlich abstrakte Merkmalsbegriffe abfragt, die einem konkreten Menschen zugewiesen werden. Zum Ausmaß der Willkür hierbei empfehle ich Dir die Lektüre der "Physiker" von Dürrenmatt, außerdem iirc Kafka und andere.
Sei aber bezüglich Deines Idealismus´mit Dante gewarnt: Lass fahren alle Hoffnungen..."

Was den Ort betrifft....Klassifizierung bei lebenden Systemen ist ein hochgradig interessantes Thema, das zwischen Naturwissenschaft und Philosophie vermittelt. Ich hätte keine Bedenken, es in Philo zu belassen.
Milena, trau Dich einfach :)

Maurice
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Mi 26. Apr 2006, 10:16 - Beitrag #68

Ja ich weiß, ich hatte mich wieder nicht ganz unter Kontrolle. Wie es dazu kommen konnte, habe ich ja schon gesagt.

@Definition: Nur weil man selbst keine klare Definition einer Sache hat, heißt das nicht, dass keine solche Def. möglich ist. Auch folgt nicht aus der eigenen Unfähigkeit eine effizente Def. zu konstrruieren nicht, dass niemand eine solche erstellen kann.
Unser Problem ist, dass wir gewisse Vorstellungen von Krankheit haben, die sich aber nicht so einfach in eine formale Definition übertragen lässt, die wiederum allen unserer wichtigen Vorstellungen gerecht wird.
Natürlich könnte man den Thread auch unter "Diskussionen" verlegen und jeder erzählt dann mal, was er schon für Krnakheiten hatte/hat, welche Krankheiten seine Verwandten und Bekannten hatten/haben, tauscht sich etwas über Medikamente aus, diskutiert etwas über das Gesundheitssystem und versichert sich gegenseitig, dass man keine klare Defintion von dem hat, über was man die ganze Zeit redet, aber das einem auch völlig egal ist. Hauptsache man konnte aus dem Nähkästchen plaudern und emotionale Spannungen ausbauen. Klar kann man das so machen, aber das hat nichts mit der ursprünglichen Intention des Threads zu tun. Wer will kann aber auch einfach einen alternativen Krankheit-Thread woanders starten und da rund um das Thema "Krankheit" plaudern.

PS, nochmal zum verschieden: Ich neige derzeit zu einer Definition von Philosophie, als die kritische Auseinandersetzung mit grundlegenden Begriffen unseres Denkens.
Da nun "krank", "gesund" und "normal" solche Grundlegenden Begriffe sind und wir uns kritisch mit ihnen auseinander setzen (zumindest es manche versuchen), ist dies eine philosophische Diskussion. Voraussetzung natürlich, man stimmt meinem Begriff von Philosophie zu.

Ipsissimus
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Mi 26. Apr 2006, 12:04 - Beitrag #69

es ist auch dann noch eine philosophische Diskussion, wenn mensch nicht deiner Auffassung von Philosophie zustimmt. Dir täte insgesamt ein bißchen mehr innere Distanz zu dem gut, womit du dich jeweils aktuell beschäftigst, dann bräuchtest du auch nicht im regelmäßigen Turnus deine Paradigmen in Folge der von dir besuchten Vorlesungen zu ändern, Maurice. Und wenn du dich über Herablassung beschwerst, dann lies noch mal dein letztes Posting durch.

was das eigentliche Problem bei der Unterscheidung von geistig "gesund" und "krank" ist, hat Jan imo sehr gut dargestellt, und an dieser grundsätzlichen Fragestellung rühren auch Formallogik und Definitionen nichts. Ich kann Definitionen setzen wie ich will, dadurch ändert sich nichts an der Ontologie bzw. an deren Nichtvorhandensein.

Was ich gerne zugestehe, Maurice, ist, daß deine Vorstellungen im Einklang mit der Tendenz der Zeit stehen. "krank" allgemein wird zunehmend abgekoppelt von der Eigenbefindlichkeit eines Menschen - die oft genug gar nicht mehr zur Kenntnis genommen wird - zugunsten einer messtechnischen Erfassung dessen, was immer auch messtechnisch erfassbar sein mag, Blutwerte oder irgendwas. Bevor mir hier jemand das Medizinerethos entgegenhält - ich habe lange genug in einem Krankenhaus gearbeitet, um über das Verhältnis zwischen dem schönen Ethos und der schnöden Laboranalyse Bescheid zu wissen.

