Utilitarismus in der Religion - Gegenmittel?

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Bowu
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Do 17. Jun 2004, 11:48 - Beitrag #1

Utilitarismus in der Religion - Gegenmittel?

Ist Religion ohne Nutzen vermittelbar?
Kann jemandem Religion vermittelt werden ohne ihre Vorteile aufzuzeigen?
Kann man dann die Vorteile ausblenden und Gott pur Lieben? Oder assoziert man nur die "besagten" Vorteile damit?

Ich wäre sehr erfreut wenn mir jemand der etwas fester ist was Religion angeht, mir erläutern könnte wie man den Utilitarismus aus aus der Religion rausfiltern könnte.

Maurice
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Do 17. Jun 2004, 21:56 - Beitrag #2

Also ich bin kein Theist und ich werde dir bei deiner Frage hier auch nicht weiterhelfen, aber ich muss etwas Kritik an der Fragestellung erheben. Utilitarismus ist für gewöhnlich an eine teleologischen Moral gebunden, also einer zielorientierten. Religion dagegen an einer deontologische, also an eine Prinzipenmoral. Die Religion also als utilitaristisch zu bezeichnen halte ich für ungeeignet. Eeine wirklich utilitaristische Religion kenne ich nicht und diese müsste auch ein ziehmlicher Exot unter den Religionen sein. ^^

Bowu
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Fr 18. Jun 2004, 23:50 - Beitrag #3

:s1: mir geht es gerade darum festzustellen, ob sich dies (was du richtig als nicht z6ur REligion gehören sollend bezeichentest) von der Religionsvermittlung trennen lässt.

Also kann man Kindern und Jugendlichen Religionsunterricht so vermitteln das sie ihn freiwillig machen, ohne das sie auf die Konfimationsgeschenke starren?
Kann man "dem Christen" den Glauben an Gott vermitteln ohne das er (bewusst oder unbewusst) alles Gute nur tut um sich von Gott dafür den Eintrittsschein ins Paradies geben zu lassen?

Ecthelion
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Sa 19. Jun 2004, 13:40 - Beitrag #4

Dast hängt davon ab, ab wann du einen Glauben als utilitaristisch bezeichnest. Es gibt die eindeutigen Fälle, wenn Personen halt wegen der Geschencke oder aus Gruppendruck "glauben". Es gibt die Fälle, in denen man, wie du sagst, nur glaubt um sich von Gott dafür den Eintrittsschein ins Paradies geben zu lassen (was allerdings voraussetzt, dass man wirklich überzeugt an Gott und Paradies glaubt). Als Glauben frei von Utilitarismus würdest du es wohl bezeichnen, wenn man wirklich aus Nächstenliebe handelt und aus reiner Überzeugung an Gott glauben und ihn lieben kann. Aber ich behaupte mal, letztlich beruht jeder Glaube auf eigennützigen Motiven, auch wenn diese so verborgen sein mögen, dass man sie nicht als solche bezeichnet. Auch ein wirklich gläubiger Christ hilft und liebt, weil es ihn erfüllt, weil es ihn glücklich macht, weil er das Leid des anderen nicht erträgt. Und ein wenig steckt wohl immer auch von der Hoffnung auf göttliche Hilfe oder das versprochene Wohl darin, ob das nun das ewigen Leben im Paradies oder die Erlösung aus der Kette der Wiedergeburten ist.

Womit sich auch die eigentliche Frage beantwortet. Um aber utilitaristische Motive so weit wie möglich zu vermeiden, ist es wohl wichtig, dass die Lehrperson (du sprichst ja von Religionsunterricht) den Glauben und die Überzeugung wirklich vorlebt, und nicht nur die Schüler Stoff auswendig lernen lässt, wie es im extremen Fall zumindest bei mir geschah. Und vielleicht auch ein wenig "praktischen" Unterricht durchführt, dh. zum Beispiel Alters- oder Behindertenheime besuchen geht oder was auch immer.

