Die Grenzen des Philosophierens

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Traitor
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Fr 2. Jul 2004, 13:32 - Beitrag #1

Die Grenzen des Philosophierens

Et voilà, ein Meta-Thread!

Im Von-zuhause-ausziehen-Thread fiel es mir mal wieder negativ auf, was ich schon mehrfach in der Matrix beobachtet habe: einige Menschen scheinen unfähig oder unwillig zu sein, auch mal das Philosophieren über die absoluten Grundlagen sein zu lassen, einige moralische Grundsätze unserer Gesellschaft als gegeben anzusehen und auf deren Grundlage in einem praktischen Fall zu argumentieren, anstatt sie gleich wieder zu hinterfragen.

Was soll mit dieser Methodik erreicht werden? Sie führt doch nur dazu, dass man keine praktische Entscheidung mehr treffen kann, weil man sich stets auf abstrakte Fragen zurückfallen lässt und statt der wirklichen eigenen Meinung einen vorgeschobenen objektiven Standpunkt vertritt.

Ich denke, Philosophie ist eine schöne Sache. Es ist wünschenswert, die Verhaltensmaßregeln, nach denen man lebt, auf Grundlage philosophischer Reflektion aufzubauen. Aber wenn es dann an die Praxis geht, sollte man sich von diesen Überlegungen verabschieden und mit den eigenen Überzeugungen und/oder denen der Gesellschaft argumentieren. Sonst ergeht man sich nur noch in intellektuellen Spielereien.

janw
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Fr 2. Jul 2004, 14:52 - Beitrag #2

Nun, auch ich habe bestimmte Grundlagen, unter die ich mich beim Philosophieren ungern begebe, z.B. meine religiöse Einstellung. Bei bekennenden Atheisten und reinen Logikern sind diese Grundlagen nicht vorhanden, und ein Stück beneide ich sie um ihr Maß an zusätzlicher Freiheit (*zu Pad und Maurice rüberschiel*)

Allerdings ging es in dem besagten thread eher um etwas lebenspraktische Fragestellungen, die dann in eine Grundsatzdiskussion über den Wert des ungeborenen Lebens und die Persönlichkeitsreife bestimmter Frauen ausgeartet sind.
Insofern nicht a priori der reine Philo-thread und dementsprechend sinnvolle Erörterungen am falschen Ort.

Die Frage über den Wert des ungeborenen Lebens sollte ruhig immer wieder gestellt werden, denn nur dann kann sie immer wieder aufs neue beantwortet werden, ich hoffe natürlich im jetzt gültigen Sinne. Werte, die nicht immer wieder aktiv bestätigt werden, laufen nämlich Gefahr, durch Gewohnheit, Bequemlichkeit oder handfeste Interessen unterhöhlt zu werden.

Menschen mit angeborenen Schwierigkeiten kosten Geld, ganz klar, und was liegt da näher, als Effizienzkriterien in die Welt zu setzen? Ohne sie würde jedoch der Grundkonsens über den universellen Wert des menschlichen Lebens keiner Erwähnung wert sein.

Was mich aber besonders erschreckt hat, ist, daß selbst basale Umgangsformen von einem ansonsten sich sehr eloquent gebenden Member unterschritten wurden. Jemanden, den man den eigenen Erörterungen nicht gewachsen wähnt, zu ignorieren erscheint mir akzeptabel, ihn zu beleidigen, muß Sanktionen nach sich ziehen.

kido
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Fr 2. Jul 2004, 16:09 - Beitrag #3

basieren die eigenen Überzeugungen und die gesellschaftlichen Werte nicht auf etwas, das einem nur über den Weg des abstrakten Philosophierens zugänglich gemacht werden kann? Erst damit bekomme ich einen Blick für das Ganze und sehe Zusammenhänge.
Konkrete Beispiele erfüllen in dem Zusammenhang imo nur den Sinn, mir das Abstrakte greifbarer und verständlicher zu machen, aber Philosophie überschreitet imho die Grenzen des Konkreten.
Das erst befreit den Geist aus seinen eigenen eingefahrenen Schemata.