Was bei körperlichen Erkrankungen schon fraglich ist, wird bei geistigen Krankheiten zu einem echten Problem. Ist Oma wirklich schon debil, oder steht sie einfach nur zu lange zwischen Erben und Erbe? Ist Philipp wirklich ein Zappelphilipp, oder haben die Eltern und Lehrer nur einfach keinen Bock, sich angemesen um ihn zu kümmern? Muss der Schizophrene, der Stimmen hört und Bilder sieht, wirklich mit Psychopharmaka zugebombt werden? Der Paranoiker im akuten Anfall sediert werden? Auf der Grundlage welcher Maßgaben? Weil sie stören?

e-noon
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Mi 26. Apr 2006, 16:07 - Beitrag #70

was das eigentliche Problem bei der Unterscheidung von geistig "gesund" und "krank" ist, hat Jan imo sehr gut dargestellt, und an dieser grundsätzlichen Fragestellung rühren auch Formallogik und Definitionen nichts. Ich kann Definitionen setzen wie ich will, dadurch ändert sich nichts an der Ontologie bzw. an deren Nichtvorhandensein.
Was auch niemand bestritten hat. Allerdings kann, je nach Definition, der Begriff "Krankheit" einen bestimmten ontologischen Zustand beinhalten oder nicht ^^ Somit ist da kein Widerspruch, sondern einfach nur zwei Beschreibungen auf verschiedenen Ebenen.

Es geht - mir zumindest - nicht darum, "krank" und "gesund" zu definieren, alle Menschen in diese Kategorien einzuordnen und darin verkümmern zu lassen. Dennoch will ich nochmals wiederholen, wenn man eine klare Definition von Krankheit hat, so ist ein Mensch entweder krank oder er ist es nicht. Was nicht heißt, dass nicht die Umstände für sein krankhaftes Verhalten verantwortlich sind. Was auch nicht heißt, dass er damit aus der Gesellschaft ausgeschlossen und als eigenverantwortlich für seine Unproduktivität angeprangert werden soll. Es geht um einen Begriff, der dann einen bestimmten Zustand des Menschen wertfrei beschreibt. Wie man dazu steht, ist - wie bei jedem Begriff und jedem Zustand eines Menschen - jedermans eigene Sache.

@threadtitel: Sicher ist nicht jeder mit ungewöhnlichen Methoden arbeitende Geist (=Menge der bewussten Gehirnaktivitäten) krank. Geniale Menschen, Musikgenies, Synästhetiker usw. sind nicht krank, sondern nur einfach anders als der Durchschnitt bzw. die Vorstellung, die man sich von einem "normalen" Menschen macht.

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Di 2. Mai 2006, 00:12 - Beitrag #71

Sorry wenn ich dieser Diskussion wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe, aber mir fiel nach dem Anschauen von "Einer flog über das Kuckucksnest" das Rosenhan Experiment ein.

Sucht mal danach. Es lohnt sich.

janw
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Di 2. Mai 2006, 03:06 - Beitrag #72

Zitat von e-noon:Dennoch will ich nochmals wiederholen, wenn man eine klare Definition von Krankheit hat, so ist ein Mensch entweder krank oder er ist es nicht. Was nicht heißt, dass nicht die Umstände für sein krankhaftes Verhalten verantwortlich sind. Was auch nicht heißt, dass er damit aus der Gesellschaft ausgeschlossen und als eigenverantwortlich für seine Unproduktivität angeprangert werden soll. Es geht um einen Begriff, der dann einen bestimmten Zustand des Menschen wertfrei beschreibt. Wie man dazu steht, ist - wie bei jedem Begriff und jedem Zustand eines Menschen - jedermans eigene Sache.