Rosalie
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Sa 19. Jun 2004, 14:42 - Beitrag #5

Also kann man Kindern und Jugendlichen Religionsunterricht so vermitteln das sie ihn freiwillig machen, ohne das sie auf die Konfimationsgeschenke starren?
´

Ist schwer, aber nicht unmöglich. Nur ein von Gott begeisterter, kann Begeisterung wecken...d.h. die Liebe zu Gott, ohne jegliche Moralisierung, ohne jedes Zweckdenken. Moralisches Handeln folgt dann von alleine : "´liebe und tue was Du willst" (Augustinus)
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Maurice
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Sa 19. Jun 2004, 14:53 - Beitrag #6

Altruismus

@Ecthelion: Du sprichst hier das selbe Problem von "selbstlosen Handeln" an, wie ich es einmal in einem Thread von mir thematisiert hatte... leider ist in diesem schon seit einer Weile Funktsille. :(
Du begehst hier imo den selben Fehler wie ich damals: Du sagst es gibt keinen wahren Altruismus, weil selbst das Glückempfinden des Helfenden das Helfen nicht mehr völlig selbstlos macht. Nach der Definition Altruismus sei ein Handeln ohne jeglichen Nutzen für den Handelnden, gibt es keinen Altruismus. Damit aber dennoch eine Unterscheidung zwischen "mehr selbstbezogenenen" und "mehr auf den anderen bezogenen" Handeln gemacht werden kann, wöfur die Begriffe Egoismus und Altruismus stehen sollten, bedarf es eben einer weniger strengen Definiton des Altruismus. Altruismus sollte also solche Handlungen beschreiben, die dem Helfenden keinen Nutzen außer dem emotionalen bringt. Mit dieser Definiton lässt sich imo gut arbeiten und entspricht auch noch weitgehend dem Grundgedanken... wenn es nicht sogar der eigentlich war und nur nicht deutlich genug ausgedrückt wurde. :)

Traitor
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Sa 19. Jun 2004, 16:34 - Beitrag #7

Das Problem liegt meiner Meinung nach in dem krassen Gegensatz zwischen den Erwartungen der Religion an den Menschen und den Eigenschaften des Menschen. Religion (zumindest christliche und ihr ähnliche) erfordert als eine der höchsten Tugenden Selbstaufgabe. (siehe dazu auch "Das Selbst" ) Diese ist auch dazu nötig, in deinem Sinne "pur" zu glauben.
Der Mensch strebt aber meiner Meinung nach stets nach Selbstverbesserung und damit nach Zielen und Vorteilen, und Selbstaufgabe ist gegen seine Natur.

Daher das große Problem, Menschen zu nicht nutzenbewegtem Glauben zu bringen. Diesen erreichen nur wenige "Erleuchtete", die es schaffen, zur Selbstaufgabe zu gelangen, sozusagen ihre eigenen Interessen komplett zu überwinden. Ob das wünschenswert ist, ist eine andere Frage...

Padreic
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Sa 19. Jun 2004, 23:26 - Beitrag #8

Es gibt keinen wahren Glauben ohne Märtyrertum.
...um mal einen Aphorismus zu prägen. Natürlich wird nicht jeder gleich an's Kreuz genagelt, wenn er seinen Glauben vertritt, aber jedem der konsequent für Wahrheit und Liebe eintritt, werden Anfeindungen entgegenschlagen, bei manchen mehr und bei manchen weniger. Gesellschaftlich-materiell gesehen, überwiegen IMHO die Nachteile eines echt gelebten Christentums; eigentlich sogar die jedes konsequent gelebten Glaubens, der die Wahrheit hochhält.

Natürlich kann man durch den Glauben Freude und Frieden finden. Dies kann man aber nur (auf Dauer), wenn man nicht den Glauben ob ihnen sucht, sondern glaubt um des Glaubens und der Wahrheit und der Liebe willen. Ein Paradiesglauben bringt nur insofern Nutzen hinein, als man schon an ein Paradies glaubt, was bei von frühester Jugend an christlich geprägten Menschen quasi automatisch der Fall (und bei einem rein automatischen und gesellschaftlich geprägten Glauben kein echtes Christentum bei rauskommen wird), bei anderen aber erst mit dem christlichen Glauben einsetzt, so also eigentlich keine Rolle bezüglich des Nutzenaspekts spielt.
So denke ich, dass echtes Christentum nie primär über den Nutzenaspekt erlangt werden kann, auch wenn dieser immer eine untergeordnete Rolle spielen kann.