Maurice
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Fr 2. Jul 2004, 17:09 - Beitrag #4

Philosophie und Alltag

Philosophie ist die Entfremdung vom Alltag. Eine Entfremdung, die uns von jenem distanziert und neue Perspektiven und zum denken ermöglicht. Wenn wir dann wieder zum Alltag zurückkehren, sehen wir diesen mit anderen Augen.
Aber die Philosophie ist auch nicht ohne Gefahren, kann man sich doch in sie verirren und sogar verlieren. Behalte den immer Alltag im Auge. Führe einen Faden mit dir, wenn du ins Labyrinth hinabsteigst. Was aber tun, wenn die Philosophie zum Alltag geworden ist?

Die Antwort hierauf lässt sich streiten, aber mein Urteil darüber lautet: Umso besser! Wenn die Philosophie nicht mehr nur als eine Distanzierung vom Alltag dient, um die Welt von einer anderen Perpektive zu sehen, sondern selbst Teil ds Altags geworden ist, stellt die Philosophie keine Entfremdung mehr von diesem dar. Ein kritischer Geist hinterfragt meiner Ansicht nach ständig, was aber nicht heißen muss, dass er ständig alles ernsthaft in Frage stellt.
Die Trennung zwischen Alltag und Philosophie ist außerdem nicht so strickt, wie man anfänglich meinen mag. Denn alles was wir denken und tun basiert auf philosphischen Sichtweisen, selbst wenn man sich diesen nicht bewusst ist. Philosophieren bedeutet auch sich über sein eigenes Denken bewusster zu werden, und nur das Bewusstsein über sein Denken kann auch zu bewussten Handeln führen. Niemand muss zum Skeptiker werden um Philosophie zu betreiben, aber man sollte imo sovieles wie mindestens einmal wirklich auf die Prüfung stellen.

Ich habe den besagten Thread bisher noch nicht gelesen, werde es aber noch tun um zu sehen, auf was Traitor anspricht und gegebenen Falls dazu Stellung zu beziehen.

Abschließend möchte ich noch einen Satz sagen: Man kann nie genug Philosophie betreiben, die einzige Frage die sich stellt, ist das Wie.

the hui
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Fr 2. Jul 2004, 19:50 - Beitrag #5

Da spricht der Traitor wahres, der thread mit dem ausziehen ist ganz schön heftig. Aber bei Maurice seinem Thread ist es doch auch so, alle erzählen von dingen die wahren ,die man falsch gemacht hat und hätte ändern können.Sie stochern in der Vergangenheit rum, anstatt auf das hier und jetzt zu achten, vielleicht han sie nur keine Ideen für die Fragestellungen/Probleme der Betroffenen, ich weiß es nicht, aber sowas werden wir oder auch anderen werden es nicht ändern können, es ist sehr traurig , aber was will man machen?

Maurice
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Fr 2. Jul 2004, 20:58 - Beitrag #6

Also was mein "Jemanden zum reden"-Thread mit der Sache zu tun hat, ist mir schleiherhaft. :confused:
Wenn ich Traitor richtig verstanden habe, stört es ihn, dass außerhalb der Philosophie-Sektion, die kritischen Praktiken derer übernommen wird, nämlich theoretisch alles in Frage zu stellen. Aber Traitor ich bin ganz ehrlich, wenn der Abtreibungs-Thread unter Diskussionen stehen würde, hätte ich die gleichen Argumente gebracht wie hier. Wie gesagt bei mir herrscht keine Trennung zwischen Philosophie und Alltag. :D

Noch ganz kurz Hui: Das "rumstochern" in meiner Vergangenheit sehe ich in dem besagten Thread nicht als Angriff, ich erzähle ja auch recht freizügig über das Problem. Ich gebe auch persöhnliche Dinge preis und das von mir aus, und nicht weil mich dazu jemand bedrängt. Was ich nicht erzählen will, das erzähle ich auch nicht. Außerdem liegen die Wurzeln von psychischen Problemen doch meist auch in der Vergangenheit.
Aber das gehört auch imo nicht hierher, deshalb solltest du mögliche Kritik auch in den entsprechenden Thread posten. Hier geht es primär um Philosophie. :)

Kacktus
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Fr 2. Jul 2004, 22:05 - Beitrag #7

...einige Menschen scheinen unfähig oder unwillig zu sein, auch mal das Philosophieren über die absoluten Grundlagen sein zu lassen, einige moralische Grundsätze unserer Gesellschaft als gegeben anzusehen und auf deren Grundlage in einem praktischen Fall zu argumentieren, anstatt sie gleich wieder zu hinterfragen.