Wenn ein Mensch für eine Eigenschaft eine klare Definition hat, dann hat für diesen Menschen ein Gegenstand die entsprechende Eigenschaft, wenn die dafür definitionsbedingten Kriterien erfüllt sind.
Damit ist aber keine Aussage über ein irgendwie objektives Sosein des Gegenstandes getroffen, wohl aber über mit der Eigenschaft verbundene Wertkonnotationen ein Werturteil über den Gegenstand gefällt.
Das kann einem Menschen solange egal sein, solange der Beurteiler keine Macht besitzt, die das Werturteil in Realität umsetzen könnte.

Letztlich ist bei uns Menschen alles mit Wertkonnotationen belegt, so daß es wirkliche "Wertfreiheit" im naturwissenschaftlichen Kontext nur in Erstsemestervorlesungen gibt^^

"Er ist im wertfreien Sinne gesund/krank" ist ein intern widersprüchlicher Satz.

Ipsissimus
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Di 2. Mai 2006, 15:41 - Beitrag #73

Dennoch will ich nochmals wiederholen, wenn man eine klare Definition von Krankheit hat, so ist ein Mensch entweder krank oder er ist es nicht.


... so ist er oder ist er nicht krank im Sinne der Definition. Daß eine Definition "klar" ist, besagt nicht, daß sie eine Realität abbildet, sie kann auch einfach nur eine Handhabungspraxis zur Norm erheben

Die Maschine
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Mi 3. Mai 2006, 18:15 - Beitrag #74

Es gibt da ein ganz gutes Beispiel.

Da gibt es ein Land, da ist alles zweidimensional... die Lebewesen sind Quadrate, Dreiecke, Kreise... eben zweidimensional.

Eines Nachts träumt das kleine Quadrat von der 1. Dimension... dort gibt es nur Punkte und Striche... und die Punkte und Striche haben so ein 2-Dimensionales wesen noch nie gesehen.

Dann träumt das kleine Quadrat von der 3. Dimension. Da gibt es Quader, Kugeln, Pyramiden.... und auch die wundern sich über die Gestalt des Quadrats.

Das kleine Quadrat wacht auf und erzählt allen anderen, dass es die 1. sowie auch 3. Dimension gesehen habe...
die anderen können das nicht nachvollziehen, weil es so unglaublich klingt, dass sie das kleine Quadrat für krank erklären...


To sum it up: Ich schließe mich Ipsissimus an.

e-noon
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Mi 3. Mai 2006, 19:12 - Beitrag #75

Wenn ein Mensch für eine Eigenschaft eine klare Definition hat, dann hat für diesen Menschen ein Gegenstand die entsprechende Eigenschaft, wenn die dafür definitionsbedingten Kriterien erfüllt sind.
Mehr hab ich ja auch gar nicht gesagt ^^ warum kam trotzdem immer Widerspruch?

@Ipsi: Es wurde nie gesagt, dass eine Definition Absolutheitsansprüche stellt oder als richtig betrachtet werden muss. Das "im Sinne dieser Definition" ist auch in vorherigen posts schon betont worden.

janw
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Mi 3. Mai 2006, 20:21 - Beitrag #76

e-noon, mein Satz war gedacht im Zusammenhang mit dem folgenden:
Damit ist aber keine Aussage über ein irgendwie objektives Sosein des Gegenstandes getroffen, wohl aber über mit der Eigenschaft verbundene Wertkonnotationen ein Werturteil über den Gegenstand gefällt.

Ipsis Zitat verstehe ich als damit als gleichgerichtet:
Daß eine Definition "klar" ist, besagt nicht, daß sie eine Realität abbildet, sie kann auch einfach nur eine Handhabungspraxis zur Norm erheben


Warum "wir" Dir so energisch widersprechen...weil letztlich die Handhabungspraxis als Mittel zur Machtausübung benutzt wird, ständig, hierzulande und zur Zeit.
"Gesund" ist in den Augen des Systems letztlich, was Macht als für sich unschädlich betrachtet bzw. zu betrachten sich anmaßt.

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Do 4. Mai 2006, 13:28 - Beitrag #77

Das Etikett "krank"

Man sollte zudem äußerst vorsichtig im Umgang mit dem Etikett "krank" sein.

Es gibt kaum einen Menschen auf der Welt, der nicht irgendwann einmal verrückt gespielt hat oder verrückt spielen wird, auf die eine oder andere Art. Deswegen ist das noch lange nicht eine behandelbare Krankheit.