@Traitor
Nunja, meine Meinung dazu hab ich ja schon kundgetan. Die Art der praktizierten Selbstverwirklichung ist oft im Grunde eher eine Selbstüberschätzung und Selbstbelügung, während die Selbstaufgebung die wahre Selbstverwirklichung ist.

@Maurice und Ecthelion
Dass etwas Freude bringt, heißt nicht, dass die ursprüngliche Motivation in der Freude liegt. Auch darf man nicht vergessen, zu berücksichtigen, warum etwas überhaupt Freude oder Schmerz bringt. Genaueres dazu hab ich hier geschrieben, auch wenn es schon eine Weile her ist und ich in Details vielleicht mittlerweile anderer Meinung bin...aber grundsätzlich vertrete ich das immer noch.

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Mo 21. Jun 2004, 10:24 - Beitrag #9

Wenn (und da stimme ich dir zu) "echtes" Christentum nicht über Nutzendenken erreicht werden kann, dann stellt der bekannte (geglaubte) Nutzen eine akute Gefahr für das Christentum dar.
Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, das ein Mensch dazu fähig ist die winkende "Belohnung" des Paradises die zumindest ermöglichte Glückseligkeit ausblenden kann, sobald er davon erfahren hat.
Wenn ein Kind weis das es nach mehreren Jahren Konfirmanten unterricht ne Menge Konfirmationsgeschenke bekommt, so kann es doch wohl kaum dieses Wissen soweit verdrängen das die Entscheidung (an Gott zu glauben nicht ob Religionsunterricht) von diesem Wissen unabhängig erfolgen könnte.
Geborgenheit - empfundene Liebe zu Gott - Glück...
Alles Dinge die meiner Meinung nach wenn sie bekannt sind, dem Menschen den Nutzen des Christentums verdeutlichen, und kaum aus den zumindest unbewussten Entscheidungsprozessen ausgeklammert werden könnten.

Im Gegenteil, ich glaube wenn die Bibel nur eine Tasse Wasser ermöglichen würde anstelle der ewigen Glückseligkeit, so würden wohl kaum so viele Leute daran glauben.

Damit wäre mein Schluss das das Nutzendenken aus dem Christentum nicht ausschliessbar ist, und das "echte" Christentum maximal auf eine kleine Anzahl Leute zutrifft die ihre Entscheidungsfindung völlig befreien können von dem was die Religion verspricht... .

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Mo 21. Jun 2004, 15:33 - Beitrag #10

Echtes Christsein ist immer eine Sache der wenigen gewesen und wird es immer sein. Das Christentum der Vielen erstickt höchstens das echte der Wenigen.
Radikalität und Extremität des Einzelnen (und Sache des Einzelnen ist Glaube letztendlich immer) erreichen stets nur wenige, denn die Mehrheit schwimmt eben immer größtenteils mit der Masse und das bedeutet stets Kompromisse, Lauheit sozusagen. Und das Christentum ist extrem und radikal bis zum Anschlag, jedenfalls wie es von manchen und letzten Endes wohl auch von Christus gelehrt wurde.

Würde es keine Konfirmationsgeschenke (oder zumindest nicht in dem Ausmaß) geben, gäbe es vielleicht mehr Christen. Es würden weit weniger Leute konfirmiert werden, aber diese Leute würden vielleicht auch dran glauben.
Würden Christen vom Staat verfolgt, vielleicht auch. Dadurch würde das große Entweder-Oder des bekennenden Christseins oder eben nicht-Christseins entschiedener herausgestellt. Und würden sich doch vielmehr als bisher dann gegen das Christsein entscheiden, die bisher in einer Mischform waren, würden sich doch auch mehr zum wahren Christsein entscheiden.