Meiner Erfahrung nach ist der Anteil der Menschen, die in in ihrem Denken ganz und gar festgefahren und zu gesundem Zweifeln gar nicht fähig zu sein scheinen viel größer. Und wer beschäftigt sich in seiner Freizeit denn schon so ausgiebig mit Philosophie? Wohl ein minimaler Prozentsatz....
Klar man sollte man sollte in 'philosophie-fremden' Diskussionen vielleicht nicht allzutief am gemeinhin anerkannten Denkgerüst rütteln, aber behutsames Hinterfragen verbunden mit einem konstruktiven Vorschlag kann doch imo einer Diskussion nicht sonderlich schaden,oder?

Maurice
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Fr 2. Jul 2004, 23:07 - Beitrag #8

Diskussionsrahmen

Ich denke man sollte in einem Thread, in dem es auch um Wertegrundsätze geht, festlegen ob dieser allein im Rahmen unseren gesellschftlichen Wertevorstellungen stattfinden soll, oder ob dies offen ist. Wenn nicht explizit gesagt wird, dass die gestellte Thematik nur unter den in unserer Gesellschaft offizell herrschenden Wertevorstellungen geführt werden soll, heißt das für mich, dass dieser Rahmen nicht festgelegt ist.
Für die meisten dürfte es wohl gerade anders herum sein, aber die meisten hier im Forum beschäftigen sich wohl auch eher weniger mit Philosophie. ^^

trop
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Fr 2. Jul 2004, 23:11 - Beitrag #9

Denke auch, dass man sich bei Philosophie absolut nicht auf die abstrakten Fragen beschrenken sollte, sondern den Schwerpunkt auf Alltagssituationen, Verhalten etc. legen sollte.
Die abstraktesten Fragen können in absehbarer Zeit eh nicht beantwortet werden (Warum leben wir?) oder wurden schon wissenschaftlich belegt (Warum sehen wir Farben?)

Maurice
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Fr 2. Jul 2004, 23:18 - Beitrag #10

Philosophie in der Praxis

Warum du lebst? Weil deine Eltern ge*piep* haben. :D

Ich plädiere auch dafür bei der Philosophie die Praxis immer im Auge zu behalten. Es sollte wenn möglich immer die Frage präsent sein "Warum mache ich mir darüber Gedanken? Was für eine Relevanz hat die Antwort für mich?". Pad und mach anderer würde mir hier wohl wiedersprechen, aber Philosophie sollte imo nicht allein wegen des Philosophierens betrieben werden, also allein auf der Suche nach "der Wahrheit", sondern nach befriedigenden und stimmig erscheinenden Antworten. Ja wenn Philosphie nur der Wahrheitsfindung dienen sollte, was sollen dann die armen Skeptiker machen, die meinen die Wahrheit sei unauffindbar? ;)
Aber auch wenn die Praxis im Mittelpunkt steht oder auch oft gerade weil, darf man wenn man die Sache ernst nimmt nicht nur an der Oberfläsche kratzen und die Grundlagen nicht hinterfragen.