Sobald eine Person als krank gilt, werden die Verhaltensweisen dieser Person anders eingestuft, d.h. auch Dinge, die bei einem als "normal" etikettierten Menschen als normal gelten, sind bei einer kranken Person krank. Auf diese Art kann man den Vorwurf der Geisteskrankheit gut dazu benutzen, unbequeme Menschen aus dem Weg zu räumen, die womöglich die Krankheiten der Gesellschaft oder des jeweiligen Umfeldes aufzeigen. Oft reicht alleine schon die diffamierende Wirkung des Etikettes "krank".

Hier mal ein Beispiel für die Etikettierung: Jemand ist gestresst, hat schlecht geschlafen und ist deswegen schlecht drauf, regt sich über Kleinigkeiten auf. Am Vortag war diese Person jedoch wunderbar freundlich und entspannt, etc., weil noch kein Stress da war. Also sind diese Verhaltensweisen, Wut und Gereiztheit, Reaktionen auf äußere Einflüsse, kurz gesagt: menschliche Regungen.

Würde in diesem Beispiel diese Person nun als manisch-depressiv gelten, dann würde man eher dazu neigen zu sagen: "Oh Gott, schon wieder eine manische Phase!"

Bezüglich "aus der Gesellschaft ausgeschlossen sein": Fragt ihr mal Menschen, die tatsächlich an einer Geisteskrankheit leiden, oder psychologische Probleme haben, dann werden viele euch sagen, dass die Tatsache als "geisteskrank" eingestuft zu sein, für sie teilweise eine größere Belastung ist, als die Krankheit oder das psychologische Problem selbst. Obwohl die Gesellschaft der Psychologie gegenüber inzwischen aufgeschlossener ist, gibt es immer noch genügend Vorurteile.

janw
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Do 4. Mai 2006, 14:21 - Beitrag #78

Bezüglich "aus der Gesellschaft ausgeschlossen sein": Fragt ihr mal Menschen, die tatsächlich an einer Geisteskrankheit leiden, oder psychologische Probleme haben, dann werden viele euch sagen, dass die Tatsache als "geisteskrank" eingestuft zu sein, für sie teilweise eine größere Belastung ist, als die Krankheit oder das psychologische Problem selbst. Obwohl die Gesellschaft der Psychologie gegenüber inzwischen aufgeschlossener ist, gibt es immer noch genügend Vorurteile.

Aus entsprechender Beobachtung im Bekanntenkreis kann ich dem nur zustimmen.
Das geht so weit, daß aufgrund der Diagnose einer psychischen Erkrankung alle eigenen Erfahrungen, Gedanken, Regungen nur vor dem Hintergrund der Erkrankung, als ihr Ausdruck gesehen werden, der entsprechende Mensch definiert sich dadurch per se als hilfsbedürftig und abhängig von externer Behandlung.

e-noon
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Do 4. Mai 2006, 17:40 - Beitrag #79

Aber lehnt man damit nicht Tatsachen ab, nur damit nicht eventuell irgendjemand diese Tatsachen missbrauchen kann? Wer das vorhatte, wird es wohl auch ohne unsere Erlaubnis schaffen, oder? Warum sich also seitenweise dagegen wehren, eine klare Definition zu schaffen, wenn mein (unser) Anliegen hauptsächlich war, klarzustellen, dass etwas im Sinne einer Definition entweder zutrifft oder nicht? WIESO!???????

Ipsissimus
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Fr 5. Mai 2006, 00:22 - Beitrag #80

weil es nicht um Definitionen, sondern um Sachverhalte geht

ich kann definieren, daß alle rothhaarigen, nicht mehr jungfräulichen, mit mehr als einem Mann geschlafen habenden und nicht Nonne seienden Frauen unter 20 Jahren Hexen sind. Eine klare Definition mit klaren, verifizier- und falsifizierbaren Entscheidungskriterien und eine Rechtsgrundlage für Hexenverbrennung. Nur selbst im Falle richterlicher Feststellung immer noch keine dem Sein eines Menschen auch nur entfernt angemessene Aussage.

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