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Di 22. Jun 2004, 13:11 - Beitrag #11

Ich würde allerdings auch die These aufstellen, dass völlig unutilitaristischer Glauben nicht möglich ist. Nicht auf materielle Vorteile ausgerichtet, ja. Nicht auf Glückseligkeit im Jenseits ausgerichtet, ja. Aber die Denkweise des Menschen beruht einfach zu sehr auf einem grundlegenden Nutzengedanken, als dass diesen auch der Erleuchtetste überwinden könnte.
Denn selbst der hat ja noch ein Ziel vor Augen: den möglichst reinen Glauben zu erreichen, und diesen zu erreichen, ist dann der Nutzen seines Verhaltens. Jeder Zustand, den man anstrebt, ist stets ein Nutzen an sich.
Das ist es ja auch, was die Buddhisten den monotheistischen Religionen vorwerfen. Ihr "Nirvana", sozusagen der Unzustand, wäre die einzige Möglichkeit, dem Nutzendenken völlig zu entfliehen.
Um diese radikale Lösung zu umgehen (warum diese nämlich wünschenswert sein sollte, erschließt sich mir mit meinem westlichen Denken einfach nicht ansatzweise, weit weniger als alles Christliche), bleibt noch die Möglichkeit, für das "Wahre Christentum" eben Ausnahmen vom radikalen Anti-Utilitarismus zu machen - der Nutzen des Erreichens eines spirituell gehobenen Zustands muss ein zulässiges Ziel sein.

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Di 22. Jun 2004, 17:08 - Beitrag #12

In der wunschlosen Glückseligkeit des christlichen Paradies' mag der Nutzen an auch seine Bedeutung verlieren. Und bis dahin hätten auch die Buddhisten ihren Nutzengedanken, wollen sie doch ins Nirvana einziehen.

Jedes menschliche Handeln in unserer Welt hat allerdings eine gewisse nutzenorientierte Denkweise, mögen es auch ideelle Ziele wie Wahrheit und Liebe sein, abhängig eben davon, wie sich der Einzelne seine Ziele setzt. Man muss aber auch fragen, worin der Nutzen dieser Zielsetzungen liegt. Sähe man den Menschen als rein nutzenorientiert (und nicht instinktgesteurt) im irdischen Leben, so würde man doch in dieser Kette des Nutzens der Nutzensetzung in einen regressus ad infinitum kommen, der nicht bestehen kann. Letztlich kann man sagen, dass da irgendeine (wohl nicht bewusste) Entscheidung nicht bloß aus Nutzen geschehen kann. Sie mag im Idealfall gefühlte ethische Gründe haben.

Doch Nutzen im Sinne der Ausgangsfragestellung ist wohl nur das, was die Mehrheit der Bevölkerung als Nutzen sieht, geht es doch darum, sich von allen eigenen (bzw. gesellschaftlichen) Nutzenvorstellungen unabhängig zur Religion zu kommen.

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Di 22. Jun 2004, 17:35 - Beitrag #13

HM das wäre wohl der nächste Schritt, nachdem hier jetz sowas wie ein Konsens zu herrschen scheint ,dass der Utilitarismus nicht (vor dem Einzug ins Parradies *g*) zu überwinden ist, namentlich festzustellen welche Utilitaristischen Vorstellungen mit Ethik und Religion vertretbar sind, und welche nicht.

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Do 24. Jun 2004, 23:05 - Beitrag #14

@Padreic: Ich bin kein Experte für Buddhismus, verstehe ihre Ansichten wie gesagt auch einfach nicht, aber soviel ich weiß, soll das Nirvana nur erreichbar sein, indem man eben nicht nach ihm strebt... wie auch immer man sich das vorzustellen hat.

Bei deinem Gedanken, was Nutzendenken denn letztendlich ist, ist meiner Meinung nach das Problem, dass du den Instinkt eben von vornherein ausschließt. Erst dadurch entsteht dein "regressus ad infinitum". Der Mensch hat nunmal Instinkte, auch wenn er sie weitgehend kontrollieren kann. (Wie genau ich Instinkte verstehe, siehe den Emotions-Thread... hier geht derzeit wirklich alles etwas drunter und drüber, da sich die Threads alle so ähneln). Und auf diese kommt die Kette der Nutzenüberlegungen dann irgendwann zurück - prinzipiell lässt sich alles mit viel Biegen und Brechen auf den Selbsterhaltungs- und Selbstverbesserungstrieb zurückführen. (Das Biegen und Brechen liegt an den gesammelten Erfahrungen, die die "reinen" Triebe überdecken)

Aber du hast recht, wir entfernen uns etwas vom Ursprung des Topics, das ja deutlich praxisorientierter ausgelegt war. Dennoch denke ich, dass wir diese Grundlagenfragen vorher klären sollten, vielleicht notfalls in einem Extra-Thread?


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