Artanis
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Sa 3. Jul 2004, 03:25 - Beitrag #11

Ich habe die Aussage dieses Threads zur Kenntnis genommen und bereits meine Konsequenzen daraus gezogen. Ich werde meine Beiträge künftig auf ein Mindestmaß reduzieren, sofern ich überhaupt noch weiter poste (Davon ausgeschlossen ist momentan 1 Thema, da es sich dort um einen mir wichtigen Dialog handelt), des weiteren werde ich, sollte meine Entscheidung dahingehend fallen mich weiter zu äußern - sollte dem nicht so sein, werde ich die Moderation von der zukünftigen Inaktivität meines Accounts unterrichten - jedes Gespräch unverzüglich beenden und dieses durch "/leaves Thread" kenntlich machen, was die Bitte impliziert von direkten an mich gerichteten Fragen oder Aussagen abzusehen, sofern der Rahmen für mich akzeptable Parameter missen lässt, was soviel heißt wie die Unkenntnis meiner Gesprächspartner - bzw. deren Unfähigkeit von gängigen Wertesystemen Abstand zu nehmen, sofern diese nicht explizit als gegeben vorausgesetzt wurden - eine Diskussion auf hohem Niveau unmöglich macht.

Maurice
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Sa 3. Jul 2004, 11:05 - Beitrag #12

Jetzt reagier mal auch nicht ganz über. Ich weiß ja nicht, was dir die Mods für einen Brief geschickt haben, aber ich denke, dass darin vor allem deine Ausdrucksweise kritisiert wurde, die du in dem einen Thread geäußert hast. Meiner Ansicht trägst du nicht die alleinige Schuld für das Chaos in dem besagten Thread, doch solltest du dich auf keinen Fall nur als Opfer sehen. Hier verbietet dir bestimmt niemand deine Meinung nicht mehr zu äußern, aber der Ton spielt die Musik.

janw
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Sa 3. Jul 2004, 11:50 - Beitrag #13

Lieber, werter Artanis!

In dem besagten thread habe ich Dir als letzter die Meinung gesagt, und als erster reiche ich Dir die Hand zur Versöhnung.
Ich möchte gerne weiter Deine kritische Haltung zu vielen gesellschaftlichen Vorgängen hier lesen, denn sie gehört genauso in das Spektrum wie das offensive oder resignative Bekenntnis zum laissez-faire.
Ich würde mich also freuen, weiter Deine eloquenten Beiträge zu lesen, vielleicht mit etwas stärkerer Trennung zwischen der Bewertung der Position und der der sie äußernden Person.

janw

Artanis
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Sa 3. Jul 2004, 14:18 - Beitrag #14

Ich reagiere nicht über, ich ziehe längst überfällige Konsequenzen. Ich gebe zu, dass ich sehr schnell die Geduld verliere, wenn ich merke, dass meine Gesprächspartner sich in einer TRaumwelt bewegen und kein Argument, nicht einmal Statistiken der BZgA, als Argument gelten lassen, selbst allerdings einzig ihre unfundierte persönliche Meinung einbringen... Auch bin ich nicht gewillt, mich weiter mit Menschen zu streiten, die aus welchem Grund auch immer, nicht in der Lage sind vom westlichen Humanwertesystem Abstand zu nehmen und einen Sachverhalt aus anderen Perspektiven zu betrachten...
Ich poste hier allerdings nicht um mich bemitleiden zu lassen, oder mich als Opfer darzustellen. Davon abgesehen frage ich mich was wohl berechtigter ist, anhand des Wortschatzes, der Argumentationsstruktur und des Argumentgehalts auf eine Person zu schließen, oder einzig deshalb, welche Position diese Person momentan vertritt. Zufälligerweise habe ich hier noch nie in einer Diskussion, welche ausgeartet ist, meine Meinung vertreten sondern immer nur einen möglichen Standpunkt.
Da frage ich mich allen Ernstes, wer hier oberflächlich ist...
Meine Meinung zu vertreten ist wohl keine Herausforderung, schließlich habe ich die nicht ohne Grund, eine konträre Position allerdings einzunehmen und diese zu vertreten und das mit plausiblen Argumenten, das ist Kunst... Ist es nicht erbärmlich, dass mir, als vermeintlichem Abtreibungsbefürworter, 50 mal so viele qualitativ hochwertigen Argumente gegen diese einfallen, als allen anderen Involvierten zusammen? Das würde mir zu denken geben...
Und was lese ich, DAS KIller-Argument, "Die Bevölkerungszahlen schrumpfen, wenn wir die Abtreibung öfter anwenden" und darauf soll ich sachlich antworten?
Nein, sicher nicht, ich habe einen Anspruch und diesen werde ich nicht der Höflichkeit unterwerfen.

janw
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Sa 3. Jul 2004, 15:27 - Beitrag #15

Nun, Artanis, dann bin ich auf Deine inhaltliche Äußerung zu meinem Beitrag gespannt.
Übrigens habe ich öfters mich gefragt, ob Deine Beiträge Deine Meinung repräsentieren, offenbar tun sie es oft genug nicht. Was ist Deine wirkliche Meinung? Welche sind Deine 50 Argumente gegen die Abtreibung?

Traitor
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Mo 5. Jul 2004, 12:40 - Beitrag #16

@Maurice:
Wenn nicht explizit gesagt wird, dass die gestellte Thematik nur unter den in unserer Gesellschaft offizell herrschenden Wertevorstellungen geführt werden soll, heißt das für mich, dass dieser Rahmen nicht festgelegt ist.
Wenn es in einer Diskussion darum geht, eine Lösung für ein praktisches Problem zu finden, sollte klar sein, dass diese nur innerhalb des gesellschaftlich durchführbaren und für den Fragenden, der zu dieser Gesellschaft gehört, tragbaren liegen kann.

Generell halte ich es auch für wichtig, sich stets bewusst zu sein, dass die Grundlagen, derer man sich bedient, nicht absolut sind und hinterfragbar sind. Aber dieses Bewusstsein sollte reichen; wenn man sie dann auch wirklich bei jedem Gedankengang und jeder Diskussion aufs Neue in Frage stellt, dann macht man doch nie Fortschritte, sondern kreist endlos um nicht eindeutig klärbare Grundsatzprobleme (eben die Natur der Philosophie), ohne zu praktischen Ergebnissen zu kommen.
Meiner Erfahrung nach funktioniert Philosophie so, dass man sich Grundsatzfragen stellt, zu denen es mehrere mögliche Antworten gibt, und man sich nach langem Überlegen für sein Weltbild die heraussucht, für die es die meisten Indizien gibt und die am erfolgversprechendsten für auf sie aufgebaute Modelle erscheint. Mit dieser Antwort arbeitet man dann weiter und betrachtet sie solange als Axiom. Nur wenn es andere Indizien gibt oder der erhoffte Erfolg sich nicht einstellt, die auf ihr fußenden Modelle also nicht schlüssig sind, muss man zurück zum Anfang gehen und eine neue Antwort suchen.
Wenn die Philosophie nicht mehr nur als eine Distanzierung vom Alltag dient, um die Welt von einer anderen Perpektive zu sehen, sondern selbst Teil ds Altags geworden ist, stellt die Philosophie keine Entfremdung mehr von diesem dar.

Ich denke, die Philosophie kann nur in ausreichender Distanz zum Alltag überhaupt funktionieren. Um grundlegende Sachverhalte zu verstehen und Modelle aufzustellen, muss man sich vom konkreten Fall und seinen Unwägbarkeiten entfernen.
Beispiel "Wert eines Menschenlebens": würde man hier direkt mit dem Bunkerbeispiel anfangen, käme man wohl kaum zu einem sinnvollen Ergebnis, da die Sache paradox und unlösbar erscheint. Legt man sich jedoch zuerst ein abstraktes, auf allgemeinem Welteindruck basierendes Menschenbild zurecht, wendet dies dann auf das Beispiel an, korrigiert es bei Unzulänglichkeit usw., sehen die Chancen doch viel besser aus, zu einer tragbaren Lösung zu kommen.

@Kacktus: Sicher, das Gegenteil überwiegt. Aber wie in so vielen Fällen halte ich hier beide Extreme für gefährlich, ein gesundes Mittelmaß ist wünschenswert.

@Artanis: Wenn du diesen Thread anscheinend als persönlichen Angriff nimmst, ist das schade.

Artanis
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Mo 5. Jul 2004, 13:49 - Beitrag #17

@Traitor
Ich habe den Thread exakt so aufgefasst, wie er intendiert war, soweit mir das zu beurteilen möglich ist. Als Kritik und Anregung für die Zukunft. Ich habe diese Kritik angenommen und dementsprechend reagiert. Obschon die letztliche Entscheidung noch aussteht ist damit doch wohl das Anliegen der Moderation, in diesem Fall das deine, erfüllt. Ich denke allerdings, dass meine Einstellung, anhand meiner zwei Postings hier und dem thematisierten Thread, nachvollziehbar ist, sollte ich mich indes irren, so werde ich unverzügliche Konsequenzen ergreifen.

Traitor
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Mo 5. Jul 2004, 15:41 - Beitrag #18

Intendiert war der Thread nicht als spezielle Reaktion auf die auslösende Diskussion, sondern als Kommentar zu einem allgemeinen Verhalten, dass ich bei anderen Leuten, etwa Maurice, genauso sehe wie bei dir. Wie gesagt, gegen das Vertreten derartiger Positionen, mögen es die deinen sein oder nicht, im Philosophie- oder Politikforum ist wenig einzuwenden.

Maurice
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Mo 5. Jul 2004, 17:42 - Beitrag #19

Philosphie ist nicht nur Grundlagendiskussion

Original geschrieben von Traitor
würde man hier direkt mit dem Bunkerbeispiel anfangen, käme man wohl kaum zu einem sinnvollen Ergebnis, da die Sache paradox und unlösbar erscheint

Für dich vielleicht, aber ich habe mit solch einem solchen Gedankenexperiment kein Problem, weil ich mir angesichts dieses nciht erst Gedanken über die Lösung machen muss, weil ich in diesem Fall schon ein Konzept vorzuweisen habe, mit dem ich das Problem aus meiner Sicht lösen kann. Was kann ich dafür, wenn manche mit ihrer Moralvorstellung in so einem Fall ins stolpern bekommen? Zeigt das doch nur, dass sie sich über das Thema bisher zuwenig Gedanken gemacht haben.

Und nein Philosphie ist nicht nur das Hinterfragen von Grundlagen, da scheint bei dir ein falscher Philosophie-Begriff vorzuliegen. Ein "Der Fürst" von Machiavelli oder "Utopia" von Thomas Morus stellen z.B. ein Staatsmodell dar ohne vorher erst Fragen zu behandeln wie "was können wir wissen?". Man kann durchaus Prinzipien unhinterfragt als Grundlage zu philosophischen Überlegungen benutzen, nur wenn nun mal die Grundlagen thematisiert werden, ist es naheliegend, dass eben auch diese thematisiert werden. Wenn also über Abtreibung diskutiert wird und Moral thematisiert wird, dann halte ich es nur für naheliegen, auch diese zu thematisieren.

Traitor
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Mi 7. Jul 2004, 00:51 - Beitrag #20

weil ich in diesem Fall schon ein Konzept vorzuweisen habe, mit dem ich das Problem aus meiner Sicht lösen kann.
Genau das meine ich doch: man sollte sich ein auf Grundsatzüberlegungen fußendes System erarbeiten und dies dann auf Beispiele, Gedankenexperimente und konkrete Situationen anwenden, nach diesen gegebenfalls modifizieren, aber nicht in jeder Situation komplett neu entwickeln.

Natürlich muss Philosophie nicht permanent die Grundlagen hinterfragen (wobei ich Machiavelli und Morus aber auch nicht als echte Philosophen bezeichnen würde, sondern eben als Staatstheoretiker der politischen Prägung, im Gegensatz zu denen philosophischer Prägung wie Hobbes oder Rousseau).
Allerdings betrachte ich das Thema "Abtreibung", bzw den speziellen Fall, ob jemand in einer konkreten Situation abtreiben sollte, nicht als "Thematisierung von Grundlagen", wo diese unbedingt hinterfragt werden sollten, sondern als deren Anwendung, bei denen man sie nicht hinterfragen sollten, wenn sich nicht aus den praktischen Konsequenzen Probleme mit diesen ergeben.

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